Leitsatz (amtlich)
Das Recht zur Weiterversicherung nach WGSVG § 9 und zur Nachentrichtung von Beiträgen nach WGSVG § 10 steht auch Verfolgten zu, die bis zum Beginn der Verfolgung eine Ersatzzeit nach RVO § 1251 Abs 1 Nr 1 (hier: Arbeitsdienst) zurückgelegt haben.
Normenkette
WGSVG § 9 S. 1 Fassung: 1970-12-22, § 10 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1970-12-22, § 12 S. 1 Fassung: 1970-12-22, § 13 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1970-12-22; RVO § 1251 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 28 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 8. April 1975 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger berechtigt ist, gemäß § 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsgesetzes (WGSVÄndG) vom 22. Dezember 1970 (BGBl I 1846) Beiträge nachzuentrichten.
Der Kläger verlobte sich vor dem Inkrafttreten der sogenannten Nürnberger Gesetze mit einer Jüdin. Im Juli 1937 wanderte seine Verlobte nach Argentinien aus. Der Kläger folgte ihr am 29. November 1937 und schloß mit ihr im Oktober 1938 in Buenos Aires die Ehe. Aufgrund dieses Sachverhalts wurde er als Verfolgter i.S. des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt. Vor seiner Auswanderung war er bis zum 31. März 1937 bei der Firma L., B., & Co versicherungspflichtig beschäftigt. Diese Beschäftigung gab er auf, um seiner Arbeitsdienstpflicht nachzukommen. Eine spätere Fortsetzung der Tätigkeit bei dieser Firma war nicht beabsichtigt. Die Arbeitsdienstzeit dauerte bis Oktober 1937.
Im August 1971 stellte der Kläger den Antrag, ihn gemäß § 10 WGSVG zur Nachentrichtung von Beiträgen zuzulassen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 6. Juni 1972 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1973). Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei nicht, wie § 10 WGSVG dies voraussetze, zu einer freiwilligen Weiterversicherung nach § 9 WGSVG berechtigt. Er habe im März 1937 seine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung weder aus Verfolgungsgründen aufgegeben noch habe er bis zum Beginn der Verfolgung eine Ausfallzeit i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zurückgelegt. Die Klage mit dem Ziel einer Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen hat das Sozialgericht (SG) angewiesen (Urteil vom 26. Februar 1974). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 6. Juni 1972 und 13. April 1973 verurteilt, den Kläger zu einer Nachentrichtung von Beiträgen zuzulassen (Urteil des LSG vom 8. April 1975). Das LSG hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe zwar bis zum Beginn seiner Verfolgung nicht, wie § 9 Abs. 1 WGSVG dies voraussetze, eine Ausfallzeit, sondern eine Ersatzzeit zurückgelegt. Er sei aber dennoch dem zur Weiterversicherung berechtigten Personenkreis zuzurechnen. Der Gesetzgeber habe als Überbrückungstatbestand zwischen versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit und Verfolgung bestimmte Ausfallzeiten genügen lassen, um die zeitliche Verbindung zur Verfolgtenersatzzeit herzustellen und aufgrund dessen eine Beitragsnachentrichtung oder freiwillige Versicherung nach Sonderrecht zu gewährleisten. Es entspreche dann aber der Gesamtkonzeption des WGSVG, daß diese Rechtsfolge erst recht bei einer zwischenzeitlichen, auch rentenrechtlich stärker wirkenden Ersatzzeit eintrete. Der Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 1 WGSVG bleibe hinter dem zurück, was der Gesetzgeber wirklich gewollt habe, sei also lückenhaft. Auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art müsse § 9 Abs. 1 WGSVG daher analog angewandt werden. Dieses Ergebnis werde auch durch die Entwicklungsgeschichte zum WGSVG nahegelegt.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 9 und 10 WGSVG. Sie meint, das WGSVG selbst gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Nichteinbeziehung von Ersatzzeiten im Rahmen der Regelung der §§ 10 und 9 WGSVG auf einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes beruhe. Das LSG habe die Entwicklungsgeschichte zu diesem Gesetz überbewertet und im übrigen übersehen, daß der Gesetzgeber anläßlich der letzten Änderung des WGSVG durch das 18. Rentenanpassungsgesetz (RAG) mit der Einfügung des § 10 a zwar den Kreis der zu einer Nachentrichtung von Beiträgen berechtigten Personen erweitert, Fallgestaltungen der vorliegenden Art jedoch nicht in diese Erweiterung einbezogen habe. Der Auffassung des LSG, daß eine Ersatzzeit im Rahmen der Regelung des § 9 Abs. 1 WGSVG als Überbrückungstatbestand erst recht genügen müsse, wenn dazu nach dem Wortlaut dieser Vorschrift schon eine Ausfallzeit ausreiche, sei entgegenzuhalten, daß Ausfallzeiten und Ersatzzeiten aufgrund des unterschiedlichen Charakters beider Rechtsinstitute nicht vergleichbar seien.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Dem Urteil des LSG ist in vollem Umfang zuzustimmen. Es hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger ein Recht zur Weiterversicherung nach § 9 WGSVG zustand und er deshalb auch gem. § 10 Abs. 1 WGSVG zur Nachentrichtung von Beiträgen in dem nach dieser Vorschrift zulässigen Umfang berechtigt war. Der Senat schließt sich der Auffassung des LSG an, daß eine Ausdehnung des Wirkungsbereichs der Vorschrift des § 9 WGSVG über den Wortlaut hinaus geboten ist. Der Wortlaut umfaßt nur zwei Fallgruppen, die Unterbrechung oder Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung durch Verfolgung und die aufeinanderfolgende Kette von Beschäftigungsverhältnis und Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 1 Nrn. 1, 2 oder 3 AVG (= § 1259 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 3 RVO) - Krankheit, Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit - und Verfolgung. Der Fall der Aufeinanderfolge von Beschäftigung, Ersatzzeiten - hier nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (§ 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO) i.V.m. § 3 Abs. 1 Buchst. i des Bundesversorgungsgesetzes -BVG- und Verfolgung ist nicht erwähnt. Mit der gesetzlichen Festlegung, daß nicht nur die unmittelbare Unterbrechung von Beschäftigungsverhältnissen durch Verfolgung die Rechte aus den §§ 9 und 10 WGSVG begründet, trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, daß im Berufsleben eines Arbeitnehmers bestimmte Risiken und Wechselfälle auftreten, die seine aktive versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrechen und daß es für seinen verfolgungsbedingten sozialversicherungsrechtlichen Schaden im allgemeinen ohne Bedeutung ist, ob die Verfolgung ihn während einer Zeit der Beschäftigung oder in einer der vom Gesetzgeber anerkannten Unterbrechungsphasen trifft. Der Gesetzgeber hat erkannt, daß dies oft nur eine Frage des Zufalls ist und deshalb eine Beschränkung der Wiedergutmachung durch die §§ 9 und 10 WGSVG auf diejenigen, die während ihrer Beschäftigung verfolgt wurden, zu ungerechtfertigten Ergebnissen führen würde. Diesem Gedanken ist jedoch im Gesetz nicht uneingeschränkt Rechnung getragen, sondern es ist eine Auswahl getroffen worden. Weder die Ausfallzeittatbestände des § 36 Abs. 1 Nrn. 2 a und 4 bis 6 AVG (= § 1259 Abs. 1 Nrn. 2 a und 4 bis 4 RVO), noch die Ersatzzeittatbestände des § 28 Abs. 1 AVG (= § 1251 Abs. 1 RVO) sind einbezogen worden. Für die Ausklammerung der nicht genannten Ausfallzeittatbestände lassen sich gute Gründe anführen, die die Auswahl verständlich erscheinen lassen. Die Zahlung von Schlechtwettergeld (Nr. 2 a) kam zur Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung noch nicht in Betracht. Bei Personen, die sich in Ausbildung befinden (Nr. 4) handelt es sich regelmäßig um Personen, die noch nicht im Arbeitsleben stehen und deren weitere berufliche Tätigkeit noch nicht feststeht. Die Regelung des § 10 a WGSVG macht deutlich, daß diese Personengruppe zumindest noch nicht in den Wirkungsbereich der §§ 9 und 10 WGSVG einbezogen werden sollte. Zweitausbildungen im Wege der Umschulung und Fortbildung spielten damals noch nicht die entscheidende Rolle wie heute. Bei Rentenbeziehern (Nr. 5 und 6) handelt es sich um Personengruppen, die regelmäßig nicht mehr als Erwerbstätige anzusprechen sind. Die Auswahl unter den Tatbeständen des § 36 AVG (= § 1259 RVO) läßt also einen Plan des Gesetzes erkennen. Gleiches kann indessen nicht für die Ausklammerung des Ersatzzeittatbestandes. nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (= § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO) festgestellt werden. Warum der Gesetzgeber hier den Gedanken, verfolgten Arbeitnehmern Rechte auf Nach- und Weiterversicherung unabhängig von Zufälligkeiten zu gewähren, nicht verwirklicht hat, ist nicht ersichtlich. Bei diesem Ersatzzeittatbestand handelt es sich ebenfalls um Unterbrechungen der aktiven Beschäftigung im Arbeitsleben, auf die der Betroffene regelmäßig keinen Einfluß hatte. Im Gegensatz zu den Ausfallzeittatbeständen, z.B. der Krankheit oder Arbeitslosigkeit, wird während dieser Zeit darüberhinaus sogar eine Leistung für die Allgemeinheit erbracht, deren Höherbewertung durch die Anrechnung solcher Zeiten auf die Wartezeit in der Rentenversicherung gesetzlichen Ausdruck gefunden hat (§ 26 und § 27 Abs. 1 Buchst. b AVG = § 1249 und § 1250 Abs. 1 Buchst. b RVO). Das LSG hat deshalb mit Recht darauf hingewiesen, daß Unterbrechungen des Arbeitslebens durch solche Ereignisse - zumindest wenn sie wie hier nicht infolge eines freiwilligen Entschlusses, sondern aufgrund einer Verpflichtung eintraten - erst recht kein Grund sind, die Personen, deren Verfolgung in diesen Zeiten eingesetzt oder daran angeschlossen hat, anders zu behandeln als wenn sie weiterhin ihrer Arbeit hätten nachgehen können. Eine solche Lösung wird gestützt durch die Motive, aus denen ersichtlich ist, daß mit dem Gesetz eine möglichst umfassende Entschädigung bewirkt werden sollte (schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. VI 1449, I, 2., So 1). Wenn auch die durch das Gesetz tatsächlich gewährte Entschädigung insgesamt nicht umfassend ist, so kann dieser Zielsetzung doch zumindest entnommen werden, daß den in das Gesetz aufgenommenen Regelungen eine möglichst alle einschlägigen Fälle umfassende Wirkung beigemessen werden sollte.
Auch, der Umstand, daß Juden vom Arbeitsdienst und Wehrdienst grundsätzlich ausgeschlossen waren, (§ 7 des Reichsarbeitsdienstgesetzes vom 26. Juni 1935 - RGBl I, 769 - und § 15 des Wehrgesetzes vom 21. Mai 1935 - RGBl I, 609) bietet keine objektive Rechtfertigung für den Ausschluß von Ersatzzeiten nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (= § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO), weil als Verfolgte auch andere Personengruppen anerkannt sind (§ 1 des Bundesentschädigungsgesetzes -BEG-). Allerdings ist bei allem zu berücksichtigen, daß die Entschädigungsbedürftigkeit und letztlich auch die Begrenzung des finanziellen Aufwandes eine wesentliche Rolle spielen können. In diesem Zusammenhang wäre denkbar, die Ersatzzeiten im Hinblick auf die bereits erfolgte Privilegierung gegenüber den Ausfallzeiten bei der Entschädigung nicht so stark zu bedenken. Hier geht es indessen nicht um die Bewertung von Ersatzzeiten oder eine Entschädigung für Ersatzzeiten, sondern um die Frage, ob ein sozialversicherungsrechtlicher Schaden, der in anderen Zeiträumen eingetreten ist, auch dann wiedergutzumachen ist, wenn der Beginn der Verfolgung nicht unmittelbar an ein Beschäftigungsverhältnis anschließt, sondern erst an eine dem Beschäftigungsverhältnis folgende Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (= § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO). Es fehlen nicht nur objektive Anhaltspunkte für den Sinn der Differenzierung der zu berücksichtigenden Ausfallzeiten und der hier streitigen Ersatzzeit. Auch die Motive, die Ausschlußprotokolle und das Schrifttum, das Indizien für den möglichen Sinn der Begrenzung enthalten könnte, lassen keinen Anhalt dafür erkennen, welche Gründe den Gesetzgeber bewogen haben könnten, den Ersatzzeittatbestand des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (= § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO) nicht zu erwähnen.
Ebensowenig lassen sich objektive oder subjektive Anhaltspunkte dafür gewinnen, warum der Gesetzgeber in § 12 WGSVG (Halbdeckung) und § 13 WGSVG (Berechnung) ebenfalls nur die Ausfallzeiten des § 36 Abs. 1 Nrn. 1, 2 u. 3 AVG (= § 1259 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 3 RVO) genannt hat. Daher kann die Ausklammerung der hier streitigen Ersatzzeit nur noch als ein Versehen des Gesetzgebers verstanden werden. Es ist allerdings auf den ersten Blick kaum verständlich, daß bei den detaillierten Überlegungen zur Einbeziehung von Ausfallzeiten die naheliegende Berücksichtigung von Ersatzzeiten nicht erwogen worden sein sollte. Das Versehen wird indessen verständlicher, wenn man bedenkt, daß die Einfügung der Ausfallzeiten in die §§ 9, 12 und 13 WGSVG - und damit die Differenzierung - erst im Zuge der Ausschußberatungen erfolgte und nicht im Rahmen langfristiger Vorplanung. Letztlich sind diese Überlegungen zu möglichen Motiven und Versehen der an der Gesetzgebung beteiligten Personen jedoch ohnehin nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, daß objektive Anhaltspunkte, die der Differenzierung einen Sinngehalt geben könnten, nicht vorliegen und deshalb eine allein am Wortlaut orientierte Rechtsanwendung zu einer mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbaren Differenzierung führen würde. Bevor aber eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Erwägung gezogen werden kann, sind in einem solchen Fall alle Möglichkeiten verfassungskonformer Rechtsanwendung im Wege der Auslegung und Rechtsergänzung auszuschöpfen (vgl. Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 5. Aufl. Einf. 4 mit weiteren Nachweisen). Der vorliegende Fall bietet hierzu die Möglichkeit. Das Ergebnis kann allerdings nicht im Wege der Auslegung gewonnen werden. Dem steht der klare Wortlaut des § 9 WGSVG und der damit systematisch zusammenhängenden Regelungen in den §§ 12 und 13 WGSVG entgegen. Das Fehlen objektiver und subjektiver Anhaltspunkte für den Sinn der Differenzierung, macht aber die Planwidrigkeit des Ausschlusses der streitigen Ersatzzeit deutlich, so daß der erkennende Senat befugt ist, das Vorliegen einer Regelungslücke festzustellen und im Wege verfassungskonformer Rechtsergänzung durch entsprechende Anwendung des § 9 WGSVG zu schließen.(Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, Berlin 1964, S. 16 ff, 39; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl. Berlin 1975, S. 358 f; BSGE 14, 238, 239). Eine Vorlage an das BVerfG wäre nach Auffassung des Senats nur dann geboten, wenn der aus objektiven Kriterien erkennbare Plan des Gesetzgebers zu einer verfassungswidrigen Differenzierung führen würde. Das ist hier jedoch - wie dargelegt wurde - nicht der Fall.
Die Ausdehnung des § 9 WGSVG auf Fälle, in denen die Verfolgung im Anschluß an eine Ersatzzeit i.S. des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (= § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO) erfolgt, führt dazu, daß auch der Kläger zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10 WGSVG berechtigt ist. Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger als Verfolgter anerkannt ist. Als Beginn der Verfolgung kommt dabei nur die Ausreise nach Argentinien in Betracht. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er eine Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (= § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO) zurückgelegt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Ersatzzeit tatsächlich in der Rentenversicherung anzurechnen ist. Für die im Gesetz erwähnten Ausfallzeiten wäre dies nur dann der Fall, wenn sie die Arbeitstätigkeit lediglich unterbrochen hätten - also anschließend wieder eine versicherungspflichtige Arbeitnehmertätigkeit aufgenommen worden wäre und Halbdeckung vorläge. Die Erfüllung dieser Voraussetzung war aber oft gerade wegen der Verfolgung nicht möglich. Gemeint ist deshalb mit dem Hinweis auf die Ausfallzeiten in § 9 WGSVG nur die Bezeichnung des Lebenssachverhalts, wie er in den Tatbeständen des § 36 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 3 AVG (= § 1259 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 3 RVO) beschrieben ist. Das gleiche muß bei der Ausdehnung auf eine Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (= § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO) gelten. Erforderlich ist allerdings, daß der von der Verfolgung Betroffene zu diesem Zeitpunkt seinem beruflichen Status nach noch zum Personenkreis der an sich versicherungspflichtigen Personen gehörte. Der Grundtatbestand ist die Unterbrechung oder Beendigung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit durch Verfolgung. Dabei ist es nicht erforderlich, daß ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis unterbrochen wird; es genügt, daß die kontinuierliche Weiterführung versicherungspflichtiger Beschäftigung, also etwa auch die Aufnahme einer neuen Beschäftigung durch die Verfolgung verhindert wurde. Von diesem Begriff der Unterbrechung wird auch im Rahmen des § 36 AVG (= § 1259 RVO) ausgegangen. Dies zeigt sich schon daran, daß die versicherungspflichtige Beschäftigung auch durch Arbeitslosigkeit unterbrochen werden kann (BSGE 16, 120, 121). Eine versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung ist hingegen weder unterbrochen noch beendet, wenn der Betroffene sich schon vor der Verfolgung aus einem nicht durch Verfolgungsmaßnahmen bedingten Grunde einer nicht versicherungspflichtigen Berufstätigkeit zugewandt hatte. Gleiches muß auch dann gelten, wenn die Verfolgung während einer der genannten Unterbrechungen des Beschäftigungsverhältnisses eintritt. Der Kläger war bis zur Beendigung seines letzten Beschäftigungsverhältnisses im Jahre 1934 versicherungspflichtiger Arbeitnehmer. Es ist kein Anhalt ersichtlich und festgestellt, daß er mit der Aufgabe dieser Beschäftigung den Plan verband, nach Beendigung des Arbeitsdienstes eine nicht versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufzunehmen. Selbst wenn er damals schon den Plan gehabt haben sollte, anschließend an den Arbeitsdienst nach Argentinien auszuwandern, so liegt darin noch nicht die Absicht, seinen bisherigen beruflichen und versicherungsrechtlichen Status zu wechseln. Allenfalls könnte ein durch die Verfolgung aufgenötigter Wechsel in Betracht kommen. In diesem Fall würde es sich aber um eine Beendigung der versicherungspflichtigen Tätigkeit aus Verfolgungsgründen handeln, die gerade die Berechtigung zur Weiterversicherung und Nachentrichtung von Beiträgen begründet.
Nach allem ist der Kläger zur Weiterversicherung nach § 9 WGSVG und damit auch zur Nachentrichtung nach § 10 Abs. 1 WGSVG berechtigt. Die Revision der Beklagten kann deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen