Entscheidungsstichwort (Thema)
Facharbeiter. Verweisungstätigkeit. konkrete Bezeichnung
Orientierungssatz
1. Zumutbar iS des § 1246 Abs 2 S 2 RVO ist für einen ehemaligen Facharbeiter eine Tätigkeit, die zu den sonstigen staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehört oder wegen ihres qualitativen Wertes einem sonstigen Ausbildungsberuf entspricht (vgl BSG vom 17.11.1987 - 5b RJ 10/87 = SozR 2200 § 1246 Nr 152 mwN).
2. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist grundsätzlich eine solche Verweisungstätigkeit jedenfalls im Urteil der letzten Tatsacheninstanz konkret zu benennen (vgl BSG vom 6.6.1986 - 5b RJ 42/85 = SozR 2200 § 1246 Nr 136 mwN). Das gilt uneingeschränkt bei ehemaligen Facharbeitern.
3. Für die konkrete Bezeichnung genügt es nicht, einzelne Arbeiten oder Arbeitsvorgänge anzugeben (hier auf der Ebene von Anlerntätigkeiten), vielmehr muß ein Arbeitsplatz, der nicht nur in geringer Anzahl vorkommt, mit seinen Anforderungen an Leistungsvermögen sowie Kenntnissen und Fähigkeiten beschrieben werden.
Normenkette
RVO § 1246 Abs 2 S 2 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 20.01.1987; Aktenzeichen L 5 Ar 481/84) |
SG München (Entscheidung vom 22.03.1984; Aktenzeichen S 16 Ar 1735/82) |
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger ist gelernter Steinmetz. Von April 1979 bis Ende März 1980 bezog er von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit. Anschließend arbeitete er bis August 1980 wieder im erlernten Beruf, mußte diesen dann jedoch aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Auf seinen Rentenantrag vom 3. Oktober 1980 gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 23. März 1981 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 4. April 1981 bis zum 31. März 1982. Am 26. Januar 1982 beantragte der Kläger, die Rente über den Monat März 1982 hinaus zu zahlen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. April 1982 ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. September 1982).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger die gesetzlichen Leistungen wegen dauernder Berufsunfähigkeit aufgrund eines im März 1982 eingetretenen Versicherungsfalls zu gewähren (Urteil vom 22. März 1984). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Januar 1987). Es hat die Voraussetzungen des streitigen Rentenanspruchs nicht als erfüllt angesehen.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom Senat zugelassenen Revision angefochten. Er rügt eine Verletzung des § 1246 RVO und macht geltend, das LSG sei von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen. Außerdem beruhe die angefochtene Entscheidung auf Mängeln des Berufungsverfahrens.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden mußte. Die festgestellten Tatsachen lassen eine abschließende Entscheidung nicht zu.
Das LSG hat unangegriffen festgestellt, daß der Kläger in dem vom BSG zur Verweisung im Rahmen des Anspruchs auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit entwickelten abgestuften Berufsgruppenschemas (vgl BSG in SozR 2200 § 1246 Nr 140 mwN) der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen ist. Daran ist der erkennende Senat gebunden. Der Kläger, der seinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben kann, darf somit nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, deren qualitativer Wert für die Gruppe mit dem Leitberuf des sonstigen Ausbildungsberufes bestimmend ist. Zumutbar iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO ist für einen ehemaligen Facharbeiter eine Tätigkeit, die zu den sonstigen staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehört oder wegen ihres qualitativen Wertes einem sonstigen Ausbildungsberuf entspricht (vgl BSG aaO Nrn 147, 152 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist grundsätzlich eine solche Verweisungstätigkeit jedenfalls im Urteil der letzten Tatsacheninstanz konkret zu benennen (vgl BSG aaO Nrn 90, 136 mwN). Das gilt uneingeschränkt bei ehemaligen Facharbeitern wie dem Kläger. Für diese konkrete Bezeichnung genügt es nicht, einzelne Arbeiten oder Arbeitsvorgänge anzugeben, vielmehr muß ein Arbeitsplatz, der nicht nur in geringer Anzahl vorkommt, mit seinen Anforderungen an Leistungsvermögen sowie Kenntnissen und Fähigkeiten beschrieben werden.
Das LSG hat zur Verweisung des Klägers ausgeführt, er sei "noch in der Lage, auf der Ebene von Anlerntätigkeiten insbesondere Kontrolltätigkeiten im Bereich der metallbearbeitenden und verarbeitenden Industrie, vor allem bei der Durchführung von Maßkontrollen mittels nicht verstellbarer Meßwerkzeuge (zB Rechenlehren, Lehrdorne ua) an gedrehten und gefrästen Werkstücken sowie Montagetätigkeiten in der Geräte-, Apparatemontage, zB von Haushaltsgeräten, mechanischen Apparaten, mechanischen Spielwaren oder im Rahmen der Herstellung sanitärer Artikel aus Metall und anderen Werkstoffen zu verrichten". Diese Verweisung genügt nicht den oben aufgezeigten Anforderungen. Die Formulierung "auf der Ebene von Anlerntätigkeiten" ist zu unpräzise. Sie läßt keine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu, ob es sich um sonstige Ausbildungsberufe oder etwa um diesen qualitativ gleichzustellende Tätigkeiten handelt. Das angefochtene Urteil läßt nicht erkennen, welche Ausbildungszeiten erforderlich sind und weshalb der Kläger über notwendige Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die es ihm ermöglichen, derartige Verweisungstätigkeiten innerhalb von drei Monaten (vgl BSG aaO Nr 101 mwN) vollwertig zu verrichten. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß in einen Anlernberuf (sonstigen Ausbildungsberuf), der normalerweise eine längere Ausbildungszeit als drei Monate voraussetzt, sich im allgemeinen in kürzerer Zeit nur ein Versicherter einarbeiten kann, der gewisse Vorkenntnisse hat. Gehe das LSG hinsichtlich der Verweisungsberufe davon aus, sie seien im allgemeinen rasch erlernbar, so schließe das wiederum die Qualifikation der Verweisungstätigkeiten als sonstige Ausbildungsberufe (angelernte Tätigkeiten) aus (vgl BSG aaO Nr 136). Das Berufungsgericht wird daher seine Verweisung des Klägers unter den aufgezeigten Gesichtspunkten nachzuprüfen und die fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.
Da das angefochtene Urteil schon wegen der nicht ausreichend nachprüfbaren Verweisung des Klägers aufgehoben werden mußte, erübrigt es sich, darauf einzugehen, ob die Entscheidung des LSG auf den vom Kläger gerügten Verfahrensmängeln beruhen kann.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen