Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Rechtsnachfolge nach RVO § 1288 Abs 2 bei einem Streit um die Berechtigung (Verpflichtung) zur Weiterentrichtung von Beiträgen.

2. Ein Bescheid einer landwirtschaftlichen Alterskasse über die Berechtigung (Verpflichtung) zur Weiterentrichtung von Beiträgen nach GAL § 27 Abs 1 (= GAL § 21 Abs 1) ist ein überwiegend begünstigender Verwaltungsakt; ist dieser Bescheid rechtswidrig und ist er bindend geworden, so ist die Frage, ob die Alterskasse diesen Bescheid zurücknehmen darf, unter Heranziehung der ungeschriebenen Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts zu beurteilen; eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des RVO 1969-02-26 7 RLw 3/68 = SozR Nr 10 zu § 1 GAL aF).

 

Normenkette

RVO § 1288 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1423 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1957-02-23; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; GAL § 21 Abs. 1 Fassung: 1963-05-23, § 32 Fassung: 1965-09-14, § 27 Abs. 1 Fassung: 1965-09-14

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Juli 1966 und des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. Januar 1965 aufgehoben.

Die Klagen werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der ... 1898 geborene und am 27. April 1968 verstorbene Auszügler G S (G.S.) hatte bis zur Abgabe seines landwirtschaftlichen Unternehmens am 1. Juni 1963 68 Monatsbeiträge an die Beklagte entrichtet. Wegen Vollendung des 65. Lebensjahres erhielt er vom 1. Juni 1963 an Altersgeld nach § 27 Abs. 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte idF des Neuregelungsgesetzes vom 3. Juli 1961 und des Änderungsgesetzes vom 23. Mai 1963 (GAL 1961/63); das Altersgeld wurde aber wegen gleichzeitigen Bezugs einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung um die Hälfte gekürzt (§ 27 Abs. 3 Satz 1 GAL 1961/63). Mit Schreiben vom 27. Juli 1963 teilte G.S. der Beklagten mit, er wolle Beiträge bis zu insgesamt 90 Monaten weiter entrichten, damit er dann das ungekürzte Altersgeld erhalten könne (§ 27 Abs.3 Satz 2 GAL 1961/63). Die Beklagte bestätigte mit Schreiben an G.S. vom 2. August 1963 die Zulässigkeit der Weiterentrichtung von Beiträgen und forderte ihn gleichzeitig auf, eine von ihr vorbereitete Erklärung nach § 21 Abs. 1 GAL 1961/63 zu unterschreiben und an die Alterskasse zurückzusenden. Nachdem das geschehen war, teilte die Beklagte G.S. am 24. Oktober 1963 u.a. mit: "Gemäß § 21 Abs. 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL 1961) wird die Zulässigkeit der Weiterentrichtung (von Beiträgen für die Zeit vom 1. Juni 1963 bis zum 31. März 1965 anerkannt". Sie wies ihn gleichzeitig darauf hin, daß er für den genannten Zeitraum beitragspflichtig geworden sei, die bisher fällig gewordenen Beiträge für 1963 nachzuzahlen und die restlichen Beiträge bis März 1965 bei Fälligkeit zu entrichten habe. G.S. antwortete am 28. Dezember 1963, die Beiträge für 1963 seien bereits entrichtet, die restlichen fünfzehn Monatsbeiträge werde er Anfang Januar 1964 an die Alterskasse im voraus zahlen; gleichzeitig bat er um Gewährung des vollen Altersgeldes. Mit Bescheid vom 13. Februar 1964 hob die Beklagte ihr Schreiben vom 24. Oktober 1963 auf, weil es auf einem Irrtum beruhe; durch die Weiterentrichtung von Beiträgen könne das bereits gewährte Altersgeld nicht verbessert werden; es werde G.S. freigestellt, Antrag auf Rückerstattung der bereits weiter entrichteten Beiträge zu stellen. Der Widerspruch blieb erfolglos; in dem Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1964 heißt es, die bereits weiter entrichteten Beiträge in Höhe von 312,- DM seien nicht rechtswirksam entrichtet und würden zurückerstattet. G.S. erhob Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 1964 und auf Feststellung, daß er berechtigt sei, freiwillige Beiträge weiter zu entrichten. Das Sozialgericht (SG) Bayreuth gab dieser Klage statt (Urteil vom 14. Januar 1965). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung der Beklagten zurück (Urteil vom 5. Juli 1966): Das Schreiben der Beklagten vom 24. Oktober 1963 sei ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Recht der Altershilfe für Landwirte nur unter den Voraussetzungen der §§ 622, 1744 der Reichsversicherungsordnung - RVO - (sowie bei einer arglistigen Erschleichung des Verwaltungsakts) zurückgenommen werden könne. Da keiner dieser Rücknahmegründe gegeben sei, habe die Beklagte den bindend gewordenen Bescheid vom 24. Oktober 1963 nicht aufheben dürfen.

Die Beklagte legte frist- und formgerecht die vom LSG zugelassene Revision ein; sie beantragte,

die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte sie aus: Ihr Schreiben vom 24. Oktober 1963 sei ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt, weil G.S. darin in erster Linie zu Beitragsleistungen herangezogen worden sei. Eine Begünstigung sei mit der Heranziehung zu Beitragsleistungen nicht verbunden gewesen, weil die dadurch mögliche Erhöhung des Altersgeldes noch von anderen gesetzlichen Voraussetzungen abhängig sei. Ein belastender Verwaltungsakt könne jederzeit zurückgenommen werden.

Nach dem Tode des G.S. nahmen seine Ehefrau Anna S. und sein Sohn Arno S. das Verfahren auf; sie beantragten,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist auch begründet.

Soweit der Sohn Arno S. (der jetzige Kläger zu 2) das Verfahren aufgenommen hat, ist seine Klage schon deshalb abzuweisen, weil er nicht zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt ist. Dies ergibt sich aus § 1288 Abs. 2 RVO in Verbindung mit § 10 Abs. 3 GAL 1965. Die Vorschrift des § 1288 Abs. 2 RVO betrifft zwar nach ihrem Wortlaut nur Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Urteile des BSG vom 26. Januar 1967, SozR Nr. 3 zu § 1288 RVO, vom 29. Mai 1968, BSG 28, 102, 105 und vom 22. April 1970 = 12 RJ 546/65 -). Im vorliegenden Fall ist aber die Berechtigung des G.S. zur Weiterentrichtung von Beiträgen im Streit. Dabei handelt es sich jedoch um eine "Vorstufe" des Anspruchs auf das ungekürzte Altersgeld, das sich G.S. mit der Weiterentrichtung von Beiträgen hat sichern wollen; auf einen solchen Anspruch ist § 1288 RVO entsprechend anwendbar (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 24. November 1965, BSG 24, 106 zu der gleichlautenden Vorschrift des § 65 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes). Nach § 1288 Abs. 2 RVO sind die dort genannten Personen - sofern sie, was hier beide Kläger nachgewiesen haben, mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben - nur "nacheinander" zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt, d.h. der jeweils Vorgenannte schließt die Nachgenannten aus. Es handelt sich dabei um eine Sonderrechtsnachfolge, die der gesetzlichen Erbfolge nach bürgerlichem Recht und auch etwaigen anderen Sonderrechtsnachfolgen, wie z.B. hier der Rechtsnachfolge aufgrund der von den Klägern fortgesetzten allgemeinen Gütergemeinschaft, vorgeht. Zur Portsetzung des Verfahrens ist daher nur die Ehefrau A S. (die jetzige Klägerin zu 1) berechtigt.

Das Urteil des LSG kann jedoch auch insoweit keinen Bestand haben, als es die Klägerin zu 1) betrifft. Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 13. Februar 1964 idF des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1964 (§ 95 SGG). Mit dem Bescheid vom 13. Februar 1964 hat die Beklagte ihr Schreiben vom 24. Oktober 1963, in dem sie die Berechtigung des G.S. zur Weiterentrichtung von Beiträgen nach § 21 Abs. 1 GAL 1961/63 anerkannt hat, aufgehoben; mit dem Widerspruchsbescheid hat sie außerdem die von G.S. damals bereits für die Zeit bis März 1965 im voraus entrichteten Beiträge als "nicht rechtswirksam" erklärt und ihre Rückerstattung verfügt. Das Schreiben der Beklagten vom 24. Oktober 1963 ist ein Verwaltungsakt gewesen; die Beklagte hat darin die Rechtsfolgen, die sich nach ihrer damaligen Auffassung aus § 21 GAL 1961/63 ergeben haben, G.S. gegenüber festgestellt und das zwischen ihr und G.S. bestehende Versicherungsverhältnis insoweit konkretisiert (vgl. auch Urteil des BSG vom 18. Dezember 1959, BSG 11, 226, 229, das die Gestattung der Weiterversicherung nach den §§ 1445 RVO aF, 1423 RVO nF betrifft). Dieser Bescheid vom 24. Oktober 1963 ist mit dem Zugang an G.S. bindend geworden (vgl. Urteil des BSG vom 12. März 1958, BSG 7, 51 bis 53). Er hat diese Bindungswirkung jedoch nur dann behalten und nicht nachträglich wieder verloren, wenn der Rücknahmebescheid vom 13. Februar 1964 rechtswidrig wäre und deshalb - wie dies auch mit der Klage begehrt wird - aufgehoben werden müßte. Die Klage ist sonach als Aufhebungsklage anzusehen; zu der im Urteil des SG ausgesprochenen Feststellung der Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen hat im Falle des Erfolges der Aufhebungsklage kein Anlaß bestanden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Bescheid vom 24. Oktober 1963 nicht um einen belastenden Verwaltungsakt, sondern um einen jedenfalls überwiegend begünstigenden Verwaltungsakt. Die Begünstigung ergibt sich schon daraus, daß damit die Rechtsfolgen festgestellt worden sind, die der von G.S. abgegebenen Erklärung, er wolle weitere Beiträge entrichten, in vollem Umfange entsprochen haben (vgl. dazu Urteil des BSG vom 21. November 1961, BSG 15, 252, 254; Bogs, Sozialgerichtsbarkeit, 1963, 33, 37; Haueisen, NJW 1960, 1497, 1498). Der Bescheid vom 24. Oktober 1963 enthält zwar auch eine Belastung, weil darin auch die Beitragspflicht, die sich aus der Erklärung des G.S., die Entrichtung von Beiträgen fortsetzen zu wollen, nach § 21 Abs. 1 Satz 2 GAL 1961/63 ergibt, festgestellt worden ist. Dieser belastende Teil des Verwaltungsakts tritt aber in einem Fall, in dem - wie hier - die Beitragspflicht auf einer von dem früheren landwirtschaftlichen Unternehmer abgegebenen Erklärung beruht, also seinem Willen entspricht, zurück gegenüber der Begünstigung, die darin besteht, daß dem Betroffenen die im Gesetz grundsätzlich vorgesehene Möglichkeit eingeräumt wird, für die Zukunft die Kürzung seines Anspruchs auf Altersgeld aufgrund von § 27 Abs. 3 Satz 2 GAL 1961/63 zu beseitigen und damit sein Altersgeld zu erhöhen. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß die Beitragspflicht nur für eine begrenzte Zeit festgestellt worden ist. An der Rechtsnatur des Bescheids als eines überwiegend begünstigenden Verwaltungsakts ändert die Feststellung der Beitragspflicht hier jedenfalls nichts.

Der Bescheid vom 24. Oktober 1963 ist jedoch rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen für eine Weiterentrichtung von Beiträgen haben hier nicht vorgelegen. Bereits der 7. Senat des BSG hat in dem Urteil vom 26. Februar 1969 - SozR Nr.2 zu § 21 GAL 1961 (= § 27 GAL 1965) - entschieden, daß die Weiterentrichtung von Beiträgen für Bezieher eines gekürzten Altersgeldes nach § 27 Abs. 1 GAL 1961/63 ausgeschlossen ist. Der 7. Senat hat dies im wesentlichen deshalb bejaht, weil die Weiterentrichtung von Beiträgen nach § 21 GAL 1961/63 der Weiterversicherung in der Rentenversicherung nach § 1233 RVO rechtsähnlich und in Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift bestimmt ist, daß nach Erreichen der Altersgrenze für die Gewährung des Altersruhegeldes eine Weiterversicherung nur zulässig ist, wenn der Versicherte ein Altersruhegeld aus den Rentenversicherungen nicht bezieht. Ebenso wie in der Rentenversicherung von dem Bezug des Altersruhegeldes an das Versicherungsverhältnis nicht mehr erweitert werden kann und etwaige weitere Beiträge nicht mehr zu einer Erhöhung des Altersruhegeldes führen können, kann auch im Recht der Altershilfe für Landwirte ein Bezieher von Altersgeld nicht mehr durch die Weiterentrichtung von Beiträgen einen Anspruch auf höheres Altersgeld erwerben. Der erkennende Senat hält diese Auffassung für zutreffend und schließt sich ihr an. Die Beklagte hat sonach mit dem Bescheid vom 24. Oktober 1963 zu Unrecht die Berechtigung des G.S. zur Weiterentrichtung von Beiträgen festgestellt.

Es ist deshalb darüber zu entscheiden, ob die Beklagte ihren bindend gewordenen, überwiegend begünstigenden, jedoch rechtswidrigen Verwaltungsakt mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Februar 1964 hat zurücknehmen dürfen. Nach § 77 SGG sind Verwaltungsakte, gegen die ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt ist, zwischen den Beteiligten in der Sache bindend. Sie sind es nur dann nicht, wenn "durch Gesetz" etwas anderes bestimmt ist. Die Voraussetzungen, unter denen rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte, durch die Leistungen festgestellt worden sind, zurückgenommen werden dürfen, sind für die Unfallversicherung und die Rentenversicherung durch das Dritte und Sechste Buch der RVO im wesentlichen erschöpfend und abschließend geregelt (vgl. für das Recht der Unfallversicherung insbesondere das Urteil des BSG vom 30. Oktober 1962, BSG 18, 84, 88/91, für das Recht der Rentenversicherung insbesondere das Urteil vom 19. Januar 1966, BSG 24, 203, 207 je mit weiteren Hinweisen). Das gleiche gilt auch für das Recht der Altershilfe für Landwirte, weil nach § 25 GAL 1961/63 hier (u.a.) die Vorschriften des Ersten, Dritten und Sechsten Buches der RVO sinngemäß Anwendung finden (vgl. Urteil des BSG vom 13. Januar 1961, BSG 14, 10, 12 ff). Das bedeutet, daß auf diesen Rechtsgebieten als "Gesetz" im Sinne des § 77 SGG, zweiter Halbsatz, die Vorschriften anzusehen sind, die für diese Rechtsgebiete die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte regeln, im Recht der Unfallversicherung und im Recht der Rentenversicherung also vor allem § 1744 RVO; für die ergänzende Heranziehung anderer Rechtsnormen, insbesondere der ungeschriebenen Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte ist insoweit kein Raum (vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 1966, BSG 24, 203, 206, 207). Von dieser erschöpfenden Regelung werden aber nur Leistungsbescheide erfaßt (vgl. BSG 15, 256). Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch - was das LSG übersehen hat - nicht um einen Leistungsbescheid, sondern um einen Bescheid, mit dem die Berechtigung und Verpflichtung zur Weiterentrichtung von Beiträgen festgestellt worden ist. Auf solche Bescheide sind die Vorschriften, die auch im Recht der Altershilfe für Landwirte für die Rücknahme rechtswidrig begünstigender Leistungsbescheide maßgebend sind, nicht anzuwenden; ähnlich hat dies der 3. Senat in BSG 15, 256, 257 für das Recht der Krankenversicherung bei der Beurteilung der Rücknahme eines fehlerhaften Befreiungsbescheides angenommen. Die "Wirksamkeit der Beitragsentrichtung" ist für die Rentenversicherung im Vierten Buch der RVO unter III des Sechsten Abschnitts in den §§ 1418 bis 1423 normiert. Das Vierte Buch der RVO ist indes in § 25 GAL 1961/63 (= § 32 GAL 1965) unter den Vorschriften, die auf das Recht der Altershilfe für Landwirte "sinngemäß" anzuwenden sind, nicht aufgeführt. Soweit einzelne Vorschriften des Vierten Buches der RVO im Recht der Altershilfe für Landwirte entsprechend anzuwenden sind, sind sie im GAL jeweils besonders erwähnt (vgl. § 2 Abs. 1 a Buchst. a GAL 1963 = § 2 Abs. 2 GAL 1965; § 3 Abs. 2 GAL 1963/65; § 6 Abs. 3 GAL 1961/63 = § 10 Abs. 3 GAL 1965; § 7 Abs. 5 Satz 4 GAL 1961/63 = § 12 Abs. 5 Satz 4 GAL 1965). Eine Verweisung auf § 1423, insbesondere Absatz 3 Satz 2 RVO ist im GAL in seinen jeweiligen Fassungen nicht enthalten. Zwar hat der 7. Senat des BSG - der früher für Streitigkeiten aus dem Recht der Altershilfe für Landwirte zuständig gewesen ist - diese Vorschrift in dem Urteil vom 26. Februar 1969 - SozR Nr. 10 zu § 1 GAL aF, entsprechend angewandt. Er hat dies damit begründet, daß die Interessenlage in beiden Rechtsgebieten die gleiche und § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO eine gegenüber den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts spezielle gesetzliche Vorschrift sei. Es erscheint aber bedenklich, aus den in sich abgeschlossenen Vorschriften der RVO über die "Wirksamkeit von Beiträgen" (vgl. die §§ 1418 bis 1423) eine einzelne Vorschrift herauszugreifen und sie für das Rechtsgebiet des GAL anzuwenden, wenn im GAL weder das Beitragsrecht der RVO allgemein noch gerade die "spezielle" Vorschrift des § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO als anwendbar bezeichnet ist. Aus § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO ergibt sich auch nichts darüber, ob ein "Anerkenntnis" der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung, wenn es sich vor der Entscheidung über den Rentenanspruch als rechtswidrig erweist, auch noch für die Zukunft Bestand haben soll. Schließlich liegt ein bedeutsamer Unterschied zwischen dem Recht der Rentenversicherung und dem Recht des GAL noch darin, daß die Feststellung der Wirksamkeit einzelner Beiträge den landwirtschaftlichen Unternehmer nur interessieren kann, wenn er die im GAL als Anspruchsvoraussetzung bestimmte Zahl von Beiträgen - in der Regel 180 - erreicht hat oder noch erreichen kann. Der erkennende Senat hält es daher nicht für möglich, § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO im Recht der Altershilfe für Landwirte entsprechend anzuwenden, zumal der Anwendungsbereich dieser Vorschrift schon im Recht der Rentenversicherung umstritten ist (vgl. dazu Glücklich in "Die Sozialgerichtsbarkeit", 1969, 420 unter II, der § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO in der Besprechung des Urteils vom 26. Februar 1969 als "praktisch obsolet" bezeichnet. Wenn aber ein Gesetz über die Rücknahme bestimmter Arten von Verwaltungsakten nichts bestimmt hat und kein Anhalt dafür besteht, die Rücknahme habe in jedem Falle ausgeschlossen werden sollen, wenn also die gesetzlichen Vorschriften ersichtlich lückenhaft sind und sich insoweit auch noch kein Gewohnheitsrecht gebildet hat, muß die Rechtsprechung diese Lücke schließen. Auch wenn die ungeschriebenen Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts nicht "Gesetz" im Sinne von § 77 SGG, zweiter Halbsatz, und auch nicht Gewohnheitsrecht sind, so haben sie jedenfalls für die Ausfüllung dieser Gesetzeslücke Bedeutung (vgl. hierzu die Urteile des BSG vom 6. September 1962 - 4. Senat - BSG 17, 295, 298; vom 10. April 1964 - 1. Senat - BSG 20, 293, 295, 296; vom 26. Mai 1964 - 12. Senat - SozR Nr. 40 zu § 1246 RVO und jedenfalls im Ergebnis auch das bereits erwähnte Urteil des 3. Senats, BSG 15, 252, 258). Sie gehen dahin (vgl. zusammenfassend insbesondere Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Bd. I 1963 Teil 2 C unter Nr. 19 ff; Bd. II 1967 Nr. 358 bis 363), daß die Zulässigkeit der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte von einer Interessenabwägung abhängt. Es kommt darauf an, ob im Einzelfall das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung oder das öffentliche Interesse der Verwaltung an der Beseitigung des Verwaltungsaktes überwiegt. Die Schutzwürdigkeit des Interesses des zu Unrecht Begünstigten an der Aufrechterhaltung des Bescheides ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, das Rechtssicherheit und Vertrauensschutz einschließt; das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes beruht auf dem Verfassungsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Für diese Interessenabwägung ist erheblich, ob die Rechtmäßigkeit der Rücknahme eines feststellenden Verwaltungsakts zu klären ist oder die Rechtmäßigkeit der Rücknahme eines gestaltenden Verwaltungsakts; die "Bestandskraft" feststellender Verwaltungsakte ist im Zweifel schwächer als die Bestandskraft gestaltender Verwaltungsakte. Es spielt auch eine Rolle, ob die Ursache der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts in den "Verantwortungsbereich" der Verwaltung oder des Begünstigten fällt. Weiter kommt es darauf an, wie lange ein Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Rücknahme schon bestanden hat; je länger er bestanden hat, desto mehr fällt das Vertrauensinteresse ins Gewicht. Erheblich kann ferner sein, ob der Begünstigte in der Zeit zwischen Erlaß und Rücknahme eines Verwaltungsaktes im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts bereits vermögenswirksame Dispositionen oder seine Lebensführung bestimmende andere Maßnahmen getroffen hat, die möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Schließlich kann auch erheblich sein, ob sich für den Begünstigten aus der Rücknahme eines Verwaltungsakts der Zwang zu einer einschneidenden Änderung seiner Lebensführung ergeben würde, diese Änderung ihm aber wegen seines Lebensalters nicht mehr zuzumuten ist (vgl. hierzu Haueisen, Zum Problem des Vertrauensschutzes, DVBl 1964, 710, 716 ff und Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl., 1969, Randnr. 66, 66a zu § 42). Die Interessenabwägung unter diesen Gesichtspunkten ergibt für den vorliegenden Fall, daß - wovon im Ergebnis auch die Beklagte ausgegangen ist - das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung das Interesse des G.S. am Schutz seines Vertrauens auf die Regelung in dem Bescheid vom 24. Oktober 1963 überwogen hat. Zwar fällt die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides - eines feststellenden Verwaltungsakts - in den "Verantwortungsbereich" der Beklagten; sie hat § 21 Abs. 1 GAL 1961/63 unrichtig angewandt, und sie hat auch schon vor Erlaß des Bescheides gegenüber G.S. die Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen in einem Schreiben vom 2. August 1963 bestätigt und G.S. zur Abgabe der nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GAL 1961/63 erforderlichen Erklärung veranlaßt; G.S. hat ihr gegenüber keine unrichtigen Angaben gemacht. Demgegenüber ist aber bedeutsam, daß die Zeit zwischen dem Erlaß des Bescheides vom 24. Oktober 1963 und seiner Rücknahme durch den Bescheid vom 13. Februar 1964 nur knapp vier Monate betragen hat. Zwar hat G.S. aufgrund des Bescheides vom 24. Oktober 1963 noch vor dessen Rücknahme die damals schon fällig gewordenen Beiträge für die Monate Juni bis Dezember 1963 entrichtet gehabt und offenbar Anfang 1964 auch die Beiträge für die Zeit von Januar 1964 bis März 1965 im voraus entrichtet (vgl. sein in den Akten der Beklagten enthaltenes Schreiben vom 28. Dezember 1963 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. Mai 1964, in dem die Rückerstattung der weiter entrichteten Beiträge in Höhe von 312,- DM verfügt worden ist; in Betracht kommen dürfte übrigens nur ein Erstattungsbetrag von 264,- DM = 22 Monatsbeiträge zu je 12,- DM). Diese Vermögensdisposition rechtfertigt jedoch nicht die Aufrechterhaltung des Bescheides vom 24. Oktober 1963 unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, zumal einerseits G.S. über die zurückerstatteten oder zurückzuerstattenden Beiträge alsbald hat anderweitig verfügen können, andererseits die Beklagte im Falle des Fortbestandes des Bescheids vom 24. Oktober 1963 für ungewisse Zeit zu erheblichen Mehrleistungen verpflichtet gewesen wäre. Es besteht auch kein Anhalt dafür, daß G.S., falls die Beklagte von vornherein die Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen verneint hätte, etwa anderweitig für sein Alter noch zusätzliche Vorsorge getroffen hätte. Er hat - neben den ihm möglicherweise aufgrund der Übergabe seines landwirtschaftlichen Unternehmens zustehenden Altenteilsleistungen - jedenfalls über seine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und über das auf die Hälfte gekürzte Altersgeld verfügt; eine Erhöhung des Altersgeldes hätte zwar seine Lebensführung verbessert, sie aber nicht entscheidend beeinflußt. In dem Zeitpunkt, in dem er die Beiträge für das Jahr 1964 und bis März 1965 entrichtet hatte (vermutlich im Januar 1964), hätte er - selbst wenn er zur Weiterentrichtung von Beiträgen berechtigt gewesen wäre - noch keinen Anspruch auf das ungekürzte Altersgeld gehabt. Beiträge, die vor ihrer Fälligkeit, also "zum Voraus" entrichtet werden, können erst dann rechtswirksam sein, wenn der Monat, für den sie bestimmt sind, erreicht ist. Für "Vorauszahlungen" kann kein Vertrauensschutz beansprucht werden. Da G.S. die Voraussetzungen für das höhere Altersgeld, das er mit der Weiterentrichtung der Beiträge angestrebt hatte, im Zeitpunkt der Rücknahme des Bescheides vom 24. Oktober 1963 noch nicht erfüllt hatte, konnte er sich zu dieser Zeit mit seiner Lebensführung auf das höhere Altersgeld auch noch nicht eingestellt haben.

Die Beklagte ist deshalb berechtigt gewesen, den rechtswidrigen Bescheid vom 24. Oktober 1963 in vollem Umfange zurückzunehmen. Damit sind auch die für die Zeit von Juni 1963 bis März 1965 weiterentrichteten Beiträge nicht rechtswirksam entrichtet und von der Beklagten zu Recht beanstandet worden. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht den Bescheid vom 13. Februar 1964 idF des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1964 für rechtswidrig gehalten. Auf die Revision der Beklagten sind daher die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Auch die Klage der Klägerin zu 1) ist abzuweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669499

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