Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 2. Dezember 1997 und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 29. April 1996 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist der Wert des Rechts auf eine Altersrente streitig. Der Kläger begehrt die Berücksichtigung der Zeit vom 28. Juni bis 31. Juli 1957, nämlich der Zeit zwischen Ablegung seiner letzten Fachschulprüfung und der Aufnahme der ersten Beschäftigung, als (Ausbildungs-)Anrechnungszeit.
Der am 17. Januar 1935 geborene Kläger hatte ab 1. September 1954 eine Ausbildung an der Fachschule für Bekleidung in B. -O. absolviert. Nach der ihm am 27. Juni 1957 ausgehändigten Urkunde hatte er an diesem Tag die Abschlußprüfung als Ingenieur der Fachrichtung Konfektion mit Erfolg bestanden. Zum 1. August 1957 hatte er eine Beschäftigung als Assistent im V. K. D. aufgenommen.
Auf Antrag erkannte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) dem Kläger ab 1. Februar 1995 das Recht auf eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu (Bescheid vom 17. Februar 1995). Die Höhe der monatlichen Rente stellte sie mit 2.219,65 DM fest. Bei der Wertermittlung berücksichtigte sie ua die Fachschulausbildung vom 1. September 1954 bis zum 27. Juni 1957 als Anrechnungszeit.
Der Widerspruch, mit dem der Kläger ua die Nichtberücksichtigung der Zeit vom 28. Juni bis 31. Juli 1957 als Anrechnungszeit beanstandete, hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 1995). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, bei der Berechnung der Altersrente die strittige Zeit als Anrechnungszeit zu berücksichtigen (Urteil vom 29. April 1996). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 2. Dezember 1997).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Sie macht geltend, der Fachschulbesuch des Klägers sei mit der Prüfung und Aushändigung der Urkunde am 27. Juni 1957 beendet worden. Besondere Gegebenheiten des Fach- und Hochschulwesens und der Arbeitsrechtsordnung der DDR rechtfertigten nicht, die Zwischenzeit bis zur Arbeitsaufnahme am 1. August 1957 als Anrechnungszeit zu werten. Insoweit berufe sie sich auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 16. Dezember 1997 (4 RA 67/97).
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 2. Dezember 1997 und des Sozialgerichts Dresden vom 29. April 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
II
Die Revision ist begründet. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zu Unrecht zurückgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, daß die strittige Zeit vom 28. Juni bis 31. Juli 1957 als Anrechnungszeit bei der Ermittlung des monatlichen Wertes der ihm zuerkannten Altersrente rentensteigernd berücksichtigt wird. Diese Zeit erfüllt nicht den Tatbestand einer Anrechnungszeit. Für Bezugszeiten bis zum 31. Dezember 1996 kommt es maßstäblich auf § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b SGB VI idF durch Art 1 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) an, für Bezugszeiten vom 1. Januar bis 31. Dezember 1997 auf deren Neufassung durch Art 1 Nr 11 des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I 1461) und für Bezugszeiten ab 1. Januar 1998 auf deren Fassung durch Art 1 Nr 28 des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2998).
Danach sind – unabhängig von den genannten Änderungen des Gesetzestextes – Anrechnungszeiten die Zeiten, in denen der Versicherte nach dem vollendeten 16. (17.) Lebensjahr eine Fachschule oder Hochschule besucht (und abgeschlossen) hat, begrenzt auf die Höchstdauer von sieben (drei) Jahren. Wie der Senat seit der Entscheidung vom 16. Dezember 1997 (4 RA 67/97, SozR 3-2600 § 58 Nr 13; vgl ferner die Parallelentscheidungen vom selben Tag in den Verfahren 4 RA 14/97, 4 RA 65/97 und 4 RA 69/97 sowie Urteil vom 4. August 1998 - B 4 RA 8/98 R) in stRspr dargelegt hat, sind nur solche Zeiten einer Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung berücksichtigungsfähig, die der „Ausbildung” dienen, in denen also Berufsausbildung tatsächlich erfolgt ist; das Ende der Ausbildung wird danach grundsätzlich durch die Abschlußprüfung gesetzt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Versicherte eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht hat. Derartige – ohne eigene Beitragsleistung zurückgelegte – (Ausbildungs-)Anrechnungszeiten dienen nicht der Vervollständigung der Versicherungsbiographie, sondern stellen eine Solidarleistung der Versichertengemeinschaft dar. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung von rentenrechtlichen Zeiten im Bereich des sozialen Ausgleichs unter den Rentenversicherten einen weiten Gestaltungsspielraum. Wenn er dabei typisierend darauf abstellt, daß der Versicherte durch seine Ausbildung eine berufliche Qualifikation erreicht hat, die ihm die Aufnahme einer regelmäßig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung ermöglicht und deshalb als Endzeitpunkt für den berücksichtigungsfähigen Umfang auf den letzten Ausbildungstag abstellt, ist dies auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Zeit vom 28. Juni bis 31. Juli 1957 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sog unvermeidbaren Zwischenzeit als (Ausbildungs-)Anrechnungszeit zu berücksichtigen. Dies setzt voraus, daß die „Zwischenzeit” zwischen zwei ihrer Art nach anrechenbaren Ausbildungsabschnitten liegt (vgl hierzu wiederum die Entscheidungen des Senats vom 16. Dezember 1997, aaO). Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht. Nach Abschluß seiner Fachschulausbildung am 27. Juni 1957 hat er nicht später eine weitere Berufsausbildung aufgenommen, die den Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit erfüllt, sondern ist zum 1. August 1957 in ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis eingetreten.
Dies ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil. So hat das LSG im Tatbestand seiner Entscheidung festgestellt, daß der Kläger zum 1. August 1957 aufgrund eines Arbeitsvertrags eine Tätigkeit als Assistent im V. K. D. aufgenommen hatte. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, daß es sich um die Aufnahme einer Berufstätigkeit handelte, die einem versicherungspflichtigen Arbeits(rechts)verhältnis entsprach. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß diese Beschäftigung – jedenfalls für eine gewisse Anfangsphase – den Charakter einer – weiteren – Ausbildung, zB iS eines Berufspraktikums, gehabt haben könnte, lassen sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. An diese Feststellungen des LSG ist der Senat gebunden, da sie nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten (§ 166 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG). Damit hat der Senat davon auszugehen, daß der Fachschulausbildung keine weitere Ausbildung, sondern ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis folgte.
§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI (in der jeweils geltenden Fassung) ist auch nicht im Hinblick auf „DDR-spezifische Besonderheiten” analog anzuwenden; mangels einer planwidrigen Unvollständigkeit kommt dies nicht in Betracht. Denn es liegt nicht im Konzept des Gesetzes, eine „lückenlose Versicherungsbiographie” zu gewähren. Geschehe dies durch Richterspruch für im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten, würde dies letztlich zu einer Benachteiligung der Beitragszahler in den alten und in den neuen Bundesländern gegenüber den Rentenbeziehern des Beitrittsgebietes führen; dies wäre nach Einführung eines einheitlichen Rentenrechts in ganz Deutschland sachlich nicht zu rechtfertigen. Im übrigen sind – relativ kurzfristige – Unterbrechungen im Versicherungsverlauf nach Abschluß eines Hochschulstudiums bzw hier Fachschulstudiums bis zum Eintritt in das Erwerbsleben auch in den alten Bundesländern in der Vergangenheit nicht ungewöhnlich gewesen, da es derartigen Absolventen nur selten gelingt, unmittelbar im Anschluß an die Abschlußprüfung sofort eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Insoweit wird der Kläger jedenfalls nicht schlechter gestellt als vergleichbare Versicherte in den alten Bundesländern, wobei möglicherweise der „nicht freie Arbeitsmarkt” in der DDR bewirkt hat, daß – generell gesehen – die Lücken in dem nunmehr nach den Maßstäben des SGB VI zugrundezulegenden Versicherungsverlauf geringer ausfallen, als dies unter den Gegebenheiten eines „freien Arbeitsmarktes” üblich sein dürfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen