Leitsatz (amtlich)
1. Beim Vorliegen der Voraussetzungen des KBLG BY Art 30 Abs 4 war die Erteilung eines Berichtigungsbescheides (Zuungunstenbescheides) durch die Verwaltungsbehörde auch dann noch zulässig, wenn der auf Grund des fehlerhaften Bescheides Versorgungsberechtigte bereits gestorben war.
2. Das Gericht hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung darüber zu entscheiden, ob ein Bescheid nach KBLG BY Art 30 Abs 4 fehlerhaft ist.
Leitsatz (redaktionell)
Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung bedeutet, daß es für die Beantwortung der Frage der Fehlerhaftigkeit eines Bescheides darauf ankommt, ob die Tatsachinstanz die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht. Die subjektive Gewißheit ist allerdings nur in dem Sinne zu verstehen, daß für den Richter das Gefühl des Zweifels beseitigt sein muß. Denn es kann wegen der Unvollkommenheit der menschlichen Erkenntnis nicht der Sinn der freien Beweiswürdigung sein, eine absolute, jeden möglichen Zweifel und jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewißheit zu verlangen. Rechtsprechung und Schrifttum haben daher seit jeher anerkannt, daß die richterliche Überzeugung keine jede nur denkbare Möglichkeit ausschließende Gewißheit voraussetzen darf. Vielmehr genügt ein der Gewißheit nahekommender Grad von Wahrscheinlichkeit.
Normenkette
KBLG BY Art. 30 Abs. 4; SGG § 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. November 1954 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Ehemann der Klägerin ist am 9. November 1950 gestorben. Er hatte während des ersten Weltkrieges Militärdienst geleistet und am 25. März 1947 Rente nach dem Bayer. Gesetz über Leistung gen an Körperbeschädigte (KBLG) vom 26. März 1947 (GVBl. 1947 S. 107) wegen Erblindung beantragt, die Folge dieses Militärdienstes sei. Die Landesversicherungsanstalt (LVA.) Oberfranken und Mittelfranken - KB. Abteilung Nürnberg - hatte ihm vom 1. Februar 1947 ab wegen eines beiderseitigen Sehnervenschwundes mit doppelseitiger vollständiger Erblindung Leistungen nach dem KBLG (Bescheid vom 26.4.1948) bewilligt und diesen Bescheid auf ein Gutachten von Prof. A...: von der Universitätsaugenklinik Erlangen vom 18. März 1948 gestützt.
Das Versorgungsamt (VersorgA.) Nürnberg hob am 30. März 1951, also nach dem Ableben des Beschädigten, den Rentenbewilligungsbescheid vom 26. April 1948 und verschiedene sich darauf stützende Benachrichtigungen auf: Es sei erwiesen, daß der Bescheid vom 26. April 1948 im Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig gewesen sei. Die Erblindung sei auf eine Tabes zurückzuführen Diesen Verdacht habe der Augenarzt Dr. S... schon vor der Begutachtung des Ehemannes der Klägerin in der Universitätsaugenklinik Erlangen geäußert. Trotzdem sei dort keine genaue Untersuchung durchgeführt worden.
Im Berufungsverfahren vor dem Oberversicherungsamt (OVA.) Nürnberg legte die Klägerin eine Erklärung des früheren behandelnden Arztes ihres Ehemannes, Dr. K... vom 26. Juni 1951 vor, in dem das Vorliegen einer Tabes bestritten wurde. Der behandelnde Arzt Dr. M... teilte dem OVA. am 5. Juni 1952 mit, daß er eine Untersuchung von Blut und Rückenmarksflüssigkeit nicht veranlaßt habe, weil der Ehemann der Klägerin diese zweifellos bei Erwartung eines für ihn ungünstigen Ergebnisses verweigert hätte. Der Nervenfacharzt Dr. M... führte in seinem Gutachten vom 19. Juni 1952 aus: Während der Malaria könnten Sehnervenentzündungen auftreten. Diese bildeten sich aber nach dem Abklingen der Malaria in der Regel wieder zurück. Ebenso könne es bei Chiningaben in größeren Mengen zu vorübergehenden Sehstörungen kommen. Diese Erscheinungen gingen nach Absetzen des Chinins ebenfalls wieder zurück, ohne einen Dauerschaden zu hinterlassen. Nach Typhus- und Ruhrerkrankungen seien Erblindungen nicht beobachtet worden. Nach der Feststellung, daß an sich kein Zweifel an dem Vorliegen einer Tabes dorsalis, d.h. einer luetischen Folgeerkrankung bestehe, vertrat Dr. M... die Ansicht, es sei nach dem Befund und dem Verlauf der Augenerkrankung unwahrscheinlich, daß der Sehnervenschwund auf der Basis einer Malaria-, Typhus- oder Ruhrerkrankung entstanden sei, weil diese nur vorübergehende Sehstörungen bzw. Entzündungen verursachten.
Das OVA. Nürnberg hat durch Urteil vom 19. Juni 1952 den Bescheid vom 30. März 1951 aufgehoben: Zwar könne ein Zuungunstenbescheid auch noch nach dem Tode des Rentenempfängers erteilt werden; der Bescheid vom 26. April 1948 habe aber nicht aufgehoben werden können, weil nicht alle Zweifel beseitigt seien, ob die Erblindung nicht doch durch die Malaria oder den Typhus verursacht oder wesentlich mitverursacht worden sei.
Das Bayer. Landessozialgericht (LSG.) hat das Urteil des OVA. auf die Berufung des Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.11.1954): Ein Zuungunstenbescheid könne auch nach dem Tode des Rentenempfängers erteilt werden. Das VersorgA. habe den Rentenbewilligungsbescheid mit Recht aufgehoben. Denn es stehe mit einer an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erblindung und den Verhältnissen des Militärdienstes nicht vorliege. Das Gutachten der Universitätsaugenklinik Erlangen sei ausschließlich von den Angaben des Ehemannes der Klägerin ausgegangen, obwohl der Befund des Augenarztes Dr. S... und die in der Klinik erhobenen Befunde zu Zweifeln hätten Anlaß geben müssen. Nach dem Gutachten von Dr. M... dem sich das LSG. angeschlossen habe, bestehe kein Zweifel, daß eine Tabes vorgelegen habe. Gegen eine Verursachung der Erblindung durch Malaria spreche der Verlauf des Sehnervenschwundes. Zwar seien eine Malaria und ihre medikamentöse Behandlung mit Chinin in der Lage, Entzündungen der Sehnerven und möglicherweise auch vorübergehende Sehstörungen hervorzurufen. Diese verschwänden aber nach Ausheilung der Malaria bzw. nach Absetzen des Chinins als Medikament von selbst. Den im wesentlichen allgemein gehaltenen Ausführungen des Dr. K... komme keine entscheidende Bedeutung zu. Wesentlich seien die Ausführungen des Dr. M... zu der Kritik von Dr. K... daß das Vorliegen einer Tabes nicht durch eine Liquoruntersuchung bestätigt worden sei. Hierzu habe Dr. M... erklärt, er habe deshalb von einer solchen Untersuchung Abstand genommen, weil sie der Verstorbene in Erwartung eines ungünstigen Ergebnisses vermutlich niemals hätte vornehmen lassen. Daraus gehe hervor, daß der Ehemann der Klägerin sicherlich seinen Gesundheitszustand gekannt habe. Das LSG. hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 14. April 1955 zugestellte Urteil mit einem beim Bundessozialgericht (BSG.) am 9. Mai 1955 eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und diese am 12. Mai 1955 begründet. Die Klägerin rügt die Verletzung des Art. 30 Abs. 4 KBLG und des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Ein Zuungunstenbescheid könne nach dem Tode des Beschädigten nicht mehr erteilt werden. Selbst wenn man sich dieser Ansicht nicht anschließe, sei der Zuungunstenbescheid fehlerhaft, weil nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen sei, daß die Anerkennung der Erblindung als Leistungsgrund zu Unrecht erfolgt sei. Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß bei dem Ehemann der Klägerin eine Tabes vorgelegen habe, stütze sich nur auf ärztliche Annahmen und Vermutungsdiagnosen. Die für die Klägerin günstigen ärztlichen Beurteilungen, vor allem das Gutachten der Universitätsaugenklinik Erlangen, seien vom LSG. nicht genügend gewürdigt worden. Wenn das Berufungsgericht aus der Vermutung des Dr. M... der Ehemann der Klägerin hätte sich nicht zu einer Liquoruntersuchung bereit erklärt, den Schluß gezogen habe, daß er sicherlich seinen Gesundheitszustand gekannt habe, so habe es auch hierdurch die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Bayer. LSG. vom 10. November 1954 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des OVA. Nürnberg vom 19. Juni 1952 zurückzuweisen;
hilfsweise: die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayer. LSG. zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
Nach Art. 30 Abs. 4 Satz 1 KBLG konnte ein Bescheid zuungunsten des Berechtigten nur aufgehoben werden, wenn sich die Voraussetzungen der Bescheiderteilung als unzutreffend erwiesen hatten. Diese Vorschrift ist - ungeachtet des in der Zwischenzeit in Kraft getretenen § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung vom 2. Mai 1955 (BGBl. I S. 202) - für die Entscheidung der Frage maßgebend, ob der Bescheid vom 30. März 1951 aufrechterhalten werden kann (Urteil des erkennenden Senats vom 6.2.1958 - SozR. VerwVG § 41 Bl. Ca 1 Nr. 2 - und des 11. Senats des BSG. vom 12.2.1958 - SozR. SGG § 54 Bl. Da 7 Nr. 30).
Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß fehlerhafte Rentenbewilligungsbescheide auch noch nach dem Tode des Beschädigten zurückgenommen werden können. Über die zeitliche Begrenzung der Rücknahmebefugnis der Verwaltungsbehörde enthält das KBLG zwar keine ausdrückliche Vorschrift. Im Versorgungsrecht besteht aber grundsätzlich keine Notwendigkeit, das Rücknahmerecht der Verwaltungsbehörde zeitlich zu begrenzen. Vielmehr gebietet gerade der Umstand, daß ein Beschädigtenrentenbescheid Rechtswirkungen für die Hinterbliebenen äußert (§§ 36 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 2 BVG), daß die Rücknahme auch gegenüber den begünstigten Dritten, die aus dem Beschädigtenrentenbescheid Rechte ableiten, zulässig sein muß. Dem stehen die genannten Vorschriften nicht entgegen; sie sollen lediglich verhindern, daß im Hinterbliebenenrentenverfahren dann, wenn der Beschädigte an seinem anerkannten Versorgungsleiden gestorben ist, noch nachgeprüft wird, ob der Tod mit Wahrscheinlichkeit die Folge einer Schädigung ist. Dies aber bedeutet nicht, daß die §§ 36 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 2 die Rücknahme eines Beschädigtenrentenbescheids ausschließen, wenn im Einzelfall dessen Fehlerhaftigkeit erst nach dem Tode des Beschädigten erkannt worden ist. Denn es wäre nicht einzusehen, warum die Hinterbliebenen, bei denen ein dem Beschädigten erteilter, offensichtlich fehlerhafter Bescheid zu dessen Lebzeiten nicht mehr aufgehoben worden ist, gegenüber solchen Hinterbliebenen besser gestellt werden sollten, bei denen der fehlerhafte Bescheid noch zu Lebzeiten des Rentenempfängers zurückgenommen worden ist. Das LSG. hat daher mit Recht die Erteilung eines Zuungunstenbescheids nach Art. 30 Abs. 4 Satz 1 KBLG auch dann für zulässig erachtet, wenn der Rentenempfänger bereits gestorben ist (im Ergebnis ebenso Rundschreiben des BMA. vom 7.2.1956, BVBl. 1956 S. 59 Nr. 25; Schwankhart, ZfS. 1956 S. 293; Hancke, VersB. 1956 S. 4; Gross, VersB. 1956 S. 39; Grömig, SGb. 1957 S. 263 (265); RVGer. 11, 188). Dabei kann dahingestellt bleiben, wem ein solcher Bescheid im Einzelfalle zugestellt werden muß; denn jedenfalls ist er dann den Hinterbliebenen zuzustellen, wenn sie aus dem fehlerhaften Beschädigtenrentenbescheid Rechte ableiten. Der Bescheid vom 30. März 1951 wurde daher mit Recht der Klägerin zugestellt, weil diese ihren Antrag auf Witwenrente vom 13. Dezember 1950 darauf gestützt hatte, daß ihr Ehemann an den Folgen seiner anerkannten Dienstbeschädigung gestorben sei.
Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß das LSG. das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 4 Satz 1 KBLG zu Unrecht bejaht habe. Die Rücknahme eines fehlerhaften Bescheides setzte nach dieser Vorschrift voraus, daß entweder die tatsächlichen Grundlagen des Bescheides, die die Verwaltungsbehörde als gegeben angesehen hatte, in Wirklichkeit nicht vorlagen oder anders als von ihr angenommen, gestaltet waren, oder daß die Entscheidung auf der unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhte (ebenso BSG. 1, 56 (60); Urt. des erkennenden Senats vom 26.6.1957 - 8 RV 121/55). Bei der Nachprüfung durch das Gericht entscheidet dieses nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs. 1 SGG), ob sich die Voraussetzungen der Bescheiderteilung als unzutreffend erwiesen haben. Diese Auffassung hat im Ergebnis bereits das Reichsversorgungsgericht (RVGer.) zur Frage der Aufhebung fehlerhafter Bescheide nach § 65 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen vom 10. Januar 1922 (RGBl. I S. 59) i.d.F. des Art. 21 V Nr. 5 der Personal-Abbau-Verordnung vom 27. Oktober 1923 (RGBl. I S. 999) vertreten (vgl. RVGer. 8, 182 (187); 5, 282; 6, 1).
Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung bedeutet, daß es für die Beantwortung der Frage der Fehlerhaftigkeit eines Bescheides darauf ankommt, ob die Tatsacheninstanz die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht. Die subjektive Gewißheit ist allerdings nur in dem Sinne zu verstehen, daß für den Richter das Gefühl des Zweifels beseitigt sein muß. Denn es kann wegen der Unvollkommenheit der menschlichen Erkenntnis nicht der Sinn der freien Beweiswürdigung sein, eine absolute, jeden möglichen Zweifel und jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewißheit zu verlangen. Rechtsprechung und Schrifttum haben daher seit jeher anerkannt, daß die richterliche Überzeugung keine jede nur denkbare Möglichkeit ausschließende Gewißheit voraussetzen darf. Vielmehr genügt ein der Gewißheit nahekommender Grad von Wahrscheinlichkeit (vgl. BGHZ. 7 S. 116 (120); BGH. in NJW. 1951 S. 83; BGHSt. 10, 208; RGZ. 102, 316 (321) und 162, 223 (229); Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., § 111 I 2a; Nikisch, Zivilprozeßrecht, Zweite Auflage, § 84 I 1; Schönke-Schröder-Niese, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., § 10 II; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., § 286 I 1). Es ist also für die Frage, ob sich die Voraussetzungen der Bescheiderteilung als unzutreffend erwiesen haben, Aufgabe der Tatsacheninstanz, zu prüfen, ob sie die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht.
Das Berufungsgericht hat vorliegend als bewiesen angesehen, daß der beiderseitige Sehnervenschwund mit doppelseitiger Erblindung nicht mit den Verhältnissen des von dem Verstorbenen im ersten Weltkrieg geleisteten Militärdienstes in ursächlichem Zusammenhang steht. Zwar liegen die Erwägungen, von denen sich das Berufungsgericht hierbei leiten ließ, an sich auf dem Gebiet der tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts, die das Revisionsgericht nicht nachprüfen kann (§ 163 SGG). Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß sich das LSG. seine Überzeugung unter Verletzung des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG gebildet habe. Diese Vorschrift gewährt dem Tatrichter nicht uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit, sondern nur die Befugnis, innerhalb der Grenzen frei zu entscheiden, die ihm durch die Pflicht gezogen sind, alle Umstände sachgemäß abzuwägen (BSG. 4, 112 [114]). Die Klägerin beanstandet zunächst mit Recht, daß das LSG. die für sie günstigen Beurteilungen, vor allem das Gutachten von Prof. A... vom 18. März 1948, nicht genügend gewürdigt habe. Zu diesem Gutachten hat das Berufungsgericht nur ausgeführt, daß gerade die von Prof. A... festgestellte Entrundung der Pupillen dafür spreche, daß bei dem Ehemann der Klägerin eine Tabes vorgelegen habe. Dies berechtigte das LSG. aber nicht, ohne weiteres jetzt auch das Ergebnis des Gutachtens dieses Arztes zu übergehen, insbesondere seine für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentliche Feststellung, es erscheine für die Bejahung des medizinischen Zusammenhanges zwischen den Verhältnissen des Militärdienstes und dem Sehnervenschwund maßgebend, daß die Krankheit nach einem Typhus während einer Malaria plötzlich auf beiden Augen begonnen habe. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ferner festgestellt hat, daß eine Malariaerkrankung und ihre Behandlung mit Chinin zwar Sehnervenentzündungen und möglicherweise auch vorübergehende Sehstörungen hervorrufen könne, daß diese aber nach Ausheilung der Malaria bzw. nach Absetzen des Chinins wieder verschwänden, so zeigen seine Ausführungen auch insoweit, daß es sein Recht, die Beweise frei zu würdigen, überschritten hat. Denn das Gutachten von Dr. M... auf das sich das LSG. zur Begründung seiner Feststellung berufen hat, ist in diesem Punkt widerspruchsvoll. Während er zunächst ausgeführt hat, daß sich Sehnervenentzündungen nach Malaria in der Regel nach einer gewissen Zeit wieder zurückbilden, hat er am Schluß des Gutachtens diese Feststellung ohne Einschränkung getroffen. Das LSG. hat sich also auf ein nicht widerspruchsfreies Gutachten gestützt. Mit seinen Ausführungen konnte das LSG. auch nicht ohne Verletzung des § 128 SGG die Meinung des Dr. K... übergehen, nämlich daß nach einer schweren Malaria eine Taboparalyse sehr selten auftrete, und daß gerade die Sicherheit des Ganges des Ehemannes der Klägerin ohne ataktische Bewegungen trotz seiner Blindheit der beste Beweis dafür sei, daß keine Tabes vorgelegen habe. Das Berufungsgericht hat ferner ausgeführt, daß der behandelnde Arzt Dr. M... eine Liquoruntersuchung nicht veranlaßt habe, weil der Verstorbene eine solche in Erwartung eines für ihn ungünstigen Ergebnisses vermutlich niemals hätte vornehmen lassen. Daraus - so folgert das LSG. - gehe hervor, daß der Ehemann der Klägerin sicherlich seinen Gesundheitszustand gekannt habe. Wie die Revision mit Recht rügt, hat das LSG. auch insoweit gegen § 128 SGG verstoßen. Denn es ist denkgesetzlich nicht möglich, aus der durch nichts bewiesenen Vermutung des behandelnden Arztes, der die Durchführung einer solchen Untersuchung überhaupt nicht angeregt hatte, den Schluß zu ziehen, der Verstorbene habe gewußt, daß er an Tabes als Spätfolge einer venerischen Erkrankung leide. Da das LSG. sich somit seine Überzeugung gebildet hat, ohne die wesentlichen Umstände sachgemäß abzuwägen, hat es die Grenzen überschritten, die seinem Recht der freien Beweiswürdigung nach § 128 SGG gezogen sind. Auf diesem Verfahrensmangel beruht das angefochtene Urteil (§ 162 Abs. 2 SGG); denn es ist möglich, daß das LSG. anders entschieden hätte, wenn ihm die angegebenen Fehler bei der Beweiswürdigung nicht unterlaufen wären. Die Möglichkeit einer andern Entscheidung aber genügt für die Annahme der Ursächlichkeit des Verfahrensmangels (BSG. 2, 197 mit weiteren Hinweisen). Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben. Eine Sachentscheidung durch den Senat ist nicht möglich, weil die vom LSG. getroffenen Feststellungen nicht ausreichen. Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Das Berufungsgericht wird nun erneut darüber zu entscheiden haben, ob sich die Voraussetzungen der Erteilung des Bescheids vom 26. April 1948 als unzutreffend erwiesen haben. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß es fraglich ist, ob der in den Rentenakten (Bl. 9) enthaltene Befundbericht von Dr. Schlegel (ohne Datum) der Universitätsaugenklinik Erlangen bei der Begutachtung überhaupt vorgelegen hat. Das Gutachten ist auf Ersuchen der LVA. Oberfranken und Mittelfranken - Versehrtenambulatorium Fürth - vom 8. März 1948 am 18. März 1948 erstattet worden, während auf dem Befundbericht als Tag des Eingangs - bei welcher Stelle er eingegangen ist, ist nicht zu erkennen - der 25. März 1948 vermerkt ist. Unter diesen Umständen ist es zweifelhaft, ob Prof. A... von dem in dem Befundbericht geäußerten Verdacht auf Tabes Kenntnis hatte.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil des LSG. vorbehalten.
Fundstellen