Leitsatz (amtlich)
1. Vorbildung und berufliche Kenntnisse eines Versicherten sind rentenversicherungsrechtlich nur insoweit von Belang, als sie in einer dementsprechenden, der Versicherung unterliegenden Erwerbsarbeit von gewisser Dauer- und Regelhaftigkeit ihren Niederschlag gefunden haben.
2. Die sozial am höchsten zu bewertende berufliche Stellung, die der Versicherte erreicht hat, kann nur dann für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit zum Maßstab genommen werden, wenn der Versicherte in dieser Stellung nicht nur kurze Zeit tätig war und wenn er darüber hinaus in ihr einen gefestigten und auf die Dauer angelegten Besitzstand gewonnen und auch gehalten hat, es sei denn, daß nach Erreichen der Höchstgeachteten Position vorzeitig Umstände eingetreten sind, die dem Willen des Versicherten nicht unterworfen waren.
3. Ob einem Versicherten die Verrichtung einer Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann, die gegenüber der bisher ausgeübten Tätigkeit sozial geringer bewertet wird, wird maßgeblich beeinflußt von der Entwicklung, welche der einzelne im allgemeinen von dem Ablauf seines Berufsgeschehens zu erwarten hat (zB die Üblichkeit eines Berufswechsels bei frühzeitig eintretendem "Leistungsknick") und davon, wie die Berufsträger und ihre engere Umwelt sich herkömmlicherweise zu dieser Entwicklung verhalten, vornehmlich wie sie sich im Durchschnitt in bezug auf die Verrichtung der in Erwägung gezogenen, minder geschätzten Berufsarbeiten einstellen.
Leitsatz (redaktionell)
Ein technischer Angestellter des Bergbaus, der die Bergschule besucht hat und als Grubensteiger tätig war, kann zumutbar auf die Tätigkeit eines Wiege-, Holz - oder Platzmeisters verwiesen werden.
Normenkette
RVO § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; RKG § 46 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. März 1961 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger begehrt die Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (§ 46 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes - RKG -).
Er erhält bereits seit September 1953 die Knappschaftsrente; außerdem bezog er vorübergehend von der Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente, weil er sich im Jahre 1954 bei einem Betriebsunfall eine allgemeine Körperprellung mit einem Bruch des zweiten und dritten Lendenwirbels zugezogen hatte. Diese Unfallfolgen waren nach dem Ergebnis ärztlicher Begutachtungen in der Mitte des Jahres 1956 restlos abgeklungen.
Der im Jahre 1909 geborene Kläger hatte seinen Berufsweg als Haldenarbeiter und Schreinerlehrling begonnen. Dem Bergmannsberuf hatte er sich 1926 zugewandt. Dabei hat er es vom Gedingeschlepper über den Lehrhauer und Hauer - eine Tätigkeit, der er über 12 Jahre hindurch nachgegangen ist - bis zum Steiger gebracht. Während des Krieges (vom 1. April bis 31. Dezember 1943) war er beim Galizischen Kohlentrust als "Betriebsführer" eingesetzt. Mit derselben Berufsbezeichnung war er später noch einmal vom 1. April 1948 bis 15. Februar 1949 bei einem Schwerspatwerk tätig. Davon abgesehen, war er nach dem Kriege zur Hauptsache als Grubensteiger, für fast ein Jahr aber auch als Reviersteiger angestellt gewesen.
Den im November 1956 gestellten Antrag auf Bewilligung der Knappschaftsvollrente hatte die Beklagte (mit Bescheid vom 16. September 1958) abgelehnt. Sie verneinte das Vorliegen von Invalidität und Berufsunfähigkeit, weil der Kläger noch leistungsfähig genug sei, um als Entlade- und Transportarbeiter, Motorenwärter, Beifahrer von Lastkraftwagen, Platz-, Wiege- und Waschmeister ein ausreichendes Erwerbseinkommen zu erzielen. Der Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen (Bescheid vom 25.5.1959).
Auch die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage blieb im ersten und zweiten Rechtszuge erfolglos (Urteil des SG Dortmund vom 26. April 1960; Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27. März 1961). Das Berufungsgericht sah es nach dem Ausgang der Beweisaufnahme für erwiesen an, daß der Kläger gesundheitlich noch im Stande sei, den Aufgaben eines Platz- und Wiegemeisters sowie ähnlichen Aufsichtsfunktionen im Braunkohlenbergbau und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Es nahm in Übereinstimmung mit den ärztlichen Sachverständigen an, daß der Kläger wohl wegen einer leichten, von gröberen Funktionsstörungen der Atmungsorgane nicht begleiteten Asthmaerkrankung nicht allzusehr klimatischen Einflüssen ausgesetzt werden dürfe und daß er auch wegen einer geringfügigen Veränderung der Wirbelsäule in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit behindert sei. Im übrigen neige der Kläger zu muskelrheumatischen und in der Bahn der Nerven schmerzhaft auftretenden Reizsymptomen, ohne daß jedoch objektive Befunde sichtbar seien. Angesichts dieses Körper- und Gesundheitszustandes schlossen die befragten Sachverständigen die Möglichkeit einer Wiederaufnahme von Untertagetätigkeiten sowie jeder schweren Körperarbeit aus; dagegen äußerten sie keine Bedenken gegen eine Verwendung des Klägers auf den oben genannten Gebieten im Tagesbetrieb des Bergbaues. Diese ärztlichen Stellungnahmen machte sich das Berufungsgericht zu eigen und legte ferner dar, daß die genannten Arbeitsbereiche dem Kläger mit Rücksicht auf seinen beruflichen Werdegang sozial zumutbar seien. Aus der oben geschilderten Berufsentwicklung des Klägers folgerte das Landessozialgericht (LSG), daß der für die soziale Stellung des Klägers maßgebliche Beruf nicht der eines Betriebsführers oder Reviersteigers, sondern eines Grubensteigers sei. Auf die Betriebsführerposition könne wegen der damit im Falle des Klägers verbundenen Begleitumstände nicht abgehoben werden. Ferner müsse die Zeit, in welcher der Kläger den Platz eines Reviersteigers ausgefüllt habe, als zu kurz bezeichnet werden, um für die Gesamtbetrachtung ins Gewicht zu fallen. Als Steiger müsse es sich der Kläger aber entgegenhalten lassen, daß von ihm noch Erwerbsarbeiten der genannten Art erwartet würden, möge es sich dabei auch um Wirkungskreise handeln, für die eine besondere Berufsausbildung nicht gefordert werde.
Das am 2. Juni 1961 zugestellte Urteil hat der Kläger mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision am 23. Juni 1961 angefochten. Er beanstandet als erstes, daß das LSG bei seiner beruflichen Einstufung das Hauptgewicht auf die Art und die Dauer der ausgeübten Tätigkeit gelegt und nicht auch nach der durch die Vorbildung erworbenen beruflichen Qualifikation gefragt habe. Infolgedessen habe ihn das LSG auf eine Stufe mit den Grubensteigern gestellt, die gemeinhin lediglich die Bergschule absolviert hätten, wohingegen er darüber hinaus - nach seinem unbeachtet gebliebenen Vorbringen - die erste Klasse der Bergschule in Siegen erfolgreich besucht und damit die technische und geschäftliche Befähigung für die Bestellung als Fahrsteiger, Obersteiger und Betriebsführer erworben habe. Als zweites wendet er sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach es für die Frage der Zumutbarkeit genüge, daß die Tätigkeit eines Platz- oder Wiegemeisters ebenso wie die eines Steigers oder Reviersteigers in der Wahrnehmung technischer Aufsichtsaufgaben bestehe. Mit dieser Ansicht werde das LSG dem wesentlichen Unterschied im Grad der Vorbildung und den erheblich strengeren Anforderungen an das Wissen und Können eines Steigers oder gar Reviersteigers nicht gerecht.
Mit der Revision beantragt der Kläger,
das Urteil des Landessozialgerichts Essen vom 27.3.1961 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.4.1960 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die beantragte Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 46 RKG zu bewilligen,
hilfsweise:
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie erwidert, daß die Betriebsführertätigkeit dem Berufsleben des Klägers nicht das Gepräge gegeben haben könne. Einen derartigen Arbeitsplatz habe der Kläger nur unter den Ausnahmebedingungen des Krieges im besetzten Polen oder in einem Kleinbetrieb bei einem ungewöhnlichen niedrigen Verdienst 20 Monate lang inne gehabt, nachdem er vorher lediglich 5 Monate hindurch als Steiger gearbeitet hatte. Er habe also nicht die sonst übliche vorausgegangene Zeit einer Revier-, Fahr- oder Obersteigererfahrung aufzuweisen gehabt. Es sei überdies auffallend, daß der Kläger erst im Alter von 33 Jahren den Stand des Grubensteigers erreicht habe, eine Stufe, die normalerweise in einem Alter von etwa 25 Jahren eingenommen werde. - Auf die Arbeitsbereiche des Holz-, Platz- oder Wiegemeisters müsse der Kläger verwiesen werden können, weil es seit langem üblich sei, nicht mehr grubentaugliche Steiger in solchen aufsichtsführenden Funktionen zu verwenden, ohne daß die Betreffenden deshalb in den Augen der Umwelt an Ansehen verlören.
Die von dem LSG zugelassene und damit statthafte sowie in rechtlicher Form und Frist eingelegte Revision hat keinen Erfolg.
Das LSG geht davon aus, daß der Kläger seinem bisherigen Beruf nach als Grubensteiger anzusehen sei. Hiernach müsse beurteilt werden, ob er berufsunfähig gemäß § 46 Abs. 2 RKG sei. Grubensteiger sei er nach dem erfolgreichen Besuch der Bergschule viele Jahre hindurch gewesen; aus diesem Beruf sei er andererseits auch nicht herausgewachsen. Wenn er zeitweilig, sei es tatsächlich oder sei es auch nur nominell, den Posten eines Betriebsführers bekleidet, und wenn er weiter für etwa ein Jahr als Reviersteiger eingesetzt gewesen sei, so sei er doch immer, und so auch zuletzt wieder, in den Rang und in die Tätigkeit des Grubensteigers zurückgetreten. Die Funktion des Betriebsführers habe er dagegen unter solchen Begleitumständen in einem während des Krieges besetzten fremden Lande ausgeübt, daß einer solchen Tatsache nicht die gleiche Würdigung wie unter normalen Verhältnissen gebühre; zumal der Kläger mit diesem Wirkungskreis schon nach sehr kurzer Steigertätigkeit und vor allem ohne Durchlaufen der üblichen Zwischenstufen betraut gewesen sei. Auch das zweite Mal sei der Kläger nur während weniger Monate und dann in einem kleinen Schwerspatwerk "Betriebsführer" gewesen. Hierbei habe er einen Arbeitsentgelt bezogen, der in Verbindung mit den übrigen Gegebenheiten allein den Schluß zulasse, daß die ihm übertragenen Obliegenheiten weniger denen eines leitenden Bergbauangestellten entsprochen hätten, als vielmehr mit denen eines Grubensteigers vergleichbar gewesen seien. Diese Feststellungen, die als solche keinen Angriffen der Revision ausgesetzt sind, sind rechtsirrtumsfrei gewürdigt. Sie werden nicht durch die Behauptung entkräftet, daß der Kläger die Oberklasse einer Bergschule besucht und die Qualifikation zum Fahrsteiger, Obersteiger und Grubenbetriebsführer erworben habe. Zu Recht hat das LSG die berufliche Vorbildung des Klägers allein nicht als maßgebend betrachtet. Ob jemand einen bestimmten Berufsstand erworben und damit eine für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung erhebliche gesellschaftliche Stellung erreicht hat, ist nicht von seiner Eignung für ein bestimmtes Fach oder für eine bestimmte Berufsstufe, sondern davon abhängig, daß sich der Betreffende einer entsprechenden Tätigkeit mindestens auf eine gewisse längere Dauer zugewandt und diese Tätigkeit auch in einem solchen Umfang ausgeübt hat, daß sie seiner Person im wirtschaftlichen Leben das Gepräge geben konnte (vgl. BSG 2, 184 u. 7, 66; ferner Kreil, Die Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit in der deutschen Sozialversicherung, 1935 S. 77 ff, 249, 258, 260). Daß aber Vorbildung und Kenntnisse des Klägers in einer entsprechend hochbewerteten Erwerbsarbeit von gewisser Dauer- und Regelhaftigkeit ihren vollen Niederschlag gefunden habe, hat das Berufungsgericht gerade nicht feststellen können. Es führt vielmehr aus, daß der Kläger nicht in die Position eines leitenden Bergbauangestellten hineingewachsen war.
Desgleichen hat das Berufungsgericht ohne erkennbaren Rechtsfehler annehmen können, daß auch die Reviersteigertätigkeit des Klägers für seine berufliche Einstufung nicht erheblich ins Gewicht fällt. Tritt sie doch in der Tat in ihrem zeitlichen Verhältnis zur Grubensteigertätigkeit und erst recht in ihrer Zeitrelation zum gesamten Arbeitsleben des Klägers völlig in den Hintergrund; um so mehr, als der Kläger nach kurzzeitiger Sonderstellung wieder den Schritt auf die Stufe des Grubensteigers zurückgetan hat. Wenn das Berufungsgericht deshalb glaubt, auf diese gehobene Position nicht besonders abheben zu brauchen, dann hat es sich damit durchaus an die vom erkennenden Senat aufgezeigte Richtschnur (BSG 2, 185) gehalten. Freilich darf man den Aufstieg eines Versicherten zu einer höher bewerteten Berufsstellung nicht losgelöst von dem gesamten beruflichen Werdegang sehen. Dabei kann es sogar im Einzelfall geboten sein, dem Abschluß einer Aufwärtsentwicklung bereits dann Rechnung zu tragen, wenn die oberste Sprosse in der beruflichen Stufenleiter nur eine im Verhältnis zum ganzen Arbeitsleben relativ kurze Zeit eingenommen worden ist. Darauf wird jedenfalls dann Rücksicht zu nehmen sein, wenn der Versicherte diese Spitzenstellung wegen einer Einbuße in seiner Arbeitskraft oder aus allgemein-wirtschaftlichen Gründen verloren hat. Voraussetzung für die Anerkennung eines einmal erreichten sozialen Ranges ist aber, daß der Versicherte dabei einen gefestigten und auf die Dauer angelegten beruflichen "Besitzstand" gewonnen hat. Denn nur dann bildet die Endstufe einer Berufsentwicklung auch einen "wesentlichen Teil im Arbeitsleben" des Versicherten. Aus dem Gesamtbild nur für kurze Zeit herausragende Arbeitsperioden stellen jedoch keinen wertbildenden Faktor dar, wenn sie zwischen Zeiten einer Tätigkeit liegen, die sich nach dem Gesamtbild als der Normaltatbestand erweisen. Dies gilt ebensowenig, wie die fortschreitende Linie eines Berufswegs aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung dadurch ihren Zusammenhang verliert, daß sie durch längere Zwischenzeiten unfreiwilliger berufsfremder Tätigkeiten unterbrochen wird (Urt. des erkennenden Senats vom 9. Nov. 1961, SozR RKG § 35 aF Bl. Aa 18 Nr. 19).
Bei Anlegung dieses Maßstabes ist dem LSG darin beizupflichten, daß die etwa ein Jahr lang währende Reviersteigertätigkeit des Klägers keinen bestimmenden Wert für seine soziale Einstufung haben kann. Hierfür ist vielmehr mit dem Berufungsgericht die Grubensteigertätigkeit als kennzeichnend zu erachten.
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt ferner davon ab, ob und auf welche anderen Arbeiten der Kläger, der aus gesundheitlichen Gründen nicht länger als Grubensteiger tätig sein kann, verwiesen werden kann. Das Berufungsgericht zieht namentlich die Tätigkeiten eines Platz-, Wiege- oder Holzmeisters in Betracht. Daß der Kläger leistungsmäßig den Anforderungen, die an einen solchen Meister gewöhnlich gestellt werden, zu genügen vermag, steht außer Zweifel. Streit besteht aber darüber, ob mit der Übernahme derartiger Obliegenheiten für den Kläger ein untragbarer sozialer Abstieg verknüpft wäre. Das LSG hat das verneint und gegen eine Berücksichtigung der genannten Erwerbszweige keine Bedenken, obgleich in einen Teil der genannten Berufspositionen gemeinhin auch Personen einrücken können, die vorher keine abgeschlossene Lehre oder Ausbildung durchlaufen haben, sondern vom ungelernten Arbeiter über den Vorarbeiter in das Angestelltenverhältnis aufgestiegen sind. Gleichwohl glaubt das LSG diese Meisteraufgaben in den Kreis derjenigen Funktionen einbeziehen zu können, die einem am Grubendienst behinderten Grubensteiger zumutbar sind. Für diese Folgerung leitet der Berufungsrichter die Rechtfertigung einmal daraus her, daß den einander gegenübergestellten Arbeitsbereichen eine gewisse, für den Leistungserfolg des Gesamtbetriebes wesentliche Leitungsbefugnis gemeinsam sei. Mit ihnen sei eine verantwortungsvolle Aufsicht über Menschen und Sachwerte von großem Ausmaß verknüpft. Hinzu komme, daß die genannten Meister sich in ihrer Umgebung, bei Vorgesetzten und Untergebenen, einer Wertschätzung erfreuten, die derjenigen kaum nachstehe, die im allgemeinen einem Grubensteiger entgegengebracht werde. Vor allem aber sei auf die Üblichkeit eines derartigen Berufswechsels hinzuweisen. Es gehöre seit jeher zum normalen Geschehensablauf, daß nicht mehr voll einsatzfähige Grubensteiger mit solchen Aufgaben betraut würden.
Diese Darlegungen sind im Ergebnis, wenn auch nicht ohne Vorbehalte im einzelnen, gutzuheißen. Nach den von der Revision nicht angefochtenen Urteilsfeststellungen befindet sich der Kläger in einem Kräfte- und Gesundheitszustand, der als derart günstig bezeichnet werden muß, daß von ihm noch eine volle Arbeitsentfaltung auf einem weiten, ihm angemessenen Wirkungsfeld erwartet werden kann. Seine körperliche Verfassung läßt es lediglich angezeigt erscheinen, daß er keine schwere körperliche Arbeit leistet und nicht ständig unter Tage tätig ist. Während sich ihm nun als Grubensteiger außerhalb des Bergbaus nur wenige berufsverwandte oder ähnliche Erwerbsquellen bieten, stehen ihm in knappschaftlichen Betrieben noch viele Möglichkeiten technischer und nicht technischer Leistungsbereiche über Tage offen. Daß es auf diesen Gebieten für Grubensteiger nach ihrem Ausscheiden aus dem Untertagedienst noch angemessene Beschäftigungen gibt, vermochte das Berufungsgericht aus eigenem Wissen zu beurteilen, nachdem ihm darüber durch Sachverständige in Beweisaufnahmen anderer, dem Revisionsgericht ebenfalls bekannter Sachen genügend Beobachtungsgut vermittelt worden war.
Was ferner die Weiterarbeit des Klägers im technischen Sektor betrifft, so erscheinen die Annahmen des Berufungsgerichts im wesentlichen in einer die Entscheidung tragenden Weise hinreichend gesichert.
Das Berufungsgericht begründet die Zumutbarkeit der aufgeführten Meistertätigkeiten damit, daß an diese Meister Anforderungen gestellt werden, die nur von gefestigten Persönlichkeiten mit Vorgesetzteneigenschaft und einem durch langjährige Berufspraxis erworbenen überlegenen Wissen erfüllt werden können. Gerade darin, daß diese Meister für den Arbeitserfolg einer größeren Gruppe von Betriebsangehörigen verantwortlich sind und für das reibungslose Ineinandergreifen von Betriebsteilen und Betriebseinrichtungen zu sorgen haben, was wiederum Selbständigkeit des Denkens, Verantwortungsfreude, Unabhängigkeit des Handelns und den Besitz eines weiteren Überblickes, aber auch Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit voraussetzt, liegt die Möglichkeit eines Vergleichs begründet mit dem, was ein Grubensteiger neben der fachlichen Befähigung typischerweise noch an persönlichen Eigenschaften mitbringt. Vom Fachlichen her bietet sich vornehmlich der Holzmeister als ein Betätigungsfeld an, für das ein Grubensteiger bevorzugt geeignet erscheint und das ihm am ehesten angesonnen werden kann. Ein Grubensteiger wird bei der Holzbewirtschaftung die Bedürfnisse eines geordneten Grubenbetriebes aus eigenem Erleben am besten zu beurteilen vermögen. Hinzu kommt, daß das enge Aufeinanderangewiesensein, wie es für das Verhältnis zwischen dem Holzmeister und der Arbeit in der Grube natürlich ist, sich erfahrungsgemäß distanzmindernd auswirkt. Beachtlich ist ferner, daß das Solidaritätsgefühl der in knappschaftlichen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer einerseits und der erwartungsgemäß frühzeitige Verlust der höchstbewerteten Arbeitsstelle andererseits trotz der betont gegliederten Berufshierarchie zu einer weniger scharfen Grenzziehung zwischen den einzelnen sozialen Gruppen geführt hat. Aus diesem Grund ist es wohl auch zu erklären, daß der erhebliche Unterschied im Grad und in der Art der Vorbildung bei der Wertschätzung der beschriebenen Berufspositionen weniger differenzierend zutage tritt. Nicht zuletzt wird man auch nicht übersehen dürfen, daß die oben aufgeführten Meister in der Regel über einen hohen Stand an Kenntnissen und Befähigungen verfügen, die sie ganz allgemein im Bergbau verwerten können, die also nicht an die konkreten Bedingungen des jeweiligen Betriebes gebunden sind und die dem einzelnen, als Arbeitnehmer, eine Qualifikation vermitteln, welche dem in einem planmäßig geordneten Ausbildungsgang erworbenen Leistungsniveau an die Seite zustellen ist. Das kommt im übrigen auch dadurch zum Ausdruck, daß die betreffenden Meister in derselben Gehaltsgruppe stehen, wie eine Reihe von über Tage beschäftigten Handwerksmeistern, die selbst regelmäßig eine gediegene Fachausbildung aufzuweisen haben (vergl. Manteltarifvertrag für die techn. Angestellten, zweite Hauptgruppe "Tagesbetrieb", Ziff. 4 Gruppe B). Freilich wird man aus der Übereinstimmung der Höhe des jeweils erzielten Arbeitsverdienstes nicht schlechthin auf die soziale Gleichrangigkeit schließen dürfen. Die unterschiedslose Eingruppierung der verschiedenen Handwerksmeister einerseits und der Holz-, Wiege-, Wasch- und Platzmeister andererseits durch ein und denselben Tarifvertrag ist aber ein wichtiger Fingerzeig auch für die gesellschaftliche Beurteilung. Haben doch die beteiligten Berufskreise durch diese tarifliche Bewertung selbst erkennen lassen, daß sie für diesen Teil den Unterschied im Bildungsgang der einzelnen Berufssparten verhältnismäßig gering achten.
Allerdings soll mit dem Vorstehenden nicht gesagt sein, daß ein Grubensteiger - ganz allgemein betrachtet, also unabhängig von der persönlichen Begabung und den Wünschen des Einzelnen - zwischen den einzelnen Meisteraufgaben keinen sozialen Unterschied macht. Es ist durchaus denkbar, daß er z. B. die Weiterbeschäftigung als Platzmeister weniger gern hinnehmen wird als die als Holzmeister, daß er nicht beide gleichermaßen als für sich sozial angemessen betrachtet. Zur Beantwortung dieser Frage ist, wie das Berufungsgericht richtig ausführt, einmal die Entwicklung maßgebend, welche die Träger des betreffenden Berufs - hier: die Grubensteiger - im allgemeinen von ihrem Berufsgeschehen zu erwarten haben; und zum anderen ist von Bedeutung, wie diese Berufsträger und ihre engere Umwelt sich herkömmlicherweise zu dieser Entwicklung verhalten, vornehmlich, wie sie sich im Durchschnitt in bezug auf die Verrichtung minder geschätzter Berufsarbeiten einstellen. Was danach gilt, wird der Richter häufig aus eigener Erfahrung und Beobachtung wissen. Deshalb konnte dem Berufungsgericht darin gefolgt werden, daß für den Kläger noch ein weites Gebiet adäquater Erwerbsarbeiten zur Verfügung steht. Ob dies jedoch für alle von dem Berufungsgericht angeführten Tätigkeitsbereiche, und namentlich auch für eine Verweisung auf den Platzmeister, zu bejahen ist, kann ohne weitere Erforschung der darüber unter den Beteiligten herrschenden Vorstellungen nicht mit Selbstverständlichkeit erklärt werden. In dieser Richtung hätte es an sich konkreter Nachweise bedurft. Darauf kann indessen in der gegenwärtigen Sache verzichtet werden, weil das Berufungsurteil, wie dargelegt worden ist, bereits ohne ein Eingehen auf diesen noch offenen Punkt Bestand hat.
Der Revision war mithin der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen