Beteiligte
Sächsische Landwirtschaftliche Alterskasse |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. September 2000 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Ausgleichsgeld nach dem Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) zu leisten hat.
Der am 1. November 1941 geborene Kläger war seit 1960 in der Landwirtschaft tätig und zuletzt (seit 1991) als Traktorist bei der „A.” (AFeG) abhängig beschäftigt. Die AFeG hatte nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) in den Jahren 1993 bis 1997 an der konjunkturellen Flächenstillegung iS der EWG-Verordnung Nr 1765/92 teilgenommen. Die Gesamtfläche, die Stillegungsfläche, die jeweils in den einzelnen Jahren hinzugekommene Stillegungsfläche sowie die Beschäftigtenzahl gehen aus folgender Aufstellung hervor:
|
Gesamtfläche in ha |
Stillegungsfläche in ha |
hinzugekommene Stillegungsfläche in ha |
Beschäftigtenzahl zuzüglich einer Teilzeitkraft |
1993 |
964,02 |
102,82 |
102,82 |
50 |
1994 |
964,96 |
103,10 |
0,28 |
43 |
1995 |
913,87 |
107,09 |
3,99 |
37 |
1996 |
904,84 |
148,13 |
41,04 |
29 |
1997 |
901,64 |
54,79 |
0 |
19 |
Mit Schreiben vom 14. November 1996 kündigte die AFeG das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 15. Dezember 1996 „aufgrund der Ihnen bereits bekannten Reduzierung der Anbaufläche im Unternehmen”. Der Kläger beantragte daraufhin am 7. Dezember 1996 bei der Beklagten Ausgleichsgeld. Seinem Antrag legte er eine Bescheinigung der AFeG bei, wonach sein Arbeitsverhältnis wegen einer Stillegung von Ackerflächen im Jahr 1996 von 148,13 ha bei einer Gesamtfläche von 913,87 ha beendet worden sei. Mit Bescheid vom 15. Dezember 1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1998 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Entlassung des Klägers sei nicht durch Stillegung von landwirtschaftlichen Nutzflächen verursacht worden.
Mit Urteil vom 12. Mai 1999 wies das Sozialgericht (SG) Dresden die Klage ab. Die von der AFeG gegebene Bescheinigung reiche nicht für den Nachweis der Ursächlichkeit der Flächenstillegung aus. Die Zahl der ausgeschiedenen Mitarbeiter habe nicht dem Verhältnis der in den einzelnen Jahren neu stillgelegten Flächen zur Gesamtbetriebsfläche entsprochen. Auch der zeitliche Abstand zwischen Stillegung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sowie Art und Umfang der Beschäftigung des Klägers (in der Viehproduktion) sprächen dagegen, daß sein Arbeitsplatz durch Flächenstillegung fortgefallen sei. Schließlich habe die AFeG 1996 nur noch vier Schlepperfahrer und zwei Auszubildende beschäftigt, 1997 dagegen fünf Schlepperfahrer und einen Auszubildenden. Damit sei der Arbeitsplatz des Klägers nicht weggefallen, sondern nur neu besetzt worden.
Auch die Berufung des Klägers zum Sächsischen LSG hatte keinen Erfolg (Urteil vom 21. September 2000). Das LSG hat ausgeführt, dem Kläger stehe Anspruch auf Ausgleichsgeld deswegen nicht zu, weil seine Beschäftigung – anders als in § 9 Abs 1 FELEG gefordert – nicht „auf Grund” von Flächenstillegungen geendet habe. Wie auch sonst im Sozialrecht sei der Ursachenzusammenhang im FELEG nach der Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung zu beurteilen. Die Ursächlichkeit zwischen Flächenstillegung und Ende der Beschäftigung sei hier zu verneinen. Die Frage nach dem zeitlichen Zusammenhang und nach dem Kriterium der Proportionalität sei hier letztlich unerheblich. Am inneren Zusammenhang zwischen der Flächenstillegung und der Entlassung des Klägers fehle es bereits deswegen, weil 1997 im Vergleich zum Vorjahr sogar ein Schlepperfahrer mehr beschäftigt worden sei. Ein stillegungsbedingter Arbeitsrückgang im Tätigkeitsbereich des Klägers sei daher zu verneinen. Im übrigen hat das LSG auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Revision macht der Kläger geltend, entgegen der Ansicht des LSG habe ein kausaler Zusammenhang zwischen der Flächenstillegung und seiner Entlassung „zum 15.12.1996” bestanden. An die Kausalität dürften keine strengen Anforderungen gestellt werden, vielmehr genüge Mitursächlichkeit. Für den Kausalitätsnachweis müsse die Bestätigung des Unternehmers genügen, daß der Verlust des Arbeitsplatzes auf die Stillegung zurückzuführen sei, es sei denn, es lägen konkrete Erkenntnisse darüber vor, daß die Angabe nicht der Realität entspreche. Solche Erkenntnisse seien hier nicht vorhanden. Aus der Tatsache, daß in der AFeG im Jahre 1997 die gleiche Anzahl von Schlepperfahrern wie 1996 beschäftigt worden sei, könne nicht geschlossen werden, daß eine Kausalität zwischen Stillegung und Entlassung des Klägers nicht gegeben sein könne. 1997 sei kein Schlepperfahrer neu eingestellt, sondern lediglich eine Arbeitskraft aus der Tierproduktion umgesetzt worden. Die Tätigkeitsfelder der einzelnen Berufsgruppen in einem Landwirtschaftsbetrieb mittlerer Größe könnten nicht in dem Maße abgegrenzt werden, wie in anderen Wirtschaftsbereichen. Auch wenn bei der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers insgesamt mehr Arbeitnehmer entlassen worden seien, als dies proportional dem Verhältnis zwischen Gesamtfläche und stillgelegter Fläche entsprochen habe, sei nicht einsehbar, warum automatisch für die zuletzt Entlassenen wegen „Quotenüberschreitung” eine Kausalität zwischen Stillegung und Entlassung verneint werde.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. September 2000 sowie des Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 12. Mai 1999 sowie des Bescheides der Beklagten vom 15. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1998 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Januar 1997 Ausgleichsgeld zu bewilligen.
Die Beklagte hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausgleichsgeld, weil seine Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer nicht aufgrund von Flächenstillegung geendet hat.
Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 FELEG in der hier maßgebenden Fassung des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (≪ASRG 1995≫ vom 29. Juli 1994, BGBl I 1890) erhalten ua Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, ein Ausgleichsgeld, wenn
- ihre Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auf Grund dessen Stillegung (§ 2) oder Abgabe (§ 3) endet und
- sie in den letzten 120 Kalendermonaten vor der Antragstellung mindestens 90 Kalendermonate in Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des ALG, davon in den letzten 48 Kalendermonaten vor der Stillegung oder Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft mindestens 24 Kalendermonate in diesem Unternehmen hauptberuflich tätig gewesen sind.
Die Leistungen werden nach Satz 2 aaO frühestens ab Vollendung des 55. Lebensjahres, bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit ab Vollendung des 53. Lebensjahres, gewährt; das maßgebende Lebensjahr muß vor dem 1. Januar 1997 vollendet sein. Diese Vorschrift gilt gemäß § 13 Abs 1 Nr 6 FELEG entsprechend für Arbeitnehmer, deren Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft auf Grund einer Maßnahme nach Maßgabe von sonstigen (nicht in Nr 1-5 aaO genannten) EWG-rechtlichen Vorschriften hinsichtlich einer Stillegung landwirtschaftlicher Nutzflächen endet. Gemäß § 18c Abs 1 FELEG gilt § 9 FELEG für am 1. Juli 1990 im Beitrittsgebiet ansässige und rentenversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer mit der Maßgabe, daß auf die nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 2 FELEG erforderlichen Zeiten der Tätigkeit auch Zeiten der hauptberuflichen Tätigkeit in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, einem volkseigenen Gut oder einer vergleichbaren Einrichtung angerechnet werden. Nach § 22 Abs 3 FELEG sind die durch das ASRG 1995 erweiterten Tatbestände des § 13 Abs 1 FELEG ab 1. Januar 1995 (Art 48 Abs 1 ASRG 1995) auch dann anzuwenden, wenn sie bereits vor jenem Zeitpunkt erfüllt sind.
Der Rechtsbegriff „auf Grund” beschreibt nach allgemeinem juristischem Sprachgebrauch einen kausalen Zusammenhang. Nichts anderes gilt im Regelungszusammenhang des FELEG (vgl zu §§ 9, 13 FELEG bereits den Senatsbeschluß vom 18. März 1999 – B 10 LW 11/98 B –, auszugsweise abgedruckt in Neue Landwirtschaft – Briefe zum Agrarrecht 1999, 390 f). Das Gesetz verwendet diesen Begriff nicht nur in § 9 Abs 1 Nr 1 und § 13 Abs 1, sondern an zahlreichen weiteren Stellen (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 4, § 3 Abs 3, § 6 Abs 3 Satz 5 Nr 1, § 16 Abs 1). Die Bedeutung ist überall dieselbe. Zu Recht hat das LSG sie in der Forderung nach einem Kausalzusammenhang nicht lediglich im philosophisch-naturwissenschaftlichen Sinne (conditio sine qua non) erkannt. Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinn ist hier zwar notwendig, sie reicht für den Anspruch auf Ausgleichsgeld aber nicht aus.
Auf dem Gebiet der Sozialversicherung, insbesondere der Unfall– (BSGE 45, 176, 178 = SozR 2200 § 548 Nr 37), aber auch in der Kranken– (BSGE 33, 202, 204 = SozR Nr 48 zu § 182 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) und Rentenversicherung (BSGE 30, 167, 178 = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO), im Recht der sozialen Entschädigung (BSGE 79, 87, 88 = SozR 3-3800 § 2 Nr 5) und im Arbeitsförderungsrecht (BSGE 69, 108, 110 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 6) sowie beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 5. Mai 1988 – 12 RK 44/86 – SozSich 1988, 382) wird in ständiger, vom Schrifttum nahezu einhellig gebilligter Rechtsprechung die Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung angewandt, die in der Rechtsprechung auch als Theorie der „wesentlich mitwirkenden Ursache” bezeichnet wird (hierzu im einzelnen mit umfangreichen Nachweisen auch: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II S 480 ff, Stand: 1989 sowie Erlenkämper in: Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, 4. Aufl 1999, S 74 ff). Es gibt im Gesetz keinen Anhaltspunkt noch sonst einen sachlichen Grund, warum dies im Regelungsbereich des FELEG anders sein sollte. Die hierin geregelten Leistungen – die Produktionsaufgaberente für ältere landwirtschaftliche Unternehmer sowie das Ausgleichsgeld für ältere landwirtschaftliche Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige – mögen zwar vorwiegend agrarstrukturelle Ziele verfolgen (vgl die Antwort der Bundesregierung vom 7. Februar 1995 auf eine parlamentarische Kleine Anfrage, BT-Drucks 13/391 S 8) – sie sind aber Sozialleistungen: § 18 Abs 1 FELEG bestimmt die entsprechende Geltung der für die Alterssicherung der Landwirte maßgebenden Vorschriften des Ersten, Vierten und Zehnten Buches Sozialgesetzbuch; § 18 Abs 4 FELEG ordnet an, daß Streitigkeiten in Angelegenheiten dieses Gesetzes Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung sind und demgemäß nach § 51 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallen.
Daraus folgt: Bei der in § 9 Abs 1 FELEG geforderten Feststellung eines kausalen Zusammenhanges dürfen als Ursachen für das Ende der Beschäftigung eines landwirtschaftlichen Arbeitnehmers – unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes – nur die (naturwissenschaftlich wirksam gewordenen) Bedingungen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zu dem Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl das zur Veröffentlichung in SozR vorgesehene Urteil des Senats vom 9. August 2001 – B 10 LW 9/00 R –; ferner BSGE 1, 72, 76; Urteil des Senats vom 12. Juni 2001 – B 9 V 5/00 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Beurteilung, ob eine Bedingung wesentlich und deshalb (auch) rechtlich Ursache oder Mitursache ist, stellt eine Wertentscheidung dar (BSGE 69, 108, 113 = SozR 3-4100 § 119 Nr 6). Sie richtet sich nach der Qualität der Bedingung, die nicht davon abhängt, an welcher Stelle der Kausalkette sie steht. Insbesondere ist eine Bedingung nicht erst (oder schon) deshalb wesentlich, weil sie als letzte eingetreten ist und den Erfolg sichtbar gemacht hat (vgl BSGE 13, 40, 42 = SozR Nr 9 zu § 35 Bundesversorgungsgesetz). Entscheidend kommt es stets auf die Umstände des einzelnen Falles an (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 81). Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie sämtlich wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinn (BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO); ist eine der Bedingungen oder sind mehrere Bedingungen gemeinsam gegenüber anderen Bedingungen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur jene die wesentliche Bedingung und damit die Ursache im Rechtssinne der geltenden Kausalitätslehre (BSGE 12, 242, 245 f = SozR Nr 27 zu § 542 aF RVO).
Im vorliegenden Fall hat das LSG erkennen lassen, daß es bereits die Verursachung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn oder auch nur Mitverursachung der Entlassung des Klägers durch die vorangegangenen Stillegungsmaßnahmen verneint. Es hat sein Urteil auf die vom Kläger nicht mit wirksamen Rügen angegriffene Feststellung gestützt, die Tatsache, daß 1997 ein Schlepperfahrer mehr beschäftigt wurde als 1996, lasse darauf schließen, daß ein tatsächlicher Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers und somit ein stillegungsbedingter Arbeitsrückgang im Tätigkeitsbereich des Klägers, der bis zum Schluß als Schlepperfahrer beschäftigt war, nicht stattgefunden habe. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 163 SGG). Das gilt sowohl insoweit, als der Kläger die Feststellung angreift, daß in der AFeG 1997 tatsächlich ein weiterer Schlepperfahrer eingestellt wurde, als auch für den daraus gezogenen Schluß auf die Nichtursächlichkeit der Flächenstillegung für seine Entlassung. Soweit der Kläger insbesondere diese Schlußfolgerung angreift, rügt er allenfalls die Beweiswürdigung des LSG. Er zeigt aber keinen Verstoß gegen § 128 Abs 1 SGG, insbesondere keinen Verstoß gegen die Denkgesetze auf. Auf den Gesichtspunkt der Proportionalität von Flächenstillegung und entlassenen Arbeitskräften hat das LSG seine Entscheidung nicht gestützt, so daß auf die Einwendungen des Klägers insoweit nicht weiter einzugehen ist. Eine Bindung der Beklagten an die Bescheinigung der AFeG vom November 1996 ist nirgendwo rechtlich verankert. Insbesondere sind die Gerichte nicht an diese Bescheinigung gebunden (§ 128 Abs 1 SGG).
Da nach allem mit dem LSG schon vom Fehlen einer Mitursächlichkeit zwischen Flächenstillegung und Entlassung des Klägers auszugehen ist, kann erst recht kein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen beiden Tatsachen angenommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen