Leitsatz (amtlich)
Eine "Staublungenerkrankung (Silikose) in Verbindung mit aktiv-fortschreitender Lungentuberkulose" iS der 4. BKVO Anl Nr 17 Buchst b liegt dann vor, wenn die Staubeinlagerungen in den Lungen derart sind, daß nach den Erkenntnissen der ärztlichen Wissenschaft generell ein ungünstiger Einfluß solcher Staubeinlagerungen auf eine gleichzeitige aktiv-fortschreitende Lungentuberkulose anzunehmen ist.
Normenkette
BKVO 3 Anl 1 Nr. 17 Buchst. b Fassung: 1943-01-29; BKVO 4 § 2
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Mai 1956 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
I Der Ehemann der Klägerin war von 1918 bis 1930 in einem bei der Beklagten versicherten Westerwälder Eisenerzbergbaubetrieb als Hauer mit steinstaubgefährdeten Arbeiten tätig. Von 1932 bis 1944 war er, ebenfalls steinstaubgefährdet, als Sandmüller beschäftigt.
Bei Tauglichkeitsuntersuchungen für die letztere Tätigkeit hatte der den Ehemann der Klägerin behandelnde Arzt Dr. C... im Mai 1942 und im Mai 1943 röntgenologisch nur ganz kleinfleckige, über beide Lungen verstreute Herdchen feststellen können und damit bei Annahme einer beginnenden Staublunge eine spezifische Lungenerkrankung verneint. Auf Grund eines auf Silikose lautenden Krankenscheins wurde alsdann durch die Beklagte eine Reihe von Gutachten eingeholt.
Dr. A... in Siegen stellte in seinem Gutachten vom 10. Januar 1944 fest, daß sich röntgenologisch minimale silikotische Veränderungen fänden, die höchstens als leichten Grades bezeichnet werden könnten, daß daneben aber in beiden Lungen durchaus im Vordergrund stehende, ausgedehnte tuberkulöse Veränderungen vorlägen, auf die die silikotischen Veränderungen keinen Einfluß hätten.
Demgegenüber nahm das Gutachten der Medizinischen Universitäts-Poliklinik in Gießen vom 24. Mai 1944 bei einem im wesentlichen gleichen Befund an, daß die (leichte) Silikose in Verbindung mit der aktiven Lungentuberkulose eine Berufskrankheit im Sinne der Nr. 17 b der 4. Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) mit einer Erwerbsminderung von 100% darstelle.
Der Staatliche Gewerbearzt des Gaues Moselland schloß sich dieser Beurteilung in seiner Äußerung vom 10. Juni 1944 an, wobei er hervorhob, daß er auf Grund des Röntgenbildes annehme, daß eine Staublunge ersten bis zweiten Grades vorliege und die Tuberkulose aktiv-fortschreitender Natur sei.
Dr. N... der behandelnde Arzt der Knappschaftsheilstätte S., wohin der Ehemann der Klägerin zur Behebung der aktiven Tuberkulose vom November 1944 bis zum Februar 1945 eingewiesen war, erstattete am 23. November 1945 ein Gutachten, nach dem neben einer beginnenden Silikose nur eine unspezifische Pneumonie vorgelegen habe, ein Befund, der zur Annahme einer Berufskrankheit nicht berechtige.
Im Oktober 1945 hatte schließlich der den Ehemann der Klägerin zu dieser Zeit behandelnde Arzt Dr. D... eine Berufskrankheitsanzeige wegen Silikose erstattet und diese in der Folgezeit (Januar und März 1946) mit dem Hinweis, es liege eine offene Siliko-Tuberkulose vor, wiederholt.
Am 23. März 1946 verstarb der Ehemann der Klägerin, bevor weitere, schon eingeleitete Begutachtungen durchgeführt werden konnten.
Bei der im Pathologischen Institut der Universität Bonn durch Dr. R... am 30. März 1946 vorgenommenen Leichenöffnung ergab sich als anatomische Diagnose: "Siliko-Tuberkulose". Der Befund wurde folgendermaßen beschrieben:
"Enteneigroßer siliko-tuberkulöser Herd mit beginnenden Kavernen im linken Oberlappen/Zahlreiche, dicht zusammenstehende, hanfkorn- bis erbsengroße Mischherde im linken Mittelgeschoß/Chronische Pleuritis über dem linken Unterlappen/Vereinzelte silikotische und tuberkulöse Herde im linken Unterlappen/Kollaps der ganzen linken Lunge/Spontanpneumothorax/Durchsetzung der ganzen rechten Lunge mit mäßig reichlich ausgestreuten, hanfkorn- bis erbsengroßen silikotischen und tuberkulösen Herden/Sehr starkes Emphysem der nicht erkrankten Lungenabschnitte/Silikotuberkulöse Indurationsherde im rechten Mittellappen mit Verhärtung des Parenchyms."
Ergänzend stellte Dr. R... auf Grund mikroskopischer Untersuchungen dazu noch fest:
"Lungen:
Linker Oberlappen: An der untersuchten Stelle sind ausgedehnte Teile der Lunge durch schwielig-tuberkulöse Herde zerstört, die aus käsig-pneumonischen Abschnitten und Schwielenbildungen bestehen, die teilweise narbig umgewandelte tuberkulöse Veränderungen, teilweise typische silikotische Prozesse darstellen. An einzelnen Stellen ist die Abgrenzung der tuberkulösen und silikotischen Entstehung der Schwielen nicht immer mit Sicherheit zu erkennen. An den großen Gefäßen treten teilweise thrombotische Verschlüsse vor. Andere kleinere Gefäße sind endarteriitisch verschlossen. Es überwiegt die käsige Tuberkulose über die schwieligen Veränderungen.
Linker Unterlappen: Auch hier besteht eine vielfach undifferenzierbare Vermischung käsig-pneumonischer und schwieliger Veränderungen, wobei auch mit Sicherheit silikotische Prozesse eine Rolle spielen. Ein großer Teil der Schwielen ist jedoch auf tuberkulöser Grundlage entstanden.
Rechter Oberlappen: Zahlreiche käsig-pneumonische, von schwieligen Abkapselungen umgebene Herde und Staubgranulome. Typische silikotische Knötchen sind nur ganz vereinzelt nachweisbar.
Rechter Mittellappen: Ausgedehnte käsig-tuberkulöse Herde, die zum Teil käsige Pneumonie, zum Teil käsige Miliartuberkulose darstellen. Der größte Teil der schwieligen Veränderungen ist auf vernarbende oder vernarbte Tuberkulose zurückzuführen. Typische silikotische Prozesse sind nur in geringem Maß nachzuweisen.
Rechter Unterlappen: Schwielig-tuberkulöse Herde in engster Vermischung der Schwielen mit der Tuberkulose, so daß eine Abgrenzung vielfach nicht möglich ist. Daneben finden sich zahlreiche miliare und größere zellige Staubgranulome. Die Bronchien lassen eine entzündliche Infiltration der Wand und eine Erweiterung der Lichtungen erkennen."
Auf Grund dieses Befundes kam Prof. Dr. C... der Direktor des genannten Institutes, in seinem Gutachten vom 17. April 1947 zu folgendem Ergebnis:
"... Zweifellos täuschte ein Teil der Lungenerkrankungsherde makroskopisch durch Einlagerungen von Kohle silikotische Schwielenbildungen vor, die in Wirklichkeit, wie sich mikroskopisch nachweisen ließ, abgeheilte tuberkulöse Narben waren, so daß der Grad der Silikose zweifellos etwas geringer einzuschätzen ist, als er makroskopisch zunächst erschien.
Bei dieser Sachlage ist eine eindeutige Beurteilung des Falles wegen dieser mikroskopischen und makroskopischen Unterschiede sehr schwierig, so daß die Auffassungen der Medizinischen Universitäts-Poliklinik Gießen und der Heilstätte S. durchaus verständlich sind. Bei der relativ geringen Entwicklung einer eigentlichen Silikose ist die Annahme, daß die Silikose die fortschreitende Tuberkulose in ungünstigem Sinn beeinflußt hat, nicht wahrscheinlich. Ich glaube daher nicht, daß eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit nach Ziffer 17 b der 4. Verordnung vorliegt."
Der Staatliche Gewerbearzt in Düsseldorf schloß sich dieser Begutachtung am 19. Juni 1947 an.
Die Beklagte lehnte darauf durch formloses Schreiben ohne Rechtsmittelbelehrung am 15. Juli 1947 den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente ab.
Am 19. Oktober 1952 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Hinterbliebenenrente. Daraufhin erteilte die Beklagte - nach weiteren, zum Teil angefochtenen, formlosen Schreiben am 31. Januar 1955 einen den Anspruch auf Hinterbliebenenrente und Sterbegeld ablehnenden berufungsfähigen Bescheid, gegen den die Klägerin am 10. Februar 1953 bei dem Knappschaftsoberversicherungsamt Bonn Berufung einlegte.
In diesem Verfahren, das nach dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht Koblenz überging, wurde auf Kosten der Klägerin nach § 1681 der Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. ein Gutachten von Prof. Dr. Dr. B... eingeholt. Dieser verwertet in seinem Gutachten vom 25. Februar 1954 insbesondere noch einen dem Gericht durch die Klägerin eingereichten Bericht der Heilanstalt für Lungenkranke Waldhof-Elgershausen vom 5. Januar 1953, nach dem diese am 16. Oktober 1945 eine lungenfachärztliche Untersuchung des Ehemannes der Klägerin durchgeführt und dabei, wie bereits Dr. U... eine röntgenologische Verschlechterung des Befundes festgestellt habe und zur Diagnose "Staublunge kombiniert mit exsudativer doppelseitiger Lungentuberkulose" gekommen sei. Prof. Dr. B... hält diese Diagnose für eindeutig; er führt aus, daß sie auch durch den späteren Obduktionsbefund hinlänglich bestätigt werde, es sei durchaus möglich, daß in den letzten zwei Jahren vor dem Tode des Versicherten noch umfangreichere silikotische Veränderungen bestanden hätten, als sich später bei der Obduktion fanden; denn bekanntlich könnten fortschreitende tuberkulöse Prozesse die gleichzeitig sich entwickelnden silikotischen Veränderungen in ihren Umwandlungs- und Zerfallsprozeß einbeziehen und sie so umwandeln oder zum Verschwinden bringen, daß nur relativ wenig typische silikotische Knötchen erhalten blieben. Es sei wahrscheinlich, daß dies im vorliegenden Falle in einem gewissen Umfange geschehen sei, worauf die im Obduktionsprotokoll angeführten Mischherde und die schwere Differenzierbarkeit zwischen den Anteilen der Silikose und der Tuberkulose an den schwieligen Veränderungen und den Mischherden hindeuten. Daher erschienen auch die zur Zeit der Obduktion noch bestehenden, von der Silikose herrührenden Veränderungen erheblich genug, um einen wesentlichen Teil der Gesamterkrankung darzustellen. Sie könnten im Zusammenwirken mit der Tuberkulose, deren aktiv-fortschreitender Charakter wohl kaum mehr bezweifelt werde, den Tod herbeigeführt haben.
Dr. B... glaubt, daß die meisten Gutachter die wahre Natur des silikotischen Prozesses unter diesen Umständen nicht genügend erkannt hätten. Die in der Begründung zur 4. BKVO geforderten wesentlichen Veränderungen könnten zwar nicht mehr nachgewiesen werden, sie hätten aber wahrscheinlich vorgelegen, denn die Diagnose "Staublunge in Kombination mit exsudativ doppelseitiger Lungentuberkulose" der Heilanstalt Waldhof spreche dafür. Dabei brauchten die röntgenologischen Veränderungen nicht einem sichtbaren Übergang zwischen dem 1. und dem 2. röntgenologischen Grad zu entsprechen. Nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen stehe das röntgenologische Stadium nicht immer in direkter Relation zur Schwere des Krankheitsbildes. Man dürfe dasselbe nicht allein aus dem röntgenologischen Stadium beurteilen. Daher müsse die Feststellung des röntgenologischen Grades der Silikose hinter der des Zusammenwirkens der beiden Faktoren Tuberkulose und Silikose zu einem gemeinsamen schweren Krankheitsbild zurücktreten; eine Staublungenerkrankung (Silikose) mit aktiv-fortschreitender Lungentuberkulose, wie sie Nr. 17 b der 4. BKVO verlange, habe demnach zweifellos vorgelegen.
Prof. Dr. C... auf dessen Äußerung vom 27. Juni 1954 die Beklagte sich demgegenüber berief, bestritt für den vorliegenden Fall die Richtigkeit der von Prof. Dr. B... angenommenen Möglichkeit, daß früher stärkere, durch die fortschreitenden tuberkulösen Prozesse später untergegangene silikotische Veränderungen bestanden hätten. Der Gesamtbefund lasse vielmehr darauf schließen, daß stets nur eine beginnende Silikose bestanden habe, die für eine Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 17 b der 4. BKVO nicht ausreiche.
Der von dem Sozialgericht zur Sitzung noch zugezogene Sachverständige Dr. B... schloß sich zwar Prof. Dr. B... an, wies jedoch darauf hin, daß die Definition der Berufskrankheit "Siliko-Tuberkulose" insoweit seines Erachtens eine juristische Angelegenheit sei.
Das Sozialgericht wies die Klägerin durch Urteil vom 30. Juni 1954 ab; es geht davon aus, daß Nr. 17 b der 4. BKVO - die 5. BKVO sei mangels Rückwirkungsvorschriften nicht anzuwenden - nur das Vorhandensein einer Silikose erfordere, die das erste röntgenologische Stadium überschritten habe, und verneinte das Vorliegen dieser Voraussetzung.
II Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hatte die Klägerin Erfolg. In dem Berufungsverfahren ist - nach Herbeiziehung aller noch erreichbaren und vorhandenen neuen Röntgenaufnahmen (über die Zeit vom 3.1.1944 bis zum 31.1.1945) - noch ein arbeitsmedizinisches Gutachten des Landesgewerbearztes Dr. M... in Mainz vom 8. Februar 1956 eingeholt worden. In diesem Gutachten wird zunächst auf die wissenschaftliche Erkenntnis hingewiesen, daß eine beginnende Steinstaublunge durch die Aktivierung der Abwehrkraft des noch intakten Lungengewebes eine deutlich günstige Wirkung auf eine gleichzeitige Lungentuberkulose habe. Bei Fortschreiten der Steinstaublunge werde jedoch das Lungengewebe geschädigt und sei dann gegen Tuberkuloseerreger weniger widerstandsfähig, so daß fortgeschrittenere Silikosen eine sehr ungünstige Wirkung auf Tuberkuloseerkrankungen ausübten. Die Silikose habe hier bereits 1944 ein Stadium (1. Grades) erreicht, in dem eine ungünstige Beeinflussung der Tuberkulose durch die Silikose fraglich werde. Die Tuberkulose selbst sei erst 1943 entstanden. Es seien danach folgende Gesichtspunkte wesentlich:
"1.) Die Tuberkulose ist bei Ernst S... im Lebensalter von 41 Jahren aufgetreten. Dieser Lebensabschnitt gehört nicht zu den besonders tuberkulosegefährlichen Perioden.
2.) Die Tuberkulose breitete sich schnell aus und hat innerhalb von 3 Jahren zum Tode geführt. Die Tuberkulose ist damit schwerer verlaufen, als es durchschnittlich ohne Staublungenbeteiligung beobachtet wird.
3.) Die Tuberkulose breitete sich zum großen Teil in den gleichen Lungenabschnitten aus, die auch schon von Silikose befallen waren.
4.) Wie aus dem Röntgenfilm vom 31.1.1945 zu ersehen ist, wiesen auch die Lungenwurzeln ausgedehnte Krankheitsherde auf. Gerade bis in die Lungenwurzeln pflegt aber auch relativ früh schon die Silikose ihre Wirkung zu entfalten und Veränderungen an den Hiluslymphknoten hervorzurufen."
Wenn die erhobenen Befunde, insbesondere bei der Obduktion, das Krankenbild auch nicht eindeutig bezeichneten, so habe die Silikose doch rein medizinisch ein Übergangsstadium erreicht, in dem sie Rückwirkungen auf die Tuberkulose haben könne. Diese Rückwirkungen müßten im vorliegenden Fall auch mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, so daß die Silikose wesentliche Teilursache des Todes gewesen sei.
Das Landessozialgericht begründet sein der Klägerin vom 23. April 1946 ab die Hinterbliebenenrente sowie das Sterbegeld zusprechendes Urteil vom 11. Mai 1956 im wesentlichen mit folgenden Erwägungen: Nach der amtlichen Begründung zur 5. BKVO genüge jede erkennbar vorhandene Staublungenerkrankung, sofern eine aktiv-fortschreitende Lungentuberkulose damit ursächlich verbunden sei. Da die 5. BKVO insoweit nur das Wort "Siliko-Tuberkulose" gegenüber der 4. BKVO hinzugefügt habe, müsse die in jener Begründung vertretene Auffassung auch schon für die 4. BKVO gelten.
Die vom Reichsversicherungsamt in seiner Entscheidung vom 15. März 1944 (EuM. Band 51 S. 11) vertretene Auffassung, für die 4. BKVO sei es erforderlich, daß die Silikose das sogenannte erste Stadium bereits überschritten habe, finde in dem Wortlaut der Nr. 17 b der 4. BKVO keine Stütze. Nach der 4. BKVO sei nicht schematisch auf den Grad abzustellen, es käme vielmehr darauf an, daß eine erkennbare Silikose vorgelegen habe, die durch ihr Vorhandensein die Tuberkulose beeinflußt habe. Die Ursächlichkeit folgert das Landessozialgericht im vorliegenden Fall mit dem Gutachten des Dr. Michaelis, dem es sich in allen Punkten anschließt, insbesondere daraus, daß die Silikose schon vor der Tuberkulose vorhanden gewesen sei, daß die Tuberkulose sich gerade in den silikosebefallenen Lungenteilen ausgebreitet und verhältnismäßig rasch zum Tode geführt habe und daß sie den Verstorbenen zu einem an sich wenig tuberkulosegefährdeten Zeitpunkt befallen habe. Der Grad der Silikose sei zwar streitig, selbst Prof. Dr. C... spreche jedoch von einer zwar relativ gering entwickelten, aber doch vorhandenen eigentlichen Silikose. Den Gutachten des Dr. M... und des Prof. Dr. B... gegenüber müßten die entgegenstehenden Gutachten zurücktreten.
Da der Anspruch der Klägerin im übrigen auch für die zurückliegende Zeit weder verjährt noch verwirkt sei, habe ihr das Sterbegeld sowie die Witwenrente vom Todestage ab zugesprochen werden müssen.
Das Landessozialgericht hat die Revision - wegen Abweichung von der grundsätzlichen Entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 15. März 1944 - ausdrücklich zugelassen.
III Gegen das am 2. Juli 1956 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31. Juli 1956 unter Antragstellung Revision eingelegt und diese innerhalb der bis zum 2. Oktober 1956 verlängerten Revisionsbegründungsfrist am 22. September 1956 begründet.
Die Beklagte rügt als rechtsirrig die Annahme des Berufungsgerichts, bei dem Ehemann der Klägerin habe eine Berufskrankheit im Sinne der Nr. 17 b der 4. BKVO vorgelegen.
Die Beklagte weist zunächst darauf hin, daß die angefochtene Entscheidung zwar keine eigene ausdrückliche Feststellung treffe, welchen röntgenologischen Grad silikotischer Veränderungen das Gericht selbst annehme; sie glaubt jedoch, daß aus den ausführlichen Befundwiedergaben sämtlicher Gutachten zu entnehmen sei, das Berufungsgericht habe keinen Zweifel daran, daß das röntgenologische erste Stadium noch nicht erreicht bzw. überschritten gewesen wäre.
Die für die 5. BKVO gültigen Voraussetzungen der Anerkennung der Entschädigungspflicht könnten nicht als maßgeblich für die Anwendung der 4. BKVO angesehen werden. Schon daraus, daß der Gesetzgeber in der 5. BKVO eine Änderung der in Frage stehenden Vorschrift der 4. BKVO für nötig gehalten habe, sei vielmehr zu folgern, daß Nr. 27 b der 5. BKVO auch einen anderen rechtlichen Sinngehalt habe als Nr. 17 b der 4. BKVO. Dies ergebe sich insbesondere auch aus den von Prof. Dr. B... im Bundesarbeitsblatt 1952 S. 416 ff. zur Begründung der Änderung gemachten Ausführungen in denen lediglich darauf hingewiesen werde, daß der Fortfall des Begriffs "schwer" in Nr. 27 a gegenüber Nr. 17 a sich auch auf die Bedeutung der jeweils unter b gemeinten Krankheitsfolgen auswirke.
Solange die geänderten wissenschaftlichen Erkenntnisse dem Gesetzgeber noch nicht zu einer gesetzlichen Änderung Anlaß gegeben hätten, müsse daher von den früher normierten Voraussetzungen der Entschädigungspflicht ausgegangen werden; eine rückwirkende Kraft lege die 5. BKVO sich insoweit nicht bei. Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils das Urteil des Sozialgerichts Koblenz wiederherzustellen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt demgegenüber, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen. Sie weist zunächst darauf hin, daß bisher auch die Beklagte nicht bestritten habe, daß bei dem Verstorbenen eine Silikose ersten Grades vorgelegen hätte, so daß es jedenfalls insoweit besonderer Feststellungen des Landessozialgerichts nicht bedurft habe. Das Vorhandensein einer Silikose, die geeignet sei, eine aktiv-fortschreitende Tuberkulose ungünstig zu beeinflussen, reiche mit dem angefochtenen Urteil für die Annahme einer Berufskrankheit nach Nr. 17 b der 4. BKVO aus, wie auch die Knappschaftsoberversicherungsämter Bonn (10.6.1950) und Dortmund (28.11.1950) und das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in Essen (8.3.1956) dargelegt hätten. Mit jenen Urteilen müßten nach den neuen Forschungsergebnissen bereits Staubveränderungen leichten Grades als "wesentliche" silikotische Veränderungen im Sinne von Nr. 17 b angesehen werden. Für den Begriff "wesentliche" sei mit jenen Urteilen nicht etwa die räumliche Ausdehnung, sondern die Auswirkung der Erkrankung maßgeblich.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist frist- und formgerecht unter Stellung eines Antrags eingelegt und innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist begründet worden. Die Revision ist vom Landessozialgericht zugelassen; sie ist daher statthaft.
Das Berufungsgericht hat, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 3. Oktober 1957 - 5 RKn 34/56 - bereits entschieden hat, zu Recht einzig die Vorschriften der 4. BKVO angewandt, da der Ehemann der Klägerin während der Gültigkeit dieser Verordnung verstorben ist.
Die Revision rügt die Auslegung, die das Berufungsgericht der Nr. 17 b der Anlage zur 4. BKVO gegeben hat und dessen daraus folgende Annahme, der Ehemann der Klägerin sei an einer Berufskrankheit im Sinne dieser Nummer gestorben, als rechtsirrig.
Da irgendwelche anderen Rechtsverstöße des angefochtenen Urteils weder gerügt noch sonst erkennbar sind, hängt die Entscheidung des Revisionsgerichts allein von jener Frage ab. Zur Entscheidung steht, nachdem der erkennende Senat in seinem Urteil vom 3. Oktober 1957 klargestellt hat, wann jedenfalls eine "Staublungenerkrankung (Silikose) in Verbindung mit aktiv-fortschreitender Lungentuberkulose" im Sinne der Nr. 17 b a.a.O. noch nicht angenommen werden kann, nunmehr die Frage, welche Mindestanforderungen für die Annahme einer Entschädigungspflicht nach dieser Bestimmung zu stellen sind, insbesondere welcher Art die silikotischen Veränderungen sein müssen, um die Entschädigungspflicht auszulösen.
I Wenn in dem angeführten Urteil nach Darstellung der Entwicklung der gesetzlichen Regelung abschließend gesagt wurde, daß eine Berufskrankheit nach Nr. 17 b niemals vorliegt, wenn die Staubeinlagerungen im Einzelfall so geringfügig sind, daß nach der wissenschaftlichen Erkenntnis ein schädigender Einfluß derartiger Staubeinlagerungen auf eine vorhandene aktiv-fortschreitende Lungentuberkulose generell zu verneinen ist, so stellt sich hier die Frage, ob auf der anderen Seite jede Staublungenveränderung, die ein Ausmaß erreicht hat, das einen ungünstigen Einfluß auf eine gleichzeitig bestehende Tuberkulose erwarten läßt, ohne weiteres als "Staublungenerkrankung (Silikose)" im Sinne jener Nr. 17 b anzusehen ist.
Es wird davon ausgegangen werden können, daß der Gesetzgeber unter Zugrundelegung der damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse einen schädigenden Einfluß von Staubveränderungen auf eine gleichzeitige Lungentuberkulose erst dann als möglich annahm, wenn die silikotischen Veränderungen ein erhebliches Ausmaß erreicht hatten. Zur Klarstellung, daß nur, aber auch alle nach dieser Auffassung eine Tuberkulose ungünstig beeinflussenden Silikosen unter Nr. 17 b erfaßt würden, wurde in der Begründung ausdrücklich das Ausmaß der danach für erforderlich gehaltenen Veränderungen angegeben, wobei der Gesetzgeber das Wort "wesentlich" wählte. Wenn das Reichsversicherungsamt in seiner Entscheidung vom 15. März 1944 (EuM. 51 S. 11 = Breithaupt 24 S. 24) ebenfalls den Standpunkt vertritt, daß eine Staublungenveränderung im Sinne der Nr. 17 b nur vorliege, wenn die silikotischen Veränderungen wesentlich seien und daß als wesentlich nur Veränderungen bezeichnet würden, die das leichte Stadium bereits überschritten hätten, so entspricht diese Auffassung durchaus der damaligen - und noch bis in die Jahre 1948/49 - herrschenden Ansicht und dürfte unter Zugrundelegung der amtlichen Begründungen und der halbamtlichen Erläuterungen durch Ministerialrat Bauer auch die Ansicht des Gesetzgebers im Zeitpunkt des Erlasses der 4. BKVO wiedergeben. Es wäre eine nicht zu rechtfertigende Annahme, wenn man dem Gesetzgeber des Jahres 1943 unterstellen wollte, daß er, trotzdem damals die gefährlichen Auswirkungen auch geringfügiger Steinstaubeinlagerungen auf aktiv-fortschreitende Lungentuberkulose medizinisch noch unbekannt bzw. völlig umstritten waren, diese geringen Veränderungen seinerzeit doch unter "Silikose" im Sinne der Nr. 17 b hätte verstehen wollen.
Ernstliche Schwierigkeiten traten somit erst auf, als um das Jahr 1949 eine Änderung der medizinischen Auffassungen zum Durchbruch kam, die zunächst keinen gesetzgeberischen Niederschlag fand. Nicht nur auf dem Gebiete der Siliko-Tuberkulose, sondern noch vielmehr auf demjenigen der reinen Silikose wurden nunmehr gesundheitliche Schädigungen bereits im wesentlich früheren Entwicklungsstadium der Erkrankung angenommen. Während jedoch bei der reinen Silikose der insoweit eindeutige Wortlaut der Nr. 17 a der 4. BKVO keine Ausdehnung der Entschädigungspflicht entsprechend der neuen wissenschaftlichen Erkenntnis gestattete und deshalb bis zum Inkrafttreten der 5. BKVO weiterhin nur "schwere" reine Steinstaublungen entschädigt werden konnten (keine Bedeutung hat es in dieser Beziehung, daß die Beklagte aus Billigkeitsgründen auch bereits vor dem Inkrafttreten der 5. BKVO zum Teil Entschädigungen für noch nicht schwere Silikosen gewährte), wurde die Auslegung der Nr. 17 b der 4. BKVO nunmehr in starkem Maße umstritten.
Während die eine Auffassung weiter an dem Erfordernis wesentlicher Veränderungen in dem bisherigen Sinne festhielt, wollte die andere nunmehr entweder unter "wesentlichen" Veränderungen auch solche röntgenologisch ersten, also nur leichten Grades verstanden wissen (z.B. KnOVA . Bonn, Urteil vom 10.6.1950, KnOVA . Dortmund, Urteil vom 28.11.1950) oder sie lehnte das Erfordernis "wesentlich" als Voraussetzung für die Anwendung jener Vorschrift überhaupt ab.
Bei der Entscheidung zwischen diesen beiden Auffassungen handelt es sich letztlich um die Frage, ob der Gesetzgeber beabsichtigte, mit Nr. 17 b der 4. BKVO nur diejenigen Fälle einer "Silikose" zu erfassen, bei denen bereits die herrschende wissenschaftliche Auffassung im Jahre 1943 grundsätzlich mit schädigenden Einwirkungen auf eine Tuberkulose rechnete oder ob mit der "Staublungenerkrankung" in der Art einer Generalklausel ein Begriff geschaffen werden sollte, dessen Inhalt nach dem Stande der jeweils verbesserten wissenschaftlichen Erkenntnis sich stetig anpassend änderte, und weiter um die Frage, ob ein entsprechend festzustellender Wille des Gesetzgebers in der Vorschrift der Nr. 17 b seinen erkennbaren Ausdruck gefunden hat.
Wie bereits in dem Urteil vom 3. Oktober 1957 ausgeführt wurde, kann zunächst nicht davon ausgegangen werden, daß der Wortlaut der Nr. 17 b: "Staublungenerkrankung (Silikose) in Verbindung..." für sich bereits völlig eindeutig ist und daher einer Auslegung nicht bedarf.
Es läßt sich weiter nicht verkennen, daß beide oben erwähnten Auslegungen - soweit sie nur überhaupt an dem Erfordernis der Ursächlichkeit festhalten - denkbar erscheinen. Der Gesetzgeber ist bei dem Erlaß der 4. BKVO von der damaligen allgemein gültigen ärztlichen Auffassung ausgegangen, daß nur stärkere Staublungenveränderungen schädigend auf eine Lungentuberkulose einwirken könnten (vgl. Bauer in seiner Erläuterung zur 4. BKVO: "Es wird daher in Zukunft beim Zusammentreffen röntgenologisch nachgewiesener erheblicher Staublungenveränderungen und einer aktiv-fortschreitenden Tuberkulose der Zusammenhang beider Krankheitsprozesse in dem Sinne angenommen, daß die Tuberkulose durch die Staublunge verursacht ist.").
Auch die amtlichen und halbamtlichen Verlautbarungen, die zum Erlaß der 5. BKVO ergingen, sprechen dafür, daß der Gesetzgeber auch später noch der Auffassung war, daß während der gesamten Gültigkeitsdauer der 4. BKVO die geänderte medizinische Auffassung bei der Auslegung der Nr. 17 b nicht berücksichtigt werden konnte, daß vielmehr der Begriff der Silikose im Sinne jener Bestimmung allein der ursprünglichen Vorstellung entsprechend gleichsam "versteint", "starr" auszulegen sei. Nur so ist es zu verstehen, daß die Begründung zur 5. BKVO ausführt, durch Verschiebung der erläuternden Klammer (Silikose = Siliko-Tuberkulose) solle eindeutig zum Ausdruck gebracht werden, daß beide Erkrankungen ein einheitlich zu betrachtendes Krankheitsbild darstellten, und weiter erklärt, damit werde der neuen Entwicklung in den Anschauungen der medizinischen Forschung Rechnung getragen, die auch bei verhältnismäßig geringfügigen silikotischen Veränderungen eine ursächliche Verknüpfung mit der Tuberkulose als wahrscheinlich erkannt habe. Während bisher für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Silikose und der Tuberkulose vorausgesetzt wurde, daß die Silikose das erste (röntgenologische) Stadium bereits überschritten hatte, sei man bereits auf Grund neuerer Forschung zu der Auffassung gelangt, daß schon eine verhältnismäßig geringfügige Silikose auf die Entstehung und den Verlauf der Tuberkulose ungünstig einwirken könne.
Ebenso hebt Bauer zur Erläuterung der 5. BKVO ausdrücklich hervor, daß jetzt die Voraussetzung, es müßten erhebliche silikotische Veränderungen nachweisbar sein, endgültig entfalle, wobei er noch darauf hinweist, daß die bisherige Auslegung trotz eines wesentlich gleichen Wortlauts der Nr. 17 b doch immer noch beeinflußt gewesen sei von der abweichenden Fassung der Nr. 17 a ("schwer").
Aus diesen Verlautbarungen darf jedoch nicht gefolgert werden, daß unter dem Begriff "Silikose" in Nr. 17 b nur eine solche Steinstauberkrankung zu verstehen ist, die bestimmte Mindestanforderungen, nämlich die "Erheblichkeit" im Sinne eines Überschreitens des leichten (ersten) Grades erfüllt.
Ein derartiges Ergebnis würde mit dem wahren Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmen und zu stark auf die letztlich auf einem Mißverständnis beruhende Amtliche Begründung abstellen. Schon in dem Urteil vom 3. Oktober 1957 hat der Senat klargestellt, daß die Wörter "Staublungenerkrankung" bzw. "Silikose" auf dem Gebiete der Sozialversicherung niemals "termini technici" mit einem stets gleichen Inhalt bedeutet haben. Die Begründung des Gesetzgebers, die der auch sonst weit vertretenen "starren" Auffassung entspricht, geht zwar bereits davon aus, daß jenen Begriffen nicht stets (damals wie heute) der gleiche Inhalt beizulegen ist, glaubt jedoch noch daran festhalten zu müssen, daß jene Begriffe für die jeweilige Geltungsdauer einer Vorschrift stets nur in demselben Sinne zu verstehen gewesen wären, d.h. zu feststehenden technischen Begriffen im Sinne der jeweiligen Vorschrift geworden seien.
Eine derartige Auffassung steht jedoch im Widerspruch zu der gesamten sonstigen Systematik der gesetzlichen Regelung der Berufskrankheiten. In allen mit der Staublungenerkrankung vergleichbaren Fällen sonstiger Berufskrankheiten gebraucht der Gesetzgeber stets die Wendung, Berufskrankheiten seien "Erkrankungen durch...", wobei alsdann die Angabe des verursachenden Stoffes, Vorgangs oder der verursachenden Tätigkeit folgt. In allen diesen Fällen will das Gesetz bewußt jede Erkrankung, die durch berufliche Beschäftigung in einem versicherten Unternehmen durch entsprechende Einwirkungen entstanden ist, erfaßt wissen. Hierbei liegt es in der Natur der Sache, daß auf Krankheiten, deren Abhängigkeit von derartigen Einwirkungen erst mit fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnis klargestellt wird, auch erst von diesem Zeitpunkt ab - soweit das Gesetz es zuläßt, allerdings rückwirkend -, die Berufskrankheitsvorschriften angewandt werden können, aber dann auch angewandt werden müssen. Ebenso werden, wenn auch seltener, Fälle vorkommen, in denen die ärztliche Wissenschaft in die Lage versetzt wird, bei bestimmten bisher als Berufskrankheiten beurteilten Befunden die Ursächlichkeit auszuschließen und damit für die Zukunft (soweit keine Rechtskraftwirkungen entgegenstehen) eine Anerkennung derartiger Fälle als Berufskrankheiten auszuschalten. Soweit der Gesetzgeber bei einigen Berufskrankheiten Einschränkungen in der Richtung vorgenommen hat, daß nicht alle ursächlich auf jene Einwirkungen zurückzuführenden Erkrankungen als Berufskrankheiten anzusehen sind, stellt er dabei auf Merkmale wie die besondere Schwere oder Dauer (Hautkrankheiten, Schwerhörigkeit usw.) ab, die ihm nur in diesen herausgehobenen Fällen eine berufsgenossenschaftliche Fürsorge angebracht erscheinen lassen, bei der er jedoch die ärztliche Beurteilung, ob ein derartig besonders erschwerter Fall vorliegt, wieder durchaus nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft vorgenommen wissen will.
Bei der Normierung der durch betriebliche Einwirkungen entstandenen Lungenerkrankungen ist der Gesetzgeber von jener üblichen Fassung ("Erkrankung durch...") abgewichen und hat als Berufskrankheit die "Staublungenerkrankung" bezeichnet. Warum diese abweichende Diktion gewählt ist, läßt sich nicht feststellen; möglicherweise, weil für diese Erkrankung die Bezeichnung "Staublungenerkrankung" oder "Silikose" medizinisch bereits eindeutig festlag (vgl. auch die "Schneeberger Lungenerkrankung"), weil - im Gegensatz zu den anderen Erkrankungen - einmal nur eine einzige Krankheitsform als Folge gedacht wurde (und daher ihre spezielle Bezeichnung nahelag) und schließlich zum anderen der schädigende Stoff (Gesteinsstaub) wissenschaftlich eindeutig noch nicht klargestellt war.
Diese abweichende Fassung hat - im Zusammenhang damit, daß die reine Silikose damals nur bei schweren Befunden als entschädigungswürdig angesehen wurde und diese Ansicht stets wieder auf die Beurteilung der mit Lungentuberkulose vergesellschafteten Silikose zurückwirkte - Veranlassung dazu gegeben anzunehmen, der Gesetzgeber wolle unter der Staublungenerkrankung im Sinne der Nr. 17 b der 4. BKVO einen ganz bestimmten nach der medizinischen Kenntnis des Jahres 1943 fixierten Zustand verstanden wissen, ein Mißverständnis, dem möglicherweise auch der Gesetzgeber selbst nachträglich unterlegen ist.
Es besteht jedoch keine Veranlassung, derartige, von der sonstigen gesetzlichen Regelung abweichende Folgerungen allein aus dem dargelegten Unterschied der Wortfassung zu ziehen. Auch im Falle der Nr. 17 b der 4. BKVO, in der die schweremäßigen Einschränkungen gegenüber der Nr. 17 b der 3. BKVO gefallen sind, muß die Feststellung, ob eine Berufskrankheit vorliegt, daher genau wie in allen übrigen Fällen, in denen keine ausdrückliche Beschränkung auf besonders herausgehobene Erkrankungsformen vorgeschrieben ist, der jeweils herrschenden wissenschaftlichen Auffassung folgen. Dann kann jedoch auch an der in der Begründung zur 4. BKVO aus ihrer objektiv unrichtigen Sicht heraus noch erhobenen Forderung des Vorliegens einer "wesentlichen" Erkrankung nicht festgehalten werden. Nicht darauf kann es ankommen, ob die Staubveränderungen ein bestimmtes, objektiv ein für alle Male festgesetztes Ausmaß erreicht bzw. überschritten haben, sondern nur darauf, ob sie derart sind, daß nach dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis ihr schädigender Einfluß auf eine aktiv-fortschreitende Lungentuberkulose zu bejahen ist. Ein zureichender Grund dafür, zwar nicht mehr die Überschreitung des röntgenologisch ersten Grades zu verlangen, aber andererseits doch erhebliche, jedenfalls leichte, d.h. mindestens erstgradige Staubveränderungen zu fordern, ist nicht zu erkennen.
Da nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils die vorhandenen Staublungenveränderungen die aktiv-fortschreitende und zum Tode führende Lungentuberkulose des verstorbenen Ehemanns der Klägerin schädigend beeinflußt haben, ist die Auffassung des Landessozialgerichts, der Ehemann der Klägerin sei an einer Berufskrankheit im Sinne der Nr. 17 b der 4. BKVO verstorben, rechtlich nicht zu beanstanden, so daß das angefochtene Urteil sich als zutreffend erweist.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen