Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit von Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG. besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen

 

Leitsatz (amtlich)

Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG bzw § 241 Abs 2 SGB 6 sind auch insoweit verfassungsgemäß, als danach Versicherte, die vor dem 1.1.1984 die Wartezeit von 60 Kalendermonaten nicht zurückgelegt hatten, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/Berufsunfähigkeit nur unter den durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 neu eingeführten Voraussetzungen der §§ 1246 Abs 2a, 1247 Abs 2a RVO bzw der Folgevorschrift des § 44 SGB 6 beanspruchen können (Bestätigung und Fortführung von BSG vom 27.11.1991 – 5 RJ 26/91 = BSGE 70, 43 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 9).

Stand: 24. Oktober 2002

 

Normenkette

ArVNG Art. 2 § 6 Abs. 2; SGB VI § 241 Abs. 2; RVO § 1246 Abs. 2a Fassung: 1983-12-22, § 1247 Abs. 2a Fassung: 1983-12-22; SGB VI § 44 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 29.11.1995; Aktenzeichen L 16 Ar 529/94)

SG Landshut (Entscheidung vom 15.07.1994; Aktenzeichen S 12 Ar 397/94)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. November 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt im Revisionsverfahren nur noch die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Umstritten ist vor allem, ob sie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Leistung erfüllt oder noch erfüllen kann.

Die 1948 geborene Klägerin ist kroatische Staatsangehörige. Vom 4. Februar 1970 bis 31. August 1972 war sie in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Daraus resultieren 31 Monate Pflichtbeiträge. Anschließend kehrte die Klägerin in das jetzige Kroatien zurück. In ihrem Heimatland hat sie keine Versicherungszeiten zurückgelegt.

Der Rentenantrag der Klägerin vom 3. Mai 1989 war erfolglos (Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 1991, Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1991). Der erneute Rentenantrag vom 16. September 1991, mit dem sie zugleich die Überprüfung des Bescheides vom 25. Februar 1991 begehrte, wurde von der Beklagten durch Bescheid vom 28. Januar 1994 idF des Widerspruchsbescheids vom 7. April 1994 abgelehnt, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 15. Juli 1994 und des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 29. November 1995). Das LSG hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Versichertenrente, weil sie die gemäß § 1247 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der seit 1. Januar 1984 geltenden Fassung erforderliche Wartezeit nicht erfüllt habe. Vor Eintritt des Versicherungsfalls seien in der Bundesrepublik Deutschland nur (Pflicht-)Beiträge für die Zeit von Februar 1970 bis August 1972, aber keine sonstigen anrechenbaren Zeiten nachgewiesen. Die Klägerin habe auch im Bereich des früheren Jugoslawien keine weiteren Versicherungszeiten zurückgelegt, die nach Art 25 Abs 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969 S 1438) idF des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl II 1975 S 390; Abk Jugoslawien SozSich) anzurechnen wären. Die Voraussetzungen für eine Fiktion der Erfüllung der Wartezeit iS von § 1252 RVO, insbesondere ein Arbeitsunfall, lägen nicht vor.

Die nachträgliche Entrichtung freiwilliger Beiträge könne zwar uU zur Erfüllung der Wartezeit, nicht aber zu einem Rentenanspruch führen. Gehe man – wie die Klägerin – davon aus, daß die EU bereits vor Antragstellung am 3. Mai 1989 eingetreten sei, könnten Beiträge für die Zeit davor wegen Fristversäumnis (§ 1418 Abs 1 RVO) nicht mehr entrichtet und Beiträge für die Zeit danach wegen Eintritts des Versicherungsfalls (§ 1419 Abs 1 RVO) nicht mehr für die Rente wegen EU wirksam werden. Letzeres gelte auch für einen Eintritt des Versicherungsfalles bis zu den Schreiben der Klägerin vom 8. Mai oder 9. September 1991, die als Bereiterklärung zur Entrichtung von Beiträgen verstanden werden könnten.

Bei Eintritt des Versicherungsfalles nach der Bereiterklärung bestehe zwar uU noch die Möglichkeit der Beitragsentrichtung, weil die Entrichtungsfrist nach § 1418 Abs 1 RVO durch das laufende und das vorangegangene Verfahren gehemmt worden sei (§ 1420 Abs 2 RVO) und im übrigen die Bereiterklärung nach Maßgabe des § 1419 Abs 2 RVO einer Beitragsentrichtung gleichstehe. Der Rentenanspruch scheitere in diesem Fall aber daran, daß die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von § 1247 Abs 2a iVm § 1246 Abs 2a RVO nicht erfüllt seien und auch nicht mehr rückwirkend erfüllt werden könnten.

Ein Anspruch der Klägerin bestehe dann deshalb nicht, weil in den letzten 60 Monaten vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt seien und auch kein Tatbestand des § 1252 RVO vorliege. Auf der Grundlage eines unterstellten am 4. Dezember 1992 eingetretenen Versicherungsfalles (Zeitpunkt, ab dem die Klägerin laut Gutachten der Invalidenkommission Zagreb vom 15. Oktober 1993 ihre bisherige in Deutschland verrichtete Tätigkeit nicht mehr habe ausüben können) seien nach dem dann anzuwendenden § 44 Abs 1 Nr 2 Abs 4 iVm § 43 Abs 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) im maßgeblichen Bemessungszeitraum von Dezember 1987 bis November 1992 ebenfalls keine Pflichtbeitragszeiten nachgewiesen. Die Übergangsregelungen von Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) und § 241 Abs 2 SGB VI kämen für die Klägerin schon deshalb nicht zur Anwendung, weil sie vor dem 1. Januar 1984 noch keine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt habe.

Mit ihrer vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 1246, 1247 RVO, Art 2 § 6 ArVNG, der §§ 43, 44, 240, 241 SGB VI, der Art 3 und 14 des Grundgesetzes (GG) sowie des Rechts- und Sozialstaatsprinzips. Dazu trägt sie im wesentlichen vor: Zutreffend habe das LSG ausgeführt, daß die Klägerin wegen der Bereiterklärung noch zu wirksamer Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen berechtigt sei, wenn der Versicherungsfall erst nach dem Rentenantrag bzw der Bereiterklärung eingetreten sei. Der Auffassung des 5. Senats des BSG, wonach die Übergangsregelung des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 verfassungsgemäß sei (Hinweis auf BSGE 70, 43 ff = SozR 3- 2200 § 1247 Nr 9), könne nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber sei rechtlich verpflichtet gewesen, eine weitergehende Übergangsregelung für Versicherte zu schaffen, die am 1. Januar 1984 zwar schon in die gesetzliche Rentenversicherung eingetreten gewesen seien, allerdings die allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt hätten, aber zB mehr als die Hälfte der geforderten 36 Pflichtbeiträge belegt hätten. Andernfalls liege ein Verstoß gegen Art 14 GG vor. Entgegen der Auffassung des 5. Senats seien auch Versicherte, die die Wartezeit nicht erfüllt hätten, schutzwürdig. Auch eine nur geringe Rente hätte für die Klägerin Lohnersatzcharakter und würde als ausschließliche Einnahmequelle in ihrem Heimatland der Existenzsicherung dienen. Auch liege ein Verstoß gegen Art 3 GG vor. Die Klägerin werde gegenüber solchen Versicherten ungleich behandelt, die zwar am 1. Januar 1984 die Wartezeit von 60 Monaten erfüllt hätten, deren gesamte Beitragsleistung aber nicht die Höhe der Beiträge erreicht habe, die die Klägerin insgesamt gezahlt habe.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Bayerischen LSG vom 29. November 1995 und des SG Landshut vom 15. Juli 1994 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Januar 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 1994 zu verurteilen, den Bescheid vom 25. Februar 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 1991 zurückzunehmen und ihr Rente wegen EU unter Berücksichtigung des ersten Rentenantrags zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 29. November 1995 als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen.

1. Nachdem die Klägerin den Anspruch, der in den Vorinstanzen auch auf die Gewährung einer BU-Rente gerichtet war, auf die Gewährung einer EU-Rente beschränkt hat (für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit ≪BU≫ fehlen - soweit ersichtlich - von vornherein die tatbestandlichen Voraussetzungen), ist nur noch dieser streitgegenständlich.

2. Wie das LSG zutreffend erkannt hat, sind durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 7. April 1994 sowohl ein erneuter Rentenantrag der Klägerin als auch ein Antrag auf Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 25. Februar 1991 idF des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 1991 abschlägig beschieden worden. Die Überprüfung des bindenden Verwaltungsaktes aus dem Jahre 1991 erfolgt auf der Grundlage des § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach kommt es darauf an, ob die damalige Rentenablehnung rechtswidrig war. Dies richtet sich ebenso wie der mit dem Neuantrag vom September 1991 geltend gemachte Rentenanspruch nach den Vorschriften der RVO und des ArVNG, da die Rente auch für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 begehrt wird und der Antrag bis zum 31. März 1992 gestellt worden ist (vgl § 300 Abs 2 und 3 SGB VI ). Sollte allerdings ein Versicherungsfall erst nach dem 31. Dezember 1991 eingetreten sein, finden die Regelungen des SGB VI Anwendung (vgl § 300 Abs 1 SGB VI ).

3. Materielle Rechtsgrundlage des Rentenanspruchs ist danach zunächst § 1247 RVO in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden - neueren - Fassung (nF). Diese Vorschrift setzt voraus 1. die Erfüllung der Wartezeit ( § 1247 Abs 1 und 3 RVO nF), 2. den Eintritt des Versicherungsfalles der EU ( § 1247 Abs 1 und 2 RVO nF) und 3. die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls (§ 1247 Abs 1 und 2a iVm § 1246 Abs 2a RVO nF).

Die letztgenannte besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung ist erst durch das HBegleitG 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) zusätzlich eingeführt worden. Sie ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Nach § 1246 Abs 2a Satz 1 RVO nF, auf den § 1247 Abs 2a RVO nF auch für die EU-Rente verweist, ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zuletzt vor Eintritt der BU ausgeübt worden, wenn 1. von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der BU mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für die versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind oder 2. die BU aufgrund eines der in § 1252 RVO genannten Tatbestände eingetreten ist.

Keine der genannten Voraussetzungen liegen hier vor. Nach den Feststellungen des LSG ist keiner der von § 1252 RVO erfaßten Tatbestände ersichtlich, dessen Anwendung lediglich die Entrichtung eines Beitrags vor Eintritt der EU durch die dort genannten Ereignisse (zB Arbeitsunfall, Wehrdienstbeschädigung) voraussetzt (vgl dazu Senatsurteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 35/91 - Umdr S 4). Auch an 36 Monaten mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung fehlt es, da die Klägerin insgesamt nur 31 Monate Pflichtbeitragszeiten aufzuweisen hat. Versicherungszeiten in Jugoslawien bzw Kroatien, die aufgrund des Abk Jugoslawien SozSich (vgl dazu auch Bekanntmachung über die Fortgeltung der deutsch-jugoslawischen Verträge im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien vom 26. Oktober 1992, BGBl II S 1146) zur Erfüllung dieser Anspruchsvoraussetzung anrechenbar wären, liegen ebenfalls nicht vor. Das LSG durfte insoweit die Auskünfte der Verbindungsstelle Bjelovar vom 2. Januar 1991 und 29. November 1993 zugrunde legen, wonach die Klägerin im Bereich des früheren Jugoslawien keine anrechenbaren Versicherungszeiten zurückgelegt hat.

4. Einer Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in § 1247 Abs 2a iVm § 1246 Abs 2a RVO nF bedarf es allerdings nicht, wenn die Übergangsregelung des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG eingreift. Nach dieser Vorschrift gelten § 1246 Abs 1 sowie § 1247 Abs 1 RVO aF auch für Versicherungsfälle nach dem 31. Dezember 1983, wenn der Versicherte 1. vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat und 2. jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls mit Beiträgen oder den bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs 2a RVO nF nicht mitzuzählenden Zeiten belegt hat.

Art 2 § 6 Abs 2 Satz 1 ArVNG gilt für Versicherungsfälle in der Zeit bis zum 30. Juni 1984 auch, ohne daß die Voraussetzungen der Nr 2 vorliegen ( Art 2 § 6 Abs 2 Satz 2 ArVNG ). Für Versicherungsfälle in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1984 gilt Satz 1 auch, wenn die Voraussetzungen der Nr 2 im ersten Kalenderhalbjahr 1984 vorliegen ( Art 2 § 6 Abs 2 Satz 3 ArVNG ).

Diese Übergangsregelungen treffen auf die Klägerin nicht zu. Denn sie hat vor dem 1. Januar 1984 keine Versicherungszeit von 60 Monaten aufzuweisen. Dabei handelt es sich um eine Voraussetzung, die der Sache nach dem Erfordernis der Erfüllung der Wartezeit iS von § 1247 Abs 1 und 3 Satz 1 Buchst a RVO entspricht. Anrechnungsfähig sind insofern nur Beitrags-, Ersatz- und Kindererziehungszeiten (vgl §§ 1249ff RVO ). Die Klägerin hat nach den Feststellungen des LSG - wie bereits ausgeführt - nur 31 Beitragsmonate in der Zeit von Februar 1970 bis August 1972 zurückgelegt. Für das Vorliegen von Ersatzzeiten ( § 1251 RVO ) bestehen keine Anhaltspunkte. Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 iS von § 1251a RVO liegen nicht vor, da die Klägerin nach den Feststellungen des LSG ihre Kinder nicht im Geltungsbereich der RVO erzogen hat.

5. Die erforderlichen 60 Monate Versicherungszeit sind auch nicht mehr durch rückwirkende Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit bis 31. Dezember 1983 erfüllbar. Insoweit sind die Fristen für eine wirksame Beitragszahlung abgelaufen. Freiwillige Beiträge können gem § 1418 Abs 1 RVO grundsätzlich nur bis zum Ablauf des Kalenderjahres entrichtet werden, für das sie gelten sollen. Diese Frist wurde erstmals durch den Rentenantrag vom Mai 1989 für das Kalenderjahr 1989 unterbrochen ( § 1420 Abs 2 RVO ). Für das Vorliegen eines Unterbrechungstatbestandes hinsichtlich davorliegender Zeiträume fehlt nach den Feststellungen des LSG jeder Anhaltspunkt. Ebensowenig ist eine in der Zeit vor 1991 abgegebene Bereiterklärung zur Beitragsentrichtung (vgl § 1419 Abs 2 RVO ) ersichtlich.

Die Entrichtung freiwilliger Beiträge nach Fristablauf ist auch nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs für die Zeit vor 1984 möglich. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen unzureichender Beratung oder falscher bzw irreführender Information der Bevölkerung in Jugoslawien durch die Beklagte (vgl hierzu BSG SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 15) könnte frühestens ab dem Zeitpunkt der Entschließung der gesetzgebenden Organe zum HBegleitG 1984 in Betracht kommen, dh Ende 1983. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fristen für eine freiwillige Nachentrichtung für die Zeit vor 1983 bereits abgelaufen. Da der Klägerin noch 29 Monate zur Erfüllung der Wartezeit fehlten, hätte sie die erforderlichen 60 Versicherungsmonate durch eine damals noch mögliche Belegung der 12 Monate des Jahres 1983 nicht mehr erfüllen können. Ein noch im Jahre 1983 erfolgter Hinweis auf die Einführung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für BU/EU-Renten durch das HBegleitG 1984 hätte der Klägerin somit nicht gereicht, die ihr zur Inanspruchnahme der Übergangsregelung des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG fehlenden Beiträge rechtzeitig zu entrichten.

Schließlich ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin die erforderlichen 29 Beiträge jetzt noch mit Wirkung für die Zeit vor 1984 zu einem jugoslawischen oder kroatischen Rentenversicherungsträger entrichten könnte, zumal dort keinerlei Versicherungszeiten vorgemerkt sind.

6. Der Klägerin steht auch keine Erwerbsunfähigkeitsrente ab 1. Januar 1992 nach dem SGB VI zu. Insoweit richtet sich der Anspruch der Klägerin nach § 44 SGB VI und der Übergangsbestimmung des § 241 SGB VI . Diese Vorschriften enthalten - soweit hier bedeutsam - keine von der RVO inhaltlich abweichenden Regelungen. Demnach scheitert ein Rentenanspruch der Klägerin auch insoweit jedenfalls daran, daß sie für die Zeit bis zum 31. Dezember 1983 insgesamt nur 31 Versicherungsmonate vorzuweisen hat.

7. Durch die mit dem HBegleitG 1984 erfolgte Neufassung des § 1247 RVO oder die Folgevorschrift des § 44 SGB VI ist die Klägerin nicht in ihren Rechten aus Art 14 GG verletzt, und das auch nicht durch einen unzureichenden Umfang der Übergangsvorschriften des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG oder des § 241 Abs 2 SGB VI . Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen Art 14 GG darin, daß die Übergangsvorschriften nicht auch Versicherte einbezogen haben, die bis 1984 die Wartezeit von fünf Jahren noch nicht erfüllt hatten. Der 5. Senat des BSG hat aber demgegenüber bereits die Vorschriften des HBegleitG 1984 als verfassungsgemäß angesehen, auch soweit Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 weniger als 60 Kalendermonate Versicherungszeit zurückgelegt haben, nicht die Möglichkeit besitzen, ein Recht auf eine BU- oder EU-Rente allein durch freiwillige Beitragszahlungen zu begründen (vgl BSGE 70, 43ff = SozR 3-2200 § 1247 Nr 9). Der erkennende 13. Senat schließt sich dieser Auffassung im Ergebnis an.

Durch das HBegleitG 1984 und die Nachfolgevorschriften des SGB VI ist allerdings in ein Anwartschaftsrecht der Klägerin eingegriffen worden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat als Rentenanwartschaft, die den Schutz der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG genießt, auch solche Rechtspositionen des Versicherten nach Begründung des Rentenversicherungsverhältnisses angesehen, die bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen, etwa des Ablaufs der Wartezeit und des Eintritts des Versicherungsfalles, zum Vollrecht erstarken können ( BVerfGE 69, 272 , 298, 53, 257, 289; vgl auch BVerfG SozR 2200 § 1260c Nr 1). Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat an, weil nur diese Auffassung einen effektiven Eigentumsschutz sichert.

Dabei kommt es nicht darauf an, wie der Begriff der Anwartschaft im SGB VI verstanden wird; denn hier geht es nicht um versicherungsrechtliche Abgrenzungen, sondern um die Bestimmung derjenigen Rechtspositionen, die wegen der dahinterstehenden Eigenleistung und ihrer Bedeutung für die weiteren Dispositionen des Versicherten Eigentumsschutz beanspruchen können. Deshalb ist auch unbeachtlich, daß im Zusammenhang mit dem SGB VI regelmäßig als Anwartschaft die in bestimmter Höhe zu erwartende Rente (so § 109 Abs 1 und 3 SGB VI ) oder der durch Erfüllung der Wartezeit dem Grunde nach begründete Anspruch auf Rente bezeichnet wird.

Das HBegleitG 1984 und die entsprechenden Nachfolgevorschriften des SGB VI haben dieses Anwartschaftsrecht der Klägerin nur modifiziert und nicht vollständig entzogen. Diese Abgrenzung ist entscheidend für die Anlegung des aus Art 14 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabes.

Der Eingriff erfaßt nicht die gesamte durch Beitragsleistung angelegte Rechtsposition der Klägerin, sondern nur den Anspruch auf Erwerbsminderungsrenten. Der durch die Neuregelung bewirkte Eingriff ist dennoch insoweit gravierend, als er den Anspruchserwerb für Versicherte wie die Klägerin nicht nur von zusätzlichen finanziellen Dispositionen, dh der Entrichtung freiwilliger Beiträge, abhängig macht, sondern weitergehende Handlungen verlangt, nämlich die längerfristige Verrichtung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit, die ihnen nicht jederzeit ohne weiteres möglich ist. Zumindest liegt ein Eingriff in Eigentumsrechte darin, daß die bisher im Vertrauen auf die Weitergeltung der alten Regelung vorgenommenen Lebensplanungen, die darauf aufbauen, daß ein Rentenanspruch allein durch Entrichtung freiwilliger Beiträge begründet und ausgebaut werden kann, nicht mehr durchführbar sind (vgl dazu BVerfGE 51, 356 ).

Dennoch entwertet die Neuregelung im HBegleitG 1984 die auf den 31 Pflichtbeiträgen beruhende Rechtsstellung der Klägerin nicht vollständig.

Es ist zunächst zu berücksichtigen, daß die vorhandenen 31 Pflichtbeiträge nur eine unvollkommene Rechtsposition begründet haben. Eine unmittelbare Anwartschaft auf Leistung bei Eintritt eines Versicherungsfalles ergab sich aus dem Beitragskonto der Klägerin noch nicht. Deshalb kann jedenfalls durch Einführung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen kein Entzug einer Anwartschaft auf eine bestimmte Leistung - hier BU/EU-Rente - erfolgt sein. Das BVerfG ist zwar in seiner Entscheidung vom 8. April 1987 ( BVerfGE 75, 78 = SozR 2200 § 1246 Nr 142) zu dem Ergebnis gelangt, daß (nur) dann kein vollständiger Entzug der Rentenanwartschaft vorliege, wenn eine durch Erfüllung der Wartezeit erstarkte Anwartschaft durch die Erbringung weiterer freiwilliger Mindestbeiträge aufrechterhalten werden könne. Im vorliegenden Fall besteht diese Möglichkeit der Anwartschaftserhaltung nicht. Die Ausführungen des BVerfG sind indes auf Fälle begrenzt, in denen eine durch Erfüllung der Wartezeit gefestigte Anwartschaft auf BU/EU-Renten vorlag. Sie lassen sich nicht auf Fälle wie den hier zu entscheidenden übertragen, weil das betroffene Recht einen anderen Inhalt hat.

Die in wenigen Beiträgen angelegte Anwartschaft wird bei Eintritt eines Versicherungsfalles nicht unmittelbar leistungsrelevant, ist also schwächer. Sie ist auch noch nicht auf eine bestimmte Leistung ausgerichtet, betrifft mithin nicht ausschließlich BU/EU-Renten, sondern ein Bündel von Leistungen (Rehabilitation, BU/EU-Renten, Altersrente, Hinterbliebenenrenten), für die durch weitere Beitragsentrichtung verfestigte Rechtspositionen erworben werden können, die dann bei Eintritt des Versicherungsfalles eine entsprechende Leistung erwarten lassen. In bezug auf dieses Bündel von Möglichkeiten hat der Gesetzgeber mit den hier umstrittenen Änderungen lediglich die Möglichkeit ausgeschlossen, allein durch Erfüllung der Wartezeit und Eintritt des Versicherungsfalles einen Anspruch auf BU/EU-Rente zu erwerben. Daraus ergibt sich zum einen, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit, zu BU/EU-Renten zu gelangen, nicht völlig ausgeschlossen hat; sie ist weiter vorhanden, wenn der Versicherte durch versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten eine größere Nähe zum Versicherungssystem herstellt. Zum zweiten aber sind die übrigen in dem Bündel von Anwartschaften angelegten Möglichkeiten, verfestigte Leistungsanwartschaften zu erwerben, nicht betroffen. Der Gesetzgeber hat im Gegenteil mit demselben Gesetz, mit dem er den Zugang zu BU/EU-Renten erschwert hat, den Bezug von Altersruhegeld bei Erreichen des 65. Lebensjahres erleichtert, indem er die insoweit erforderliche Wartezeit von 180 Monaten auf 60 Monate verringert hat (vgl § 1248 Abs 5 iVm Abs 7 Satz 3 RVO ).

Die vor 1984 geleisteten 31 Pflichtbeiträge sind der Klägerin auch nicht wirtschaftlich entzogen worden. Ihr Wert bleibt erhalten. Sie werden weiterhin auf die allgemeine Wartezeit angerechnet und könnten grundsätzlich auch auf die erforderlichen 36 Pflichtbeiträge vor Eintritt des Versicherungsfalls angerechnet werden, soweit sie durch Streckungstatbestände des § 1247 Abs 2a iVm § 1246 Abs 2a RVO erfaßt würden. Auch sind sie weiterhin für die Altersrente von Bedeutung und haben in dieser Hinsicht zudem durch die bereits erwähnte Änderung des § 1248 Abs 5 iVm Abs 7 Satz 3 RVO insoweit eine Stärkung erfahren, als die erforderliche Wartezeit von 180 Kalendermonaten auf 60 Kalendermonate Versicherungszeit reduziert wurde (vgl dazu das oben bereits erwähnte Urteil des 5. Senats in BSGE 70, 43, 46 = SozR 3 -2200 § 1247 Nr 9 S 26). Im übrigen kann uU eine Beitragserstattung gemäß § 210 SGB VI erfolgen, nachdem die Klägerin das 65. Lebensjahr vollendet hat, wenn auch dann die allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt ist.

Eine Entziehung von Eigentum liegt auch nicht etwa deshalb vor, weil es für die Klägerin in Kroatien aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse schwieriger wäre, 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zu belegen, und weil Streckungstatbestände nicht in Betracht kommen. Im Bereich des ehemaligen Jugoslawiens entrichtete Pflichtbeiträge sind immerhin nach dem Abk Jugoslawien SozSich anrechenbar. Insoweit blieb der Klägerin jedenfalls eine beachtliche Möglichkeit erhalten, die Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine BU/EU-Rente zu erfüllen. (Allerdings entfällt die Möglichkeit von Streckungstatbeständen.)

Da somit, bezogen auf das Bündel der in einzelnen Beiträgen angelegten, noch nicht gefestigten Anwartschaften auf verschiedene Leistungen aus der Rentenversicherung insgesamt und auch bezogen auf die Anwartschaft auf EU/BU-Rente als solche, keine vollständige Entziehung der eigentumsgeschützten Position vorliegt, ist die Verfassungsmäßigkeit der hier streitigen Vorschriften anhand der Grundsätze zu beurteilen, nach denen der Gesetzgeber in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des durch Art 14 Abs 1 Satz 1 GG garantierten Eigentums bestimmen darf (vgl BVerfGE 22, 241, 253 ; 75, 78, 97 ; 76, 256, 354 ; 83, 201, 212 ; BVerfG vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 -, Umdr S 26). Der Gesetzgeber kann danach gemäß Art 14 Abs 1 Satz 2 GG Bestimmungen über Inhalt und Schranken von Eigentum treffen (vgl BVerfGE 53, 257, 292 ; 74, 203, 214 ; 90, 226, 263 ), jedoch darf er damit eigentumsrechtlich geschützte Positionen nicht beliebig umgestalten. Vielmehr sind Regelungen, die zu Eingriffen in solche Positionen führen, nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind (vgl BVerfGE 58, 81, 121 ). Dabei müssen die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein; insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl BVerfGE 58, 137, 148 ; 72, 9, 23 ; 75, 78, 104 ). Die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, müssen so schwerwiegend sein, daß sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines Rechts, das durch die Bestandsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG gesichert wird ( BVerfGE 42, 263, 294 ; 58, 300, 351 ; 83, 201, 212 ).

Dafür, daß die Neufassung der Vorschriften des § 1247 RVO iVm Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG und § 44 iVm § 241 SGB VI insgesamt verfassungswidrig sein könnten, bestehen nach der Entscheidung des BVerfG vom 8. April 1987 (aaO) keine Anhaltspunkte. Dies wird auch von der Klägerin nicht vorgetragen. Verfassungswidrig könnte der Eingriff in eigentumsgeschützte Positionen der Klägerin nur im Hinblick auf das Fehlen einer Übergangsbestimmung sein, die diejenigen erfaßt, welche am 1. Januar 1984 noch nicht die Wartezeit erfüllt hatten, und die zudem den Bedürfnissen und Möglichkeiten von Versicherten Rechnung trägt, die - wie die Klägerin - in Kroatien (oder in anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens) leben.

Entscheidend ist somit zunächst, ob Gründe des öffentlichen Wohls die Beschränkung der Übergangsvorschrift auf Versicherte rechtfertigen, die am 1. Januar 1984 bereits die Wartezeit von 60 Monaten erfüllt hatten. Der Gesetzgeber wollte durch die Neuregelung eine Stabilisierung der finanziellen Entwicklung in der Rentenversicherung bewirken, den Lohnersatzcharakter der BU/EU-Rente sowie ebenfalls den Gedanken der Solidarität der in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten stärken (vgl BR-Drucks 302/83 , S 2 und 59 ff; sowie BVerfGE 75, 78, 98 ). Das BVerfG (aaO S 100) hat bereits darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber für den Zeitraum bis 1987 durch die vorgeschlagenen Einnahmeerhöhungen und Ausgabenverringerungen im HBegleitG 1984 Einsparungen in Höhe von 29,455 Milliarden DM erwartete. Nach den Prognosen des Gesetzgebers entfiel auf die hier in Rede stehenden veränderten Voraussetzungen für den Bezug von BU/EU-Renten ein Betrag von 1,6 Milliarden, wobei der ursprünglich angesetzte Sparbetrag von 2,715 Milliarden DM bereits durch die Einführung der vorgesehenen Übergangsregelungen vermindert worden war. Das Gericht führt dann weiter aus, daß es sich selbst dann um vertretbare Prognosen handele, denen das BVerfG nicht entgegentreten könne (vgl BVerfGE 50, 290, 332 ), wenn sich nicht in allen Einzelheiten übersehen lasse, daß dieses Ziel in dem angegebenen Zeitraum erfüllt werden könne, und nicht sicher sei, daß die Rentenversicherung durch die angegriffenen Bestimmungen auf Dauer 2 vH ihrer Ausgaben ersparen werde. Insbesondere werde die angestrebte Stärkung der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung nicht dadurch in Frage gestellt, daß die in Rede stehenden Regelungen nur etwa 5 vH der insgesamt bis 1987 erwarteten Einsparung erbringen sollten (vgl BVerfGE 58, 81, 118 ). Diese Überlegungen gelten nicht nur für die Personengruppe, für die die Übergangsregelungen eingreifen, sondern gleichermaßen für die Frage, ob der Gesetzgeber weitergehende Übergangsregelungen hätte treffen müssen.

Das BVerfG (aaO S 100ff) hat in der genannten Entscheidung ferner entschieden, daß die getroffenen Regelungen unter dem Gesichtspunkt des Sparziels auch erforderlich seien. Daran würde es nur fehlen, wenn evident wäre, daß die angestrebten Einsparungen mit weniger eingreifenden Mitteln hätten erreicht werden können. Das sei nicht ersichtlich. Insbesondere könnte die Erforderlichkeit nicht unter dem Gesichtspunkt beanstandet werden, daß die Einsparungen auch durch andere Maßnahmen hätten bewirkt werden können. Es liege in der Gestaltung des Gesetzgebers, wenn er die notwendigen Ausgleiche nicht durch Beitragserhöhungen oder Verminderung der Rentenanpassung, sondern durch Veränderung von Anspruchsvoraussetzungen herbeiführe. Auch diesen Überlegungen schließt sich der erkennende Senat an.

Verhältnismäßig ist der Eingriff durch das HBegleitG 1984 vor allem im Hinblick darauf, daß die Klägerin Ende 1983 noch keine gefestigte Rechtsposition erworben hatte, dh noch keine durch Erfüllung der Wartezeit gefestigte Anwartschaft mit dem Inhalt hatte, daß der Rentenanspruch nur noch vom Eintritt des Versicherungsfalls abhängig war. In dieser Position war sie von vornherein mit dem Risiko belastet, daß durch persönliche, finanzielle oder arbeitsmarktbedingte Schwierigkeiten, die für die Wartezeit fehlenden Beiträge vor Eintritt des Versicherungsfalles nicht mehr oder nur zu erschwerten Bedingungen entrichtet werden konnten. Auf die Gründe, die eine Entrichtung weiterer Beiträge verhinderten, kam es schon vor 1984 nicht an. Soweit in Jugoslawien größere Schwierigkeiten bestanden, die Wartezeit durch weitere Beiträge zu erfüllen, mußte sich die Klägerin von vornherein darüber im Klaren sein, daß sie ihr Risiko erhöht, wenn sie vor Erfüllung der Wartezeit nach Jugoslawien (Kroatien) zurückkehrt. Sie konnte - einmal unterstellt, daß freiwillige Beiträge in Jugoslawien nicht ohne weiteres entrichtet werden konnten - nur die Erwartung hegen, mit freiwilligen Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung oder durch Pflichtbeiträge aufgrund einer Beschäftigung in Jugoslawien (Kroatien) die Wartezeit zu erfüllen. Eine derart labile Position ist weniger schutzwürdig als eine durch Erfüllung der Wartezeit gefestigte Position.

In diesem Zusammenhang könnte noch beachtlich sein, daß das BVerfG (allerdings lediglich aus Gründen des im Rechtsstaatsprinzip - Art 20 GG - angelegten Vertrauensschutzes und noch nicht unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes der in einzelnen Beiträgen liegenden Anwartschaften) bisher schon entschieden hat, daß solchen Personen, die bereits von dem Recht der freiwilligen Versicherung Gebrauch gemacht hatten, diese Möglichkeit nicht ohne Übergangsregelung entzogen werden kann ( BVerfGE 51, 356 ). Es ist bereits fraglich, ob dies auch für Personen zu gelten hat, die - wie die Klägerin - nur ein viele Jahre zurückliegendes Pflichtbeitragskonto aufzuweisen und bisher von der freiwilligen Versicherung keinen Gebrauch gemacht haben. Jedenfalls erscheint es zumutbar, für Personen, die noch keine feste Versicherungsplanung haben erkennen lassen und auch erst über geringe Beitragszeiten verfügen, die Wirkung freiwilliger Beiträge ohne Übergangsregelung teilweise zu verändern, wie dies hier geschehen ist. Es ist nur die Möglichkeit, durch Erfüllung der Wartezeit mit freiwilligen Beiträgen in den Genuß einer BU/EU-Rente zu gelangen, dadurch erschwert worden, daß jetzt in gewissem Umfang Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen müssen. Jedenfalls stellt die Rechtsänderung für die Klägerin im Hinblick darauf, daß diese damals in einem Alter (35 Jahre) stand, in dem eine Berufstätigkeit durchaus noch zu erwarten war, keine unverhältnismäßige Belastung dar.

Ebensowenig erscheint es unzumutbar, daß Pflichtbeiträge gefordert werden, die eine zeitliche Nähe zum Versicherungsfall aufweisen müssen. Auch insoweit wird keine gefestigte Rechtsposition getroffen, sondern nur die Erwartung, die Möglichkeiten des bisherigen Rentenversicherungssystems uneingeschränkt nutzen zu können. Dabei muß in Rechnung gestellt werden, daß der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsrahmen hat, ein solches System zu verändern, wozu auch das Bestreben gehört, den Lohnersatzcharakter von BU/EU-Renten zu stärken (vgl BR-Drucks 302/83 S 60), wie dies durch die hier streitigen Änderungen geschehen ist.

8. Eine von der Klägerin - pauschal - gerügte Verletzung des Rechtsstaatsprinzips ist nicht ersichtlich. Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hat für vermögenswerte Güter in Art 14 GG eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren ( BVerfGE 75, 78, 105 ; 71, 1, 12 ; 45, 142, 168 ). Da die Aussicht der Klägerin auf eine EU-Rente den Schutz des Eigentums genießt, waren im Rahmen des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG auch alle nach dem Rechtsstaatsprinzip vorzunehmenden Vertrauensschutzabwägungen anzustellen.

9. Die Klägerin rügt weiterhin eine Verletzung des Art 3 GG . Es sei gleichheitswidrig, wenn unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf EU-Rente bei Personen bestünde, die 60 Monate mit bloßen Mindestbeiträgen vorweisen könnten, während Personen, die bis dahin zwar kürzere Beitragszeiten, wie die Klägerin mit 31 Monaten, belegt hätten, aber betragsmäßig insgesamt höhere Beitragsleistungen erbracht hätten, das Anwartschaftsrecht uU verlören. Auch insoweit scheidet aber ein Verfassungsverstoß aus.

Der Gleichheitssatz verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchen Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 75, 78, 105 ; 67, 231, 236 mwN). Es ist nicht ersichtlich, daß die angegriffenen Übergangsregelungen des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG , § 241 Abs 2 SGB VI den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verletzen. Insbesondere sind die von der Klägerin aufgezeigten unterschiedlichen Folgen der Regelung gegenüber den verschiedenen Personengruppen gerechtfertigt, denn die Gewährung einer EU-Rente setzt nicht die Erbringung einer bestimmten Beitragssumme voraus. Die von der Klägerin aufgezeigte Problematik ist keine spezifische des Eingriffs in eine vor 1984 erworbene Rechtsposition. Sie ergibt sich vielmehr generell (auch) hinsichtlich der Erfüllung einer Wartezeit, indem Versicherte mit 60 geringen Pflichtbeiträgen eine verfestigte Anwartschaft auf EU-Rente erwerben, während denjenigen kein Anspruch zusteht, die für weniger als 60 Monate uU Höchstbeiträge geleistet haben. Entsprechendes gilt für die Höhe der EU-Rente, die nicht rein beitragsbezogen ist und in keinem festen Verhältnis zur absoluten Höhe der aufgewendeten Beiträge steht (vgl BVerfGE 76, 256, 306 ). Für die Anspruchsbegründung erheblich ist allein die absolute Dauer der Wartezeit von 60 Monaten und nach neuem Recht zusätzlich die Belegung der Zeit vor dem Versicherungsfall (regelmäßig 60 Kalendermonate) mit 36 Monaten Pflichtbeiträgen, wodurch der Lohnersatzcharakter betont werden soll. Dementsprechend hat auch das BVerfG in seiner Entscheidung zu den hier streitigen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keinen Verstoß gegen Art 3 GG angenommen.

Die Klägerin wird auch nicht ohne sachlichen Grund gegenüber denjenigen Versicherten ungleich behandelt, die ihre Anwartschaft durch freiwillige Beiträge aufrechterhalten dürfen, wenn sie bis Ende 183 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt haben. Auch insoweit durfte die Übergangsregelung auf den erworbenen größeren Vertrauensschutz dieser Gruppe abstellen und allein dieser Gruppe die Aufrechterhaltung der Anwartschaft durch freiwillige Beitragsentrichtung ermöglichen. Nicht entscheidend ist, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse im ehemaligen Jugoslawien ungünstiger als in der Bundesrepublik waren und es somit schwieriger war, von dort aus freiwillige Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten, um die Wartezeit von 60 Kalendermonaten bis Ende 1983 zu erfüllen; denn die Klägerin ist in Kenntnis des Wartezeiterfordernisses in ihre Heimat zurückgekehrt. Auch verstößt es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, daß angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse in Jugoslawien die Erfüllung einer 36monatigen Pflichtbeitragszeit innerhalb der 60monatigen Rahmenfrist evtl schwerer als in der Bundesrepublik zu erreichen ist. Insoweit gilt das zur allgemeinen Wartezeit Ausgeführte entsprechend.

10. Die von der Klägerin - pauschal - gerügte Verletzung des Sozialstaatsprinzips ist nicht ersichtlich. Eine letztlich aus Art 20 GG herzuleitende Pflicht des Staates, auch mittels der gesetzlichen Rentenversicherung einen angemessenen sozialen Schutz der Bürger zu gewährleisten, ist nicht verletzt. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen ( BVerfGE 27, 253, 283 ; BVerfG, Beschluß vom 12. März 1996 - 1 BvR 609/90 - ua S 32 mwN). Angesichts der Weite und Unbestimmtheit dieses Grundsatzes läßt sich daraus regelmäßig kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu erbringen (BVerfG aaO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173213

BSGE 80, 108

BSGE, 108

SozR 3-2200 § 1247, Nr.22

SozSi 1998, 239

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