Leitsatz (amtlich)

Die Bindungswirkung eines Aufhebungsbescheides nach AFG § 151 Abs 1 erstreckt sich nicht nur auf die (formelle) Beseitigung des früheren Bewilligungsbescheides, sondern auch auf die (materielle) Aussage, daß die Bewilligung der Leistungen zu Unrecht erfolgt ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Aufhebung früher ergangener Bewilligungsbescheide und die Rückforderung von Schlechtwettergeld betreffen zwei selbständige prozessuale Ansprüche, bei denen die Zulässigkeit der Berufung jeweils gesondert zu prüfen ist.

2. Ist die Bewilligung von Schlechtwettergeld mit bindender Wirkung aufgehoben worden, ist die Rückforderung von Schlechtwettergeld bereits aufgrund des zulässigen Rückforderungsvorbehalts berechtigt.

 

Normenkette

SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; AFG § 151 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; SGG §§ 144, 149

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. September 1975 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Juli 1974 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die von der Beklagten verfügte Rückforderung von Schlechtwettergeld (SWG), das von der Beklagten in der Zeit vom 9. Dezember 1971 bis 5. April 1972 gezahlt worden ist.

Der Kläger ist selbständiger Dachdeckermeister. Er beantragte am 20./21. Dezember 1971, ihm zu gestatten, SWG an die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer ohne Empfangsbestätigung (Einzelquittungen) auszuzahlen und das SWG jeweils nach Vorlage der Abrechnungslisten zu überweisen, bevor die Listen an Hand der Arbeitszeit- und Lohnunterlagen geprüft worden seien. Er bestätigte, er sei davon unterrichtet, daß das SWG in diesen Fällen unter dem Vorbehalt der späteren Rückforderung bezahlt werde, wenn und soweit die Überzahlungen durch Verzicht auf Einzelquittungen entstanden oder die Leistungen unter Vorbehalt erbracht worden seien. Auf Grund der Bescheide vom 18. und 19. Januar, 3. und 10. Februar, 3. März und 6. Juni 1972 erhielt der Kläger SWG und anteilige Krankenversicherungsbeiträge für die Abrechnungszeiträume vom 9. Dezember 1971 bis 5. April 1972 in Höhe von insgesamt 2.979,05 DM.

In den Bescheiden hieß es:

"Die Abrechnungslisten für den o.a. SWG-Abrechnungszeitraum sind mit den Arbeitszeit- und Lohnunterlagen ihres Betriebes noch nicht verglichen worden. Das SWG wird daher nur unter dem Vorbehalt bezahlt, daß etwa zu Unrecht gezahlte Beträge an das Arbeitsamt zurückzuzahlen sind, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung des SWG dem Grunde oder der Höhe nach nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind. Auf ihre Verpflichtungserklärung vom 20. Dezember 1971 und auf die Nrn. 20 und 21 des Merkblattes über SWG/PWF - Vordruck II 130 - nehme ich Bezug".

Bei einer am 7. September 1972 im Betrieb des Klägers durchgeführten Prüfung stellte der Prüfer des Arbeitsamtes fest, daß für den Arbeitnehmer P die Zeiten für die Arbeitsversuche am 9. und 13. Dezember 1971 nicht auf dem Wochenzettel angegeben waren. Wochenzettel oder Arbeitsversuchsnachweise für die Arbeitnehmer K und K waren für den gleichen Tag nicht vorhanden und waren auch für die Zeit vom 23. Dezember 1971 bis zum 31. März 1972 nicht geführt worden.

Mit Bescheid vom 22. September 1972 forderte das Arbeitsamt daraufhin von dem Kläger 1.992,62 DM zurück. Es bezog sich dabei auf die Verpflichtungserklärung des Klägers vom 20. Dezember 1971 und auf die §§ 72 Abs. 3, 152 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) a.F.

Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger Wochenzettel vor, bei denen die Angaben für den Arbeitnehmer P hinsichtlich des 9. und 13. Dezember 1971 nachträglich mit Uhrzeiten versehen waren und die hinsichtlich der Arbeitnehmer K und K überhaupt nachträglich erstellt worden waren. Auch diese Zettel enthielten für die Arbeitsversuche der Arbeitnehmer K und K am 9. und 13. Dezember 1971 keine Zeitangaben.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1973). Die nachträglich erstellten und dem Inhalt der SWG-Abrechnungslisten angepassten Arbeitszeitunterlagen könnten nicht anerkannt werden.

Der Kläger hat zunächst beim Arbeitsgericht Klage erhoben, das den Rechtsstreit an das Sozialgericht (SG) verwiesen hat.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Juli 1974). Es hat die Berufung nicht zugelassen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen U, G, Ehefrau des Klägers, F P, Hugo K und Adolf K, Arbeiter des Klägers. Mit Urteil vom 26. September 1975 hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die angefochtenen Bescheide der Beklagten insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin SWG für andere Tage als Mittwoch, den 29. März 1972 zurückgefordert hat.

Es hat ausgeführt:

Wie nunmehr geklärt und unstreitig sei, sei für Mittwoch den 29. März 1972 fälschlich Arbeitsausfall gemeldet und SWG bezogen worden. Im übrigen seien aber die Angaben des Klägers, auf Grund deren er SWG bezogen habe, richtig gewesen, so daß der Kläger zu Recht SWG für seine Arbeitnehmer erhalten habe und ein Rückforderungsanspruch der Beklagten ausscheide. Streitig seien 25 Tage des Zeitraums vom 9. Dezember 1971 bis zum 30. März 1972. Beginn und Ende der Arbeitszeit am 9. und 13. Dezember 1971 sowie die Tage, an denen die Arbeit voll ausgefallen sei, habe der Senat auf Grund der vom Kläger vorgelegten Lohnlisten für die beteiligten Arbeitnehmer, der vom Zeugen P gefertigten Wochenzettel für den fraglichen Zeitraum sowie der die Richtigkeit dieser Unterlagen bestätigenden und sie ergänzenden Aussagen der Zeugen G, P, K und K festgestellt.

SWG sei von der Beklagten stets dann zu erbringen, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung gegeben seien. Die Erfüllung der Aufzeichnungspflicht gehöre nicht zu diesen Voraussetzungen. Insoweit gebe der Senat seine frühere Rechtsprechung im Anschluß an das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. Juni 1975 (SozR 4100 § 79 Nr. 2) auf.

Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der Zeuge P jeweils Wochenzettel geführt habe, aus denen die Zeiten hervorgingen, die wegen Schlechtwetters ausgefallen seien. Zusammen mit den für alle drei Arbeitnehmer geführten Lohnlisten lasse sich unschwer die Anzahl der Ausfalltage bestimmen, zumal es sich mit Ausnahme des 9. und 13. Dezember 1971 jeweils um volle Ausfalltage gehandelt habe. Daß für die Arbeiter K und K die Wochenzettel nachträglich erstellt worden seien, sei unschädlich, da auch schon vorher für diese Arbeiter insofern schriftliche Unterlagen vorgelegen hätten, als Lohn und SWG sich für sie nach den von dem Zeugen P geführten Unterlagen gerichtet habe, mit dem sie stets zusammen gewesen seien. Unschädlich sei auch, daß für den 9. und 13. Dezember 1971 die Zeit des Abbruchs der Arbeitsversuche an diesen Tagen (jeweils 10.30 Uhr) nachgetragen worden sei. Durch die auch schon ursprünglich vorhandene Angabe der Arbeitszeit in Verbindung mit der betriebsüblichen Arbeitszeit habe bereits auf die Zeit der Arbeitsbeendigung geschlossen werden können.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 79 Abs. 3 AFG a.F., § 7 SWG-Anordnung vom 9. September 1969 (ANBA 1969, 734), § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie trägt dazu vor:

Von den in dem Bescheid vom 22. September 1972 enthaltenen beiden Verfügungssätzen sei der eine, der die teilweise Aufhebung früherer Bescheide von SWG und Beiträgen zur Krankenversicherung enthalte, bindend geworden, so daß nur noch über die Rückforderung der dadurch entstandenen Leistungsüberzahlung zu entscheiden sei. Das SG habe nämlich die Klage in vollem Umfang abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Die Zulässigkeit der Berufung sei für jeden Anspruch gesondert zu beurteilen gewesen und hinsichtlich des ersten Verfügungssatzes zu verneinen. Die Entziehung betreffe nämlich Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Berufung des Klägers habe demnach, wie sich auch aus seinem Antrag ergebe, nur den zweiten Teil des Bescheides - also nur die Rückforderung - betroffen. Auch das Urteil des LSG befasse sich, wie sein Tenor zeige, nur mit dem Teil des Bescheides vom 22. September 1972, der die Rückforderung betreffe. Zu Unrecht habe dann aber das LSG im Urteil ausgeführt, daß der Bescheid vom 22. September 1972 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1973) nicht hätte ergehen dürfen. Insoweit sei dem LSG infolge der Bindungswirkung des Bescheides eine Prüfung verwehrt gewesen. Im übrigen wiesen auch die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen nicht den Grad von Wahrscheinlichkeit aus, wie er beim Beweis der Voraussetzungen des SWG zu fordern sei. Die Anzahl der Ausfallstunden, die in die Lohnlisten für die Arbeitnehmer K und K eingetragen worden seien, beruhten nämlich nicht auf Angaben, die diese Arbeitnehmer beträfen, sondern lediglich den Arbeitnehmer P. Daß die Arbeitnehmer K und K in gleichem Maße von witterungsbedingtem Arbeitsausfall betroffen worden seien, sei nicht bewiesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. September 1975 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Juli 1974 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Zwar hat das LSG die Frage, ob auf Grund hinreichend sicherer Beweismittel die Voraussetzungen des Schlechtwettergeldanspruches dargetan sind, zu Recht als eine solche der Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht angesehen. Hierauf kommt es aber für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht an.

Der Rückforderungsanspruch der Beklagten besteht nämlich deshalb, weil schon bindend festgestellt ist, daß der Kläger die empfangenen Leistungen, um die es hier geht, zu Unrecht erhalten hat.

Der die Aufhebung der früheren Bewilligungsbescheide enthaltende Teil des Bescheides der Beklagten vom 22. September 1972 war im Berufungsverfahren nicht mehr im Streit. Das SG hat nämlich die Klage, die sich gegen diesen Bescheid gerichtet hat, abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Soweit es im Bescheid vom 22. September 1972 inhaltlich um die Aufhebung der früheren Bewilligungsbescheide geht, war die Berufung unzulässig. Es ist allgemein anerkannt und ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß bei der Geltendmachung mehrerer selbständiger prozessualer Ansprüche die Zulässigkeit des Rechtsmittels jeweils gesondert zu prüfen ist (BSGE 3, 135, 139; 5, 222, 225; 6, 11, 15; 10, 264, 266, 267; SozR 1500 § 144 Nr. 4). Zwei selbständige prozessuale Ansprüche sind von der Rechtsprechung auch dann angenommen worden, wenn ein Bescheid aus einem Teil bestanden hat, der einen früheren Bescheid aufgehoben, und einen weiteren Teil, der die auf Grund des aufgehobenen Bescheides ergangene Leistung zurückgefordert hat (BSGE 6, 11, 15). Soweit der Bescheid vom 22. September 1972 inhaltlich die früher ergangenen Bewilligungsbescheide aufhebt, regelt er die Zahlung der SWG-Beträge. Er hat damit Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum unter 13 Wochen zum Inhalt (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG).

Einen anderen Inhalt hat der Bescheid vom 22. September 1972, soweit er die Leistungen zurückfordert, die der Kläger bereits erhalten hat. Insoweit handelt es sich um die Rückerstattung von Leistungen i.S. des § 149 SGG. Zwar wird die Rückzahlung in einem Betrage begehrt; dennoch handelt es sich nicht um eine einmalige Leistung i.S. des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. BSGE 3, 234).

Das Berufungsurteil, das die Beklagte angefochten hat, hat sich mit dem Bescheid vom 22. September 1972 auch nur insoweit befasst, als es um den Rückforderungsanspruch der Beklagten gegangen ist. Das ergibt sich zunächst schon aus dem Berufungsantrag des Klägers, der eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nur soweit verlangt hat, als die Beklagte darin SWG zurückgefordert hat. Es folgt aber auch aus dem Tenor des Urteils des LSG, das den Bescheid vom 22. September 1972 nur insoweit aufgehoben hat, als die Beklagte darin SWG für andere Tage als den 29. März 1972 zurückfordert. Hinsichtlich des Teils des Bescheides der Beklagten, der die Rückforderung betrifft, ist die Berufung zulässig gewesen, weil es sich um eine Streitigkeit über 500,- DM gehandelt hat (500,- DM - Grenze bis zum 31. Dezember 1974 gültig).

Der Anspruch der Beklagten auf Rückerstattung der SWG-Zahlungen, die sie 1971 und 1972 auf Grund der mittlerweise bindend aufgehobenen Bescheide an den Kläger geleistet hat, ist auch begründet. Der Rückerstattungsanspruch der Beklagten ergibt sich schon aus dem Vorbehalt, den die Beklagte jeweils bei ihren Leistungen gegenüber dem Kläger geltend gemacht hat, so daß nicht weiter zu erörtern ist, ob er auch auf § 152 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AFG und weiter auf §§ 72 Abs. 3 Satz 4, 79 Abs. 5 AFG gestützt werden könnte.

Die Zulässigkeit von Vorbehaltszahlungen im Bereich der Schlechtwettergeldregelung hat der Senat bereits anerkannt und entschieden, daß sich die Beklagte in Fällen dieser Art auf die Zahlung unter Vorbehalt als ausreichende Rechtsgrundlage für einen Rückforderungsanspruch berufen kann (vgl. SozR Nr. 1 zu § 68 AFG, BSGE 37, 155, 158; BSGE 40, 23, 24 f). So ist es auch hier. Zurückgefordert werden kann die Leistung von der Beklagten unter den Voraussetzungen, unter denen sie sich zulässigerweise die Rückforderung vorbehalten hat. Es kommt dann allein darauf an, was sie dem Leistungsempfänger gegenüber erklärt hat (vgl. BSGE 37, 155). Vorbehalten hat sich die Beklagte die Rückforderung für den Fall, daß "sich nachträglich herausstellt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung des SWG dem Grunde oder der Höhe nach nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind". Auch aus der Verpflichtungserklärung des Klägers vom 20. Dezember 1971 ergibt sich nichts Anderes. Maßgebend für den Anspruch der Beklagten auf Rückerstattung ist somit allein, ob bindend feststeht, daß die Voraussetzungen für die ursprüngliche Zahlung des SWG nicht bestanden haben.

Der Teil des Bescheides vom 22. September 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1973, mit dem inhaltlich die früheren Bescheide aufgehoben worden sind, hat nicht nur eine formelle Bindungswirkung, also die Wirkung, daß er im Verfahren nicht mehr angefochten werden kann, sondern auch eine materielle oder innere Bindungswirkung, die zur Folge hat, daß die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung grundsätzlich für die Beteiligten Bestand hat und ihrem materiellen Gehalt nach verbindlich ist (vgl. Peters/Sautter/Wolf, Komm. zum SGG, § 77, Anm. 7). Die materielle Bindungswirkung des Aufhebungsbescheides enthält nicht nur die Entscheidung, daß die früher ergangenen Bescheide aufgehoben sind, sondern darüber hinaus die Feststellung, daß die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von SWG nicht vorgelegen haben. Die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes entspricht der eines gerichtlichen Urteils (BVerwGE 24, 175; BSGE 41, 113). Sie reicht soweit, wie über den Anspruch entschieden ist, d.h. soweit der in der Entscheidungsformel enthaltene Gedanke reicht (vgl. Baumbach/Lauterbach, Komm. zur ZPO 34. Aufl. § 322 Anm. 2 A). Ebenso wie ein Urteil besagt auch ein Verwaltungsakt, der über einen Anspruch entscheidet, daß der geltend gemachte Anspruch auf Grund der festgestellten erheblichen Tatsachen und der in der Begründung enthaltenen Rechtsanwendung begründet oder unbegründet ist. Diese Aussage ist ein logischer Schluß (Subsumtionsschluß), der auf einen Obersatz (Anwendung des Rechts) und einem Untersatz (Feststellung von Tatsachen) beruht. Gegenstand der Bindungswirkung ist nicht nur das, was der Ausspruch unmittelbar besagt - im vorliegenden Fall die Aufhebung der Bewilligungsbescheide - sondern auch der Subsumtionsschluß, der die Grundlage für den Anspruch bildet (vgl. Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht 11. Aufl. § 154 II S. 832). Das ist hier der Schluß, daß der Anspruch des Klägers auf SWG in der näher bezeichneten Höhe von vornherein nicht bestanden hatte. So hat das BSG entschieden, daß im Streit über die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides nach § 47 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) nicht mehr geprüft werden kann, ob der in dem bindend gewordenen Bescheid angeführte Grund der Überzahlung (§ 62 Bundesversorgungsgesetz oder § 42 VerwVG) zutrifft oder nicht, wenn der Bescheid bindend geworden ist, in welchem die zu Unrecht erfolgte Zahlung von Versorgungsbezügen festgestellt ist (SozR Nr. 17 zu § 47 VerwVG) Zur Begründung hat es ausgeführt, daß sich die Bindungswirkung des § 77 SGG auch auf die rechtliche Grundlage und Qualifikation, auf die ausgesprochene Rechtsfolge, jedenfalls dann erstreckt, wenn diese die Grundlage weiterer - noch im Streit befindlicher - selbständiger Ansprüche bildet. So ist auch im vorliegenden Fall dadurch, daß der Teil des Bescheides vom 22. September 1972 bindend geworden ist, der inhaltlich die Aufhebung der Bewilligungsbescheide enthielt, nicht nur die Aufhebung der früheren Bescheide in Bindungswirkung erwachsen, sondern ebenso der rechtliche Schluß, der mit dieser Aufhebung verbunden war. In der Aufhebung der Bewilligungsbescheide liegt nämlich gleichzeitig der Ausspruch, daß die Bewilligung zu Unrecht erfolgt war.

Mit der Bindungswirkung dieses Teils eines Rückforderungsbescheides ist normalerweise allerdings nicht ohne weiteres auch über die Berechtigung der Rückforderung entschieden. In § 152 AFG sind neben der ungerechtfertigten Zahlung durch die Beklagte noch weitere Voraussetzungen für die Rückforderung enthalten, insbesondere solche, die in dem Verhalten dessen liegen, der die Leistung der Beklagten erhalten hat.

Hat die Beklagte allerdings, wie im vorliegenden Fall, die Rückforderung durch Vorbehalt nur davon abhängig gemacht, daß die Leistung zu Unrecht erfolgt ist, so ist mit der bindend gewordenen Aufhebung des Bewilligungsbescheides auch weitgehend über den Rückforderungsanspruch entschieden. Aber auch dann ist von dem Gericht, das nur noch über den Rückforderungsanspruch zu entscheiden hat, z.B. noch zu prüfen, ob und in welchem Umfange der Vorbehalt rechtmäßig ist. Da im vorliegenden Fall gegen die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit des Vorbehalts - wie oben ausgeführt - keine Bedenken bestehen und er zum Inhalt hat, daß die Leistung zurückgefordert wird, wenn sie zu Unrecht erbracht worden ist, diese Frage bereits jedoch bindend entschieden ist, besteht der Rückforderungsanspruch der Beklagten zu Recht. Damit ist das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen, das die Klage abgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650799

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