Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 1979 geändert.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 9. Januar 1979 wird hinsichtlich der Zeit bis zum 28. Februar 1981 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) für die Zeit vom 1. März 1978 bis zum 28. Februar 1981.
Die im November 1919 geborene Klägerin durchlief von 1937 bis 1940 eine kaufmännische Lehre. Daran anschließend war sie bis 1945 als Kontoristin bei der Deutschen Reichsbahn tätig. Bis 1948 mußte sie in Ostpreußen Zwangsarbeiten verrichten. Nach ihrer Übersiedlung in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland war sie von 1965 bis Januar 1972 zunächst als Putzhilfe und sodann als Manglerein versicherungspflichtig beschäftigt. Seither geht sie einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nach.
Ihren Antrag auf Gewährung einer Versichertenrente vom 10. Februar 1978 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. April 1978 ab. Das Sozialgericht (SG) Mainz hat nach Erhebung eines ärztlichen Gutachtens die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. Januar 1979). Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat Auskünfte der J. G. S. & G. M. vom 16. Oktober 1979 und der B.-W. M. vom 19. Oktober 1979 eingeholt. Mit Urteil vom 17. Dezember 1979 hat es das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 3. April 1978 verurteilt, der Klägerin ab 1. März 1978 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Bei einem Versicherten, der keinen Berufsschutz genieße und somit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Berufslebens verweisbar sei, sei EU – nicht nur BU – auch dann gegeben, wenn ihm für an sich noch mögliche Tätigkeiten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei. In diesem Sinne sei die Klägerin erwerbsunfähig. Bei der Frage ihrer Verweisbarkeit bedürfe es einer konkreten Prüfung und Benennung von Verweisungstätigkeiten. Zwar sei eine solche Prüfung entbehrlich, wenn es im Einzelfall für den Versicherten offensichtlich geeignete Tätigkeiten gebe. Einer konkreten Prüfung bedürfe es aber dann, wenn besondere Umstände wie z.B. spezifische gesundheitliche oder berufliche Einschränkungen die Ausübung von Tätigkeiten zusätzlich erschwerten. Das sei bei der Klägerin der Fall. Ihre Leistungsfähigkeit sei nicht nur auf leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten beschränkt. Sie solle außerdem keine Arbeiten verrichten, die überwiegend im Stehen, ständig im Sitzen, in Nässe oder Kälte zu erbringen oder mit häufigerem Bücken, mit der Notwendigkeit einer besonderen Fingerfertigkeit oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden seien. Der Klägerin zumutbare Verweisungstätigkeiten könnten nur schwerlich konkret benannt werden, auch wenn sie keinen Berufsschutz genieße und auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbar sei. Tätigkeiten als Putzhilfe und als Manglerin seien ihr nicht mehr möglich. Auch die Tätigkeit einer Warenauszeichnerin könne sie nicht ausüben. Nach ihrem gesundheitlichen Leistungsvermögen kämen eventuell die Arbeit in der Poststelle eines größeren Betriebes, das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder einfache Fabrikarbeiten (leichte Bedienung von Maschinen) in Betracht. Für diese noch möglichen Verweisungstätigkeiten sei jedoch der Klägerin der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen. Das sei u.a. dann der Fall, wenn der Versicherte eine ihm an sich noch mögliche Tätigkeit nicht unter den in den Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen verrichten könne. Eine solche Ausnahmesituation liege bei der Klägerin vor. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß sie bereits 60 Jahre alt und in den letzten acht Jahren nicht mehr berufstätig gewesen sei. Ihre Leistungsfähigkeit sei in gesundheitlicher Hinsicht in vielfältiger Weise eingeschränkt. Die meisten leichten Frauenhilfsarbeiten seien entweder ganz überwiegend im Sitzen oder ganz überwiegend im Stehen zu verrichten oder mit häufigem Bücken verbunden. Auch bei der Bedienung einfacher Maschinen komme eine wechselnde Körperhaltung nicht in Betracht. Demnach seien die meisten für die Klägerin noch in Betracht kommenden leichten Arbeiten betriebsüblicherweise unter Bedingungen zu verrichten, denen die Klägerin nicht gerecht werden könne. Ihr müßten vielmehr Sonderbedingungen eingeräumt oder für sie geeignete gemischte Tätigkeiten abweichend vom üblichen Betriebsablauf zusammengestellt werden. Selbst wenn es danach noch einige Arbeitsplätze gebe, auf denen die Klägerin eingesetzt werden könne, sei ihr auch insoweit der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen. In diesem Zusammenhang seien das Alter der Klägerin sowie der Umstand zu berücksichtigen, daß sie in den letzten 35 Jahren nur vorübergehend Arbeiten sehr einfacher Art ausgeführt habe und in den letzten acht Jahren überhaupt nicht mehr berufstätig gewesen sei. Hierdurch erscheine die Vielzahl ihrer Leistungseinschränkungen in ihrer Gesamtheit noch gewichtiger. Nach Auffassung des Landesarbeitsamtes Rheinland-Pfalz-Saarland seien für Versicherte mit gesundheits- und altersbedingten Einschränkungen wie bei der Klägerin praktisch keine geeigneten Arbeitsplätze vorhanden. Die Arbeitgeber scheuten die Einstellung solcher Versicherter. Dies stelle nicht lediglich ein der Arbeitslosenversicherung zuzuordnendes Risiko dar, sondern sei grundsätzlich auch für Ansprüche auf Versichertenrente erheblich. Das ergebe sich aus den Beschlüssen des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Dezember 1969 und vom 10. Dezember 1976. Zwar hätten sie Versicherte betroffen, die auf Teilzeitarbeitsplätze angewiesen seien. Jedoch könnten sie auch für Vollzeitarbeitskräfte insoweit herabgezogen werden, als die Frage zu entscheiden sei, ob der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei. Die Annahme, daß dies für die Klägerin zutreffe, werde durch die Auskünfte der Firma J. G. und der B.-W. gestützt.
Auf die Beschwerde der Beklagten hat der Senat die Revision gegen das Urteil des LSG zugelassen (Beschluß vom 11. September 1980). Die Beklagte hat das Rechtsmittel eingelegt. Sie rügt Verletzungen der §§ 1246, 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO), hilfsweise der §§ 62 und 128 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zur Begründung trägt sie unter ergänzender Bezugnahme auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vor:
Die Ansicht des LSG, für die Klägerin gebe es in der Bundesrepublik Deutschland kein hinreichendes Arbeitsfeld, weil sie nicht in der Lage sei, Vollzeittätigkeiten unter den in Betrieben in der Regel üblichen Arbeitsbedingungen auszuüben, werde durch die vielfältigen Leistungseinschränkungen der Klägerin nicht begründet. Ihr Alter und der Umstand, daß sie in den letzten acht Jahren vor der Rentenantragstellung nicht mehr berufstätig gewesen sei, dürften nicht berücksichtigt werden. Diese Merkmale gehörten nicht zum Tatbestand der §§ 1246, 1247 RVO. Das LSG hätte aufgrund seiner Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß der Klägerin der Arbeitsmarkt nicht praktisch verschlossen sei. Diese Frage hätte gar nicht geprüft werden dürfen. Es bestünden nämlich keine gewichtigen Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerin die vom LSG konkret bezeichneten Verweisungstätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten könne. Sie könne nach ihrem verbliebenen gesundheitlichen Leistungsvermögen mit dem Verpacken leichter Gegenstände oder mit einfachen Prüfarbeiten beschäftigt werden.
Die Beklagte beantragt,
- das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 1979 insoweit aufzuheben, als sie (Beklagte) verurteilt worden ist, der Klägerin für die Zeit vom 1. März 1978 bis zum 28. Februar 1981 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen, und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 9. Januar 1979 insoweit zurückzuweisen;
- hilfsweise: den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
Im Verlaufe des Revisionsverfahrens hat die Beklagte der Klägerin wegen eines am 26. Februar 1981 eingetretenen Versicherungsfalles für die Zeit ab 1. März 1981 EU-Rente bewilligt.
II.
Die durch nachträgliche Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen BU oder EU für den allein noch streitigen Zeitraum vom 1. März 1978 bis 28. Februar 1981.
Rechtsgrundlage dieses Anspruchs sind §§ 1246, 1247 RVO. Rente wegen BU oder wegen EU erhält der Versicherte, der berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 1246 Abs. 1, § 1247 Abs. 1 RVO). Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs. 2 Sätze 1 und 2 RVO). Erwerbsunfähig ist der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (§ 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO).
Bei der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, ist von seinem „bisherigen Beruf” auszugehen. Das gilt auch dann, wenn er diesen nicht mehr ausüben kann und deswegen eine Verweisung auf andere Tätigkeiten in Betracht kommt. Der bisherige Beruf ist sowohl im Rahmen des § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO für die Bestimmung des Kreises der Tätigkeiten, auf die der Versicherte unter Verneinung von Berufsunfähigkeit zumutbar verwiesen werden kann, als auch im Rahmen des § 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO für die Frage, ob die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebenden äußersten Grenzen der Verweisbarkeit gewahrt sind, von entscheidender Bedeutung. Ausschlaggebend ist der qualitative Wert des bisherigen Berufes des Versicherten im Betrieb. Dieser qualitative Wert wird relativ zuverlässig durch die tarifliche Einstufung des bisherigen Berufes wiedergespiegelt. Sie ist daher ein geeignetes Hilfsmittel zur Feststellung der Qualität des bisherigen Berufes und damit zugleich der dem Versicherten zumutbaren Verweisungstätigkeiten. Dabei lassen sich in der Arbeitswelt auf der Grundlage der tariflichen Bewertung mehrere Gruppen von Arbeiterberufen auffinden, welche durch „Leitberufe” – nämlich diejenigen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters – charakterisiert werden. Zumutbar im Sinne des § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO sind dem Versicherten im allgemeinen nur Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe, soweit sie ihn weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch bezüglich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern.
Eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO liegt hingegen erst dann vor, wenn es keine Tätigkeiten gibt, die dem Versicherten nach seinen Kräften und Fähigkeiten, nach sozialen Gesichtspunkten und nach der Höhe des Entgelts zumutbar sind (vgl. zu alledem Urteile des erkennenden Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 75 S. 236 und vom 9. Dezember 1981 – 1 RJ 124/80 –, jeweils mit eingehenden weiteren Nachweisen).
Das LSG hat festgestellt (S. 8 des Urteils), die Klägerin könne die in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit ausgeübten Beschäftigungen als Putzhilfe oder Manglerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten. Diese tatsächliche Feststellung ist für den Senat bindend (§ 163 SGG). Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt (S. 6, 7 des Urteils), die Klägerin habe sich von ihrem früheren Beruf der Kontoristin gelöst, genieße deswegen keine Berufsschutz und sei auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisbar. Dagegen sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben.
Das LSG hat sodann dargelegt, im Falle der Klägerin bedürfe es trotz ihrer breiten Verweisbarkeit wegen des Vorliegens besonderer Umstände der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten. Für diese Tätigkeiten sei der Klägerin jedoch der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen. Schon ersterem kann nicht beigepflichtet werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG muß grundsätzlich entweder schon im ablehnenden Bescheid des Rentenversicherungsträgers oder jedenfalls im Urteil der letzten Tatsacheninstanz zumindest eine Verweisungstätigkeit (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 45 S. 135; Nr. 68 S. 213; Nr. 69 S. 215; Nr. 81 S. 253) konkret, d.h. hinreichend bestimmt bezeichnet werden (zu den Anforderungen an diese Bezeichnung im einzelnen vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 61 S. 185; Nr. 72 S. 229; Nr. 74 S. 234; Nr. 75 S. 239). Der Versicherungsträger oder das Gericht muß konkret bezogen auf den Einzelfall prüfen und im Bescheid bzw. im Urteil darlegen, welche beruflichen Tätigkeiten nach ihren Anforderungen und ihren tariflichen Einstufungen für den Versicherten nach seiner gesundheitlichen Einsatzfähigkeit sowie unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten in Betracht kommen. Lediglich dann, wenn es offensichtlich ist, daß es für den Versicherten entsprechend geeignete Tätigkeiten gibt, kann ausnahmsweise von der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit abgesehen werden. Andererseits ist die konkrete Bezeichnung geeigneter Verweisungstätigkeiten dann nicht entbehrlich, wenn bei dem Versicherten besondere Umstände – wie z.B. spezifische gesundheitliche oder berufliche Einschränkungen – vorliegen, welche eine Berufsausübung zusätzlich erschweren. Zu den spezifischen beruflichen Einschränkungen in diesem Sinne zählt die Zugehörigkeit des bisherigen Berufes des Versicherten zu den Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters oder des Facharbeiters. Bei bisher in diesen Berufen tätigen Versicherten bedarf es stets der konkreten Benennung Wenigstens einer Verweisungstätigkeit. Dasselbe gilt dann, wenn der Versicherte gesundheitlich stärker oder in spezifischer Weise (z.B. Einarmigkeit, Einäugigkeit) eingeschränkt ist oder nur unter besonders unüblichen Arbeitsbedingungen tätig sein kann (vgl. zu alledem BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 30 S. 91; Nr. 33 S. 99; Nr. 35 S. 107; Nr. 38 S. 116; Nr. 68 S. 213; Nr. 69 S. 215 f.; Nr. 72 S. 229; Nr. 74 S. 234). In Fortsetzung und Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung des BSG hat sich der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 18. Februar 1981 (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 75) und vom 23. Juni 1981 (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 81) mit dem Gebot der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten in den Fällen befaßt, in denen der bisherige Beruf des Versicherten zu der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters gehört. Danach unterscheiden sich die ungelernten Arbeiten von den qualifizierten Tätigkeiten gerade dadurch, daß sie nicht bereits unter ihrer Bezeichnung deutlich einen Komplex charakteristischer beruflicher Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erkennen lassen, die in einer typischen Kombination zusammenfließen. Auch in Tarifverträgen sind aussagekräftige Art und Anforderungen der Tätigkeit beschreibende kurze Bezeichnungen der unqualifizierten Hilfstätigkeiten meist nicht zu finden; sie begnügen sich zumeist mit Abgrenzungen ohne speziellen Aussagegehalt. Aber auch wenn Tarifverträge bestimmte Tätigkeiten eines Hilfsarbeiters bezeichnen, handelt es sich häufig um fach- oder gar betriebsspezifische Bezeichnungen, die nicht allgemein erkennen lassen, um welche Komplexe typischer Hilfsarbeiten es sich handelt. Die selbst für die Tarifpartner bestehende Unmöglichkeit, die Fülle der nicht durch Ausbildung und/oder Berufserfahrung qualifizierten Tätigkeiten kurz und charakterisierend zu benennen, enthebt die Versicherungsträger und im Streitfalle die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit der sonst bestehenden Pflicht, den in Frage kommenden Verweisungsberuf konkret zu bezeichnen. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Versicherte selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen ausführen kann. Für einen derart überdurchschnittlich stark leistungsgeminderten Versicherten ist möglicherweise auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Arbeitsstelle nicht vorhanden. Um ein Auseinanderfallen der sozialen Wirklichkeit und des sozialen Leistungsrechts zu vermeiden, haben in diesen Fällen die Versicherungsträger und die Gerichte das Vorhandensein von Verweisungstätigkeiten zu prüfen und bei Verneinung des geltend gemachten Rentenanspruchs wenigstens eine von ihnen konkret zu benennen.
Von dem Erfordernis der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten klar zu trennen ist die Frage, ob es für diese Verweisungstätigkeiten in ausreichendem Umfange Arbeitsplätze gibt, der Arbeitsmarkt dem Versicherten also offensteht. In seinem Beschluß vom 10. Dezember 1976 (BSGE 43, 75, 79 ff. = SozR 2200 § 1246 Nr. 13 S. 37 ff.) hat der Große Senat des BSG ausgesprochen, daß es für die Beurteilung, ob ein Versicherter berufs- oder erwerbsunfähig ist, erheblich ist, daß Teilzeitarbeitsplätze, auf denen tätig zu sein ihm zuzumuten ist und die er mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann, vorhanden sind. Ein Versicherter kann auf Tätigkeiten nur verwiesen werden, wenn ihm hierfür der Arbeitsmarkt nicht praktisch verschlossen ist. Der Arbeitsmarkt ist praktisch verschlossen, wenn weder der Rentenversicherungsträger noch das zuständige Arbeitsamt innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrages dem Versicherten einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG gelten diese Grundsätze lediglich für Versicherte, die nur noch Teilzeitarbeit verrichten können. Bei Vollzeittätigkeiten hingegen ist davon auszugehen, daß es für sie Arbeitsplätze in ausreichendem Umfange gibt und damit der Arbeitsmarkt für den Versicherten offen ist. Eine entsprechende Prüfung im Einzelfall braucht daher regelmäßig nicht vorgenommen zu werden. Ausnahmen können lediglich dann in Betracht kommen, wenn der Versicherte zwar an sich noch Vollzeittätigkeiten ausüben, diese aber nicht unter den in Betrieben in der Regel üblichen Arbeitsbedingungen verrichten kann, wenn er zwar Vollzeittätigkeiten unter solchen Bedingungen noch ausüben, Arbeitsplätze dieser Art aber aus gesundheitlichen Gründen von seiner Wohnung aus nicht aufsuchen kann oder wenn die Tätigkeiten nicht in Tarifverträgen erfaßt werden oder nur vereinzelt vorkommen (BSGE 44, 39, 40 = SozR 2200 § 1246 Nr. 19 S. 57 f.; BSG SozR a.a.O. Nr. 22 S. 63; Nr. 30 S. 91; Nr. 32 S. 97; Nr. 33 S. 98 f.; Nr. 75 S. 238; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 33 S. 68). Letztere Ausnahme kann allerdings bei der Verweisbarkeit des Versicherten auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes nicht gelten. Denn derartige Tätigkeiten entziehen sich aus den bereits dargelegten Gründen schon wegen ihrer Vielfalt und Komplexität der typisierenden Erfaßbarkeit in Tarifverträgen und kommen schon nach ihrer Natur als allgemeine Hilfsarbeiten auf dem ganzen weiten Feld des Arbeitsmarktes (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 81 S. 252) nicht nur vereinzelt vor.
Unter Anlegung dieser Grundsätze hält die Rechtsansicht des LSG, daß es im Falle der Klägerin wegen des Vorliegens besonderer Umstände der konkreten Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit bedürfe, einer Überprüfung nicht stand. Ersichtlich erblickt das Berufungsgericht besondere Umstände darin, daß die Klägerin in gesundheitlicher Beziehung stärker oder in spezifischer Weise eingeschränkt sei. In tatsächlicher Hinsieht hat es dazu festgestellt (S. 7 des Urteils), daß die Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht nur auf leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten beschränkt sei. Sie solle außerdem keine Arbeiten verrichten, die überwiegend im Stehen, ständig im Sitzen, in Nässe oder Kälte zu erbringen seien oder die mit häufigerem Bücken, der Notwendigkeit einer besonderen Fingerfertigkeit oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden seien. Das LSG hat daraus selbst die Schlußfolgerung gezogen (S. 8 des Urteils), daß der Klägerin eine nicht unfallträchtige leichte Arbeit in wechselnder Körperhaltung, ohne häufiges Bücken oder schweres Heben und Tragen und ohne das Erfordernis einer besonderen Fingerfertigkeit möglich sei (z.B. in der Poststelle eines größeren Betriebes). Sie könne außerdem mit dem Verpacken leichter Gegenstände, mit einfachen Prüfarbeiten oder mit der leichten Bedienung von Maschinen beschäftigt werden. Bei einem gesundheitlichen Leistungsvermögen dieses Umfanges kann von dessen stärkerer oder spezifischer Einschränkung nicht gesprochen werden. Eine nur allgemeine Beschränkung auf leichtere Arbeiten reicht hierfür nicht aus (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 33 S. 99; Nr. 35 S. 107. f). Vielmehr muß die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in vielfältiger Weise und/oder in erheblichem Umfange eingeschränkt sein (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 75 S. 239 und Nr. 81 S. 252 f.). Das ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG bei der Klägerin nicht der Fall.
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist demnach die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Vielmehr ist davon auszugehen, daß es für die der Klägerin beruflich zumutbaren und gesundheitlich möglichen Vollzeittätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt. Damit sind die vom LSG weiter erörterten Fragen, ob der Arbeitsmarkt für die Verweisungstätigkeiten offen oder praktisch verschlossen ist und ob in diesem Zusammenhang das Alter des Versicherten und der Umstand, daß er längere Zeit vor der Rentenantragstellung nicht mehr berufstätig gewesen ist, berücksichtigt werden dürfen, für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich.
Die Revision der Beklagten muß unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung für die Zeit bis zum 28. Februar 1981 zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils führen. Für die Zeit ab 1. März 1981 ist der Klägerin zwischenzeitlich EU-Rente bewilligt worden. Über die Rechtmäßigkeit des hierüber ergangenen Bescheides insbesondere bezüglich des Leistungsbeginns hat der Senat nicht zu entscheiden. Insofern kommt allenfalls eine Überprüfung durch das SG in Betracht (vgl. § 171 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen