Orientierungssatz
Zu der Frage, ob einem Versicherten die Zeit seiner Beschäftigung von 1928 bis 1937 in der UdSSR als Versicherungszeit aufgrund des FRG gutzubringen ist-
Normenkette
FRG § 16 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. November 1968 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die Zeit seiner Beschäftigung in der UdSSR vom 11. April 1928 bis 28. Oktober 1937 als Versicherungszeit aufgrund des Fremdrentengesetzes (FRG) gutzubringen ist.
Der am 9. November 1912 in Tiflis/Transkaukasien geborene Kläger hat den erlernten Beruf eines Werkzeugmachers bis 1937 in der Sowjetunion und nach seiner damaligen Ausweisung weiter im Reichs- und Bundesgebiet ausgeübt. Er ist auch heute noch beschäftigt. Nachdem er am 10. August 1965 beantragt hatte, seine Versicherungsunterlagen im Rahmen der Verordnung über die Feststellung von Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bei verlorengegangenen, zerstörten, unbrauchbar gewordenen oder nicht erreichbaren Versicherungsunterlagen (VuVO) bzw. des FRG herzustellen, erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 2. November 1965 nur die Zeit vom 10. Dezember 1937 bis 31. Dezember 1945 als glaubhaft gemachte Versicherungszeiten im Reichs- und Bundesgebiet an. Sie lehnte es ab, die in der Sowjetunion in abhängiger Beschäftigung zurückgelegten Zeiten vom 11. April 1928 bis 28. Oktober 1937 als Versicherungszeiten anzuerkennen, weil der Kläger nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehöre. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos; im Widerspruchsbescheid hielt die Beklagte an ihrer Auffassung fest und fügte hinzu, daß entgegen den Einwendungen des Klägers auch die Voraussetzungen des § 1 Buchst. b FRG nicht erfüllt seien; § 17 FRG sei nicht anwendbar.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verpflichtet, Versicherungszeiten vom 11. April 1928 bis 28. Oktober 1937 anzuerkennen (Urteil vom 5. Oktober 1967).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, nach dem Recht der Sowjetunion sei die Zuerkennung von Alters- und Invalidenrenten an ständig im Ausland lebende Bürger nach dem Recht vor 1941 noch auf Grund der jetzt geltenden Gesetzgebung vorgesehen, und zwar unabhängig davon, welche Staatsangehörigkeit diese Personen besitzen und ob sie irgendwann in der Sowjetunion gearbeitet haben. Daraus folge, daß von einer Verschlechterung der bis Kriegsbeginn bestehenden Rechtsstellung des Klägers "infolge der Kriegsauswirkungen" (§ 1 Buchstabe b FRG) nicht gesprochen werden könne. Das LSG hat die Revision zugelassen (Urteil vom 12. November 1968).
Der Kläger hat Revision eingelegt. Er rügt Verletzung des § 1 Buchst. b FRG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 12. November 1968 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Augsburg vom 5. Oktober 1967 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Mit Recht hat es die Beklagte abgelehnt, die Zeit der Beschäftigung des Klägers in der UdSSR vom 11. April 1928 bis 28. Oktober 1937 als Versicherungszeit auf Grund des FRG anzuerkennen. Die Revision wendet sich auch nicht dagegen, daß das Berufungsgericht den Kläger weder dem Personenkreis des § 1 Buchstaben a, c und d FRG noch insbesondere demjenigen des § 1 Buchstabe b FRG zugeordnet hat. Sie weiß auch, daß bereits zwei Senate des Bundessozialgerichts (BSG) - der 4. Senat mit Urteil vom 25. Juni 1964 - 4 RJ 343/61 - (BSG 21, 151) und der 5. Senat mit Urteil vom 28. Juli 1970 - 5/4/12 RJ 384/67 - übereinstimmend eine ergänzende Rechtsfindung (Analogie), wie sie auch jetzt wieder die Revision befürwortet, abgelehnt haben, mit deren Hilfe allein die beanspruchten Versicherungszeiten hergestellt werden könnten. Der 4. Senat hat ausgesprochen, es lasse sich weder aus dem Sinn und Zweck des FRG noch aus den Gesetzesmaterialien begründen, daß über den Wortsinn des Gesetzes hinaus Deutsche, die Beschäftigungszeiten im Ausland zurückgelegt und hierfür Beiträge an einen ausländischen Versicherungsträger geleistet haben, ohne weitere Voraussetzungen durch Einbeziehung in den berechtigten Personenkreis des FRG hätten begünstigt werden sollen. Deutsche, die nicht die Voraussetzungen des § 1 Buchstabe a, b oder d FRG erfüllten, gehörten nur dann zu dem berechtigten Personenkreis, wenn sie unabhängig von den Kriegsauswirkungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt bis zum 31. Dezember 1952 (frühere Gesetzesfassung) im Geltungsbereich des FRG genommen haben und infolge der Kriegsauswirkungen den ausländischen Versicherungsträger nicht mehr in Anspruch nehmen können; es fehle an jedem Anhalt dafür, daß es auf diese beiden im Gesetz klar zum Ausdruck gebrachten Einschränkungen nicht ankommen solle, wenn es um die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten gehe (BSG 21, 151, 153). Die Revision hält dem entgegen, das in dieser Rechtsprechung gewonnene Ergebnis entspreche nicht dem Rechtsgefühl, der Kläger werde dafür "bestraft", daß er Deutscher sei, denn sein Anspruch wäre begründet, wenn er heimatloser Ausländer sei. Die unterschiedliche Behandlung der Gruppen b) und d) des § 1 FRG hat schon den 4. Senat zu der Feststellung veranlaßt, diese könne nach der Anordnung des Gesetzes nicht auf einem Versehen beruhen, sie müsse vielmehr beabsichtigt gewesen sein; das Motiv hierfür möge u.a. darin zu suchen sein, daß die Eingliederung der heimatlosen Ausländer in das soziale Gefüge der Bundesrepublik als vordringlich förderungsbedürftig, vielleicht die große Mehrheit der heimatlosen Ausländer auch auf dem Gebiet der Sozialversicherung als besonders "wiedergutmachungswürdig" angesehen worden sei (BSG 21, 151, 154). Der 4. Senat hat dazu noch abschließend erklärt, eine gesetzliche Regelung, die heimatlose Ausländer gegenüber deutschen Staatsangehörigen aus sachgerechten Gründen begünstige, berechtige den Richter nicht, die gleiche Rechtsfolge im Wege der Analogie auch auf Deutsche anzuwenden (aaO). Der 5. Senat ist diesen Gedankengängen in dem erwähnten Urteil gefolgt, in dem die von der Revision angeführte Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 11. August 1967 (Breithaupt 1967, 1027) aufgehoben worden ist. Auch der erkennende Senat macht sie sich nach Prüfung zu eigen. Von einer "Bestrafung" eines Deutschen - hier des Klägers - kann entgegen der Auffassung der Revision keine Rede sein, wenn die begehrte Anerkennung einer Beschäftigungszeit in der UdSSR nach den Vorschriften des FRG nicht möglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen