Leitsatz (amtlich)
Haben sowohl die Auswirkung eines kriegseigentümlichen Gefahrenbereichs (BVG § 5 Abs 1 Buchst e) als auch das Verhalten des Beschädigten selbst eine Gesundheitsstörung (Tod) herbeigeführt, so sind für die Beurteilung der Wesentlichkeit beider Bedingungen die Beschaffenheit des Gefahrenbereichs und dessen Kennzeichnung einerseits und das Verhalten des Beschädigten und die Erkennbarkeit des Gefahrenbereichs für ihn (subjektive Erkennbarkeit) andererseits gegeneinander abzuwägen. Hierbei kommt es auf ein "Verschulden" und die Motive, die das Verhalten des Beschädigten beeinflußt haben, nicht an.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 2 Buchst. a Fassung: 1950-12-20, § 5 Abs. 1 Buchst. e Fassung: 1953-08-07
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 1958 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Kläger begehren Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Ihre Eltern wohnten im Gebiet des sog. Westwalls. Da ihr Wohnhaus zerstört war, wollten sie sich aus einem verlassenen Bunker Einrichtungsgegenstände holen. Als sie den Bunker, in dem sich Abgase von Flammenwerferöl gebildet hatten, mit einer brennenden Kerze betraten, zogen sie sich infolge einer Explosion dieser Abgase schwere Verbrennungen zu, denen sie in wenigen Stunden erlagen.
Das Versorgungsamt (VersorgA) Landau/Pfalz lehnte den Waisenrentenantrag der Kläger durch Bescheid vom 5. November 1954 mit der Begründung ab, daß ihre Eltern den Ursachenzusammenhang zwischen dem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich, den der Bunker darstellte, und ihrem Tode durch ihr frei bestimmtes Handeln unterbrochen hätten, weil sie den Bunker trotz Kenntnis der damit verbundenen Lebensgefahr betreten haben. Das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Rheinland-Pfalz wies den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht (SG) Speyer hat den Beklagten verurteilt, die beantragte Waisenrente zu zahlen. Die Verstorbenen seien das Opfer eines kriegseigentümlichen Gefahrenbereichs geworden, ohne die Gefahren gekannt und in Kauf genommen zu haben; sie hätten nicht damit rechnen können, daß der Bunker Flammenwerferöl in undichten Behältern enthielt und sich Abgase gebildet hatten, die durch offenes Licht entzündet werden konnten. Überdies sei das Betreten der Bunker nicht verboten gewesen.
Der Beklagte hat Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Beschädigten hätten die Gefahr kennen müssen. Zwar habe die Militärregierung das Betreten der Bunker damals noch nicht ausdrücklich verboten gehabt; es sei aber auch nicht gestattet gewesen. Insbesondere hätte der Vater der Kläger wissen müssen, daß die Soldaten die Bunker fluchtartig verlassen hätten und daß Munition, Sprengladungen, Minen, Sprengkapseln und Flammenwerferöl unverschlossen zurückgeblieben seien.
Zumindest hätte er wissen müssen, daß man nicht mit brennender Kerze Räume betreten darf, in denen Munition liegt.
Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung des Beklagten mit einem am 17. Dezember 1958 verkündeten Urteil zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Eltern der Kläger Verbrennungen erlegen sind, die sie sich am 30. Juli 1945 im Befestigungswerk "Kiefernwald" zugezogen haben. Die Bewohner des Westwallgebiets seien ab Juni 1945 zurückgekehrt und hätten den Befestigungsbereich so vorgefunden, wie die kämpfende Truppe ihn verlassen hatte, weder entmint noch sonst für eine friedliche Besiedlung vorbereitet. Die Eltern der Kläger hätten ihre Wohnung zerstört angetroffen; es hätte ihnen am Nötigsten gefehlt. Um sich Einrichtungsgegenstände zu beschaffen, seien sie - wie andere Bewohner ihres Ortes - in das Befestigungswerk eingedrungen und hätten dabei eine brennende Kerze benutzt. Infolgedessen seien Abgase von Flammenwerferöl explodiert. Die Eltern der Kläger hätten gewußt oder damit rechnen müssen, daß sich Waffen, Munition und Sprengstoff im Bunker befinden konnten; sie hätten aber nicht damit zu rechnen brauchen, daß sich Abgase von Flammenwerferöl - offenbar infolge undichter Behälter - gebildet hatten und sich explosiv entzünden würden. Auch der Vater der Kläger hätte mit dieser besonderen Gefahr nicht zu rechnen brauchen, obwohl er Angehöriger der Heeresflak gewesen sei.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Revision eingelegt; er beantragt zu erkennen:
Das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 1958 und das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 17. Oktober 1957 werden aufgehoben.
Die Klage gegen den Bescheid des Versorgungsamts Landau vom 5. November 1954 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1955 wird abgewiesen.
Der Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe § 1 Abs. 2 und 5, § 5 Abs. 1 Buchst. e und § 38 BVG sowie § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt. Er trägt vor, es stehe nicht einwandfrei fest, wodurch die Explosion entstanden sei. Im Gendarmeriebericht vom 25. Oktober 1958 heiße es lediglich, daß die Explosion vermutlich durch die Abgabe von Flammenwerferöl entstanden sei. Diesen ungewissen ("vermutlichen") Vorgang als erwiesen anzusehen, sei nicht angängig. Das Berufungsgericht habe nicht zu prüfen gehabt, ob die Eltern der Kläger mit einer seltenen und fernliegenden Gefahr hätten rechnen können; es sei vielmehr nur auf die allgemeine Gefährlichkeit der Befestigungsanlage angekommen, daher auch nicht auf die berufliche Vorbildung der Verstorbenen. Im übrigen habe der Vater der Kläger, der bei der Heeresflak gedient habe, gewußt, welche Gefahren in fluchtartig verlassenen Bunkern lauern; er habe gewußt, daß man Räume mit offenem Licht nicht betreten darf, wenn sie brennbare, feuergefährliche oder explosive Stoffe enthalten. Die Mutter habe als Bewohnerin des Westwallgebietes um die Eigentümlichkeiten der Befestigungsanlage gewußt. Vor allem sei es noch von der Kriegszeit her verboten gewesen, die Anlage zu betreten. Die Auskunft des Bürgermeisters, damals habe kein gesetzliches Verbot bestanden, lasse nur den Schluß zu, der Zutritt sei niemandem ausdrücklich erlaubt gewesen. Die Eltern der Klägerin seien nicht zur Selbsthilfe berechtigt gewesen; ihr Verhalten sei keineswegs "verzeihlich"; abertausend Deutsche in gleicher Lage hätten auch kein Aneignungsrecht an Wehrmachtseigentum gehabt.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Berufungsurteil für zutreffend.
Die Revision des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist statthaft, weil das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Die Revision ist aber nicht begründet.
Nach den §§ 38 Abs. 1, 1 Abs. 1 und 2 BVG haben Waisen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn ihre Eltern an den Folgen einer Schädigung gestorben sind, die durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung entstanden ist. Als unmittelbare Kriegseinwirkung gelten nach § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG die nachträglichen Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Eltern der Kläger an Verbrennungen gestorben, die sie infolge einer Explosion der Abgase von Flammenwerferöl, das in einem Westwallbunker unverschlossen zurückgelassen worden war, erlitten haben. An diese Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden, da zulässige und begründete Revisionsgründe hiergegen nicht vorgebracht sind (§ 163 SGG). Zwar meint der Beklagte, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, daß die Abgase des Flammenwerferöls die Explosion verursacht hätten, da der Gendarmeriebericht vom 25. Oktober 1958 dies nur als "vermutlich" bezeichnet habe. Diese Rüge entspricht aber nicht der Formvorschrift des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG, sofern der Beklagte damit vorbringen will, das Berufungsgericht sei seiner Aufklärungspflicht nicht genügend nachgekommen oder habe gegen Erfahrungssätze verstoßen. In der Revisionsbegründung hätte zumindest ausgeführt werden müssen, welcher Erfahrungssatz verletzt sein soll (BSG in SozR SGG § 164 Bl. Da 18 Nr. 47) oder welche Beweismittel dem Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts noch zur Verfügung gestanden haben sollen. Der Beklagte hätte auch angeben müssen, zu welchem Ergebnis die Beweiserhebung nach seiner Ansicht voraussichtlich geführt hätte (BSG in SozR SGG § 164 Bl. Da 10 Nr. 28).
Dagegen ist die Revisionsbegründung formgerecht im Sinne des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG erfolgt, wenn sie dahin verstanden wird, der Vorderrichter habe sein Beweiswürdigungsrecht verletzt, weil er nicht von "vermutlich" auf "erwiesen" habe schließen dürfen. Denn der angebliche Mangel ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil; weitere Tatsachen und Beweismittel brauchten nicht angegeben zu werden. Zwar sagt die Revision nicht ausdrücklich, zu welchem Ergebnis das Berufungsgericht vermutlich gekommen wäre; doch läßt sich leicht erkennen, daß der Beklagte meint, es sei ungewiß geblieben, wie die Explosion zustande kam; die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs hätten sich daher nicht erweisen lassen; infolgedessen sei die Klage abzuweisen gewesen.
Die Verfahrensrüge ist jedoch nicht gerechtfertigt. Nach § 128 Abs. 1 SGG hatte das Berufungsgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, wie es zu den tödlichen Verbrennungen gekommen ist. Es hat sich seine Überzeugung nicht allein aus dem Gendarmeriebericht vom 25. Oktober 1958 gebildet, sondern ebenso aus dem früheren Gendarmeriebericht vom 23. Oktober 1954, den das VersorgA eingeholt hatte und in dem der Explosionshergang ohne das Wort "vermutlich" geschildert worden war. Das Berufungsgericht hätte aber auch dann nicht gegen allgemeine Denkgesetze verstoßen, wenn es den als vermutlich bezeichneten Vorgang allein nach dem Bericht vom 25. Oktober 1958 für erwiesen angesehen hätte. Denn das Wort "vermutlich" gibt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch lediglich die Wissensquelle an; es wird gesagt, der Aussagende kenne nicht den Vorgang selbst, sondern nur Indizien. Dagegen sagt das Wort "vermutlich" nichts darüber aus, welchen Grad von Wahrscheinlichkeit die Aussage besitzt, während es bei der Beweiswürdigung gerade hierauf ankommt (RGZ 163, 321, 324). Eine Verletzung des § 128 SGG liegt somit hinsichtlich der Feststellung des LSG, daß es infolge der Entzündung der Abgase von Flammenwerferöl durch offenes Licht zur Explosion gekommen ist, nicht vor. Der Senat hat daher von dieser ohne Erfolg angegriffenen Feststellung des LSG bei der Beurteilung der Zusammenhangsfrage im Sinne der im Recht der Kriegsopferversorgung (KOV) geltenden Kausalitätsnorm auszugehen (§ 163 SGG).
Des Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung (ESG 1, 72, 150, 268) die vom Reichsversicherungsamt und Reichsversorgungsgericht zum Begriff der Ursächlichkeit entwickelten Grundsätze übernommen und ausgesprochen, daß unter Ursache nicht alle Bedingungen des Erfolges zu verstehen sind, gleichgültig mit welcher Schwere sie zu ihm beigetragen haben und in welchem Zusammenhang sie dazu stehen. Nicht jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele, ist also nach der für das Recht der KOV geltenden Kausalitätsnorm ursächlich. Als Ursache oder Mitursache sind vielmehr unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben, während die sonstigen Bedingungen, die nur rein philosophisch, nicht aber als Ursache im Rechtssinne in Betracht kommen, auszuscheiden sind. Haben mehrere Bedingungen zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nur dann wesentliche Ursachen im Rechtssinne (nebeneinanderstehende Mitursachen), wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein Ursache im Rechtssinne (vgl. BSG 1, 150, 157).
Entsprechend diesen Grundsätzen hat das LSG zutreffend zunächst Feststellungen dahin getroffen, welche Bedingungen zu dem Eintritt des Erfolges (Tod der Eltern der Kläger) im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne mitgewirkt haben. Es hat mit Recht eine nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben (explosive Abgase von Flammenwerferöl in einem Westwallbunker), als eine solche Bedingung angesehen (§ 5 Abs. 1 Buchst. e BVG). Für die Explosion war aber als Bedingung nicht wegzudenken, daß die Eltern der Kläger den Bunkerraum, in dem sich Abgase von dort lagerndem Flammenwerferöl gebildet hatten, mit einer brennenden Kerze betreten haben. Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für die Explosion, der die Eltern der Kläger zum Opfer gefallen sind, waren daher sowohl die Auswirkungen kriegerischer Vorgänge (Abgase von Flammenwerferöl in einem Bunker) als auch die Verhaltungsweise der Eltern der Kläger (Betreten des betreffenden Bunkers mit einer brennenden Kerze). Beim Vorliegen mehrerer Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für den Eintritt eines Erfolges (Tod der Eltern der Kläger) ist nach der im Recht der KOV geltenden Kausalitätsnorm nunmehr weiter zu prüfen, ob es sich hierbei um rechtlich nebeneinanderstehende Mitursachen, die in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig gewesen sind, gehandelt hat oder ob einer Bedingung gegenüber der anderen eine derart überragende Bedeutung zukommt, daß sie allein Ursache im Rechtssinne ist.
Das LSG ist bei Abwägung der Wesentlichkeit der im vorliegenden Falle in Betracht kommenden Bedingungen für den Eintritt des Erfolges zu der Auffassung gelangt, daß der kriegseigentümliche Gefahrenbereich im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG Ursache im Rechtssinne für den Tod der Eltern der Kläger gewesen ist und den letzteren daher ein Anspruch auf Waisenrente nach dem BVG zusteht. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn auch der vom LSG hierzu gegebenen Begründung nicht in vollem Umfange beigetreten werden kann.
Nach Ansicht des Senats müssen bei Abwägung der "Wesentlichkeit" mehrerer zum Erfolg führender Bedingungen in den Fällen, in denen die Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben, und die Verhaltungsweise des Beschädigten selbst zu dem Erfolg beigetragen haben (hier Explosion der Abgase von Flammenwerferöl durch eine brennende Kerze) eine Reihe von Gesichtspunkten beachtet werden. Zunächst ist nach den objektiv vorliegenden Verhältnissen, über die das Gericht entsprechende Feststellungen zu treffen hat, klarzustellen, wie der kriegseigentümliche Gefahrenbereich im einzelnen beschaffen war. Hierbei ist von der Gefahr auszugehen, welcher der Verletzte tatsächlich erlegen ist; denn nur "dieser" kriegseigentümliche Gefahrenbereich ist Bedingung für den Eintritt des Erfolges im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne gewesen. Dem Beklagten kann daher nicht beigetreten werden, wenn er meint, daß ein kriegseigentümlicher Gefahrenbereich in seiner Allgemeinheit maßgebend für die Abwägung der Wesentlichkeit der betreffenden Bedingung sei. Wenn also z.B. ein kriegseigentümlicher Gefahrenbereich - etwa ein Minenfeld - vorhanden ist und jemand dieses Minenfeld betreten hat, ohne daß eine Mine explodiert ist, der Betreffende aber in dem Minenfeld ein geladenes Gewehr gefunden und beim Aufnehmen einen Schuß ausgelöst hat, der ihn verletzt hat, so war nicht das Minenfeld die kriegseigentümliche Gefahr, der er erlegen ist, sondern das geladene Gewehr. Es kann daher bei der Abwägung der Wesentlichkeit der Bedingungen für den Eintritt des Erfolges in den angeführten Falle nur der kriegseigentümliche Gefahrenbereich, den das geladene Gewehr darstellte, und die Verhaltungsweise des Verletzten bei der Aufnahme dieses Gewehrs gegenübergestellt werden. In vorliegenden Rechtsstreit ist daher für die Beurteilung der Wesentlichkeit nicht von den allgemeinen Gefahren auszugehen, die für die Eltern der Kläger beim Eindringen in das Befestigungswerk "Kiefernwald" hätten vielleicht sonst noch in Betracht kommen können, sondern lediglich von der Gefahr, der sie tatsächlich erlegen sind, nämlich der Explosion der Abgase von Flammenwerferöl.
Für die Beurteilung der Wesentlichkeit der durch den kriegseigentümlichen Gefahrenbereich gesetzten Bedingung ist maßgebend, inwieweit der Gefahrenbereich als solcher gekennzeichnet gewesen ist. Denn die Gefahr ist um so größer, je mehr sie verborgen bleibt, dagegen um so kleiner, je mehr sie kenntlich gemacht ist. So stellt z.B. ein Minenfeld, das eingezäunt und mit Warntafeln versehen ist - rein objektiv gesehen - eine geringere Gefahr dar als eine Mine, von der niemand etwas weiß und die in keiner Weise gekennzeichnet ist. Ebenso bildet z.B. ein Kriegsgerät, das jedermann bekannt ist (etwa ein Gewehr), einen geringeren Gefahrenbereich als ein explosiver Körper, der als solcher nicht kenntlich ist, weil er wie ein sonstiger Gegenstand des täglichen Lebens aussieht. Bei Prüfung der Wesentlichkeit mehrerer Bedingungen für den Eintritt des Erfolges ist daher auf seiten des kriegseigentümlichen Gefahrenbereichs von der besonderen Beschaffenheit dieses Gefahrenbereichs und seiner Kennzeichnung als solchen auszugehen.
Ist Bedingung für den Eintritt des Erfolges auch das Verhalten des Beschädigten selbst gewesen, so ist für die Beurteilung der Wesentlichkeit dieser Bedingung zunächst von Bedeutung, wie sich der Beschädigte tatsächlich verhalten hat. Das Gericht muß daher Feststellungen darüber treffen, welche Handlungen der Beschädigte im einzelnen vorgenommen oder unterlassen hat, so daß er dem Gefahrenbereich erlag. Es muß also der Geschehensablauf, soweit er auf dem Verhalten des Beschädigten selbst beruht, festgestellt werden.
Für die Wertung, in welchem Verhältnis das Verhalten des Beschädigten zum Eintritt des Erfolges beigetragen hat, kommt es darauf an, inwieweit der kriegseigentümliche Gefahrenbereich subjektiv von dem Beschädigten erkannt worden ist oder nach Lage des Einzelfalles hätte erkannt werden müssen (subjektive Erkennbarkeit), so daß er dementsprechend sein Verhalten einrichten und die Gefahr vermeiden konnte. Betritt z.B. jemand bei Tag ein neben einem von ihm häufig begangenen Weg befindliches Minenfeld, das mit Warnschildern versehen ist, so wird sein Verhalten falls er das Feld betritt und durch eine explodierende Mine verletzt wird, in erheblich höherem Maße zum Eintritt des Erfolges beigetragen haben, als wenn er den Weg um ersten Mal begangen, das Minenfeld bei Nacht betreten und die aufgestellten Warnschilder nicht gelesen hat oder nicht hätte lesen können. Die subjektive Erkennbarkeit des Gefahrenbereichs ist demnach ausschlaggebend für die Beurteilung, in welchem Maß das Verhalten des Beschädigten zum Erfolg beigetragen hat, d.h. wesentliche Bedingung für den Eintritt des Erfolges gewesen ist. Dabei kommt es auf die Motive, die den Beschädigten zu seinem Handeln veranlaßt haben, nicht an, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Juni 1955 (BSG 1, 72, 78) ausgeführt hat. Auch das "Verschulden" ist in diesem Zusammenhang für die Beurteilung der Wesentlichkeit der vom Beschädigten selbst gesetzten Bedingung kein Maßstab. Abgesehen davon, daß weder das BVG noch die Kausalitätsnorm diesen Begriff als Wertungsmaßstab für die Wesentlichkeit einer Bedingung kennt, würden damit auch Schuldausschließungsgründe in die Wertung der Wesentlichkeit einbezogen werden müssen, die mit der Frage der Wesentlichkeit aber nichts au tun haben. Wird z.B. jemand durch einen Notstand veranlaßt, sich einem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich auszusetzen, trotzdem er diesen kennt, so würde der Notstand an der Wertung des Verhaltens des Beschädigten gegenüber dem Gefahrenbereich nichts ändern, sondern es würden höchstens die den Notstand bedingenden Umstände das Verhalten des Beschädigten erklären, niemals aber den Gefahrenbereich vergrößern und damit das Verhalten des Beschädigten in seiner Wertigkeit für den Eintritt des Erfolges zurücktreten lassen. Ausschlaggebend für die Wertung des Verhaltens des Beschädigten können daher nur die Umstände sein, aus denen geschlossen werden kann, ob der kriegseigentümliche Gefahrenbereich für den Beschädigten subjektiv erkennbar war, also ob er ihn gekannt hat oder nach den Umständen des Einzelfalles hätte erkennen müssen. Nach seiner "Schuld" in dem üblichen, in der Rechtsordnung gebrauchten Sinne kann das Verhalten des Beschädigten also nicht gewertet werden. Das BVG verwendet einen Schuldbegriff nur beim Ausschluß der Versorgung, wenn die Schädigung von dem Beschädigten absichtlich herbeigeführt worden ist (§ 1 Abs. 4 BVG); dort aber handelt es sich nicht um die Wertung zweier Bedingungen in ihrem Verhältnis zum Erfolg (Wesentlichkeit). Zwar hat das BSG gelegentlich in Fällen des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG von "Fahrlässigkeit" gesprochen (z.B. BSG 6, 188, 191; Urteil vom 10. November 1960 - 8 RV 397/59 -). Es hat aber damit keinen Vorwurf verbunden, wie er unerläßliche Voraussetzung für den Schuldbegriff ist, sondern nur deutlich machen wollen, welches Maß an Sorgfalt beim "Erkennenmüssen" im Einzelfall tatsächlich außer acht gelassen worden war. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, daß für den vom LSG in dem angefochtenen Urteil angeführten Begriff der "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" der im Zivilrecht entwickelt worden ist, in der für das Versorgungsrecht maßgebenden "Theorie der wesentlichen Bedingung" kein Raun ist (vgl. BSG in SozR BVG § 5 Bl. Ca 15 Nr. 29; ferner Haueisen in JZ 1961 S. 9 und Tesmer in BVBl 1960 S. 161).
Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze für die Prüfung der "Wesentlichkeit" mehrerer zum Erfolg beitragender Bedingungen auf den vorliegenden Fall ist der Senat zu der Auffassung gelangt, daß der kriegseigentümliche Gefahrenbereich, den die Eltern der Kläger erlegen sind, und ihre eigene Verhaltungsweise rechtlich nebeneinanderstehende Mitursachen in Sinne der Kausalitätsnorm gewesen sind, weil beide Bedingungen in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig gewesen sind. Nach den Feststellungen des LSG handelte es sich bei dem Bunker, den die Eltern der Kläger betreten haben, um einen Mannschaftsbunker, in dem Soldaten untergebracht waren. Sie mußten zwar - wie den Feststellungen des LSG zu entnehmen ist - damit rechnen, daß sich in diesem Bunker noch Waffen und Munition befanden, sie konnten aber weder wissen noch hatten sie erkennen müssen, daß in dem Bunker Flammenwerferöl in offenen und undichten Behältern lagerte und sich, infolgedessen Abgase gebildet hatten, die durch offenes Licht zur Explosion gebracht werden konnten. Die Gefahr, der sie erlegen sind, war daher so beschaffen, daß sie objektiv nicht gekennzeichnet war, zumal nach den Feststellungen des LSG zur Zeit des Unglücksfalles weder ein ausdrückliches Verbot des Betretens der Befestigungsanlagen bestand noch eine Kennzeichnung der am Unfallort lauernden Gefahren vorhanden war. Der kriegseigentümliche Gefahrenbereich, den die Abgase von Flammenwerferöl in einem unverschlossenen Raum bildeten, war daher weder objektiv nach seiner Beschaffenheit gekennzeichnet noch subjektiv für die Beschädigten selbst erkennbar. Die Eltern der Kläger konnten nicht damit rechnen, daß allein durch das Betreten des Bunkers mit offenem Licht eine Explosion von dort lagerndem Kriegsmaterial eintreten konnte. Der betreffende Bunker stellte also eine besondere, nicht erkennbare Gefahr hinsichtlich der Abgase des Flammenwerferöls dar. Diese nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge ist daher als wesentliche Mitursache im Sinne der Kausalitätsnorm für den Tod der Eltern der Kläger anzusehen. Dem angefochtenen Urteil war somit im Ergebnis beizutreten. Die Revision des Beklagten mußte als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Ahs. 1 SGG.
Fundstellen