Leitsatz (amtlich)

Wer als Beamter nach SGG § 16 Abs 4 Nr 3 zum ehrenamtlichen Beisitzer "aus Kreisen der Arbeitgeber" berufen worden ist, ist zu entlassen, wenn er in den Ruhestand tritt.

 

Normenkette

SGG § 16 Abs. 4 Nr. 3 Fassung: 1954-08-10

 

Tenor

Der Bundesbahn-Abteilungspräsident Dr. Ernst K wird mit dem Ablauf des 31. August 1972 seines Amtes als Bundessozialrichter enthoben.

 

Gründe

Herr Dr. Ernst K ist in seiner Eigenschaft als Bundesbahn-Abteilungspräsident vom 1. Januar 1972 an als Bundessozialrichter aus dem Kreise der Arbeitgeber gemäß den §§ 47, 16 Abs. 4 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) berufen worden. Er hat mitgeteilt, daß er antragsgemäß zum 1. September 1972 aus dem aktiven Beamtendienst ausscheidet und in den Ruhestand tritt.

Nach den §§ 16 Abs. 4, 35 Abs. 1, 47 Satz 2 SGG können Sozialrichter, Landessozialrichter und Bundessozialrichter aus Kreisen der Arbeitgeber ua "Beamte und Angestellte des Bundes nach näherer Anordnung der zuständigen obersten Bundesbehörde und Beamte und Angestellte der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände nach näherer Anordnung der zuständigen obersten Landesbehörde" sein. Dr. K ist mit seinem Eintritt in den Ruhestand nach den §§ 35 ff des Bundesbeamtengesetzes (BBG) idF vom 17. Juli 1971 (BGBl I 1181), das auch für Bundesbahnbeamte gilt (§ 2 BBG, § 19 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 in der derzeitigen Fassung), kein Beamter mehr. Wie sich aus der Überschrift des Abschnitts II Nr. 5 "Beendigung des Beamtenverhältnisses" im BBG ergibt, geht das Gesetz davon aus, daß ein Beamter mit seinem Eintritt in den Ruhestand ebenso wie bei seiner Entlassung und bei einer Beendigung seines Beamtenverhältnisses auf Grund strafgerichtlicher Verurteilung (§ 48 BBG) aufhört, Beamter zu sein (vgl. auch BSG 11, 181, 183, 184 für einen Berufsrichter in Ruhestand). Er übt kein Amt mehr aus, vielmehr darf er über seine Zeit und seine Arbeitskraft frei verfügen.

Dr. K erfüllt deshalb mit Wirkung vom 1. September 1972 an nicht mehr die Voraussetzungen für die Berufung zum Bundessozialrichter. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ehrenamtlicher Beisitzer "aus Kreisen der Arbeitgeber" nur sein, wer tatsächlich die in § 16 Abs. 4 SGG nominierten Voraussetzungen erfüllt und solange er sie erfüllt, also "Arbeitgeber" ist (vgl. BSG 23, 26, 29 für § 16 Abs. 4 Nr. 1 SGG und die nicht veröffentlichten Beschlüsse 1 S 3/62 vom 19. Juni 1962 und 1 S 2/63 vom 19. Juli 1963 für § 16 Abs. 4 Nr. 2 SGG). Es besteht weder ein Anlaß noch eine Möglichkeit, für § 16 Abs. 4 Nr. 3 SGG eine andere Auffassung zu vertreten. Davon ist auch der Senat bereits in seinem Beschluß 1 S 2/66 vom 25. November 1966 ausgegangen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes können nur die dort näher bezeichneten "Beamten und Angestellten" ehrenamtliche Richter sein, und diese Personen sind nach ihrer Pensionierung nach den vorangegangenen Ausführungen keine "Beamten und Angestellten" mehr (ebenso Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluß vom 12. Februar 1969, Breithaupt 1969, 539).

Die Ausführungen bei Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 16 SGG Seite 75, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Insbesondere kann in diesem Zusammenhang nicht auf die zu § 12 Abs. 4 SGG ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. ua BSG 11, 181) zurückgegriffen werden. Sie befaßt sich ausschließlich mit der Auslegung des Begriffs der ehrenamtlichen Beisitzer "aus dem Kreis der mit der Kriegsopferversorgung vertrauten Personen". Hier ist es vertretbar, einen früheren Berufsrichter der Sozialgerichtsbarkeit, der im Ruhestand lebt, von seiner Pensionierung an (vgl. SozR § 17 SGG Nr. 3) als Bundessozialrichter nach der genannten Vorschrift zuzulassen, weil er trotz seines Eintritts in den Ruhestand weiterhin zum Kreise der "mit der Kriegsopferversorgung vertrauten Personen" gehört. Anders liegt es bei den sogen. "Arbeitgebervertretern". Das Gesetz will in § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGG sicherstellen, daß in Angelegenheiten der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung vor den Sozialgerichten als ehrenamtliche Richter aus Kreisen der Arbeitgeber nur Personen mitwirken, die nicht nur dieses Richteramtes würdig sind, sondern auch auf Grund ihrer Stellung im Arbeits- und Wirtschaftsleben besonders geeignet erscheinen, an der Entscheidung bestimmter Gruppen sozialgerichtlicher Streitigkeiten mitzuwirken. Diese vom Gesetz vorausgesetzte Stellung im Wirtschaftleben verlieren aber die Sozialrichter aus Kreisen der Arbeitgeber, wenn sie nicht mehr als "Arbeitgeber" tätig sind.

Gemäß den §§ 22, 47 SGG war somit Herr Dr. K wegen Wegfalls der Voraussetzungen für seine Berufung zu entlassen, obwohl er selbst keine Hinderungsgründe für seine weitere Tätigkeit als Bundessozialrichter als gegeben erachtet. Nach der derzeitigen Rechtslage besteht keine Möglichkeit, seine Erfahrung, sein Wissen und sein Können nach seiner Pensionierung weiterhin für die Rechtsprechung in der Sozialgerichtsbarkeit zu nutzen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669103

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