Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Jahresarbeitsverdienst nach dem Dreihundertfachen des durchschnittlichen Tagesverdienstes im Unternehmen festzusetzen (RVO § 563 Abs 2 S 1), weil der Versicherte im Laufe des Jahres vor dem Unfall (Berufskrankheit) infolge Änderung seiner betrieblichen Stellung in dem Unternehmen einen höheren Arbeitsentgelt erzielt hat, so ist für den Durchschnittsverdienst nur der zuletzt bezogene höhere Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.
2. Wird der Jahresarbeitsverdienst auf Grund des RVO § 563 Abs 2 S 2 nach dem durchschnittlichen Verdienst im Unternehmen berechnet, so beträgt er bei Versicherten mit gleichbleibendem Monatsgehalt, dessen Höhe nicht von der Zahl der Arbeitstage abhängt, das Zwölffache dieses Gehalts.
3. Ein approbierter Arzt befindet sich bei der vor Erteilung der Facharztanerkennung abzuleistenden ärztlichen Tätigkeit nicht in Berufsausbildung im Sinne des RVO § 565.
Normenkette
RVO § 563 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1949-08-10, § 565 Fassung: 1942-03-09
Tenor
Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers wird in Änderung der Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 4. Mai 1956 und des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Dezember 1955 die Beklagte verurteilt, die dem Kläger zu gewährende Rente nach einem Jahresarbeitsverdienst von 4.901,76 DM zu berechnen; im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der im Jahre 1924 geborene Kläger erkrankte am 2. März 1951 an Lungentuberkulose ( LTbc ). Er hatte sich das Leiden bei seiner beruflichen Tätigkeit im Allgemeinen Krankenhaus St. G in H zugezogen. In diesem Krankenhaus war er nach seinem medizinischen Staatsexamen vom Frühjahr 1949 bis Ende 1950 als Pflichtassistent und nach seiner Approbation vom 1. Januar 1951 an als Volontärarzt beschäftigt worden. Er versah von diesem Zeitpunkt an den Dienst eines Stationsarztes und erstrebte die Anerkennung als Facharzt für innere Krankheiten. Am 1. April 1951 rückte er in die Planstelle eines Assistenzarztes ein und erhielt vom 1. Januar 1951 an den Unterschiedsbetrag zum Gehalt nach der Vergütungsgruppe III der Tarifordnung A für Angestellte im öffentlichen Dienst (TO.A) nachgezahlt. Der für das Jahr vor seiner Erkrankung nachgewiesene Gesamtverdienst erreichte nicht das Dreihundertfache des für männliche Versicherte über 21 Jahre in Hamburg festgesetzten Ortslohns von 2.400,- DM. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 29. August 1953 die Dauerrente wegen des als Berufskrankheit (BK.) anerkannten Lungenleidens des Klägers daher unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes (JAV.) von 2.400,- DM fest.
Der Kläger hat hiergegen beim Oberversicherungsamt Hamburg rechtzeitig Berufung eingelegt. Er meint, der JAV. müsse unter Zugrundelegung des Tarifgehalts nach der Vergütungsgruppe TO.A III ermittelt werden, da die Berechnungsweise der Beklagten unbillig und die Erkrankung während seiner Berufsausbildung aufgetreten sei. Das Sozialgericht Hamburg, auf das die Sache nach § 215 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) übergegangen war, hat am 6. Dezember 1955 die Beklagte verurteilt, den JAV. unter Zugrundelegung des Jahresgehaltes nach der Vergütungsgruppe TO.A. III festzusetzen: Der Kläger habe vor dem 1. Januar 1951 kein Arbeitsentgelt bezogen. Sein JAV. könne daher nicht gemäß § 563 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ermittelt werden. Demzufolge liege ein Anwendungsfall des § 566 RVO vor. Es entspreche der Billigkeit im Sinne dieser Vorschrift, als Berechnungsgrundlage die Sätze der Vergütungsgruppe TO.A III heranzuziehen. Diese Vergütungsgruppe komme für die Zeit nach Abschluß der Ausbildung des Klägers zum Facharzt ohne weiteres in Betracht, da es sich bei seiner Tätigkeit als Assistenzarzt mit dem Ziele der Anerkennung als Facharzt für innere Krankheiten um eine Berufsausbildung im Sinne des § 565 RVO handele.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat die Beklagte geltend gemacht: Die Berufsausbildung eines Arztes sei mit der Vollapprobation abgeschlossen. Der während dieser Ausbildungszeit an den Kläger gezahlte Unterhaltszuschuß sei Arbeitsentgelt im Sinne der RVO. Demzufolge sei hier die Berechnung des JAV. nach dem Ortslohn berechtigt.
Das Landessozialgericht (LSG.) hat durch Urteil vom 4.Mai 1956 die Beklagte unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung verurteilt, die dem Kläger zu zahlende Rente nach einem JAV. von 4.713,- DM zu berechnen, die weitergehende Berufung zurückgewiesen und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Zur Begründung ist ausgeführt: Der JAV. sei im vorliegenden Fall gemäß § 563 Abs. 2 Satz 1 RVO aus dem Dreihundertfachen des durchschnittlichen Verdienstes für den vollen Arbeitstag im Unternehmen zu ermitteln, da diese Berechnungsweise zu dem für den Kläger günstigeren Ergebnis führe. Sie sei nicht davon abhängig, daß der Versicherte im Laufe des Jahres vor dem Unfall das Unternehmen gewechselt habe. Es genüge vielmehr, daß er in dieser Zeit seine Stellung als Arbeitnehmer in dem Unternehmen verbessert habe und ihm nicht nur eine Lohnsteigerung zugute gekommen sei. Das treffe bei der Beschäftigungsweise des Klägers zu; denn er sei zwei Monate vor der Erkrankung nach Ableistung seiner Zeit als Pflichtassistent in die Stellung eines Assistenzarztes gekommen. In dieser Zeit habe er 816,96 DM an Gehalt bekommen. Daraus errechne sich bei der Berücksichtigung von 52 Arbeitstagen, in die zwei Sonntage als Arbeitstage wegen der Beschäftigungsweise von Assistenzärzten einbezogen seien, ein durchschnittlicher Tagesverdienst von 15,71 DM. Das Dreihundertfache hiervon ergebe einen JAV. von 4.713,- DM. Dieser Betrag sei höher als der Gesamtverdienst des Klägers während des Jahres vor der Erkrankung, der unter Einschluß der Unterhaltszuschüsse nur 2.076,96 DM erreiche. Bei dem JAV. von 4.713,- DM habe es auch für die Zeit zu bleiben, nach welcher der Kläger ohne Verzögerung durch die BK. seine Anerkennung als Facharzt erreicht hätte, da er sich nach seiner Approbation nicht mehr in der Berufsausbildung im Sinne des § 565 RVO befunden habe. Bei der Kostenentscheidung sei zu berücksichtigen, daß die Beklagte mit der Berufung nur eine geringfügige Änderung des erstinstanzlichen Urteils erreicht habe.
Das LSG. hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihnen am 2. Juli 1956 zugestellte Urteil haben beide Beteiligte Revision eingelegt, und zwar die Beklagte am 21. Juli 1956 mit gleichzeitiger Begründung, der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten telegraphisch am 1. August 1956 mit der Begründung, die innerhalb der für ihn bis zum 1.Oktober 1956 verlängerten Revisionsbegründungsfrist eingegangen ist.
Die Beklagte rügt unrichtige Anwendung des § 563 RVO und trägt vor: Das LSG. habe verkannt, daß im vorliegenden Falle die Berechnung des JAV. nach dem Dreihundertfachen des durchschnittlichen Tagesverdienstes unter Berücksichtigung nur des Verdienstes, den der Kläger in den beiden letzten Monaten vor seiner Erkrankung erzielt hat, nicht in Betracht komme, da der Kläger während des ganzen Jahres vor seiner Erkrankung in demselben Unternehmen tätig gewesen sei. Daher müsse von seinem Gesamtverdienst in dieser Zeit ausgegangen werden, in den auch die ihm als Pflichtassistent gewährten Unterhaltszuschüsse als Arbeitsentgelt einzubeziehen seien. Demzufolge sei der JAV. nach dem Ortslohn festzusetzen. Das LSG. habe ferner verkannt, daß der Kläger erst mit Wirkung vom 1. April 1951 als Assistenzarzt angestellt worden sei; die Nachzahlung des Gehalts nach TO.A III vom 1. Januar 1951 an beruhe lediglich auf einer privaten Vereinbarung zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Marburger Ärztebund. Im Kostenpunkt habe das LSG. übersehen, daß die Berufung im wesentlichen Erfolg gehabt habe, so daß der Kläger die außergerichtlichen Kosten im vollen Umfange selbst tragen müsse.
Die Beklagte beantragt,
die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben, ihren Bescheid vom 29. August 1953 wiederherzustellen und zu entscheiden, daß sie dem Kläger keine Kosten zu erstatten hat.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen und unter Aufhebung des Berufungsurteils die Beklagte zu verurteilen, die Rente unter Zugrundelegung eines JAV. nach TO. A III gemäß § 565 RVO festzusetzen.
Hierzu bringt er vor: Das LSG. habe § 563 Abs. 2 Satz 1 RVO zutreffend angewandt; es habe aber § 566 RVO zu Unrecht außer acht gelassen und § 565 RVO verletzt. Unter Berücksichtigung dieser beiden Vorschriften hätte der JAV. nach dem vollen Jahresgehalt der Vergütungsgruppe TO.A III festgestellt werden müssen. Er dürfe nicht schlechter gestellt werden, als wenn er schon während seiner Pflichtassistentenzeit oder nach Ablauf eines Jahres seiner Tätigkeit als Assistenzarzt erkrankt wäre. In beiden Fällen wäre der JAV. unter Berücksichtigung des vollen Jahresgehalts nach TO.A.III festzusetzen, und zwar im ersteren Falle nach § 565 RVO und im letzteren nach § 563 Abs. 2 RVO. Zu diesem Ergebnis müsse hier die Anwendung des § 566 RVO verhelfen. Sodann habe das LSG. verkannt, daß er tatsächlich schon als Pflichtassistent erkrankt sei und schon deshalb der JAV. ohne weiteres unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe TO.A III nach § 565 RVO hätte berechnet werden müssen.
II
Beide Revisionen sind durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); sie sind auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, somit zulässig. Die Revision des Klägers ist zum Teil begründet; die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der Versicherungsfall, von dessen Zeitpunkt nach §§ 563 ff. RVO die Berechnung des im vorliegenden Fall allein streitigen JAV. in erster Linie abhängt, ist entgegen dem Revisionsvorbringen des Klägers erst am 2. März 1951 eingetreten. An diesem Tage trat bei ihm Lungenbluten auf und machte seine sofortige stationäre Krankenbehandlung erforderlich. Seine Ansicht, die Krankheit habe medizinisch schon vorher, und zwar bereits während seiner Ausbildungszeit als Pflichtassistent, bestanden, ist nach § 3 Abs. 2 der Dritten Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 16. Dezember 1936 (RGBl. I S. 1117) für die Feststellung des Beginns der BK. unerheblich. Entscheidend ist, daß der Kläger infolge der von der Beklagten als BK. anerkannten LTbc vor dem 2. März 1951 weder behandlungsbedürftig im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (KV.) noch erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (UV.) war. Das LSG. ist daher bei der Berechnung des JAV. zutreffend von diesem Zeitpunkt als dem Beginn der BK. ausgegangen.
Der Kläger war im Laufe des Jahres vor dem 2. März 1951 ununterbrochen in dem Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in Hamburg gegen Vergütung beschäftigt. Das LSG. hat daher zunächst mit Recht geprüft, ob und gegebenenfalls welche von den beiden in § 563 Abs. 2 Satz 1 RVO vorgesehenen Berechnungsmöglichkeiten für die Festsetzung des JAV. im vorliegenden Fall in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift gilt als JAV. der Arbeitsentgelt, den der Verletzte während des letzten Jahres vor dem Unfall bezogen hat, oder, falls dies für den Verletzten günstiger ist, das Dreihundertfache des durchschnittlichen Verdienstes für den vollen Arbeitstag im Unternehmen. Das Berufungsgericht hat die zweite Berechnungsmöglichkeit mit im Grundsätzlichen zutreffenden Erwägungen für anwendbar erklärt. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist jedoch die Ermittlung des durchschnittlichen Tagesverdienstes im Sinne der angeführten Vorschrift nicht völlig frei von Rechtsirrtum.
Nach den von keiner Seite angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG. (§ 163 SGG) liegen sowohl der Gesamtbetrag der Vergütung des Klägers, die er während des Jahres vor seiner Berufserkrankung erhalten hat (2.076,96 DM), als auch das Dreihundertfache des aus diesem Arbeitseinkommen und den insgesamt geleisteten Arbeitstagen (305) ermittelten durchschnittlichen Tagesverdienstes von 6,80 DM mit 2.040,- DM unter dem Dreihundertfachen des nach § 563 Abs. 3 RVO für den Kläger in Betracht kommenden Ortslohnes von 2.400,- DM. Gleichwohl hat das LSG. - anders als die Beklagte - den JAV. mit Recht nicht nach dem Ortslohn, sondern nach dem Dreihundertfachen des durchschnittlichen Tagesverdienstes des Klägers festgesetzt. Allerdings hat es mit Rücksicht darauf, daß der Kläger vom 1. Januar 1951 an nach seiner Approbation als Stationsarzt beschäftigt und von diesem Zeitpunkt an nach der Vergütungsgruppe TO.A III bezahlt wurde, den durchschnittlichen Tagesverdienst lediglich aus dem in den beiden letzten Monaten vor der Erkrankung bezogenen Gehalt errechnet und damit unter Anwendung des § 563 Abs. 2 Satz 1 RVO eine Berechnung für möglich gehalten, auf Grund deren der ermittelte JAV. den Schutzbetrag des § 563 Abs. 3 RVO übersteigt. Gegen diese Auslegung des § 563 Abs. 2 Satz 1 RVO bestehen nach Auffassung des erkennenden Senats keine Bedenken. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, daß der Kläger während des Jahres vor seiner Erkrankung in demselben Krankenhaus tätig war. Entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten ist diese Vorschrift weder ihrem Wortlaut noch ihrem Sinnzusammenhang nach dahin zu verstehen, daß sie hinsichtlich der zweiten Berechnungsmöglichkeit nur bei einem Unternehmenswechsel des Versicherten während des letzten Jahres vor dem Unfall (BK.) anwendbar sei. Insbesondere zwingen zu einer derart einschränkenden Auslegung nicht die Worte "im Unternehmen". Es mag sein, daß dem Gesetzgeber bei dieser Regelung außer den Fällen, in denen der Verletzte im Jahre vor dem Unfall an weniger als 300 Tagen gearbeitet hatte, vor allem solche Fälle vorgeschwebt haben, in denen dadurch Härten entstehen können, daß die Versicherten im Laufe des letzten Jahres vor dem Unfall (BK.) in ein anderes Unternehmen mit günstigeren Verdienstverhältnissen übergewechselt sind. Der grundlegende Gedanke ist hierbei aber darauf gerichtet, den Verletzten einen sozialen oder wirtschaftlichen Aufstieg, den sie vor dem Versicherungsfall erreicht haben, im vollen Umfange zugute kommen zu lassen. Dieser vom Gerechtigkeitsprinzip getragene Gedanke soll nach Ansicht des erkennenden Senats keine Ausnahme für die Fälle erleiden, in denen ohne Unternehmenswechsel ein gleicher Aufstieg des Versicherten stattgefunden hat. Die amtliche Begründung zum Sechsten Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (AN. 1942 S. II 200), durch das § 563 RVO die hier maßgebliche Fassung erhalten hat, spricht nicht gegen diese Auffassung. Allerdings kann, wie das LSG. auch insoweit zutreffend ausgeführt hat, nicht jede finanzielle Verbesserung eines Arbeitnehmers, etwa wenn sie in einer bloßen Lohnsteigerung besteht, dazu führen, nur den zuletzt bezogenen höheren Arbeitsentgelt für die Ermittlung des Durchschnittsverdienstes zu berücksichtigen, hingegen den vorher erzielten Verdienst außer acht zu lassen. Vielmehr muß es sich bei der durch eine erweiternde Auslegung des § 563 Abs. 2 Satz 1 RVO möglichen Rechtswohltat um Fälle handeln, in denen der Versicherte im Laufe des Jahres vor dem Unfall (BK.) einen höheren Arbeitsentgelt infolge Änderung seiner betrieblichen Stellung in dem Unternehmen erzielt hat. Eine solche Änderung ist jedenfalls dann gegeben, wenn sie durch den Abschluß einer Berufsausbildung herbeigeführt wird. Daß sich eine Verbesserung in der betrieblichen Stellung des Arbeitnehmers auch in der Erhöhung seiner Unfallentschädigung ausdrückt, entspricht dem Wesen der gesetzlichen UV. Dieser Gedanke hat übrigens in der Regelung des § 565 RVO für Verletzte, die während ihrer Berufsausbildung eine Unfallschädigung erlitten haben, seinen konkreten Niederschlag gefunden. Sonach ist - falls dies für den Verletzten günstiger ist - in Fällen, in denen während des Jahres vor dem Unfall der Versicherte seine Arbeitsstellung im Unternehmen verbessern konnte, abweichend von dem Grundsatz, ein volles Jahr vor dem Unfall als Berechnungsgrundlage heranzuziehen, nur der durchschnittliche Verdienst in der veränderten betrieblichen Stellung zu berücksichtigen. Diese Stellung muß der Versicherte vor dem Unfall allerdings eine Zeitlang innegehabt haben, da sonst rein begrifflich ein Durchschnittsverdienst nicht in Betracht kommen kann.
Daß der Kläger im Laufe des Jahres vor dem Beginn der BK. einen höheren Arbeitsentgelt infolge Änderung seiner "betrieblichen" Stellung im Krankenhaus während einer rechtlich erheblichen Zeit (zwei Monate) erzielt hat, steht außer Zweifel. Hiergegen wendet sich die Beklagte auch nicht; sie äußert bloß Bedenken dagegen, den Kläger wegen der rückwirkend gezahlten Vergütung schon vom 1. Januar 1951 an als Assistenzarzt anzusehen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß der Kläger von diesem Zeitpunkt an bereits als Stationsarzt im Krankenhaus tätig war und daß es bei der Berechnung des JAV. entscheidend auf die tatsächlich gewährte Vergütung ankommt. Das LSG. hat nach alledem den JAV. des Klägers mit Recht nach seinem durchschnittlichen Tagesverdienst im Unternehmen festgesetzt und dabei den Durchschnittsverdienst nur aus dem während der beiden letzten Monate vor seiner Erkrankung bezogenen höheren Gehalt errechnet.
Die Durchführung dieser Berechnung ist jedoch insofern nicht bedenkenfrei, als das LSG. bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes für die beiden Monate nicht nur 50, sondern 52 Arbeitstage berücksichtigt hat. Nach § 563 Abs.2 Satz 1 RVO kommt für die Festsetzung des JAV. nach dem Dreihundertfachen des durchschnittlichen Verdienstes für den vollen Arbeitstag normalerweise der Fall in Betracht, in dem der Verletzte gegen Tageslohn beschäftigt war. Denn der gesetzlichen Regelung liegt die Annahme zugrunde, daß der Arbeitsentgelt in Beziehung zu der Anzahl der Tage steht, an denen der Versicherte tatsächlich Arbeit geleistet hat. Diese Beziehung entfällt jedoch bei Versicherten, die - wie der Kläger - gegen festes Monatsgehalt beschäftigt sind.
Aber auch bei dieser Art der Vergütung ist die Festsetzung des JAV. nach dem Dreihundertfachen des durchschnittlichen Tagesverdienstes möglich. Dies folgt aus § 563 Abs. 2 Satz 2 RVO, nach dem als Arbeitstag auch ein Tag gilt, für den "Gehalt" gezahlt worden ist, Hieraus könnte geschlossen werden, daß es auch bei Gehaltsempfängern allein auf die Zahl der geleisteten Arbeitstage abzustellen sei, zumal da eine tageweise Aufgliederung des Gehalts grundsätzlich in Betracht kommen kann (vgl. § 20 Abs. 2 TO.A). Von dieser Möglichkeit hat sich das LSG. bei der Feststellung, daß der Kläger seit dem 1. Januar 1951 an 26 statt an 25 Tagen im Monat (einschließlich eines Sonntags als Arbeitstag) Dienst geleistet hat, offensichtlich leiten lassen. Diese Berechnungsweise führt jedoch zu ungerechten Ergebnissen; denn, wenn die Höhe des Verdienstes trotz mehr geleisteter Arbeitstage unverändert bleibt, wie es bei der Gehaltsvergütung im allgemeinen zu sein pflegt, verringert sich der JAV., je mehr Arbeitstage berücksichtigt werden. Daß ein solches Ergebnis nicht sinnvoll ist, auch nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, liegt auf der Hand. Mit der Möglichkeit, den JAV. nach dem Dreihundertfachen des täglichen Durchschnittsverdienstes festzusetzen, bezweckt § 563 Abs. 2 Satz 1 RVO eine vereinfachte, pauschalierte Regelung der Berechnungsweise. Die Festsetzung der Vervielfältigungszahl mit 300 läßt erkennen, daß von den 365 Tagen des Jahres 65 Sonn- und Feiertage unberücksichtigt bleiben sollen. Das muß auch im Falle des Klägers beachtet werden. Folglich ist bei der Errechnung des durchschnittlichen Verdienstes für den "vollen Arbeitstag" auch bei ihm als Gehaltsempfänger von jährlich 300 Arbeitstagen auszugehen, d.h. für die Monate Januar und Februar 1951 sind je 25 Arbeitstage zu berücksichtigen. Da der Kläger ein Monatsgehalt von 408,48 DM bezog, ergibt sich ein Durchschnittsbetrag von 16,3392 DM (408,48 DM : 25 Arbeitstage), vervielfältigt mit 300 = 4.901,76 DM. Dieser Betrag ist bei dem Gehalt des Klägers, den er in der Vergütungsgruppe TO.A III vor der Erkrankung erzielt hatte, der Rentenberechnung als JAV. zugrunde zu legen. Derselbe Betrag ergibt sich rein rechnerisch aber auch aus dem Zwölffachen des Monatsgehalts von 408,48 DM. Im Interesse einer Vereinfachung der Berechnung bietet sich in diesen Fällen daher an, den Jahresarbeitsverdienst unmittelbar aus dem Zwölffachen des Monatsgehalts festzusetzen. Diese Berechnungsweise setzt jedoch voraus, daß das höhere Monatsgehalt gleichgeblieben ist. Bei der Vergütung des Klägers trifft das zu. In Fällen, in denen sich das Monatsgehalt in der strittigen Zeit vor dem Unfall (BK.) verändert hat, ohne daß damit zugleich eine erneute Verbesserung der betrieblichen Stellung des Versicherten im Unternehmen verbunden war, liegt es nahe, nach dem Grundsatz (Dreihundertfaches des durchschnittlichen Tagesverdienstes) zu verfahren und im Vereinfachungsinteresse den Durchschnittsbetrag der einzelnen Monatsgehälter mit der Zahl von 12 Monaten zu vervielfältigen.
Der Kläger will die Rente schlechthin nach der Vergütungsgruppe TO.A III berechnet haben; er beruft sich hierfür ausdrücklich auf § 565 RVO. Sein Antrag ist daher dahin auszulegen, daß er die für ihn günstigste Vergütungsstufe der Gruppe TO.A III berücksichtigt haben will. Mit der Festsetzung des JAV. von 4.901,76 DM wird diesem Begehren nur zum Teil entsprochen. Der weitergehende Antrag des Klägers wäre begründet, wenn er sich bei seiner ärztlichen Tätigkeit im Zeitpunkt der Erkrankung in der Berufsausbildung im Sinne des § 565 RVO befunden hätte. Das hat das LSG. jedoch mit zutreffenden Ausführungen verneint. Durch § 565 RVO sollen Personen geschützt werden, die sich noch in der Berufs- oder Schulausbildung befinden und deswegen noch keine nennenswerten Einkünfte haben. Für sie soll von dem Zeitpunkt an, in welchem die begonnene Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre, der JAV. nach dem Entgelt berechnet werden, den dann Personen gleicher Ausbildung zu beanspruchen haben. Dadurch soll eine Härte für die Versicherten ausgeglichen werden, welche durch Arbeitsunfall oder BK. zu Schaden kommen, bevor sie die mit ihrer beruflichen Ausbildung erstrebte Erwerbsstellung erreicht haben. Dies trifft jedoch nicht für diejenigen Personen zu, die bereits einen erlernten Beruf ausüben und sich dabei beruflich qualifizieren wollen. Es wäre mit der Zwecksetzung des § 565 RVO, der den Grundsatz in der gesetzlichen UV., zukünftige Erwerbsaussichten nicht zu berücksichtigen, durchbricht und daher eine Ausnahmeregelung darstellt, nicht vereinbar, in solchen Fällen Unfallgeschädigte für schutzbedürftig im Sinne des § 565 RVO zu erachten. Unter Würdigung dieses Gesichtspunktes kann auch ein approbierter Arzt nicht deshalb als in der Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift befindlich angesehen werden, weil er für seine Anerkennung als Facharzt ärztlich tätig ist. Diese Auffassung wird in der durch Veröffentlichung zugänglichen Rechtsprechung mehrerer Landessozialgerichte und Sozialgerichte bereits einhellig vertreten (vgl. Breith. 1954 S. 680; 1955 S. 1252; 1959 S. 903 und 1960 S. 116 sowie SGb 1956 S. 99). In den Entscheidungen des LSG. Baden-Württemberg vom 20. Juli 1955 und des Hessischen LSG. vom 6. Oktober 1959 ist vor allem der Hinweis auf die Berufsordnung für Ärzte überzeugend. In § 25 dieser Berufsordnung (Ärztl. Mitteilungen 1956 S. 943 (946 ff.)) ist wörtlich bestimmt: "Die ärztliche Ausbildung endet mit der Bestallung als Arzt. Die Tätigkeit nachgeordneter Ärzte ist unbeschadet ihrer Rechtsstellung in den Krankenanstalten ärztliche Tätigkeit nach abgeschlossener Ausbildung. Auch die Tätigkeit eines Arztes bis zur Facharztanerkennung ist ärztliche Arbeit". Diese Regelung ist mit übereinstimmendem Wortlaut auch in der Berufsordnung für die Hamburgischen Ärzte vom 3. Februar 1954 enthalten (Grapengeter/Burmester, Gesundheitsrecht, Sammlung von Gesetzen, Verordnungen und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bundes (Reiches) und der Hansestadt Hamburg, I. Bd., Stand Mai 1958, B I 9). Demgegenüber bietet das Revisionsvorbringen des Klägers, der unter Bezugnahme auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils die Entscheidung der Streitfrage im wesentlichen auf das besondere Berufsbild eines Facharztes im Vergleich zu dem eines praktischen Arztes sowie auf die Tatsache abgestellt haben möchte, daß die Vorbereitung für die Facharztanerkennung besonderen Richtlinien unterworfen sei, keinen ausreichenden Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung.
Hiermit steht auch nicht die Rechtsprechung zur Frage der Versicherungsfreiheit von Personen, die zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf gegen Entgelt tätig sind, in Widerspruch (BSG. in SozR. AVG § 12 a.F. Bl. Aa 1 Nr. 1; BSG. 10 S. 176; BSG. in SozR. RVO § 172 Bl. Aa 2 Nr. 4). Danach ist zwar für die Frage der Versicherungsfreiheit in der KV. sowie der Rentenversicherung (RV.) bis zum Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze anzuerkennen, daß ein approbierter Arzt bei der ärztlichen Tätigkeit für die Facharztanerkennung zu seiner wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf tätig ist. Hierbei ist aber die Frage zu entscheiden, ob ein solcher Arzt in diesen Versicherungszweigen überhaupt der Versicherungspflicht unterliegt, während dies in der gesetzlichen UV. unzweifelhaft ist und es lediglich um die Berechnung der Entschädigungsleistung geht. Angesichts dieser unterschiedlichen Interessenlage sind zwischen den Vorschriften, die einerseits für die Versicherungsfreiheit in der KV. oder RV. und andererseits für die Leistungshöhe in der UV. Bedeutung haben, keine rechtlich erheblichen Berührungspunkte vorhanden, die zu einer einheitlichen Auslegung der angegebenen Vorschriften führen müßten.
Der Angriff der Beklagten gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ist unbegründet. Das LSG. hat die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens an den Kläger verpflichtet, weil die Änderung des erstinstanzlichen Urteils, welche die Beklagte mit ihrer Berufung zu ihren Gunsten erreicht hat, nur geringfügig sei. Es ist nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht dargetan, daß das LSG. mit dieser Entscheidung die Grenzen seines Ermessens, die ihm nach § 193 Abs. 1 SGG gesetzt sind, überschritten oder in sonstiger Weise nicht nach pflichtmäßigem Ermessen geurteilt habe.
Nach alledem mußte die Revision der Beklagten in vollem Umfang zurückgewiesen werden und konnte die Revision des Klägers nur insoweit Erfolg haben, als der JAV. für seine Rente nach dem ihm im Zeitpunkt seiner Erkrankung zustehenden Gehalt festzusetzen ist (§ 170 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen