Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungszeiten in Jugoslawien vor dem 1.1.1956. Anrechnung auf Altersruhegeld
Orientierungssatz
1. Die in Art 5 Abs 1 SVVtrYUGVtrG enthaltene Fiktion eines Arbeitsverhältnisses ist nicht auf den Personenkreis zu beschränken, der die Voraussetzungen des Fremdrentenrechts erfüllt. Vielmehr verdrängt der SVVtr YUG im Rahmen seines Anwendungsbereichs das FRG. Die fiktiven Versicherungszeiten sind wegen ihrer Sonderstellung nicht nach dem Fremdrentenrecht zu beurteilen.
2. Nach dem Sinn und Zweck des SVVtr YUG und des Art 5 Abs 1 SVVtrYUGVtrG haben solche deutsche Versicherte, die Jugoslawien vor dem Stichtag 1.1.1956 verlassen und ihren ständigen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, Ansprüche gegen einen deutschen Versicherungsträger aus Beschäftigungszeiten in Jugoslawien vor dem 1.1.1956, die wie Versicherungszeiten anzurechnen sind, die in einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt worden sind.
Normenkette
SVVtr YUG Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1956-03-10, Art. 2 Buchst. a Fassung: 1956-03-10; SVVtrYUGVtrG Art. 5 Abs. 1 Fassung: 1958-06-25; FRG § 1 Fassung: 1960-02-25, § 2 Buchst. b Fassung: 1960-02-25
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 13.04.1967) |
SG Hamburg (Urteil vom 18.04.1966) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 13. April 1967 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Ausspruch des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 18. April 1966 wie folgt gefaßt wird:
"Der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1964 wird hinsichtlich der Rentenhöhe geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, bei der Neuberechnung des Altersruhegeldes des Versicherten die Beschäftigungszeit des Versicherten in Jugoslawien vom 1. Januar 1923 bis zum 30. Juni 1939 als Versicherungszeit anzurechnen."
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der am 22. November 1967 während des Revisionsverfahrens verstorbene Versicherte Karl P bis zu seinem Tode Anspruch auf Anrechnung seiner Dienst- und Beschäftigungszeiten in Jugoslawien vom 1. Januar 1923 bis 30. Juni 1939 auf das ihm von der Beklagten gewährte Altersruhegeld hatte.
Der Versicherte, der Ehemann der jetzigen Klägerin, die den Rechtsstreit fortführt, Volksdeutscher aus der Ukraine und russischer Staatsangehöriger, gelangte nach Dienstzeiten in der Roten Armee, in der Weißen Armee, Flucht mit Angehörigen dieser Armee nach Istanbul und Internierung auf der Halbinsel Gallipoli schließlich im August/September 1921 nach Jugoslawien. Dort war er zunächst ein Jahr bis September 1922 Grenzwächter an der jugoslawisch-albanischen Grenze und anschließend arbeitete er von Ende 1922 bis 1928 bei einem Früchtehändler in Indija , von 1928 bis 1932 in der Werkstatt einer Kinderwagenfabrik in Indija und von 1932 bis Juni 1939 in einer Kinderwagenfabrik in Belgrad. Am 12. Juli 1939 verließ der Versicherte Jugoslawien, kam nach Berlin und am 1. August 1939 nach Hamburg-Wilhelmsburg. 1928 heiratete er die Klägerin, die ebenfalls deutscher Abstammung ist. Er besaß seit dem 18. August 1955 die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die Beklagte bewilligte dem Versicherten mit Bescheid vom 29. Oktober 1964 ab 1. September 1964 das Altersruhegeld in Höhe von monatlich 267,60 DM, wobei sie Beitragszeiten seit dem 1. August 1939 nach den in den Quittungskarten Nr. 1 bis 10 nachgewiesenen Beiträgen anrechnete. Mit der Klage hatte der Versicherte verlangt, seine Dienst- und Beschäftigungszeiten in Jugoslawien auf das Altersruhegeld anzurechnen. Das Sozialgericht (SG) hat mit Teilurteil vom 18. April 1966 den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1964 hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Versicherten in einem neuen Bescheid die Beschäftigung als Arbeiter in Jugoslawien vom 1. Januar 1923 bis 30. Juni 1939 als Versicherungszeit anzurechnen. Im übrigen hat es ausgesprochen, über die Anrechnung der Dienstzeit im jugoslawischen Staatsdienst könne noch nicht entschieden werden, weil darüber noch weitere Ermittlungen anzustellen seien. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des SG Hamburg vom 18. April 1966 zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 13. April 1967).
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Sie rügt Verletzung des Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. März 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 25. Juni 1958 (BGBl 1958 II 168).
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 13. April 1967 und des Sozialgerichts Hamburg vom 18. April 1966 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1964 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Nach dem Tode des Versicherten (22. November 1967) hat die Klägerin, dessen Witwe, das durch den Tod unterbrochene Verfahren über den Anspruch des Versicherten, seine Beschäftigungszeit in Jugoslawien vom 1. Januar 1923 bis 30. Juni 1939 als Versicherungszeit auf das ihm bereits gewährte Altersruhegeld anzurechnen, gemäß § 1288 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) wirksam fortgesetzt. Ihr steht bis zum Tode des Versicherten der Unterschiedsbetrag zwischen dem so berechneten und dem tatsächlich von der Beklagten gewährten Altersruhegeld zu (§ 1288 Abs. 2 RVO).
Das LSG hat seine Entscheidung auf Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. März 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 25. Juni 1958 (BGBl 1958 II 168) - im folgenden "Gesetz" genannt - gestützt. Von dieser Vorschrift:
"Zeiten, die von den in Artikel 1 Abs. 1 Buchstabe a des Vertrages genannten Deutschen vor dem 1. Januar 1956 in einer jugoslawischen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt gelten und nach jugoslawischem Recht Versicherungszeiten oder ihnen gleichgestellte Zeiten sind oder wären, wenn diese Personen bis zum genannten Tage im Gebiet der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien beschäftigt gewesen wären, werden wie Versicherungszeiten angerechnet, die in einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Bundesgebiet zurückgelegt worden sind"
ist auch weiterhin auszugehen, obschon in der Zwischenzeit das Gesetz zu dem Abkommen vom 12. Oktober 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 29. Juli 1969 (BGBl 1969 II 1437) ergangen ist. Dieses Gesetz zu dem am 1. September 1969 in Kraft getretenen Abkommen zwischen den Vertragsstaaten vom 12. Oktober 1968 (BGBl 1969 II 1568) (vgl. Art. 42 Abs. 2 dieses Abkommens und Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Oktober 1968) hat die Regelung des Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" unberührt gelassen, wie sich dies auch aus Art. 39 Abs. 1 des Abkommens vom 12. Oktober 1968 ergibt, wonach dieses Abkommen keinen Anspruch auf Zahlungen für die Zeit vor seinem Inkrafttreten (1. September 1969) begründet, soweit es nichts anderes bestimmt, was aber nicht geschehen ist.
Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" ist auch nicht durch andere Gesetze, insbesondere nicht durch das Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) aufgehoben und geändert worden. Hierzu hat das LSG zutreffend festgestellt, daß lediglich die - hier nicht in Betracht kommenden - Artikel 3 und 8 des "Gesetzes" (redaktionell) geändert worden sind, in Artikel 7 § 3 Abs. 1 FANG unter den aufgehobenen Vorschriften das "Gesetz" aber nicht erwähnt ist.
Mit Recht hat das LSG dem Artikel 5 Abs. 1 des "Gesetzes" entnommen, daß die hier streitige Beschäftigungszeit des Versicherten in Jugoslawien wie eine Versicherungszeit anzurechnen ist, die in einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Bundesgebiet zurückgelegt worden ist. Der Versicherte, der seit dem 18. August 1955 deutscher Staatsangehöriger war, gehörte zu dem Personenkreis nach Art. 1 Abs. 1 Buchstabe a des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10. März 1956 (BGBl 1958 II 170) - im folgenden "Vertrag" genannt -, da er Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes (GG) war und am maßgeblichen Stichtag, dem 1. Januar 1956, seinen ständigen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, nämlich Hamburg, hatte. Wenn auch im "Vertrag" nicht bestimmt ist, was unter dem in zwischenstaatlichen Abkommen über Sozialversicherung sonst nicht üblichen Begriff des "ständigen Wohnsitzes" zu verstehen ist, liegt doch nach dem Sinn und Zweck des "Vertrages" auf der Hand, daß damit der ständige Aufenthalt gemeint ist (vgl. Alfred Schwarz, Die Bedeutung des deutsch-jugoslawischen Vertrages über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung für die Rentenversicherungsträger, BArbBl 1960, 59, hier: 60; ders., Der deutsch-jugoslawische Vertrag über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung aus der Sicht der deutschen Unfallversicherung, BG 1960, 30, hier: 31), der im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft sein kann.
Die streitige Zeit vom 1. Januar 1923 bis zum 30. Juni 1939, in der der Versicherte nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG als Arbeiter in Jugoslawien gearbeitet hat, kann nach Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" nur dann wie eine Versicherungszeit angerechnet werden, die in einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Bundesgebiet zurückgelegt worden ist, wenn sie vor dem 1. Januar 1956 in einer jugoslawischen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt worden ist oder als zurückgelegt gilt und nach jugoslawischem Recht eine Versicherungszeit oder ihr gleichgestellte Zeit ist oder wäre, wenn der Versicherte bis zum 1. Januar 1956 im Gebiet der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien beschäftigt gewesen wäre. Da die gesetzliche Invalidenversicherung bzw. Angestelltenversicherung in Jugoslawien erst zum 1. September 1937 bzw. 1. Januar 1938 mit der Regelung, daß in Jugoslawien zurückgelegte Beschäftigungszeiten nur dann anzurechnen sind, wenn der Versicherte nach dem 15. Mai 1945 in Jugoslawien in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat (vgl. Schwarz, BArbBl 1960, 63), eingeführt worden ist, fällt die Zeit der Beschäftigung des Versicherten bis zur Einführung der jugoslawischen Rentenversicherung nicht in die deutsche Versicherungslast nach Art. 2 Buchstabe a in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Buchstabe a des "Vertrages", die sich ausdrücklich auf erwachsene "Anwartschaften und Ansprüche auf Grund der bis zum 1. Januar 1956 in der jugoslawischen Sozialversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten)" beschränkt (Art. 1 Abs. 1 Buchstabe a des Vertrages). Um es jedoch auch in einem derartigen Fall zu ermöglichen, eine Beschäftigungszeit anzurechnen, hat der Gesetzgeber, indem er über den in Artikel 1 Abs. 1 Buchstabe a des "Vertrages" gezogenen Rahmen hinausging, aufgrund der Regelung des Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" eine Beschäftigungszeit in Jugoslawien bis zum 1. Januar 1956 einer Versicherungszeit gleichgestellt (vgl. Protokoll Nr. 12 des Ausschusses für Sozialpolitik, 3. Wahlperiode, 12. Sitzung vom 17. April 1958, ferner Mitteilungen der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1964, Der deutschjugoslawische Vertrag im Zusammenhang mit § 2 des Fremdrentengesetzes - FRG -, 148, hier 152; dto, 1967, § 2 FRG und das deutsch-österreichische sowie das deutsch-jugoslawische Vertragswerk über Soziale Sicherheit, 127, hier: 132; Pöschl, Der deutsch-jugoslawische Vertrag und das Auslandsrentenrecht, SozVers. 1965, 36; Alfred Schwarz, BArbBl 1960, 63; VerbKomm., FRG, § 2 Anm. 4 Nr. 8). Damit ist auch die Zeit der Beschäftigung des Versicherten in Jugoslawien als Vertragszeit gemäß Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" anzuerkennen.
Diesem Ergebnis glaubt sich indes die Beklagte mit ihrer Revision widersetzen zu müssen, weil die in Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" enthaltene Fiktion eines Arbeitsverhältnisses nicht auf sämtliche Personen ausgedehnt werden könne, die Jugoslawien vor dem 15. Mai 1945 verlassen haben, vielmehr auf den Personenkreis zu beschränken sei, der die Voraussetzungen des Fremdrentenrechts erfülle. Nach jugoslawischem Recht seien vor dem 1. September 1937 zurückgelegte Beschäftigungszeiten nur anzurechnen, wenn der Versicherte nach dem 15. Mai 1945 in Jugoslawien in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Sie beruft sich besonders auf § 2 Buchstabe b des Fremdrentenrechts (FRG), wonach u. a. das FRG nicht gilt "für Versicherungszeiten und Beschäftigungszeiten, die ... nach einem für die Bundesrepublik wirksamen zwischenstaatlichen Abkommen über Sozialversicherung oder nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Staates, für den ein auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindliches allgemeines Abkommen über Sozialversicherung wirksam ist, in einer Rentenversicherung des anderen Staates, ohne Rücksicht darauf, ob sie im Einzelfall der Berechnung der Leistungen zugrunde gelegt werden, anrechnungsfähig sind oder nur deshalb nicht anrechnungsfähig sind, weil es Beschäftigungszeiten sind". Das FRG sei demnach - so meint die Beklagte - immer anzuwenden, wenn ein Versicherungsträger in einem anderen Staat nach dessen innerstaatlichen Rechtsvorschriften zuständig sei und dieser Staat mit der Bundesrepublik Deutschland durch kein allgemeines Abkommen verbunden sei. In dem zu entscheidenden Falle fehle es schon an einem "allgemeinen Abkommen", da der "Vertrag", wie Art. 4 des "Vertrages" mit seiner Verpflichtung der Vertragsstaaten zur alsbaldigen Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluß eines Gegenseitigkeitsabkommens über Sozialversicherung belege, lediglich eine Art "Vorvertrag" sei. Es sei somit das FRG anzuwenden. Für diese Rechtsauffassung spreche auch Art. 3 des "Gesetzes", wonach das FANG entsprechend gilt. Mit dieser Vorschrift, die nicht isoliert gelesen werden dürfe, sei allgemein das Fremdrentenrecht in Bezug genommen.
Dieser Rechtsauffassung der Beklagten kann jedoch nicht gefolgt werden. Es ist zwar zutreffend, daß der "Vertrag" kein "allgemeines Abkommen" im Sinne des § 2 Buchstabe b, 3. Alternative FRG ist, denn es fehlen ihm die Kennzeichen eines allgemeinen zwischenstaatlichen Abkommens; der "Vertrag" bestimmt weder die Gleichstellung deutscher und jugoslawischer Staatsangehöriger in ihren Rechten und Pflichten aus der Sozialversicherung der beiden Staaten, noch läßt er regelmäßig Leistungen der Sozialversicherung eines der beiden Vertragsstaaten in das Gebiet des anderen Staates zu, noch hat er die Vertragsstaaten verpflichtet, Verbindungsstellen einzurichten. Der "Vertrag" - Schwarz nennt ihn treffend "ein Gegenseitigkeitsabkommen besonderer Art auf dem Gebiet der Sozialversicherung" (aaO, 59) - beschränkt sich vielmehr darauf, bestimmte, in Art. 1 Abs. 1 des "Vertrages" aufgeführte Versicherungslasten zwischen den Trägern der deutschen und jugoslawischen Sozialversicherung auszutauschen, der Bundesrepublik Deutschland aufzuerlegen, den ermittelten Unterschiedsbetrag von 26 Millionen DM an die Föderative Volksrepublik Jugoslawien zu zahlen (Art. 1 Abs. 2), und zwar mit der Wirkung, daß mit der Zahlung des Unterschiedsbetrages die Träger der Sozialversicherung in beiden Vertragsstaaten von allen Verpflichtungen der Anwartschaften und Ansprüche nach Art. 1 Abs. 1 Buchstaben a und b befreit sind (Art. 3). In diesem genau umschriebenen Umfang hat der "Vertrag" Vorrang vor deutschen innerstaatlichen Regelungen, verdrängt also auch, aber beschränkt auf diesen Bereich, das FRG (§ 2 Buchstabe b 2. Alternative FRG); darüber hinaus gilt aber das Fremdrentenrecht (vgl. Mitteilungen LVA Oberfranken und Mittelfranken 1967, 131).
Die Beklagte verkennt indes, daß es hierauf nicht entscheidend ankommt. Denn der hier allein in Betracht zu ziehende Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" geht, wie bereits betont, weiter als Art. 1 Abs. 1 des "Vertrages". Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" stellt nämlich Beschäftigungszeiten in Jugoslawien im Wege der Fiktion solchen Versicherungszeiten gleich, "die in einer gesetzlichen Rentenversicherung im Bundesgebiet zurückgelegt worden sind". Derartige fiktive Versicherungszeiten, die mit Pöschl (aaO, 37) als "Vertragszeiten" bezeichnet werden mögen, nehmen eine Sonderstellung ein. Wegen ihrer Sonderstellung sind diese fiktiven Versicherungszeiten entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach dem Fremdrentenrecht zu beurteilen (vgl. Pöschl, aaO; Verb.Komm., FRG § 2 Anm. 4 Nr. 8). Daran ändert auch nichts, daß Art. 3 des "Gesetzes" das FANG für entsprechend anwendbar erklärt. Hierdurch sollen lediglich Einzelheiten wie Zuständigkeit und Rentenberechnung entsprechend den Vorschriften des Fremdrentenrechts behandelt werden. Die Verweisung auf das Fremdrentenrecht schließt aber nicht, wie dies die Beklagte annimmt, auch die Anwendung des § 1 FRG ein. Der in § 1 FRG bezeichnete und gegenüber demjenigen des Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" kleinere Personenkreis ist bei der Anwendung des Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" nicht maßgebend. Da der Versicherte, wie bereits festgestellt, zu dem Personenkreis des Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" gehörte, mußte ihm die Beklagte die jugoslawische Beschäftigungszeiten bei der Gewährung des Altersruhegeldes anrechnen.
Die Beklagte vermag sich dieser Verpflichtung auch nicht dadurch zu entziehen, daß sie sich auf den Sinn und Zweck des gesamten Fremdrentenrechts beruft. Sie verkennt dabei aufs neue, daß die Regelung des Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" nicht dem Fremdrentenrecht angehört. Sinn und Zweck des "Vertrages" und des den "Vertrag" ergänzenden "Gesetzes" liegen darin, einen endgültigen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen (Schwarz, aaO, 60); es sollen lückenlos die Ansprüche und Anwartschaften deutscher und jugoslawischer Staatsangehöriger von dem "Vertrag" erfaßt werden, die vor dem 1. Januar 1956 in den deutschen und jugoslawischen Rentenversicherungen erworben worden sind. Nach diesem Sinn und Zweck des "Vertrages" und vornehmlich des Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" haben solche deutsche Versicherte, die Jugoslawien vor dem Stichtag, dem 1. Januar 1956, verlassen und ihren ständigen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, Ansprüche gegen einen deutschen Versicherungsträger aus Beschäftigungszeiten in Jugoslawien vor dem 1. Januar 1956, die wie Versicherungszeiten anzurechnen sind, die in einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt worden sind. Die Beklagte kann für ihre gegenteilige Meinung zwar ins Feld führen, daß Schwarz, BArbBl 1960, 60, 63 (Nr. 5, 10) in seinen Erläuterungen zu dem "Vertrag" von "Vertriebenen" und "Umsiedlern" spricht, jedoch läßt sich aus dieser Wortwahl nicht schließen, die Vergünstigung des Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" gelte nur für Personen im Sinne des § 1 FRG. Schwarz (aaO) hat sich offenbar bei seinen Ausführungen davon leiten lassen, daß die Mehrzahl der Deutschen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Buchstabe a des "Vertrages" Vertriebene sind; dies hat er auch in der von der Beklagten angeführten Stelle (aaO 60) durch das Wort "überwiegend" zum Ausdruck gebracht: "Die Zugehörigkeit der Angehörigen jedes Vertragsstaates zur Rentenversicherung des anderen Staates war ein Abschnitt im Leben dieser Personen, der sich kaum wiederholen wird, weil es sich auf deutscher Seite überwiegend um Vertriebene und Umsiedler aus Jugoslawien handelt, ..." (ebenso: Schwarz, BG 1960, 30, hier: 32). Eine solche Betrachtung steht mit dem Sinn und Zweck des "Vertrages" und insbesondere des Art. 5 Abs. 1 des "Gesetzes" im Einklang.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die Beschäftigungszeiten des Versicherten in Jugoslawien vom 1. Januar 1923 bis zum 30. Juni 1939 wie Versicherungszeiten auf das Altersruhegeld anzurechnen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen