Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Erklärung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung als Anerkenntnis der Versicherungsberechtigung iS AVG § 145 Abs 3 S 2 (= RVO § 1423 Abs 3 S 2) anzusehen ist.
2. Über die Wirksamkeit eines Anerkenntnisses iS AVG § 145 Abs 3 S 2 (= RVO § 1423 Abs 3 S 2) kann auch außerhalb eines Rechtsstreits um die Gewährung einer Rente entschieden werden (Fortführung von BSG 1959-12-18 3 RJ 199/56 = BSGE 11, 226, 229; Anschluß an BSG 1979-10-12 12 RK 19/78).
3. Ein Anerkenntnis iS AVG § 145 Abs 3 S 2 (= RVO § 1423 Abs 3 S 2) kann bei unveränderter Rechtslage grundsätzlich nicht zurückgenommen oder widerrufen werden.
Orientierungssatz
Umwandlung von Pflichtbeiträgen in freiwillige Beiträge (Bindungswirkung des Verwaltungsaktes AVG § 144).
Normenkette
AVG § 145 Abs 3 S 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1423 Abs 3 S 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 144 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1422 Fassung: 1972-10-16; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1744 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 30.03.1978; Aktenzeichen L 5 A 76/77) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 15.08.1977; Aktenzeichen S 3 A 56/77) |
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit wird wegen der Umwandlung von Pflichtbeiträgen in freiwillige Beiträge geführt.
Die Klägerin ist die Witwe des am 12. Januar 1968 verstorbenen F T (im folgenden: T.). Dieser war - zuletzt im Range eines Stabsintendanten - bis zum 8. Mai 1945 Berufssoldat. Nach dem Kriege war er zunächst im Gebiet der D als Arbeiter beschäftigt. Nach seiner Flucht in die B war er von Anfang Juni bis Anfang Juli 1953 ebenfalls als Arbeiter und sodann ab 27. Juli 1953 als Verwaltungsangestellter bei der Oberfinanzdirektion (OFD) K beschäftigt. Während dieser Beschäftigung entrichtete er vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung. Mit Wirkung ab 1. April 1955 wurde er in das Beamtenverhältnis übernommen und am 1. Dezember 1964 in den Ruhestand versetzt. Nach seinem Tode wurden der Klägerin beamtenrechtliche Versorgungsbezüge bewilligt.
Im April 1975 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente. Auf Anfragen der Beklagten teilte die OFD K zum Rechtsstand des T. mit, er sei nicht nach § 4 Abs 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes (GG) fallenden Personen (G 131; Fassung vom 13. Oktober 1965, BGBl I S. 1685) den in § 4 Abs 1 des Gesetzes bezeichneten Personen gleichgestellt worden und habe demzufolge nicht als Beamter zur Wiederverwendung gegolten und auch nicht an der Unterbringung teilgenommen. Er habe jedoch in seiner Eigenschaft als Stabsintendant am 8. Mai 1945 als Beamter auf Lebenszeit zu gelten.
Mit Bescheid vom 30. Juli 1976 beanstandete daraufhin die Beklagte die von T. für die Zeit vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 entrichteten Pflichtbeiträge als unwirksam, weil T. während seiner Beschäftigung im öffentlichen Dienst gemäß § 73 Abs 4 bzw Abs 5 G 131 versicherungsfrei gewesen sei. Zugleich wurde die Klägerin darauf hingewiesen, daß die in der irrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht entrichteten Beiträge, sofern sie nicht zurückgefordert würden und der Anteil des Arbeitgebers an den Beiträgen ersetzt worden sei, als für die Weiterversicherung entrichtet gälten, weil das Recht dazu in der Zeit der Entrichtung bestanden habe. Die Klägerin wurde weiter um Mitteilung gebeten, ob sie auf die Rückforderung verzichte und die Umwandlung in freiwillige Beiträge wünsche. In einem am 11. August 1976 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben verzichtete die Klägerin auf die Beitragserstattung. Durch Schreiben vom 18. August 1976 teilte ihr die Beklagte nunmehr mit, anstelle der Rückzahlung des Gegenwertes der zu Unrecht entrichteten Pflichtbeiträge sei die Umwandlung in freiwillige Beiträge nicht möglich, weil dies ein höchstpersönliches, an die Person des Versicherten gebundenes und nicht vererbliches Gestaltungsrecht sei. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit der ergänzenden Begründung zurückgewiesen, ein Recht des T. zur freiwilligen Versicherung in der Angestelltenversicherung in den Jahren 1953 bis 1955 habe nicht bestanden (Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 1977).
Mit der Klage hat die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verpflichten, auf die Beanstandung der in der Zeit vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 zur Rentenversicherung der Angestellten geleisteten Beiträge zu verzichten. Das Sozialgericht (SG) Koblenz (Urteil vom 15. August 1977) hat unter Abweisung der weitergehenden Klage den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 1977 insoweit aufgehoben, als mit ihm die Umwandlung der beanstandeten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten für die Zeit vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 in freiwillige Beiträge abgelehnt worden ist. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die während des fraglichen Zeitraums entrichteten Pflichtbeiträge seien unwirksam und von der Beklagten zu Recht beanstandet worden. T. sei jedoch im damaligen Zeitpunkt zur freiwilligen Versicherung berechtigt gewesen. Deswegen hätten die zu Unrecht entrichteten Pflichtbeiträge gemäß § 144 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) als für die freiwillige Versicherung entrichtet zu gelten. Dabei mache es keinen Unterschied, ob dieses Recht in der Invalidenversicherung oder in der Angestelltenversicherung bestanden habe.
Mit Urteil vom 30. März 1978 hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung dargelegt:
Es könne dahinstehen, ob T. entsprechend der Ansicht des SG zur freiwilligen Versicherung in der Angestelltenversicherung berechtigt gewesen sei und bereits deswegen die beanstandeten Pflichtbeiträge als freiwillige Beiträge zu gelten hätten. Jedenfalls sei neben der Beanstandung der Pflichtbeiträge auch die in dem Bescheid vom 30. Juli 1976 enthaltene Feststellung, daß die Pflichtbeiträge als für die Weiterversicherung und damit als freiwillig entrichtet gälten, bindend geworden. Die Beklagte habe damit eine die Klägerin begünstigende rechtserhebliche Feststellung getroffen. Auch dieser Teil des Bescheides sei ein rechtsverbindlicher Verwaltungsakt. Durch ihren Verzicht auf die Beitragserstattung habe die Klägerin von der rechtswirksam getroffenen Feststellung, daß die Beiträge als freiwillige Beiträge gelten, Gebrauch gemacht. Hieran sei die Beklagte gebunden, selbst wenn ihre Entscheidung nicht der Rechtslage entspreche. Die Regelung des § 48 Abs 1 und 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom 25. Mai 1976 (BGBl I S. 1253) über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes sei im Sozialversicherungsrecht nicht anwendbar. Bei der Feststellung im Bescheid vom 30. Juli 1976, daß die beanstandeten Pflichtbeiträge als freiwillige Beiträge gelten, handele es sich um einen an der Bindungswirkung des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) teilhabenden Verfügungssatz. Die Bindungswirkung durchbrechende Regelungen seien lediglich in § 1744 der Reichsversicherungsordnung (RVO) enthalten. Dessen Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte habe daher die im Bescheid vom 30. Juli 1976 getroffene begünstigende Feststellung nicht durch den weiteren Bescheid vom 18. August 1976 aufheben dürfen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzungen des § 77 SGG, des § 1744 RVO sowie allgemeiner Grundsätze des Verwaltungsrechts. Das LSG sei zu Unrecht und im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) davon ausgegangen, daß die Bindungswirkung auch von rechtswidrigen begünstigenden Nichtleistungsbescheiden nur unter den Voraussetzungen des § 1744 RVO durchbrochen werden könne. Dementgegen habe das BSG im Urteil vom 21. September 1977 - 4 RJ 113/76 - ausgesprochen, hinsichtlich der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Nichtleistungsbescheide der Rentenversicherungsträger bestehe eine Gesetzeslücke, die mit Hilfe der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts auszufüllen sei, wie sie jetzt auch in § 48 Abs 1 bis 3 VwVfG und im Entwurf des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (E-SGB 10) zum Ausdruck kämen. Hiernach sei zwischen dem Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand des sie begünstigenden Teils des Bescheides vom 30. Juli 1976 einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme dieser Regelung andererseits abzuwägen. Diese Abwägung ergebe, daß der Rücknahme ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin nicht entgegenstehe. Ergänzend verweist die Beklagte auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 1978 und Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Koblenz vom 15. August 1977 die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist im übrigen der Ansicht, daß T. während der fraglichen Zeit zur freiwilligen Versicherung in der Angestelltenversicherung berechtigt gewesen sei. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig, aber im wesentlichen nicht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits in der Revisionsinstanz ist allein die Frage, ob die vom Ehemann der Klägerin in der Zeit vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 zur Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge gelten. Nicht mehr zu befinden ist über die Rechtmäßigkeit der Beanstandung der Beiträge als Pflichtbeiträge. Insofern hat bereits das SG die Klage abgewiesen und das LSG nicht sachlich entschieden, nachdem die Klägerin mit ihrer - im übrigen unzulässigen - Berufung sich dagegen nicht gewandt hat.
Das angefochtene Urteil trifft insoweit zu, als das LSG zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die von T. entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge gelten. In der Begründung kann ihm allerdings weitgehend nicht gefolgt werden.
Das gilt zunächst insoweit, als nach Ansicht des Berufungsgerichts (s. 8 des Urteils) das SG zu Recht den Bescheid vom 18. August 1976 formell nicht beachtet und lediglich den Bescheid vom 30. Juli 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 1977 in dem Umfange aufgehoben hat, wie mit ihm die Umwandlung der beanstandeten Pflichtbeiträge in freiwillige Beiträge abgelehnt worden ist. Das LSG hat hierbei außer Acht gelassen, daß eine derartige "Umwandlung" im Bescheid vom 30. Juli 1976 gerade nicht abgelehnt worden ist. Vielmehr hat die Beklagte in diesem Bescheid ausdrücklich anerkannt, daß während des maßgeblichen Zeitraums ein Recht des T. zur Weiterversicherung bestanden habe und deswegen die in der irrtümlichen Annahme einer Versicherungspflicht entrichteten Beiträge unter bestimmten Voraussetzungen als für die freiwillige Versicherung entrichtet gälten. Erst durch den weiteren Bescheid vom 18. August 1976 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, eine Umwandlung der zu Unrecht entrichteten Pflichtbeiträge in freiwillige Beiträge sei nicht möglich. Allein dagegen wendet sich die Klägerin im Berufungsverfahren und Revisionsverfahren. Damit kann entgegen der Ansicht des LSG der Bescheid der Beklagten vom 18. August 1976 nicht außer Betracht bleiben. Vielmehr ist gerade er Gegenstand der Klage, soweit diese nicht bereits im ersten Rechtszuge rechtskräftig abgewiesen worden ist. Bei der noch anhängigen Klage handelt es sich um eine reine Aufhebungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Mit ihr will die Klägerin erreichen, daß entsprechend dem Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 1976 die von T. in den Jahren 1953 bis 1955 zur Angestelltenversicherung entrichteten Pflichtbeiträge als freiwillige Beiträge gelten. Diesem Ziel genügt allein die Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides vom 18. August 1976 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 1977. Dieser besonderen prozeßrechtlichen Lage hat der erkennende Senat durch eine entsprechende Fassung des Urteilstenors Rechnung getragen.
Der somit allein angefochtene Bescheid vom 18. August 1976 ist rechtswidrig. Die Beklagte hat den Bescheid vom 30. Juli 1976, soweit durch ihn die Berechtigung des T. zur Weiterversicherung anerkannt und daraus die rechtliche Schlußfolgerung gezogen worden ist, die entrichteten Beiträge hätten als freiwillige Beiträge zu gelten, nicht zurücknehmen oder widerrufen dürfen.
Dem LSG ist im Ergebnis darin beizupflichten, daß der Bescheid vom 30. Juli 1976 auch in diesem Umfange ein Verwaltungsakt ist. Bezüglich der Feststellung der Versicherungsberechtigung des T. liegt ein Anerkenntnis der Beklagten im Sinne des § 145 Abs 3 Satz 2 AVG vor. Dieses stellt einen Verwaltungsakt dar.
Nach § 145 Abs 3 Satz 2 AVG kann, wenn die Beklagte die Versicherungspflicht oder die Versicherungsberechtigung anerkannt hat, der Rentenanspruch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß Versicherungspflicht nicht bestanden hat oder die Beitragsmarken zu Unrecht verwendet sind. Unter welchen Voraussetzungen ein bindendes Anerkenntnis in diesem Sinne angenommen werden kann, hat zu der ähnlich lautenden Vorschrift des § 1445 Abs 2 RVO in seiner bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Fassung (= aF) bereits das Reichsversicherungsamt (RVA) in mehreren Grundsätzlichen Entscheidungen (GE) ausgesprochen. Danach muß dem Versicherungsträger bzw dessen Beamten ein unklares oder bestrittenes Rechtsverhältnis vorgelegen haben, aufgrund dessen er nach Prüfung der Tatumstände zur Frage der Versicherungspflicht oder -berechtigung in einer für die Beteiligten unzweideutigen Form eine bindende Stellung eingenommen hat (vgl GE Nrn 1891 und 4217; AN 1914, 685, 687; 1931, 470; ferner GE. Nr 1599 in AN 1912, 676, 678 f.). Nach der Rechtsprechung des BSG braucht zwar ein Anerkenntnis nicht in der Form eines ausdrücklichen Bescheides abgegeben zu werden. Die betreffende Erklärung muß jedoch nach den allgemeinen Auslegungsvorschriften überhaupt als ein Anerkenntnis aufgefaßt werden können (BSGE 11, 248, 249). Sie muß daher mehr enthalten als eine allgemein gehaltene Erläuterung der für das künftige Handeln des Erklärungsempfängers interessierenden Rechtsgrundlagen und darf nicht mit einem typischen, sondern muß mit einem individuell bestimmten Inhalt zu einem auf den Einzelfall bezogenen Zweck abgefaßt worden sein (BSGE 19, 247, 249 f.). Unter Anlegung dieser rechtlichen Kriterien ist der im Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 1976 enthaltene Hinweis, daß während der Zeit vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 das Recht zur Weiterversicherung bestanden habe, als Anerkenntnis zu werten. Es handelt sich nicht lediglich um einen allgemeinen Hinweis auf die generellen Rechtsfolgen der Beanstandung von Pflichtbeiträgen. Vielmehr hat die Beklagte diesen zunächst formularmäßigen Hinweis durch seine Beziehung auf den maßgeblichen Zeitraum vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 konkretisiert und speziell für das hier streitige Versicherungsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin erteilt. Dies ist überdies in einem förmlichen und an die Klägerin gerichteten Bescheid geschehen. Angesichts dieser Umstände stellt der Bescheid vom 30. Juli 1976 insofern ein bindendes Anerkenntnis der Beklagten dar.
Die im Bescheid vom 30. Juli 1976 ausgesprochene Anerkennung der Versicherungsberechtigung des T. in der Zeit von Juli 1953 bis Juni 1955 und die aus dieser Anerkennung gezogene rechtliche Schlußfolgerung, daß die entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge gälten, sind rechtswidrig.
Über die Rechtmäßigkeit der Anerkennung einer Versicherungsberechtigung des T. kann bereits im vorliegenden Verfahren befunden werden. Zwar darf allein nach dem Wortlaut des § 145 Abs 3 Satz 2 AVG der Rentenversicherungsträger nach Anerkennung der Versicherungsberechtigung mit der Begründung, die Beitragsmarken seien zu Unrecht verwendet worden, lediglich einen Rentenanspruch nicht ablehnen. Ein Rentenanspruch der Klägerin ist im vorliegenden Verfahren nicht im Streit. Streitig ist allein, ob die von T. in der Zeit von Juli 1953 bis Juni 1955 entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge zu gelten haben. Gleichwohl ist auch im Rahmen eines solchen Rechtsstreits über die Rechtmäßigkeit der Anerkennung einer Versicherungsberechtigung zu befinden. Zu der ähnlich lautenden Vorschrift des § 1445 Abs 2 RVO aF hat das BSG im Anschluß an die Rechtsprechung des RVA bereits ausgesprochen, daß über die Frage, ob ein wirksames Anerkenntnis der Beiträge vorliegt, nicht erst bei der Geltendmachung von Rentenansprüchen, sondern auch schon vorher selbständig entschieden werden kann (BSGE 11, 226, 229). Dasselbe muß im Rahmen des § 145 Abs 3 AVG jedenfalls dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Rechtsstreit - der Versicherungsträger nachträglich die Wirksamkeit einer von ihm ausgesprochenen Anerkennung der Versicherungsberechtigung bestreitet und der Versicherte sich hiergegen wendet. Es wäre sinnwidrig, mit dem verfassungsrechtlichen Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) schwerlich zu vereinbaren und unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie nicht vertretbar, den Versicherten auf die Möglichkeit zu verweisen, die Wirksamkeit des Anerkenntnisses des Versicherungsträgers erst bei der Geltendmachung eines Rentenanspruchs zur Entscheidung zu stellen, und ihm vorher eine solche Entscheidung zu versagen. Über die Wirksamkeit eines Anerkenntnisses nach § 145 Abs 3 Satz 2 AVG kann somit auch außerhalb eines Rechtsstreits um die Gewährung einer Rente entschieden werden (vgl auch BSGE 30, 17, 19 f. = SozR Nr 63 zu § 77 SGG; Urteil des BSG vom 12. Oktober 1979 - 12 RK 19/78).
Entgegen der im Bescheid vom 30. Juli 1976 enthaltenen Feststellung sind die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die von T. in der Zeit vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge gelten könnten, nicht erfüllt. Als Rechtsgrundlage hierfür kommt zunächst nicht § 74 Abs 3 G 131 in Betracht. Nach dieser Vorschrift gelten ua die von einem früheren Berufssoldaten, der keine Anwartschaft oder keinen Anspruch auf Altersversorgung und Hinterbliebenenversorgung nach dem G 131 hat, aber eine solche Anwartschaft aus einem neuen Dienstverhältnis erwirbt (§ 74 Abs 2 Satz 2 G 131), in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. März 1951 entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge, sofern nicht ihre Erstattung beantragt worden ist. Die Vorschrift setzt nicht voraus, daß während der Zeit der Beitragsentrichtung ein Recht auf Selbstversicherung oder Weiterversicherung bestanden hat (BSGE 10, 257, 258; BSG SozR Nr 23 zu § 1251 RVO). Dennoch kann § 74 Abs 3 G 131 im vorliegenden Fall nicht eingreifen. Er bezieht sich lediglich auf die bis zum 31. März 1951 entrichteten Beiträge. T. hat hingegen die streitigen Beiträge für die Zeit vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 und somit erst nach dem 31. März 1951 entrichtet. Auf diese Beiträge ist die sozialversicherungsrechtliche Sonderregelung des § 74 G 131 (BSGE 5, 204, 208; 10, 257, 258) nicht anwendbar. Sie können nur unter den besonderen Voraussetzungen des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung und somit speziell im vorliegenden Fall aufgrund des § 144 AVG als freiwillige Beiträge gelten (BSGE 31, 198, 203 = SozR Nr 5 zu § 1421 RVO; BSG SozR Nr 11 zu § 74 G 131, S. Aa 6).
Die Voraussetzungen des § 144 AVG sind jedoch ebenfalls nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift idF des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S. 1965) gelten Beiträge, die in der irrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht entrichtet sind und nicht zurückgefordert werden, als für die freiwillige Versicherung (vorher: für die Weiterversicherung) entrichtet, wenn das Recht dazu in der Zeit der Entrichtung bestand. Es kann auf sich beruhen, ob von einer "irrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht" im Sinne dieser Bestimmung auch dann gesprochen werden kann, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Versicherungspflicht im Zeitpunkt der Beitragsentrichtung bestanden hat und erst nachträglich aus Rechtsgründen entfallen ist (vgl hierzu Urteil des BSG vom 12. Oktober 1979 - 12 RK 19/78 -). Der Anwendung des § 144 AVG steht jedenfalls entgegen, daß T. während des Zeitraums der Beitragsentrichtung nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung bzw zur Weiterversicherung gehabt hat. Nach § 21 AVG in seiner bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Fassung (= aF) hat für die Weiterversicherung § 1244 RVO aF entsprechend gegolten. Hiernach kann, wer aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausscheidet und mindestens 26 Wochenbeiträge aufgrund der Versicherungspflicht nachweist, die Versicherung freiwillig fortsetzen oder später erneuern (Weiterversicherung). Dabei werden die Beiträge zur Invalidenversicherung oder zur Angestelltenversicherung oder zur knappschaftlichen Pensionsversicherung der Angestellten zusammengerechnet (§ 1244 Satz 2 RVO aF). Die Weiterversicherung ist nur in einem Versicherungszweig zulässig, in dem mindestens ein Beitrag aufgrund der Versicherungspflicht entrichtet worden ist (§ 1244 Satz 4 RVO aF). Ob entsprechend der Ansicht der Beklagten T. bereits deswegen in der Zeit ab 27. Juli 1953 nicht das Recht zur Weiterversicherung gehabt hat, weil er vorher nicht mindestens sechs Monatsbeiträge aufgrund einer Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung entrichtet hat, oder ob dementgegen auch eventuell früher im Gebiet der DDR entrichtete Beiträge und gemäß § 1244 Satz 2 RVO aF die in den Monaten Juni und Juli 1953 zur Invalidenversicherung geleisteten Beiträge zu berücksichtigen sind, kann dahinstehen. T. ist jedenfalls deswegen ab 27. Juli 1953 nicht zur Weiterversicherung in der Angestelltenversicherung berechtigt gewesen, weil zu diesem Versicherungszweig nicht mindestens ein Beitrag aufgrund der Versicherungspflicht entrichtet worden ist (§ 1244 Satz 4 RVO aF). Den Feststellungen des LSG ist nicht zu entnehmen, daß er schon vor dem 27. Juli 1953 während mindestens eines Monats der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung unterlegen hat. Dies ist jedoch zwingende Voraussetzung für eine Weiterversicherung in der Angestelltenversicherung. Daß möglicherweise das Recht hierzu in der Arbeiterrentenversicherung bestanden hat, gestattet eine Berücksichtigung der irrtümlich geleisteten Pflichtbeiträge als freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung nicht. Dafür ist vielmehr erforderlich, daß das Recht zur Weiterversicherung gerade in diesem Versicherungszweig bestanden hat (vgl BSGE 31, 198, 199 = SozR Nr 5 zu § 1421 RVO).
Die im Bescheid vom 30. Juli 1976 ausgesprochene Anerkennung einer Versicherungsberechtigung des T. und die Feststellung, daß die von ihm entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge gelten, sind nach alledem unrichtig. Der Bescheid ist insofern rechtswidrig. Dieser Umstand allein begründet jedoch nicht eine Berechtigung der Beklagten zur Aufhebung des Bescheides und damit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides vom 18. August 1976.
Ein Anerkenntnis im Sinne des § 145 Abs 3 Satz 2 AVG stellt einen Verwaltungsakt dar. Es kann daher nicht nach bürgerlichrechtlichen Vorschriften angefochten, sondern nur nach verwaltungsrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zurückgenommen oder widerrufen werden (BSGE 11, 226, 228 f.; vgl auch BSGE 19, 247, 251) und unterliegt damit hinsichtlich seiner Bestandskraft insbesondere dem § 77 SGG. Hiernach ist, wenn der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird, der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Von dieser Regelung ist zutreffend auch das LSG ausgegangen. Nicht gefolgt werden kann ihm aber darin, daß im Sinne des § 77 SGG als Gesetz, welches etwas anderes bestimmt, § 1744 RVO in Betracht kommt.
§ 1744 RVO ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Er gilt auf den in der RVO geregelten Rechtsgebieten und damit im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nur für Leistungsbescheide. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl BSGE 15, 252, 256 = SozR Nr 2 zu § 173 RVO; BSGE 30, 17, 19 = SozR Nr 63 zu § 77 SGG; BSGE 31, 190, 194 = SozR Nr 3 zu § 27 GAL 1965; BSG DAngVers 1978, 397 = SozVers 1978, 190). Der angefochtene Bescheid vom 30. Juli 1976 ist kein Leistungsbescheid. Er entscheidet insbesondere in seinem hier maßgeblichen Teil nicht über von der Klägerin beanspruchte Leistungen. Vielmehr erkennt er eine Versicherungsberechtigung des T. in der Zeit vom Juli 1953 bis Juni 1955 an und stellt die Geltung der entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge fest. Für die Rücknahme oder den Widerruf eines Bescheides mit diesem Inhalt kann § 1744 RVO nicht herangezogen werden. Die Unanwendbarkeit des § 1744 RVO auf Nichtleistungsbescheide besagt für sich allein noch nichts über die Unabänderbarkeit dieser Bescheide. Vielmehr bedeutet sie lediglich, daß das Gesetz hierfür eine ausdrückliche Regelung nicht enthält und damit lückenhaft ist. Diese Regelungslücke ist zu schließen. Dabei sind, wie der Senat in seinem Urteil vom 10. April 1964 (BSGE 20, 293, 296 = SozR Nr 43 zu § 77 SGG) ausgesprochen hat, in erster Linie allgemeine Rechtsgrundsätze heranzuziehen, die für vergleichbare Tatbestände in ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften des jeweiligen Rechtsgebietes ihren Niederschlag gefunden haben. Sind solche ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften nicht vorhanden, so kommen - wie das BSG jedenfalls in der Zeit vor dem Inkrafttreten des VwVfG in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (vgl BSG DAngVers 1978, 397 = SozVers 1978, 190 und BSGE 47, 288, 289 = SozR 2200 § 183 Nr 19 S. 44, jeweils mit eingehenden weiteren Nachweisen) - zur Ausfüllung der Gesetzeslücke die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts in Betracht. Nach Auffassung des 4. Senats des BSG (BSG DAngVers aaO) besteht kein Anlaß, die Rechtslage seit dem Inkrafttreten des VwVfG anders zu sehen, wobei allerdings anstelle der bisher ungeschriebenen allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts nunmehr die in § 48 Abs 1 bis 3 VwVfG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsätze heranzuziehen sind. Der Senat braucht sich mit dieser Auffassung nicht auseinanderzusetzen. Denn die Frage der Rücknehmbarkeit eines Nichtleistungsbescheides beurteilt sich im vorliegenden Fall von vornherein nicht nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts. Vielmehr lassen sich vorliegend bereits aus ausdrücklichen Vorschriften des hier maßgeblichen Rechtsgebietes der gesetzlichen Rentenversicherung Rechtsgrundsätze zur Ausfüllung der Regelungslücke hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Nichtleistungsbescheiden herleiten. Sie ergeben sich aus § 145 Abs 3 Satz 2 AVG.
Durch diese Vorschrift wird dem Anerkenntnis des Versicherungsträgers zugunsten des Berechtigten ein erhöhter Bestandsschutz beigelegt. Zwar kann nach dem Wortlaut der Bestimmung nach Anerkennung der Versicherungsberechtigung der Rentenanspruch lediglich nicht mit der Begründung abgelehnt - und demzufolge das Anerkenntnis nicht mit der Begründung zurückgenommen oder widerrufen - werden, daß die Beitragsmarken zu Unrecht verwendet sind. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß mit einer anderen Begründung das Anerkenntnis zurückgenommen oder widerrufen werden kann. Allerdings hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 18. August 1976 nicht darauf gestützt, daß Beitragsmarken zu Unrecht verwendet worden seien. Denn nach Lage der Dinge sind die Beiträge für T. in der Zeit vom 27. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 nicht durch Verwendung von Beitragsmarken entrichtet worden. Zwar hat das LSG hierzu tatsächliche Feststellungen nicht getroffen. Entsprechend der seinerzeit maßgebenden Rechtslage (vgl § 8 der Zweiten Lohnabzugs-Verordnung - 2. LAV - vom 24. April 1942; RGBl I S. 252) kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die für T. in der Annahme einer Versicherungspflicht geleisteten Beiträge im Lohnabzugsverfahren entrichtet worden sind. Dies berechtigt die Beklagte indes nicht, ihr Anerkenntnis der Versicherungsberechtigung des T. im Bescheid vom 30. Juli 1976 zurückzunehmen oder zu widerrufen. Denn auch der Einwand, daß die in der Annahme einer Versicherungspflicht des T. entrichteten Beiträge zu Unrecht als freiwillige Beiträge angesehen worden seien, ist ihr nach § 145 Abs 3 Satz 2 AVG verwehrt. Zwar kann sich ein Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift ebenso wie ein Feststellungsverlangen des Versicherten nach Satz 1 der Bestimmung (vgl dazu Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 6. Aufl, § 1423 RVO, Anm 4) nur auf die Wirksamkeit der Beitragsentrichtung und nicht auf sonstige Voraussetzungen des Rentenanspruchs beziehen. Andererseits aber soll es nach dem erkennbaren Sinn und Zweck der Norm nach Abgabe eines Anerkenntnisses dem Versicherungsträger - vorbehaltlich dessen, daß sich nicht zwischenzeitlich das Gesetz geändert hat (vgl dazu BSGE 19, 247, 251) - grundsätzlich versagt sein, eine Unwirksamkeit der Beitragsentrichtung geltend zu machen. Hierbei ist es ohne entscheidende Bedeutung, ob die Beiträge durch Verwendung von Beitragsmarken oder aber ob sie zwar in anderer Weise entrichtet worden sind, nach der ausdrücklichen Feststellung des Versicherungsträgers jedoch als freiwillige Beiträge gelten. In dem einen wie in dem anderen Fall ist der Versicherte gleichermaßen schutzbedürftig. Damit ist der Versicherungsträger an ein von ihm abgegebenes Anerkenntnis des Versicherungsberechtigten bei unveränderter Rechtslage gemäß § 77 SGG auch dann gebunden, wenn er die Unwirksamkeit der Beitragsentrichtung aus anderen Gründen als demjenigen geltend macht, daß Beitragsmarken zu Unrecht verwendet worden seien.
Die Beklagte ist nach alledem zur Rücknahme ihres im Bescheid vom 30. Juli 1976 abgegebenen Anerkenntnisses der Versicherungsberechtigung des T. ungeachtet dessen sachlicher Unrichtigkeit nicht befugt gewesen. Dasselbe gilt für die daraus gezogene rechtliche Schlußfolgerung, daß die entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge gelten. Damit ist der entgegenstehende Bescheid vom 18. August 1976 rechtswidrig und aufzuheben. Mit dieser Maßgabe ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen