Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 11.12.1986)

SG Hamburg (Urteil vom 07.01.1985)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. Dezember 1986 und des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Januar 1985 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 28. Juli 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1983 verurteilt, bei der Berechnung des der Klägerin gewährten Lohnkostenzuschusses vom 18. Juli 1983 bis 17. Juli 1984 auch das tarifliche Urlaubsgeld und das 13. Monatsgehalt zu berücksichtigen.

Die Kosten des Beigeladenen zu 1) trägt die Beklagte. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) bei der Gewährung eines Lohnkostenzuschusses (LKZ) nach § 97 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auch das tarifliche Urlaubsgeld und 13. Monatsgehalt zu berücksichtigen hat.

Die Klägerin beantragte im Juni 1983 zur Einstellung des am 2. April 1926 geborenen Beigeladenen zu 1) die Gewährung eines LKZ. Laut dem mit der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrag wurde der Beigeladene zu 1) als Dreher in der Lohngruppe V/3 (2.900,– DM im Monat, 52,– DM vermögenswirksame Leistungen, ein anteiliges 13. Monatsgehalt, ein anteiliges Urlaubsgeld von 1.500,– DM) längstens bis zum Ablauf von 5 Jahren nach Beginn des Arbeitsverhältnisses eingestellt. Das Arbeitsverhältnis begann am 18. Juli 1983 und bestimmte sich nach den allgemeinen Anstellungsbedingungen (AAB) der Klägerin und den diese ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen. Es sollte am 18. Juli 1984 mit Beendigung des von der Arbeitsverwaltung gewährten Zuschusses enden. Es wurde jedoch bis zum 17. Juni 1987 verlängert.

Nach den AAB erhielt der Beschäftigte so viele Zwölftel des 13. Monatsgehalts und des Urlaubsgeldes, wie er volle Monate im Beschäftigungsverhältnis gestanden hatte. Für 1983 erhielt der Beigeladene zu 1) im November 1983 als anteiliges Urlaubsgeld 625,– DM und im Dezember des gleichen Jahres als anteiliges 13. Monatsgehalt 1.450,– DM. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung vom 10. Januar 1984 wurde – abweichend von den AAB – das 13. Monatsgehalt und Urlaubsgeld für 1984 in Höhe von 2.900,– DM bzw 1.500,– DM mit dem Gehalt im Januar 1984 ausgezahlt.

Mit Bescheid vom 28. Juli 1983 bewilligte die Beklagte einen LKZ für die Zeit vom 18. Juli 1983 bis zum 17. Juli 1984 in Höhe von 70 vH aus 2.952,– DM.

Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie geltend gemacht hatte, zum tariflichen Entgelt gehörten auch das 13. Monatsgehalt und das Urlaubsgeld, wies die Beklagte mit der Begründung zurück, der LKZ sei nach dem tariflichen Arbeitsentgelt, das zu Beginn des Arbeitsverhältnisses maßgeblich sei, zu errechnen und gleichbleibend für den gesamten Förderungszeitraum zu zahlen. Das schließe es aus, sich verändernde Zuschläge oder Zulagen wie das Urlaubsgeld und das 13. Monatsgehalt zu berücksichtigen (Widerspruchsbescheid vom 17. November 1983).

Die Beigeladene zu 2) bewilligte der Klägerin auf deren Antrag vom 12. Juli 1983 durch Bescheid vom 26. November 1984 für das hier streitige erste Förderungsjahr Zuwendungen zu den effektiven Jahreslohnkosten des Beigeladenen zu 1), soweit diese nicht schon durch den LKZ der Beklagten gedeckt waren. Die Zahlung erfolgte unter dem Vorbehalt, daß diese Zuwendungen zurückzuzahlen seien, wenn die Beklagte im anhängigen Gerichtsverfahren zur Zahlung verpflichtet werde.

Das Sozialgericht Hamburg (SG) hat die Klage mit Urteil vom 7. Januar 1985 abgewiesen. Die Berufung hat das Landessozialgericht Hamburg (LSG) mit Urteil vom 11. Dezember 1986 zurückgewiesen und ausgeführt, die Voraussetzungen für den geltend gemachten LKZ seien zwar dem Grunde nach zu bejahen. Der Beklagten sei aber für die Höhe der Zuschüsse nach § 97 Abs 2 AFG ein besonders großer Ermessensspielraum eingeräumt, wonach sie auch bestimmen könne, in welchem Umfang sie das tarifliche bzw ortsübliche Arbeitsentgelt zur Basis ihrer Bezuschussung mache. Wenn sie daher zur Verwaltungsvereinfachung das 13. Monatsgehalt und das Urlaubsgeld von der Bezuschussung ausnehme, weiche sie damit nicht unverhältnismäßig vom Ermessensrahmen des § 97 Abs 2 AFG ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 97 AFG. Die Vorschrift räume keinen Ermessensspielraum bezüglich der Bemessungsgrundlage der „ortsüblichen Arbeitsentgelte” ein, zu der sowohl das 13. Monatsgehalt als auch das Urlaubsgeld gehöre.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG abzuändern sowie das Urteil des LSG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 70 vH von DM 6.170,83 Lohnkostenzuschuß für das erste Förderungsjahr vom 18. Juli 1983 bis 17. Juli 1984 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie weist auf die Anordnung zu § 99 AFG und die Durchführungsanweisung DA 6.11 Abs 1 sowie darauf hin, daß es die nach § 97 Abs 2 Satz 2 AFG zulässige Gewährung des Zuschusses in pauschalierter Form erlaube, einmalige Zahlungen außer Betracht zu lassen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die beklagte BA hat bei der Bemessung des LKZ auch das an den Beigeladenen zu 1) gezahlte tarifliche Urlaubsgeld und das 13. Monatsgehalt zu berücksichtigen.

Nach § 97 Abs 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497) kann die BA Arbeitgebern zu den Lohnkosten für zusätzlich eingestellte ältere Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Zuschüsse gewähren. Aus dem Wort „kann” in dieser Vorschrift folgt, daß die Gewährung des LKZ in das Ermessen der Beklagten gestellt ist.

Der Umfang des LKZ ist im Gesetz nicht abschließend geregelt. In § 94 Abs 2 Satz 1 AFG ist vorgesehen, daß die Zuschüsse in der Regel 50 vH des „tariflichen oder, soweit eine tarifliche Regelung nicht besteht, des für die Beschäftigung ortsüblichen Arbeitsentgelts” betragen. Sie dürfen 70 vH dieses Arbeitsentgelts nicht übersteigen (Satz 2) und vermindern sich jeweils spätestens nach Ablauf eines Förderungsjahres um mindestens 10 vH des Arbeitsentgelts bis auf mindestens 30 vH des Arbeitsentgelts (Satz 3). Die Förderung endet spätestens mit Ablauf des Förderungsjahres, für das der Zuschuß 30 vH des Arbeitsentgelts beträgt (Satz 4).

Die weitere rechtssatzmäßige Ausgestaltung der Förderung durch LKZ hat der Gesetzgeber dem Rechtsetzungsermessen der Beklagten überlassen, indem diese ermächtigt worden ist, zur Durchführung der Förderung das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang durch Anordnung zu bestimmen (§ 99 Satz 1 AFG). Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte Gebrauch gemacht und die Anordnung über Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung für ältere Arbeitnehmer (Anordnung nach § 99 AFG -AnO-) vom 31. Oktober 1969 erlassen, die hier idF der Bekanntmachung vom 16. März 1982 (ANBA 1982, 535) anzuwenden ist.

Die Beklagte, die der Klägerin im Falle des Beigeladenen zu 1) einen LKZ für die Zeit vom 18. Juli 1983 bis zum 17. Juli 1984 in Höhe von 70 vH eines Arbeitsentgelts von 2.952,– DM ohne Berücksichtigung von Urlaubsgeld und 13. Monatsgehalt zugebilligt hat, meint, die von der Klägerin erstrebte Einbeziehung des Urlaubsgeldes und des 13. Monatsgehalts in die Bemessung sei schon deshalb ausgeschlossen, weil nach § 6 Abs 1 Satz 1 AnO bei der Bemessung des LKZ nur das Arbeitsentgelt berücksichtigt werden dürfe, das im ersten Abrechnungszeitraum entstanden sei und fällig werde.

Die Beklagte setzt damit voraus, daß sich ihr Rechtsetzungsermessen auch auf die Bestimmung des Arbeitsentgelts erstreckt. Indessen spricht die in § 97 Abs 2 AFG vorgesehene Bestimmung einer Höchstgrenze von 70 vH und eines Regelsatzes von 50 vH des tariflichen bzw ortsüblichen Arbeitsentgelts dafür, daß sich das Ermessen der Beklagten nur auf die Festlegung der Höhe des Prozentsatzes innerhalb der gezogenen Grenzen, nicht aber auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage erstreckt. Zu der insoweit ähnlichen gesetzlichen Regelung bei der Gewährung einer Eingliederungsbeihilfe (EB) nach § 54 AFG hat allerdings der 7. Senat in seinem Urteil vom 15. Juni 1988 – 7 RAr 79/86 – (= VdK Mitt 1988 Nrn 11, 34 – 35) die Auffassung vertreten, das Rechtsetzungsermessen der Beklagten erstrecke sich auch auf den für den Umfang der EB maßgebenden Faktor Arbeitsentgelt. Ob diese zur EB geäußerte, aber für die Entscheidung nicht tragende Rechtsauffassung des 7. Senats auf den hier im Streit stehenden LKZ übertragbar ist, bedarf – wie im Urteil des erkennenden Senats vom 8. September 1988 (SozR 4100 § 94 Nr 2) zum Zuschuß nach § 94 AFG – keiner Entscheidung. Denn selbst wenn davon ausgegangen wird, daß sich das Ermessen der Beklagten auch auf die Bestimmung des Arbeitsentgelts iS des § 97 Abs 2 AFG erstreckt, kann sie ihr Ermessen nur entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausüben und hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB 1). Die gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung der Beklagten in den Grenzen des § 54 Abs 2 Satz 2 SGG ergibt aber, daß sie bei der Bemessung des LKZ das tarifliche Urlaubsgeld und das 13. Monatsgehalt als Bestandteile des tariflichen Arbeitsentgelts iS des § 97 Abs 2 Satz 1 AFG nicht unberücksichtigt lassen durfte. Die gesetzeskonforme Anwendung des § 6 AnO und die Grenzen der Ermessensausübung führen mithin zum gleichen Ergebnis.

Was Arbeitsentgelt ist, wird zwar in § 97 AFG nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des BSG ist jedoch die Definition des Arbeitsentgeltbegriffs in §§ 14 und 17 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB 4) auch für die Ausfüllung dieses Begriffs im Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung entsprechend heranzuziehen, soweit dort nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist oder die Besonderheiten der jeweiligen Regelung dem entgegenstehen (BSG SozR 4100 § 68 Nr 3; § 59 Nr 4; § 94 Nr 2; § 112 Nrn 30 und 40). Dieser Rechtsprechung wird allerdings entgegengehalten, der sachliche Geltungsbereich dieser Bestimmungen erstrecke sich nicht auf das Arbeitsförderungsrecht (vgl § 1 Abs 1 SGB 4) und § 173a AFG, der auf §§ 14 und 17 SGB 4 Bezug nimmt, gelte nur für das Beitragsrecht, nicht aber für das Leistungsrecht (vgl Gagel, Komm zum AFG, § 68 RdNr 15; § 112 RdNr 149 ff). Sowohl die entsprechende Heranziehung der Bestimmungen der §§ 14, 17 SGB 4 zur Ausfüllung des Arbeitsentgeltbegriffs in § 97 AFG als auch die eigenständige Entwicklung dieses Begriffs aus dem Sinn und Zweck der Regelung führen jedoch hier zu demselben Ergebnis.

Nach § 14 Abs 1 SGB 4 sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung (das ist nach § 7 SGB 4 die nichtselbständige Arbeit). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entsprechen das Urlaubsgeld und das 13. Monatsgehalt dem Begriff des Arbeitsentgelts iS des § 14 Abs 1 SGB 4 und sind auch nach der aufgrund des § 17 SGB 4 erlassenen Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung vom 6. Juli 1977, hier anwendbar idF der Bekanntmachung vom 9. Dezember 1982 (BGBl I 1625), von dem Begriff des Arbeitsentgelts nicht ausgenommen. Unabhängig davon, ob das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld als einmalige oder als laufende Leistungen anzusehen sind, gehören diese jährlich wiederkehrenden Sonderzahlungen zum laufenden, während des Kalenderjahres erdienten Lohn, wenn bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis ein Rechtsanspruch auf ihre anteilige Auszahlung besteht (vgl BSG SozR 2100 § 14 Nr 9; SozR 4100 § 112 Nrn 11 und 25 zu § 112 AFG aF).

Nach den Feststellungen des LSG bestimmt sich das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen zu 1) nach den AAB der Klägerin und den diese ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen. Nach § 20 der AAB hat jeder Beschäftigte Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt, zahlbar im November, und auf ein Urlaubsgeld, das im Mai ausbezahlt wird; im Eintritts- oder Austrittsjahr erhält der Beschäftigte so viele Zwölftel des 13. Monatsgehalts und des Urlaubsgeldes, wie er volle Monate in diesem Jahr im Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Die Leistungen stehen von vornherein fest, sind für jeden Monat errechenbar und werden anteilmäßig auch gezahlt, wenn der Arbeitnehmer vor einem bestimmten Stichtag aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Sie gehören damit zu je einem Zwölftel zum monatlichen Arbeitsentgelt. Dementsprechend hat die Klägerin für 1983 und 1984 an den Beigeladenen zu 1) das Urlaubsgeld und das 13. Monatsgehalt bezahlt, wobei unerheblich ist, daß für 1984 die Zahlung – abweichend von § 20 AAB – bereits im Januar 1984 erfolgt ist. Für den Arbeitsentgeltbegriff ist nicht entscheidend, ob die Zahlung des Urlaubsgeldes und des 13. Monatsgehalts in gleichbleibenden monatlichen Anteilen oder einmaligen Zahlungen erfolgt. Die Vereinbarung über die Zahlung betrifft lediglich die Fälligkeit des Anspruchs. Der Anspruch als solcher, der monatlich als Gegenleistung für die zu erbringende Arbeitsleistung anteilmäßig entsteht, wird dadurch nicht berührt (vgl BSG SozR 4100 § 141b Nrn 8 und 40).

Auch der Sinn und Zweck des § 97 Abs 2 Satz 1 AFG gebietet die Einbeziehung des Urlaubsgeldes und des 13. Monatsgehaltes in den Arbeitsentgeltbegriff. Der LKZ für ältere Arbeitnehmer soll die BA in die Lage versetzen, Betriebe dauerhaft zu fördern, die älteren Arbeitslosen wieder zu einem Arbeitsplatz verhelfen, und als Modelleinrichtungen beispielgebend für andere Wirtschaftsbetriebe wirken. Dadurch soll einer Massenarbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer entgegengewirkt werden (vgl BT-Drucks V/4110 S 17 Vorbemerkung zu § 89a). Der LKZ soll allerdings nicht alle finanziellen Nachteile des Arbeitgebers ausgleichen, die durch die zusätzliche Einstellung älterer Arbeitnehmer entstehen. Dementsprechend wurde der Zuschuß grundsätzlich auf 50 vH „des im Einzelfall zu zahlenden Arbeitsentgelts” begrenzt (vgl BT-Drucks V/4110 zu § 89a Abs 2). Maßgebend für die Bemessung des Zuschusses sind daher nicht die in Abs 1 Satz 1 erwähnten Lohnkosten, sondern das Arbeitsentgelt, das der Arbeitgeber nach Maßgabe des Tarifvertrages bzw nach Ortsüblichkeit in der Förderzeit an den Arbeitnehmer zu zahlen hat (ebenso Schieckel, Komm zum AFG, § 97 Anm 7 und § 94 Anm 4; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, § 97 Anm 18 und § 94 Anm 3 und 4; Knigge, Komm zum AFG, § 97 Anm 24 und § 49 Anm 13; vgl auch Urteil des 7. Senats des BSG vom 15. Juni 1988 – 7 RAr 79/86 – = VdK Mitt 1988 Nrn 11, 34 bis 35).

Entgegen der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung hat also der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt nicht nur eine Obergrenze bestimmt, mit der die Bezuschussung vertraglich vereinbarter „Phantasie”-Gehälter ausgeschlossen werden soll, sondern mit dem tariflichen Arbeitsentgelt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift jede Leistung erfaßt, auf die ein tarifvertraglich abgesicherter Anspruch besteht. Dies ist hier bezüglich des streitigen Urlaubsgeldes und des 13. Monatsgehalts der Fall. Die AAB, auf die der Arbeitsvertrag des Beigeladenen zu 1) Bezug nimmt, stellen zwar keine Tarifverträge iS des § 1 Tarifvertragsgesetz dar, denn es handelt sich nicht um einen Vertrag zwischen tariffähigen Parteien (vgl BAG AP 1, 2 zu § 611 BGB). Die AAB sind jedoch – wovon das LSG zutreffend ausgegangen ist – im Rahmen des § 97 AFG einem Tarifvertrag gleichzustellen, weil sie die Arbeitsbedingungen für eine Vielzahl von Arbeitnehmern festlegen, die durch die Übernahme im jeweiligen Einzelvertrag verbindlich werden.

Dem Ergebnis, bei der Bemessung des LKZ das tarifliche Urlaubsgeld und das 13. Monatsgehalt als Bestandteil des Arbeitsentgelts iS des § 97 Abs 2 Satz 1 AFG zu berücksichtigen, widerspricht § 112 Abs 1 AFG nicht, wonach bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes einmalige und wiederkehrende Zuwendungen nicht zu berücksichtigen sind. Insoweit ist allerdings nach der Rechtsprechung des BSG die Berücksichtigung des Urlaubsgeldes und des 13. Monatsgehalts ausgeschlossen (BSG SozR 4100 § 112 Nrn 25 und 30), weil diese Zuwendungen nicht zu dem gewöhnlichen laufenden Arbeitsentgelt gehören, mit dem der Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen kann (BT-Drucks 9/966 S 75 zu „Bemessung des Arbeitslosengeldes (§ 112 AFG)” und S 79 „zu Art 1 § 1 Nr 32 (§ 112 AFG)”). Dasselbe gilt auch für die Bemessung des Kurzarbeiter- und des Schlechtwettergeldes (§ 68 Abs 3, § 86 AFG idF des AFKG, dazu BT-Drucks 9/966 S 75 – „Aufrechnung von Überstunden und Kurzarbeitergeld” – und S 78/79 – „zu Art 1 § 1 Nr 22a (§ 68 AFG)” –). Diese für den Bereich der „Pflicht-Leistungen” geltende Regelung ist jedoch nicht auf die Ermessensleistung des § 94 AFG übertragen worden. Durch das AFKG wurden zwar auch die Förderungsbedingungen für den LKZ verengt. Wie aus der Begründung des Regierungsentwurfs zu entnehmen ist, erfolgte dies jedoch „durch die Beschränkung des zu fördernden Personenkreises auf die 55jährigen und älteren langfristig Arbeitslosen, die Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beziehen, durch Senken des Höchstförderungssatzes von 80 auf 70 vom Hundert des förderungsfähigen Arbeitsentgelts, durch Ausbau der Degression der Förderung sowie durch Einführen einer zeitlichen Begrenzung der Förderung” (BT-Drucks 9/846 S 42 zu Nr 27). Es ergeben sich somit keine Hinweise, daß die Beschränkung der Leistungen auch durch einen eingeengten Begriff des förderungsfähigen Arbeitsentgelts erfolgen sollte. Dem entspricht auch, daß die Förderungsleistung nach § 97 AFG – wie bereits dargestellt – eine ganz andere Sinn- und Zielrichtung hat als die Lohnersatzleistung des Arbeitslosengeldes.

Auf die vom LSG untersuchte und verneinte Frage, ob sich aus dem Wortlaut des § 6 Abs 1 Satz 1 AnO entnehmen läßt, daß eine Berücksichtigung des tariflichen Urlaubsgeldes und des 13. Monatsgehalts ausgeschlossen sein soll, kommt es demnach für die Entscheidung des Senats nicht mehr an (vgl hierzu Urteil des 7. Senats vom 15. Juni 1988 – 7 RAr 79/86 = VdK Mitt Nrn 11, 34 – 35). Denn ein solcher Ausschluß wäre durch die Zielsetzung des § 97 AFG nicht gedeckt. Dasselbe gilt, wenn die Beklagte – wie das LSG meint – auch ohne eine entsprechende Anordnungsbestimmung im Rahmen pflichtgemäßen Verwaltungsermessens berechtigt wäre, im Einzelfall zu bestimmen, von welchem Arbeitsentgelt der LKZ zu bemessen ist.

Die Beklagte wendet gegen die Einbeziehung des Urlaubsgeldes und des 13. Monatsgehaltes zwar zutreffend ein, damit sei eine endgültige Entscheidung über den LKZ zu Beginn des Arbeitsverhältnisses und in der Form, daß dem Arbeitgeber ein bestimmter Betrag in gleichbleibenden monatlichen Raten bewilligt werde, nicht mehr möglich. Die Notwendigkeit einer besonderen Berechnung und der damit verbundene zusätzliche Verwaltungsaufwand können es jedoch nicht rechtfertigen, diese Ansprüche nicht mehr zum tariflichen Entgelt iS des § 97 Abs 2 Satz 1 AFG zu zählen, obwohl auf sie ein tarifvertraglich abgesicherter Anspruch besteht, zumal sie von vorherein feststehen und auch anteilmäßig für jeden Monat errechenbar sind (so im Ergebnis auch Knigge, Komm zum AFG § 97 Anm 24 und § 49 Anm 13 mwN; aA Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 12. März 1984 – L 1 Ar 87/83 – = NZA 1985 – zur Eingliederungsbeihilfe –). Auch die der Beklagten in § 99 Satz 2 AFG eingeräumte Pauschalierungsbefugnis berechtigt sie aus den dargelegten Gründen nicht, bestimmte Anteile des Arbeitsentgelts unberücksichtigt zu lassen. Die Beklagte hat die Pauschalierungsmöglichkeit in § 7 AnO ausdrücklich nur dahin definiert, daß die Zuschüsse „für mehrere in einem Betrieb zusätzlich beschäftigte Arbeitnehmer” pauschaliert werden können. Nicht überzeugend ist schließlich der Hinweis der Beklagten, bei Erweiterung der Bemessungsgrundlage um das tarifliche Urlaubsgeld und das 13. Monatsgehalt könnten künftig wesentlich weniger ältere langfristig arbeitslose Arbeitnehmer eingestellt und beschäftigt werden. Denn nach § 97 Abs 2 Satz 1 und 2 AFG betragen die Zuschüsse zwischen 50 vH und 70 vH. Innerhalb dieses Spielraums vermag die Beklagte aber alle für die Entscheidung maßgebenden Umstände hinreichend zu berücksichtigen und die ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel zweckmäßig zu strecken.

Dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf einen höheren LKZ steht – wie das LSG zutreffend ausgeführt hat – auch nicht entgegen, daß die Beigeladene zu 2) jeweils durch Bescheid vom 26. November 1984 Zuwendungen zu den effektiven Jahreslohnkosten des Beigeladenen zu 1) geleistet hat, soweit diese nicht schon durch den LKZ der Beklagten gedeckt waren. Denn auch unter Beachtung der in § 15 AnO bestimmten Subsidiarität der Förderungsleistung bleibt die Beklagte hier leistungspflichtig, wobei sich der Senat auf ein Grundurteil (§ 130 SGG) beschränken konnte.

Auf die Revision der Klägerin waren somit die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1983 abzuändern. Die Beklagte hat bei der Berechnung des der Klägerin für die Zeit vom 18. Juli 1983 bis zum 17. Juli 1984 gewährten LKZ auch das tarifliche Urlaubsgeld und das 13. Monatsgehalt zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG. Nach Abs 4 dieser Bestimmung sind die Aufwendungen der Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172722

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