Leitsatz (amtlich)
1. Ausländer, deren Schädigung - abweichend von BVG § 7 Abs 1 Nr 3 - nicht in Deutschland oder in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet eingetreten ist, können unter den übrigen Voraussetzungen des BVG § 7 Versorgung nach BVG § 8 erhalten, falls die Schädigung im zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang mit der deutschen Kriegführung stand und einen Versorgungstatbestand iS der BVG §§ 1 und 5 erfüllte.
2. BVG § 5 Abs 1 Buchst e ist unanwendbar, wenn nach Kriegsende in den Niederlanden Kinder beim Spielen mit gefundener Wehrmachtmunition deshalb zu Schaden gekommen sind, weil ein niederländischer Hilfspolizist dies nicht verhindert hat.
Normenkette
BVG § 5 Abs. 1 Buchst. e Fassung: 1953-08-07, § 8 Fassung: 1966-12-28, § 7 Fassung: 1964-02-21
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Juni 1973 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der 1935 in H (Niederlande) geborene Kläger lebt seit 1962 in der Bundesrepublik Deutschland und besitzt die niederländische Staatsangehörigkeit. Er beantragte 1966 Versorgung wegen des Verlustes des linken Unterschenkels mit der Angabe: Die Verletzung habe er sich am 22. Mai 1945 bei der Explosion einer Granate zugezogen, mit der sein gleichaltriger Freund G M gespielt habe, als sie allein in seinem Elternhaus gewesen seien; G M sei durch die Explosion getötet worden. Das Sozialamt der Gemeinde H und das niederländische Ministerium für Soziale Fürsorge bestätigten schriftlich, daß der Kläger wegen des Unterschenkelverlustes nach niederländischem Recht Leistungen als Kriegsopfer erhalten habe. Diese Leistungen werden nach Auskünften des deutschen Konsulats in Maastricht während eines Auslandsaufenthaltes nicht gewährt. Das Versorgungsamt lehnte den Antrag ab, weil der Kläger als im Bundesgebiet lebender Ausländer, der nicht durch einen militärischen oder militärähnlichen Dienst oder in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung geschädigt worden sei, nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) versorgungsberechtigt sei (Bescheid vom 8. Juni 1966). Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 31. Juli 1967). Der Kläger nahm die dagegen gerichtete Klage am 30. Mai 1969 zurück.
Nachdem er in diesem Gerichtsverfahren sein Begehren auf § 8 BVG gestützt und nachdem das Sozialministerium des Landes Rheinland-Pfalz eine Vorlage an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) abgelehnt hatte, versagte das Versorgungsamt dem Kläger auch eine Versorgung als Kannleistung nach § 8 BVG, weil die Versorgungstatbestände für Ausländer in § 7 BVG abschließend geregelt seien (Bescheid vom 3. April 1969). Der Widerspruch wurde zurückgewiesen (Bescheid vom 23. Februar 1970). Das Sozialgericht (SG) Koblenz wies die Klage ab (Urteil vom 25. Juni 1970). Das Landessozialgericht (LSG), das die Bundesrepublik Deutschland zum Verfahren beilud, zog von der Gemeinde H das nach dem Unfall aufgenommene polizeiliche Vernehmungsprotokoll bei und hörte den Kläger, der u. a. erklärte, sie hätten das Geschoß gefunden, nachdem sie britischen Soldaten, die bei ihnen einquartiert gewesen seien, nachgegangen seien. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 1. Juni 1973 - Breithaupt 1973, 830): Die vom Gericht uneingeschränkt zu prüfende Tatbestandsvoraussetzung für eine Ermessensentscheidung nach § 8 BVG sei nicht gegeben. Es sei zwar bedenklich, mit der Verwaltung und mit dem SG einen "anderen" als einen der in § 7 BVG bezeichneten Fälle für Ausländer, die in ihrem nicht mehr von der deutschen Wehrmacht besetzten Heimatgebiet geschädigt worden seien, allein deshalb auszuschließen, weil dieser Fall nicht in § 7 BVG geregelt sei. Jedenfalls liege aber kein "besonders begründeter Fall" im Sinne des § 8 BVG vor; denn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für einen Versorgungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Buchst. a i. V. m. § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG seien offensichtlich nicht gegeben. Nach den Darstellungen des Klägers und des R M bei der polizeilichen Vernehmung im Jahre 1945 sowie des Klägers vor dem LSG sei zweifelhaft, ob das explodierte Geschoß, das den Kläger verletzte, aus den Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges gestammt habe; es hätte auch von den zu jener Zeit in und um Hoensbrock stationierten britischen Soldaten nach dem Waffenstillstand in die Niederlande gebracht und versehentlich zurückgelassen worden sein können. Nach einem Vermerk auf dem polizeilichen Ermittlungsbericht sei die Herkunft des Geschosses nicht geklärt worden. Eine Prüfung mittels eines herausoperierten Splitters, die der Kläger vor dem LSG beantragt hatte, sei nicht erforderlich. Denn nicht ein kriegseigentümlicher Gefahrenbereich, der durch das Herumliegen des Geschosses hätte begründet worden sein können, hätte als wesentliche Bedingung die Beinverletzung des Klägers verursacht, sondern überwiegend das Verhalten eines "O. D. ers", nach der Auskunft der Gemeindeverwaltung Hoensbrock eines Angehörigen des " Orde Dienst" (= Ordnungsdienstes), einer Organisation der ersten Nachkriegszeit (direct-naoorlogse organisatie ), zu der durchweg Mitglieder der Widerstandsbewegung der Kriegszeit gehört hätten. Dieser "O. D. er" hätte das Geschoß auf ausdrückliches Befragen nicht als ungefährlich bezeichnen dürfen und wäre verpflichtet gewesen, den Jungen zu verbieten, es mitzunehmen. Anhaltspunkte dafür, daß der "O. D. er", der als Widerstandskämpfer mit Waffen und Munition umgegangen sein dürfte, die Gefährlichkeit der Granate nicht hätte erkennen können, seien nicht gegeben. Die Versagung von Versorgungsleistungen stelle bei diesem Sachverhalt auch keine "besondere Härte" im Sinne des § 89 Abs. 1 BVG dar.
Der Kläger rügt mit der zugelassenen Revision sinngemäß eine Verletzung der §§ 8 und 1 Abs. 2 Buchst. a i. V. m. § 5 Abs. 1 Buchst. e und des § 89 Abs. 1 BVG. Wie das LSG zutreffend angenommen habe, komme eine Versorgung nach § 8 BVG gerade in Betracht, wenn ein Ausländer in einem nicht mehr deutsch besetzten Gebiet geschädigt worden sei. Das Berufungsgericht habe aber zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Versorgung nach § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG verneint. Daß die explodierte Granate aus Beständen der deutschen Wehrmacht gestammt habe, sei nach den Umständen nicht zweifelhaft, jedenfalls aber mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Nach allgemeiner Erfahrung gingen Rückzugstruppen eher als die verfolgende Truppe leichtsinnig und unbedacht mit scharfer Munition um und hinterließen offenkundig nicht gelten Munition zu ihrer Erleichterung. Der von dieser Munition ausgehende kriegseigentümliche Gefahrenbereich habe fortbestanden, obwohl die noch nicht einsichtsfähigen und nicht eigenverantwortlich handelnden Kinder das Geschoß in die Wohnung des Klägers gebracht und dort in Unkenntnis der Gefährlichkeit damit gespielt hätten. Das Verhalten des "O. D. ers" sei keine wesentliche Bedingung der Explosion gewesen. Mit Sicherheit hätten die zehnjährigen Kinder auch bei einer anderen Auskunft oder gar entgegen einem ausdrücklichen Verbot die Munition mitgenommen; sie hätten typischerweise die Chancen, der ihnen bekannten Gefahr zu entgehen, überschätzt. Das werde durch die vom LSG nicht gewürdigte Aussage des Klägers vom 28. Mai 1945 gegenüber der Polizei bestätigt, daß er die Granate versteckt habe, weil er sie nach dem Willen seiner Eltern nicht hätte besitzen dürfen und weil er Angst vor Schlägen gehabt habe. Aber selbst bei anderer Auffassung sei die Explosion zu ihrem Zeitpunkt ausschließlich durch die dem Geschoß innewohnende Gefährlichkeit und durch das Hantieren des Freundes verursacht worden. Bei Nichtanwendbarkeit der §§ 7 und 8 BVG sei im übrigen die Versagung von Versorgungsleistungen aufgrund der §§ 1 und 5 BVG eine "besondere Härte" im Sinne des § 89 BVG.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Urteile des LSG und des SG sowie der Bescheide den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger über den Versorgungsanspruch einen neuen Bescheid entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichtes zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält seine im Verwaltungsverfahren vertretene Rechtsansicht aufrecht.
Der Vertreter des Beigeladenen bezieht sich darauf.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist zulässig (§§ 164, 166, 162 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber sachlich nicht begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil mit Recht zurückgewiesen.
Nach rechtsverbindlicher Entscheidung (§§ 77, 102 SGG) gehört der Kläger nicht zu dem nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG versorgungsberechtigten Personenkreis der Ausländer, die eine Schädigung durch einen militärischen oder militärähnlichen Dienst für das Deutsche Reich oder durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung in Deutschland oder in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet erlitten haben müssen. Zutreffend hat das LSG die gesetzliche Voraussetzung für eine Ermessensentscheidung der Verwaltung nach § 8 Satz 1 BVG (in der hier maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 1967 - BGBl I S. 141, berichtigt S. 180 - aufgrund des Zweiten Neuordnungsgesetzes), die in diesem Verfahren umstritten ist, voll überprüft (vgl. zu der entsprechenden Vorschrift des § 6 BVG: BSG SozR Nr. 1 zu § 6 BVG). Selbst wenn es sich um eine reine Ermessensentscheidung handelte, die bloß in den Grenzen des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zu kontrollieren wäre (so anscheinend BSG SozR Nr. 1 zu § 8 BVG) und wenn der Begriff der "anderen als ... in § 7 bezeichneten, besonders begründeten" Fälle nur "Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung" bestimmte (vgl. zu § 602 RVO: BSG 34, 269, 271, 272 = SozR Nr. 1 zu § 602 RVO; vgl. dazu aber BSG 36, 143 = SozR Nr. 9 zu § 89 BVG), wären jene rechtlichen Maßstäbe im Rahmen einer Ermessenskontrolle nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG gerichtlich zu überprüfen. Ob die Verwaltung den Kläger aufgrund des § 8 Satz 1 BVG dem nach diesem Gesetz versorgungsberechtigten Personenkreis zuordnen und ob sie dies u. U. nicht ablehnen darf, ist allerdings entgegen der Ansicht des LSG nicht von zwei selbständigen gleichgeordneten Voraussetzungen abhängig, sondern von einer einheitlichen, deren zweites Glied das erste und allgemeinere näher bestimmt. "Andere als ... (die) in § 7 BVG bezeichneten" Fälle liegen stets dann vor, wenn - wie hier - ein Tatbestand des § 7 BVG nicht gegeben ist. Wie solche Fälle genauer abzugrenzen sind, bestimmt sich dadurch, daß sie "besonders begründet" sein müssen. Dies kann, wie der Beklagte und der BMA mit Recht annehmen, nur durch eine Beziehung zum BVG, insbesondere zu seinen Vorschriften über den anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 7), inhaltlich bestimmt und begrenzt werden. Unzutreffend ist jedoch die enge Auffassung der Verwaltung, die Kannleistung nach § 8 Satz 1 BVG sei im Fall eines Ausländers, der nicht dem § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG zuzuordnen ist, schlechthin ausgeschlossen. Dagegen sprechen sowohl die in einem Einzelfall vom BMA am 9. September 1955 getroffene Entscheidung zugunsten der Witwe eines Staatenlosen, der infolge eines deutschen U-Boot-Angriffes ums Leben gekommen ist (Schönleiter, Handbuch der Bundesversorgung, 2. Aufl. 1974, zu § 8, Nr. 1), als auch die allgemeine Regelung in Art. 2 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg vom 11. Juli 1959 (BGBl II 1960, 2079; Zustimmungsgesetz vom 8. August 1960, aaO, 2077); nach dieser wird auf die nicht im Bundesgebiet wohnenden, nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG versorgungsberechtigten Luxemburger, die - anders als der Kläger - im übrigen den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG erfüllen, § 8 BVG angewendet (vgl. BSG SozR Nr. 1 zu Art. 2 des Vertrages mit Luxemburg vom 11. Juli 1959). § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG legt allein den Kreis der Ausländer, die einen Rechtsanspruch auf Versorgung erwerben können, erschöpfend fest. Damit wird aber gerade für Ausländer, die die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllen, die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung nach § 8 Satz 1 BVG offengelassen. Wenn der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG nicht auf jegliche Schädigungen im Sinne der §§ 1 bis 5 BVG in den zur Zeit der Schädigung nicht mehr von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten ausgedehnt worden ist, spricht dies allein nicht dafür, daß eine Entschädigung in begrenzten Fällen der vorliegenden Art nach § 8 BVG völlig ausgeschlossen sein soll. In den Fällen wie dem des Klägers kann das Deutsche Reich und infolgedessen die Bundesrepublik Deutschland wegen tatsächlicher Verhältnisse mindestens ebenso für den Schaden verantwortlich sein wie für viele andere Kriegseinwirkungen in ehemals deutsch besetzten Gebieten. Wenn Versorgungstatbestände (§§ 1 - 5 BVG) bestimmte Fallgruppen durch einschränkende Voraussetzungen regeln, mögen sie damit zugleich festlegen, daß sonst gleiche Fälle, die lediglich solche einzelnen gesetzlichen Beschränkungen von Versorgungstatbeständen nicht erfüllen, nicht über § 6 BVG in die Versorgung einbezogen werden dürfen (BSG SozR Nr. 1 zu § 6 BVG; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1965, 935). Im Gegensatz dazu bietet das Gesetz keinen Anhalt dafür, daß eine Ermessensentscheidung nach § 8 Satz 1 BVG zugunsten von Ausländern, die - im Unterschied zum Personenkreis des deutsch-luxemburgischen Vertrages - im Bundesgebiet ansässig sind, aber einen Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG nicht erfüllen, schlechthin verboten sind. Dies mag aus politischen Gründen wohl grundsätzlich gelten. Jedoch muß in einzelnen Ausnahmefällen ein im Bundesgebiet lebender Ausländer in jener Lage in den Kreis der versorgungsberechtigten Personen einbezogen werden können, wenn eine unmittelbare Kriegseinwirkung, durch die er geschädigt wurde, außerhalb eines in § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG geregelten Tatbestandes im zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang mit der Kriegsführung durch das Deutsche Reich stand. Dann kann eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches für die Auswirkungen dieses Kriegsgeschehens, insbesondere als Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG, die tragende Begründung für die gesamte Kriegsopferversorgung nach dem BVG, und damit ein "besonders begründeter" Fall im Sinne des § 8 Satz 1 BVG gegeben sein. Wenn diese grundlegende Rechtfertigung des Versorgungsrechts nach dem BVG gelegentlich in der Rechtsprechung allein zur Begrenzung der Tatbestände des § 7 BVG herangezogen worden ist (BSG, BVBl 1968, 27, 28; BSG 16, 67, 71 = SozR Nr. 3 zu § 7 BVG; BSG 30, 115, 117 = SozR Nr. 8 zu § 7 BVG), so ist damit jeweils bloß der Umfang von Versorgungsrechtsansprüchen für Ausländer auf Schädigungsfälle aus dem Verantwortungsbereich der deutschen Wehrmacht und Staatsführung beschränkt worden; das Bundessozialgericht hatte aber in diesen Fällen keinen Anlaß, sich mit den Grenzen der Ermächtigung in § 8 Satz 1 BVG zu befassen. Diese Vorschrift soll gerade in begrenztem Umfang einen Ausgleich von Schäden ermöglichen, die ebenfalls in diesen Verantwortungsbereich fallen, nur vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich in § 7 BVG einbezogen worden sind.
Versorgungsleistungen können nach alledem in Fällen wie dem des Klägers aufgrund des § 8 Satz 1 BVG entsprechend den in § 7 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BVG festgelegten Rechtsgedanken so lange gewährt werden, als der Ausländer im Bundesgebiet lebt und "aus derselben Ursache" keinen Versorgungsanspruch gegen einen anderen Staat, insbesondere sein Heimatland, hat. Außerdem müßte für ihn ebenso wie für die Ausländer, die zu dem nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG versorgungsberechtigten Personenkreis gehören (vgl. BSG 30, 115, 116 f), ein Versorgungstatbestand im Sinne der §§ 1 bis 5 BVG gegeben sein. Davon ist das LSG bei der Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 8 Satz 1 BVG zutreffend ausgegangen. Es hat auch mit Recht diese Leistungsvoraussetzung verneint.
Als Versorgungstatbestand kommt hier eine Schädigung durch nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben, in Betracht; sie gilt nach § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG als unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG, wenn sie im Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege stand. Unfälle, die durch das Explodieren von Geschossen verursacht wurden, können diesen Tatbestand auch dann erfüllen, wenn solche Kampfmittel an einem frei zugänglichen Ort aufgefunden und von dort fortgebracht wurden und wenn ihre kriegseigentümliche Gefährlichkeit, die bis zuletzt fortbestanden haben muß, erst dann wirksam geworden ist (BSG 1, 72, 75; 8, 275, 276; BVBl 1964, 114). Da ein solcher Tatbestand einen Zusammenhang mit kriegerischen Vorgängen eines der beiden Weltkriege voraussetzt, allerdings in Erweiterung des § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG, der die unmittelbaren Folgen von Kampfhandlungen, insbesondere die Einwirkung von Kampfmitteln, betrifft, keinen engen zeitlichen Zusammenhang (BSG 8, 275, 276), müßte das Geschoß, das den Kläger verletzt hat, durch die Kriegsführung der deutschen Wehrmacht und ihrer Gegner an den Fundort gelangt sein (BSG 4, 193, 196 ff). Das LSG hat dazu keine Feststellungen getroffen, die nach § 163 SGG für das Revisionsgericht verbindlich wären; eine Sachaufklärung, die 1945 unterblieben ist, erscheint heute so gut wie aussichtslos. Das einzige Beweismittel, der vom Kläger aufbewahrte Splitter, könnte allenfalls einen Hinweis darauf geben, in welchem Land das Geschoß hergestellt worden war. Aber für den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG ist nicht die ursprüngliche Herkunft des Geschosses - hier aus deutscher oder alliierter Produktion -, sondern die Verwendung in Kampfhandlungen der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg erheblich (BSG 6, 188, 190).
Das LSG hat auch aus rechtlichen Gründen nichts Näheres über eine Beziehung zu "kriegerischen Vorgängen" im Sinne des § 5 Abs. 1 BVG aufzuklären brauchen. Selbst wenn solch eine tatbestandsmäßige Herkunft des explodierten Geschosses festgestellt werden könnte, wofür die von der Revision angestellten Wahrscheinlichkeitserwägungen nicht ausreichten, hätte der ursprünglich durch das Geschoß geschaffene kriegseigentümliche Gefahrenbereich die Verletzung des Klägers nicht im versorgungsrechtlichen Sinn verursacht. Da ein Versorgungsanspruch nach § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Buchst. a und § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG eine Schädigung "durch" einen als unmittelbare Kriegseinwirkung geltenden Vorgang voraussetzt und Gleiches für eine Kannversorgung aufgrund des § 8 Satz 1 BVG gilt, muß die nachträgliche Auswirkung kriegerischer Ereignisse als wesentliche Bedingung im allgemeinen versorgungsrechtlichen Sinn den Körperschaden mindestens mitverursacht, d. h. im Vergleich mit anderen Ursachen, besonders zum Erfolg beigetragen haben und dazu wenigstens eine gleichwertige Bedingung neben anderen Mitursachen gewesen sein (BSG 6, 188, 190 f).
Diese Voraussetzung war hier nicht gegeben, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Neben der Gefährlichkeit des Geschosses (Sprengkraft) verursachten das Verhalten der beteiligten Kinder (Mitnehmen zur Wohnung des Klägers und Hantieren durch seinen Freund) und ein Unterlassen des vom Kläger befragten "O. D. ers" die Explosion. Das LSG hat zutreffend nicht geprüft und entschieden, ob G M mit dem Geschoß in Kenntnis seiner Gefährlichkeit spielte oder ob er und der Kläger nach ihrem Reifegrad wenigstens die Gefahr hätten erkennen können und außerdem fähig waren, gemäß einer solchen Einsicht ihren Willen zu steuern, so daß nicht mehr der ursprünglich kriegseigentümliche Gefahrenbereich, sondern ihr Verhalten bei der Explosion wirksam geworden wäre und damit den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG ausgeschlossen hätte (BSG, BVBl 1964, 114; SozR Nr. 29 zu § 5 BVG). Selbst wenn das nicht zugetroffen hätte, wäre allein das Verhalten des "O. D. ers" die überragende Bedingung der Explosion gegenüber der fortwirkenden kriegseigentümlichen Gefährlichkeit gewesen und hätte daher einem Versorgungstatbestand entgegengestanden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. August 1971 - 9 RV 386/70). Dieser Angehörige eines "Ordnungsdienstes" hätte kraft seiner Ordnungsgewalt und - pflichten in jedem Fall vorsichtshalber den Kindern, als er nach der Gefährlichkeit des Geschosses gefragt wurde, die Munition fortnehmen müssen, auch wenn er nicht aufgrund von Kriegserfahrungen eindeutig erkannte, daß sie noch explodieren konnte. Er wird die Granate (" spitse granaat ") als solche erkannt haben, wenn dies sogar bei dem zehnjährigen Kläger nach seinen Aussagen gegenüber der Polizei (1945) und dem LSG (1972) der Fall war. Irgendein Anhalt dafür, daß das Geschoß wegen einer auffallenden äußeren Veränderung, z. B. als bloße Hülse, bei oberflächlicher ebenso wie bei gewissenhafter Prüfung den Anschein hätte erwecken können, es enthalte keinerlei Sprengladung (wie z. B. im Fall BSG 6, 188, 191), ist den Beschreibungen des Klägers von 1945 und 1972 nicht zu entnehmen. Wenn der "O. D. er" auch nicht zur ordentlichen Polizei gehörte, die daneben damals in jener Gegend bestand, wie der Ermittlungsbericht erkennen läßt, so war er doch als Angehöriger des "Ordnungsdienstes" für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mindestens mit verantwortlich. Zur Wahrung ordnungsmäßiger öffentlicher Zustände gehörte nach einem allgemeinen Polizeigrundsatz unter den damaligen Verhältnissen, zehnjährige Kinder nicht wissentlich mit Munition spielen zu lassen. Hätte der "O. D. er" pflichtgemäß den Kindern das Geschoß fortgenommen, wäre nicht möglich gewesen, was die Revision in ihre Überlegungen einbezieht, daß trotz einer Warnung der Kläger das Geschoß - ebenso wie andere Munition verbotenerweise - in die elterliche Wohnung gebracht und G M mit dem Geschoß hantiert hätte. Ob bei einem sonst gleichen Sachverhalt, der sich zur damaligen Zeit auf militärisch besetztem deutschen Gebiet unter Beteiligung eines von der Besatzungsmacht eingesetzten Hilfspolizisten ereignet haben würde, ein Versorgungsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG begründet wird (vgl. etwa BSG 8, 203, 206), kann dahingestellt bleiben. Das hier vorliegende Fehlverhalten des "O. D. ers" jedenfalls, der in niederländischen Diensten stand, haben das Deutsche Reich und die Bundesrepublik Deutschland als seine Rechtsnachfolgerin nicht zu verantworten.
Falls die Munition nicht aus den Kriegsvorgängen, an denen die deutsche Wehrmacht beteiligt war, stammte, sondern erst von alliierten Soldaten nach den Kampfhandlungen in der Gegend um Hoensbroek dorthin - nicht allein nach dem Waffenstillstand in die Niederlande - gebracht worden wäre, käme eine Schädigung durch einen Vorgang infolge einer besonderen Gefahr, die mit der militärischen Besetzung ehemals deutsch besetzten Gebietes zusammenhing, und damit ein Versorgungstatbestand im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG nicht in Betracht. Ein solcher Versorgungsfall ist, ungeachtet aller sonstigen Voraussetzungen, bezüglich solcher Vorgänge, die sich nach dem Einrichten einer ordnungsmäßigen Zivilverwaltung ereignet haben, ausgeschlossen (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 11. Juni 1974 - 9 RV 266/73). Am 22. Mai 1945 und auch in der letzten Zeit vorher, als das Geschoß nach dem Ende der deutschen Besatzung gefunden wurde, bestand in der Gegend von Hoensbrock wieder eine niederländische Zivilverwaltung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung; dies ist schon aus der Ermittlungstätigkeit der Gemeinde- und Reichspolizei, wie sie in dem vom LSG beigezogenen Protokoll ihren Niederschlag gefunden hat, zu erkennen. Im übrigen könnte die Explosion eines von den alliierten Truppen in die Heimat des Klägers gebrachten Geschosses deshalb nicht dem Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG zugeordnet werden, weil in jedem Falle gegenüber der Nachlässigkeit des Besatzungsangehörigen, der die Munition im Gelände liegen ließ, das bereits behandelte Verhalten des "O. D. ers" die überragende Ursache gewesen wäre. Aus diesem Grund ist auch ein Tatbestand gemäß § 5 Abs. 2 Buchst. a BVG ausgeschlossen, d. h. eine Schädigung durch Angehörige der Besatzungsmacht in Verbindung mit dem Zweiten Weltkrieg vor dem Tag, von dem an Leistungen nach anderen Vorschriften gewährt werden, als fiktiver Sonderfall der nachträglichen Auswirkung kriegerischer Vorgänge.
Aus der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, (ABl. d. Europ. Gem. Nr. L 149 vom 5.7.1971, S. 2) kann der Kläger keine Rechte herleiten, weil diese Verordnung nach Art. 4 Abs. 4 nicht auf Leistungssysteme für Opfer des Krieges und seiner Folgen anzuwenden ist.
Ob dem Kläger die begehrte Versorgung wegen einer "besonderen Härte" nicht nach § 89 Abs. 1 BVG versagt werden dürfte, hatte das LSG nicht zu prüfen. Eine Ermessensentscheidung der Verwaltung darüber ist in den angefochtenen Bescheiden nicht enthalten und daher in diesem Verfahren kein Streitgegenstand (§ 54 Abs. 1 und 2, §§ 94, 95, 123 SGG).
Die Revision des Klägers ist nach alledem als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dr. Baresel
Fundstellen