Leitsatz (amtlich)

Bei der Punktbewertung für die Schwerstbeschädigtenzulage kann die Minderung der Erwerbsfähigkeit für ein schädigungsabhängiges Leiden (Augenverlust rechts) nicht entsprechend den für den Anspruch auf Pflegezulage geltenden Grundsätzen deshalb erhöht werden, weil das andere Auge von einem Schädigungsunabhängigen Nachschaden betroffen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die vom BSG entwickelten Grundsätze über den Einfluß schädigungsbedingter und schädigungsunabhängiger Gesundheitsstörungen auf dem Pflegezulageanspruch (vergleiche BSG 1960-08-25 11 RV 1368/59 = BSGE 13, 40) können nicht auf die Schwerstbeschädigtenzulage übertragen werden. Die Schwerstbeschädigtenzulage ist wegen ihrer Verknüpfung mit der Minderung der Erwerbsfähigkeit keine Leistung nur für einen bestimmten Körperzustand und kann deshalb keine Gesundheitsstörungen einschließen, die unabhängig von einer Schädigung entstanden sind.

 

Normenkette

BVG § 31 Abs. 5 Fassung: 1960-06-27, Abs. 5 Fassung: 1964-02-21; BVG § 31 Abs 5 DV § 2 Fassung: 1964-07-17

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 1964 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin des während des Revisionsverfahrens verstorbenen V K (K.). 1951 gewährte das Versorgungsamt (VersorgA) K. Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H. für Schwerhörigkeit, Mittelohrkatarrh, Verlust des rechten Auges, Verwundung an beiden Füssen und am rechten Arm als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Pflegezulage erhielt K. nicht. Im November 1960 beantragte K. die Gewährung von Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe II oder III. Mit Bescheid vom 20. Juni 1961 wurde der Antrag abgelehnt. K. sei nicht Empfänger von Pflegezulage mindestens nach Stufe III; die anerkannten Schädigungsfolgen könnten nur mit 100 Punkten bewertet werden. Im einzelnen wurde die Punktzahl wie folgt ermittelt:

Punkte

Ohrenleiden ...

MdE um 50 v. H.

= 50 "

Verlust des rechten Auges ...

" " 30 "

= 15 "

Funktionsstörungen an der rechten Hand ...

" " 40 "

= 20 "

Versteifung des linken Sprunggelenks ...

" " 25 "

= 15 "

Funktionsstörung am linken (richtig: rechten) Fuß ...

" " 20 "

= 0 "

insgesamt

100 ".

Mit dem Widerspruch machte K. geltend, daß sich das Ohrenleiden seit Jahren zu völliger Taubheit und chronischer Mittelohreiterung verschlimmert habe und daß das linke Auge am grauen Star erkrankt und eine Operation laut ärztlicher Atteste zu gefährlich sei, weil er nur noch ein Auge habe. Die fälschlich als Funktionsstörung der rechten Hand bezeichnete Verstümmelung des rechten Unterarms sei so schwer, daß sie dem Verlust des Armes gleichkomme. Die Versteifung des linken Sprunggelenkes habe zu einer Verkürzung des Beines um 4 cm mit schmerzhaften Gehbeschwerden geführt; am rechten Fuß sei die große Zehe klumpartig gestaltet. Der Widerspruch war erfolglos.

Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) wurden Dr. R und Dr. S als medizinische Sachverständige gehört. Diese schlossen sich im wesentlichen den von dem Beklagten ermittelten MdE-Sätzen an, jedoch hielt Dr. S eine MdE um 50 v. H. für den Verlust des rechten Auges für gegeben, weil das verbliebene linke Auge an einem Altersstar erkrankt sei. Durch Urteil vom 25. September 1962 hob das SG die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte den Beklagten, eine Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe I zu gewähren. Es bewertete den Verlust des rechten Auges mit einer MdE um 50 v. H. und gelangte hierdurch zu 135 Punkten.

Durch Urteil vom 8. Juli 1964 wies das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Beklagten zurück. Bei rein ärztlicher Betrachtung müsse der Auffassung des Dr. S gefolgt und der Verlust des rechten Auges wegen der Starerkrankung des linken Auges mit einer MdE um 50 v. H. bewertet werden. Dieser Augenschaden sei durch wehrdienstliche Verhältnisse und nichtwehrdienstliche Faktoren, die im Verhältnis von Mitursachen zueinander stünden, hervorgerufen worden. Denn die geringe Bewertung der MdE (von 30 v. H.) bei Verlust eines Auges erscheine allein mit Rücksicht auf die kompensatorische Wirkung des verbliebenen zweiten Auges erklärbar. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 62 BVG sei aber eine Änderung in der Funktionstüchtigkeit des von wehrdienstlichen Schädigungen nicht betroffenen Auges keine Änderung im Sinne des § 62 BVG. Dieser Rechtsprechung sei zuzustimmen. Dagegen habe das BSG Bedeutung und Einheitlichkeit des Ursachenbegriffs besonders im Zusammenhang mit der Anwendung des § 35 BVG eindeutig ausgesprochen und ausgeführt, es sei nicht erkennbar, daß die Worte "infolge der Schädigung" hier etwas anderes bedeuteten als etwa die Formulierungen, die in den §§ 1, 10, 25 Abs. 1, 29 Abs. 1, 32 Abs. 1, 49 Abs. 1 BVG auf die Notwendigkeit des Ursachenzusammenhangs hinweisen (BSG 13, 41). Eine wehrdienstliche Schädigungsfolge sei demnach versorgungsrechtlich von Belang, soweit sie als Allein- oder auch als Mitursache wirke. Bei der Auslegung des § 35 BVG sei von Bedeutung gewesen, daß die Hilflosigkeit ein weiteres Glied einer Kausalkette darstelle, bei der es zur Auslösung von Versorgungsansprüchen genüge, wenn der Wehrdienst nur als Mitursache beteiligt war. Die Schwerstbeschädigtenzulage erfülle eine ähnliche Funktion wie die Pflegezulage in denjenigen Fällen, in denen der Zustand des Beschädigten "durch die anerkannten Schädigungsfolgen", also unter deren maßgeblicher, zumindest mitursächlicher Beteiligung, zwar nicht Hilflosigkeit, aber doch eine so schwere Gesundheitsbeeinträchtigung darstelle, daß mit der Vollrente kein zureichender Ausgleich geschaffen werden könne. Aus dem Sinn und Zweck des für solche ungewöhnliche Lagen neugeschaffenen Versorgungsbezuges folge, daß die Voraussetzungen im Ergebnis denen für Pflegezulage angeglichen werden sollten. Das sei der ersichtliche Wille des Gesetzgebers, um unbillige Härten zu vermeiden. Das LSG hat demgemäß in Übereinstimmung mit dem SG für die Berechnung der Schwerstbeschädigtenzulage den Augenverlust rechts mit einer MdE um 50 v. H. bewertet.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzung des § 31 Abs. 5 BVG und der hierzu erlassenen Durchführungsverordnung (DVO).

Das LSG habe verkannt, daß die wehrdienstbedingte Ursachenkette auf den Verlust des rechten Auges beschränkt und begrenzt sei. Der Altersstar hätte nicht in entsprechender Anwendung des § 35 BVG berücksichtigt werden dürfen, da die wehrdienstliche Schädigung keine Ursache oder Teilursache für den Nachschaden darstelle. Nach § 2 der DVO zu § 31 Abs. 5 BVG vom 17. April 1961 sei bei der Punkteberechnung von der Höhe der MdE, die die einzelnen anerkannten Schädigungsfolgen bedingen, auszugehen. Der Einbeziehung eines Nachschadens in die MdE stehe die Rechtsprechung des BSG entgegen. Der Beklagte beantragt, das Urteil des Bayerischen LSG vom 8. Juli 1964 und das Urteil des SG Würzburg vom 25. September 1962 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 20. Juni 1961 in der Fassung des Bescheides vom 27. Juli 1961 abzuweisen.

Die Klägerin hat den Rechtsstreit aufgenommen, nachdem K. und dessen Witwe und Alleinerbin verstorben sind. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hat noch ausgeführt, das starre Bewertungssystem der DVO zu § 31 Abs. 5 BVG stehe mit dem Gesetz nicht im Einklang, da es jedes freie richterliche Ermessen ausschließe und dadurch zu ungerechten Ergebnissen führe.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und daher zulässig. Sie ist auch im Sinn der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

Nach § 31 Abs. 5 BVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I, 453) erhalten Schwerstbeschädigte, die durch die anerkannten Schädigungsfolgen gesundheitlich außergewöhnlich betroffen sind, eine monatliche Schwerstbeschädigtenzulage, die in drei Stufen gewährt wird. Auf Grund des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I, 85) wurde in § 31 Abs. 5 BVG die Bezeichnung Schwerstbeschädigte durch erwerbsunfähige Beschädigte ersetzt und die Zahl der Schwerstbeschädigtenzulagen auf fünf Stufen erhöht. Insoweit trifft auch das Dritte Neuordnungsgesetz (3. NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl I, 750) keine abweisende Regelung. Gemäß der in § 31 Abs. 5 BVG enthaltenen Ermächtigung hat die Bundesregierung die Verordnung zur Durchführung des § 31 Abs. 5 BVG vom 17. April 1961 (BGBl I, 453), die mit Wirkung vom 1. Juni 1960 in Kraft getreten ist (§ 9), und die ab 1. Januar 1964 geltende Verordnung (VO) idF vom 17. Juli 1964 (BGBl I, 489) erlassen. Das LSG ist dem SG darin gefolgt, daß im vorliegenden Falle die für den Anspruch auf eine Schwerstbeschädigtenzulage nach § 1 der Durchführungsverordnungen vom 17. April 1961 und 17. Juli 1964 erforderliche Anzahl von 130 Punkten gemäß dem sich aus § 2 ergebenden Bewertungssystem nur erreicht werde, wenn der Verlust des rechten Auges im Hinblick auf die schädigungsunabhängige Starerkrankung mit einer MdE um 50 v. H. (50 Punkte) und somit nicht mit der ausschließlich für den Verlust eines Auges in Betracht kommenden MdE von 30 v. H. (15 Punkte) bewertet wird. Wenn das LSG die Auffassung vertritt, aus Sinn und Zweck der neugeschaffenen Schwerstbeschädigtenzulage folge, daß ihre Voraussetzungen im Ergebnis denen für die Pflegezulagen angeglichen werden sollten, so hat das LSG damit grundsätzliche Unterschiede zwischen beiden Leistungsarten verkannt und übersehen, daß diese eine analoge Anwendung der für die Pflegezulage geltenden Grundsätze auf die Schwerstbeschädigtenzulage ausschließen. Eine gewisse Übereinstimmung beider Leistungsarten besteht zwar darin, daß sie einen Ausgleich für besonders schwere Schädigungen herbeiführen sollen, wobei die Pflegezulage Hilflosigkeit voraussetzt und die Schwerstbeschädigtenzulage an das Erfordernis der Erwerbsunfähigkeit anknüpft. Das allein rechtfertigt aber nicht die Übertragung von Grundsätzen, die dem Rechtsinstitut der Pflegezulage angemessen sind, auf die Schwerstbeschädigtenzulage, wenn dadurch Sinn und Zweck dieser Leistung falsch beurteilt und der Anspruch auf die Schwerstbeschädigtenzulage über den gesetzlichen Rahmen hinaus erweitert wird. Die Voraussetzungen und die Funktion der Schwerstbeschädigtenzulage schließen insbesondere eine entsprechende Anwendung der Grundsätze aus, die das BSG dem Einfluß schädigungsbedingter und schädigungsunabhängiger Gesundheitsstörungen für den Anspruch auf Pflegezulage beigemessen hat (BSG 13, 40).

Nach § 35 Abs. 1 BVG idF des 1. und 2. NOG wird Pflegezulage gewährt, solange der Beschädigte infolge der Schädigung so hilflos ist, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedarf. Die Pflegezulage wird somit für einen bestimmten Zustand, der das Ergebnis von Gesundheitsstörungen ist, d. h. für eine besondere, durch die Hilflosigkeit gekennzeichnete körperliche Verfassung des Beschädigten gewährt. Da es nur auf diesen unteilbaren Gesamtzustand ankommt und nach der auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm eine Schädigungsfolge als Mitursache genügt, ist die Pflegezulage auch dann zu gewähren, wenn die Hilflosigkeit in annähernd gleichem Umfange durch schädigungsunabhängige Vor- und (oder) Nachschäden wie durch schädigungsbedingte Ereignisse verursacht wurde. Deshalb kommt es bei dem Anspruch auf Pflegezulage auch nicht darauf an, ob die Schädigungsfolge zeitlich die "letzte" die Hilflosigkeit "auslösende" Ursache ist (BSG 13, 40). Hier muß somit der Eintritt der wehrdienstbedingten Schädigungsfolge nicht das letzte Glied der versorgungsrechtlich erheblichen Ursachenkette sein; es kommt vielmehr eine weitere Anspruchsvoraussetzung - nämlich eben die Hilflosigkeit - hinzu. Die Ursachenkette wird hier um ein weiteres Glied verlängert (BSG 17, 119). Im Gegensatz hierzu wird der auf der MdE-Bemessung beruhende Anspruch auf Versorgungsrente für ganz bestimmte, versorgungsrechtlich abgegrenzte Schädigungen, nämlich wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der anerkannten Schädigung (§ 1 Abs. 1 BVG) gewährt. Mit den Folgen der Schädigung ist die gesundheitliche Schädigung im Sinne der "Gesundheitsstörung" gemeint (vgl. auch BSG, Urteil vom 6. August 1963 - 10 RV 1331/60 - Deutsche Medizinische Wochenschrift (DMW) 1964, S. 1959). Ob für eine Leistungsvoraussetzung nach dem BVG noch in anderen Fällen eine ähnliche Beurteilung wie bei der Pflegezulage in Betracht kommt, kann dahingestellt bleiben, da der Anspruch auf die Schwerstbeschädigtenzulage eine solche Beurteilung jedenfalls nicht gestattet. Mit den "Folgen der Schädigung" wird grundsätzlich nicht der gesamte sich nach der Schädigung ergebende Gesundheitszustand erfaßt, sondern nur der durch die Schädigung verursachte oder mitverursachte Gesundheitszustand. Der Umfang der Schädigung bzw. das Ausmaß der MdE ergibt sich aus einem Vergleich des Gesundheitszustandes vor dem Beginn des schädigenden Ereignisses - der Schädigung - und dem Ende seines Einwirkens (BSG 23, 189), nicht - wie bei dem Anspruch auf Pflegezulage - aus etwaigen Vor- und Nachschäden und den durch die (anerkannte) Schädigung begründeten Gesundheitsstörungen. Deshalb scheiden für den Anspruch auf Rente insbesondere nach dem schädigenden Ereignis eingetretene Gesundheitsstörungen, soweit diese nicht selbst wehrdienstbedingt sind, - insbesondere also Gesundheitsstörungen, die auf Alter, Anlage oder andere nicht wehrdienstbedingte Ereignisse zurückgehen (Nachschäden) - aus (vgl. BSG 17, 99, 114, 118; 19, 201; 23, 188; Urteil vom 6. August 1963 - 10 RV 1331/60 in DMW 1964 S. 1959; Urteil vom 26. August 1965 - 9 RV 1142/61 -). Der Senat hat keinen Anlaß gefunden, von der in den vorgenannten Entscheidungen ausführlich begründeten Auffassung abzugehen, daß kein Anspruch auf Rentenerhöhung besteht, wenn nach dem kriegsbedingten Verlust eines Auges das andere Auge erblindet, ohne daß die Erblindung im Zusammenhang mit wehrdienstlichen Einflüssen steht. Dasselbe gilt, wenn die Sehleistung auf dem verbliebenen Auge sich durch schädigungsunabhängige Einflüsse vermindert.

Die durch den Altersstar entstandene Verminderung der Sehleistung des linken Auges kann somit im vorliegenden Fall bei dem von dem LSG vorausgesetzten Sachverhalt nicht zu einer Höherbewertung des Verlustes des rechten Auges führen. Die Erkrankung des linken Auges kann insbesondere nicht zur Begründung des Anspruchs auf die Schwerstbeschädigtenzulage im Wege der Analogie zu den für die Pflegezulage geltenden Grundsätzen herangezogen werden. Bei der Voraussetzung des § 31 Abs. 5 BVG idF des 2. NOG, daß die Schwerstbeschädigtenzulagen (nur) erwerbsunfähige Beschädigte erhalten, handelt es sich um eine Verdeutlichung und Klarstellung des im 1. NOG verwendeten Begriffs des Schwerstbeschädigten. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß bereits nach § 1 Abs. 1 der auf Grund des 1. NOG erlassenen DVO vom 17. April 1961 nur solche "erwerbsunfähige Beschädigte" die Schwerstbeschädigtenzulage erhalten konnten, deren anerkannte Schädigungsfolgen ... mit wenigstens 130 Punkten zu bewerten sind oder die Anspruch auf Pflegezulage mindestens nach Stufe III haben. Der Begriff des erwerbsunfähigen Beschädigten ist in § 31 Abs. 5 BVG nicht losgelöst von der Systematik der versorgungsrechtlichen Vorschriften verwendet. Er ist in demselben Sinn zu verstehen, in dem er in § 31 Abs. 1 und 3 BVG gebraucht wird, er umfaßt demgemäß alle Beschädigten, die in ihrer Erwerbsfähigkeit um mehr als 90 v. H. beeinträchtigt sind, Dem entspricht auch das Bewertungssystem in den Durchführungsverordnungen vom 17. April 1961 und 17. Juli 1964 insofern, als bei der Bewertung nach Punkten von der Höhe der MdE auszugehen ist, die die einzelnen Schädigungsfolgen bedingen (§ 2). Maßgebend ist daher nur die Höhe der MdE, die sich allein auf Grund der Beurteilung nach § 30 Abs. 1 BVG ergibt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 DVO vom 17. April 1961 und vom 17. Juni 1964). Daraus folgt, daß, soweit die Schwerstbeschädigtenzulage auf Grund der Punktebewertung, somit in Anlehnung an die für die einzelnen Schädigungsfolgen ermittelte MdE, gewährt wird, schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen, die nach der Schädigung eingetreten sind (Nachschäden), außer Betracht bleiben müssen; sie konnten schon die Höhe der MdE nicht beeinflussen. Die Schwerstbeschädigtenzulage ist wegen ihrer Verknüpfung mit dem MdE-Grad eines Erwerbsunfähigen anders als die Pflegezulage keine Leistung bloß für einen bestimmten Körperzustand, der deshalb auch solche Gesundheitsstörungen einschließen könnte, die schädigungsunabhängig entstanden sind. Sie dient vielmehr dem Ziel, die Schwere der außergewöhnlichen Schädigungsfolgen möglichst individuell zu erfassen und demgemäß die Leistungen zu differenzieren (Urteil des erkennenden Senats vom 29. April 1965 in SozR Nr. 30 zu § 148 SGG). Ihre Funktion ähnelt der der Grundrente, wenngleich die Schwerstbeschädigtenzulage eine selbständige Leistung ist (Wilke, Bundesversorgungsgesetz, 2. Aufl. § 31 V). Auch soweit die Schwerstbeschädigtenzulage den erwerbsunfähigen Beschädigten zusteht, die Anspruch auf Pflegezulage mindestens nach Stufe III haben, bleibt ihr Charakter als zusätzliche Leistung für anerkannte Schädigungen gewahrt. Wenn bei den Empfängern mindestens der Pflegezulage III auf den besonderen Nachweis eines außergewöhnlichen Betroffenseins im Sinne des § 31 Abs. 5 BVG verzichtet wird, so nur deshalb, weil bei ihnen diese Voraussetzung unterstellt wird. Dadurch wird aber der Zweck der Leistung und ihre Bestimmung, einen besonderen Ausgleich gerade für die anerkannten Schädigungsfolgen zu schaffen, nicht beseitigt. Das ergibt sich auch deutlich aus § 4 der beiden Durchführungsverordnungen vom 17. April 1961 und 17. Juli 1964. Hiernach bleibt für die Zuerkennung der Schwerstbeschädigtenzulage eine Höherstufung der Pflegezulage außer Betracht, die wegen besonderer wirtschaftlicher Mehraufwendungen und wegen Zusammentreffens mit einer Gesundheitsstörung, die keine Schädigungsfolge ist, vorgenommen wurde. Auf eine analoge Anwendung der für die Zubilligung der Pflegezulage geltenden Grundsätze läßt sich somit der Anspruch auf die Schwerstbeschädigtenzulage nicht stützen, besonders dann nicht, wenn die Schwerstbeschädigtenzulage nur auf Grund der Punktebewertung gewährt werden kann.

Da das Urteil des LSG auf der gerügten Gesetzesverletzung beruht, mußte es aufgehoben werden. Der Senat konnte in der Sache nicht selbst entscheiden. Es fehlt an ausreichenden Feststellungen, die die Ablehnung des Anspruches rechtfertigen könnten. Das LSG hat sich lediglich auf den in dem Urteil des SG enthaltenen Tatbestand bezogen. Ob damit der Vorschrift des § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG genügt ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls läßt das Urteil keine Prüfung zu, ob das Vorbringen des K. vollständig berücksichtigt worden ist. Mit dem Widerspruch hatte K. geltend gemacht, das Ohrenleiden habe sich seit Jahren zu völliger Taubheit und chronischer Mittelohreiterung verschlimmert; das linke Auge sei am grauen Star erkrankt; lt. ärztlicher Atteste sei eine Operation zu gefährlich, weil nur ein Auge vorhanden sei. Aus dem Urteil des SG ergibt sich nicht, ob dieses Vorbringen berücksichtigt wurde. Das Gutachten des Dr. R geht von einer chronischen Mittelohreiterung beiderseits mit sehr hochgradiger Schwerhörigkeit beiderseits aus und schätzt die MdE für das Ohrenleiden auf 50 v. H.. Dr. S hat ausgeführt, daß sich aus dem rechten Gehörgang trübes, eitriges Sekret entleert. Das linke Trommelfell sei perforiert; links völlige Ertaubung, rechts Umgangssprache 20 cm. Auf die Behauptung des K., der graue Star könne wegen des Verlustes des rechten Auges nicht operiert werden, gehen beide Sachverständige nicht ein. Das LSG hat nicht geprüft, von seinem Standpunkt aus auch nicht zu prüfen brauchen, ob in diesem Umstand eine mittelbare Schädigungsfolge des rechten Auges zu erblicken und deshalb eine erhöhte MdE für die Augenschädigung (rechts) gerechtfertigt ist. Dies wäre wohl zu bejahen, wenn die Behauptung des K. zutrifft. Auch die für das Ohrenleiden eingesetzte MdE bedarf einer Nachprüfung. In Nr. 6 der Verwaltungsvorschriften (VerwV) zu § 30 BVG vom 14. August 1961 (B-Anz. Nr. 161 vom 23. August 1961) ist für völlige Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit ein Mindesthundersatz von 50 vorgesehen. Die VerwV vom 23. Januar 1965 (B-Anz. Nr. 19 vom 29. Januar 1965) bewerten völlige Taubheit nach 70 v. H. (Nr. 4 zu § 30 BVG). In den Anhaltspunkten für die Ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen 1958 (S. 174) ist für hochgradige an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit (Umgangssprache unter 0,25 m doppelseitig ) eine MdE von 50 v. H., für beiderseitige Ertaubung, entsprechend den Begleiterscheinungen, eine MdE von 50 bis 80 v. H. genannt. In den Anhaltspunkten, neue Ausgabe 1965 (S. 168) ist für eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit (Hörverlust 75 - 95 %) eine MdE von 60 v. H. angesetzt. Dabei sind Begleiterscheinungen noch nicht berücksichtigt. K. war auf einem Ohr völlig taub, auf dem anderen grenzte die Schwerhörigkeit an Taubheit; außerdem litt er an chronischer Mittelohreiterung beiderseits. Damit dürfte auch für das Ohrenleiden eine erhöhte MdE und somit auch eine höhere Punktezahl in Betracht kommen. Schließlich ist nicht hinreichend berücksichtigt, daß K. erhebliche Verletzungen an beiden Füßen hatte. Das Urteil des SG führt die mit 15 Punkten bewertete Versteifung des linken Sprunggelenks und die mit 0 Punkten bewertete Funktionsstörung - ebenso wie der Bescheid - am "linken" Fuß auf. Gemeint ist mit dieser Schädigung aber die Verletzung am rechten Fuß, worauf schon Dr. R 1962 hingewiesen hat. Dabei handelt es sich darum, daß das Grundgelenk der großen Zehe größtenteils zerstört ist mit der Folge einer Versteifung der Großzehe. Demgemäß ist auch eine Verwundung an "beiden Füßen" als Schädigungsfolge anerkannt. Nach § 3 Buchst. a der Durchführungsverordnungen vom 17. April 1961 und 17. Juli 1964 ist die Punktezahl um 10 Punkte zu erhöhen, wenn Schädigungsfolgen an beiden Beinen zusammentreffen. Daß darunter nicht nur die Unterschenkel, sondern auch die Füße fallen, ergibt sich aus der Zweckbestimmung der Vorschrift, die der Fortbewegung dienenden paarigen Gliedmaßen bei beidseitigen Schädigungen besonders zu berücksichtigen, für die Zeit ab 1. Januar 1964 auch daraus, daß die Punktezahl um 20 Punkte zu erhöhen ist, wenn beide Füße fehlen oder gebrauchsunfähig sind (§ 3 Buchst. a der DVO vom 17. Juli 1964). Es kommt somit auch eine um 10 Punkte höhere Bewertung der Verletzung der Füße in Betracht. Da das LSG die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat und sie im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden können, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380248

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