Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Nachentrichtung für Altersruhegeldempfänger
Leitsatz (redaktionell)
Nach bindender Bewilligung des Altersruhegeldes dürfen freiwillige Beiträge nach AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 für Zeiten vorher nicht mehr nachentrichtet werden, auch wenn der Versicherungsfall vor dem 1972-10-19 eingetreten ist.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 49a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 51a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; AVG § 10 Abs. 2a S. 2 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1233 Abs. 2a S. 2 Fassung: 1972-10-16, § 1418 Fassung: 1957-02-23; AVG § 140 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Februar 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin berechtigt ist, Beiträge zur Angestelltenversicherung (AnV) gem. Art. 2 § 49 a Abs. 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) i. d. F. des Art. 2 § 2 Nr. 14 des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965) nachzuentrichten.
Die Klägerin, für die von Oktober 1928 bis September 1933 Pflichtbeiträge zur AnV entrichtet worden waren, entrichtete von 1953 bis 1956 und von 1963 bis Januar 1970 freiwillige Beiträge zur AnV. Ab 1. Februar 1970 gewährte ihr die Beklagte das Altersruhegeld wegen vollendeten 65. Lebensjahres.
Mit Bescheid vom 16. Februar 1973 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG ab. Sobald ein Altersruhegeld bindend bewilligt worden sei, sei es nicht zulässig, freiwillige Beiträge für Zeiten vor dem Beginn des Altersruhegelds zu entrichten (§ 10 Abs. 2 a des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - i. d. F. des Art. 1 § 2 Nr. 4 b RRG).
Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 6. August 1973; Urteile des Sozialgerichts - SG - Duisburg vom 3. April 1974 und des Landessozialgerichts - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Februar 1975). Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG i. d. F. des Art. 2 § 2 Nr. 14 RRG i. V. m. § 10 Abs. 1 und 2 a Satz 2 AVG i. d. F. des Art. 1 § 2 Nr. 4 b RRG.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Urteile des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Februar 1975 und des SG Duisburg vom 3. April 1974 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 1973 aufzuheben und die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von 1957 bis 1962 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Nach der hier allein maßgeblichen Vorschrift des Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG (= Art. 2 § 51 a Abs. 2 RVO) i. d. F. des Art. 2 § 2 Nr. 14 RRG können Personen, die nach § 10 AVG (= § 1233 Reichsversicherungsordnung - RVO -) zur freiwilligen Versicherung berechtigt sind, auf Antrag abweichend von den Regelungen des § 140 AVG (= § 1418 RVO) freiwillige Beiträge für Zeiten vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1973, die noch nicht mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung belegt sind, in der Weise nachentrichten, daß ein Beitrag für einen Monat erst dann entrichtet werden darf, wenn alle späteren Monate bereits mit Beiträgen belegt sind. Der Beitrag für einen Monat darf nicht höher sein als der geringste für einen späteren Monat nachentrichtete Beitrag. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben es der Klägerin verwehrt, nach dieser Vorschrift freiwillige Beiträge nachzuentrichten, weil sie nicht zu dem berechtigten Personenkreis des § 10 Abs. 1 Satz 1 AVG nF gehöre. Sie könne deshalb keine freiwilligen Beiträge entrichten, weil der das Altersruhegeld bewilligende Bescheid der Beklagten vom 14. April 1970 bindend geworden sei und nach § 10 Abs. 2 a Satz 2 AVG aF nach eingetretener Bindungswirkung des Altersruhegeldbescheids eine freiwillige Versicherung auch für Zeiten vor dem Rentenbeginn ausdrücklich ausgeschlossen sei. Das LSG führt für seine Auslegung des Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG zwei Gründe an: Den Wortlaut dieser Vorschrift und das jede Versicherung beherrschende Prinzip, daß sich ein bereits eingetretenes Risiko nachträglich nicht mehr versichern läßt.
Wenngleich vieles für diese Ablehnungsgründe spricht, kann dies hier jedoch unentschieden bleiben. Das Begehren der Klägerin, Beiträge nach Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG nachzuentrichten, scheitert nämlich bereits aus folgendem Grund: Als die Klägerin die Nachentrichtung von Beiträgen nach dieser Vorschrift beantragte, bezog sie ab 1. Februar 1970 das Altersruhegeld. Damit fehlte es im Zeitpunkt der Antragstellung an einer Voraussetzung, von der Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen abhängig macht. Diese Regelung knüpft an die Berechtigung zur freiwilligen Weiterversicherung nach § 10 AVG an. § 10 Abs. 2 a Satz 1 AVG in der Neufassung durch das RRG bestimmt, daß nach Erreichung der Altersgrenze für ein Altersruhegeld eine freiwillige Versicherung nach den Abs. 1 und 1 a derselben Vorschrift u. a. nur dann zulässig ist, wenn der Versicherte ein Altersruhegeld aus der Rentenversicherung für Angestellte nicht bezieht. Nach § 10 Abs. 2 a Satz 2 AVG gilt Abs. 1 dieser Vorschrift nach bindender Bewilligung eines Altersruhegeldbescheids auch nicht für Zeiten vor Beginn des Altersruhegelds. Allerdings ist die Regelung des § 10 Abs. 2 a AVG erst am 19. Oktober 1972 in Kraft getreten (vgl. Art. 6 § 8 Abs. 2 RRG). Sie betrifft daher nur die Versicherungsfälle, die seit diesem Zeitpunkt eingetreten sind (BSG SozR Nr. 68 zu § 1251 RVO; SozR 5070 § 10 Nr. 2). Der Altersversicherungsfall der Klägerin ist dagegen schon im Februar 1970 eingetreten. Es ist aber zu beachten, daß die Regelung des Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG am gleichen Tage wie diejenige des § 10 Abs. 2 a AVG in Kraft getreten ist. Wenn somit erst von diesem Tage an die Möglichkeit zu einer Nachentrichtung von Beiträgen eröffnet werden sollte und der Gesetzgeber hinsichtlich der Voraussetzungen für die Wahrnehmung dieser Möglichkeit uneingeschränkt auf die Regelung des § 10 AVG verwiesen hat, so liegt es nahe, daß auch die Verbotsnorm des § 10 Abs. 2 a AVG für die Berechtigung zu einer Nachentrichtung von Beiträgen vom Tage des Inkrafttretens des Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG an zu berücksichtigen ist. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum bei im übrigen gleichen Voraussetzungen die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG für Versicherungsfälle vor dem 19. Oktober 1972 anders zu beurteilen sein sollte als für Versicherungsfälle, die erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind. Bestätigt wird diese Auslegung des Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG durch Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift. Danach steht der Eintritt des Versicherungsfalls nach § 25 AVG (= § 1248 RVO) vor dem 1. Januar 1973 einer Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 49 a Abs. 1 Satz 1 AnVNG nicht entgegen. Für Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG fehlt eine entsprechende Regelung. Hätte der Gesetzgeber für Abs. 2 dieser Vorschrift eine andere Rechtsfolge als für Abs. 1 Satz 2 anordnen wollen, so hätte dies einer Klarstellung bedurft (ebenso: Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1976 - 12 RK 13/76 -, zur Veröffentlichung bestimmt).
Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, § 10 Abs. 2 a Satz 2 AVG nF verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, bedarf es hierzu keiner Prüfung und Entscheidung. Dies erübrigt sich deshalb, weil die für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ohnehin als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Nachentrichtung von Beiträgen nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen