Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamter Streitgegenstand

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Zulässigkeit der Berufung richtet sich stets nach dem gesamten, mit ihr weiter verfolgten prozessualen Anspruch (Streitgegenstand).

Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BSG (Vergleiche BSG 1958 -11-13 8 RV 193/56 = BSGE 8, 228; BSG 1961-12-14 11 RV 748/61 = SozR Nr 26 zu § 148 SGG; BSG 1960-12-14 10 RV 171/58 = SozR Nr 30 zu § 150 SGG; BSG 1967-03 -21 9 RV 794/66 = SozR Nr 47 zu § 150 SGG; BSG 1972-03-16 10 RV 255/71).

 

Normenkette

SGG §§ 148, 150

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 17. August 1972 insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers hinsichtlich seines Anspruchs auf Erhöhung der Rente zurückgewiesen hat. In diesem Umfange wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision des Klägers als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I

Seit Juli 1950 bezieht der Kläger Versorgung, anfangs nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v.H..

Der Kläger beantragte im Mai 1962, seine Rente auf die eines Erwerbsunfähigen zu erhöhen sowie Wesensveränderungen und ein besonderes berufliches Betroffensein (§ 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) anzuerkennen, auch die einfache Pflegezulage zu gewähren. Das Versorgungsamt (VersorgA) bezeichnete daraufhin durch Bescheid vom 10. Januar 1964 die Schädigungsfolgen als: "Stirnhirnverletzung mit Halbseitenlähmung links, vegetative Störungen und Hirnleistungsschwäche, Narbenbildung mit Gewebsverlust am knöchernen Schädel" und erhöhte den Grad der MdE unter Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins gemäß § 30 Abs. 2 BVG auf 90 v.H. vom 1. Mai 1962 an. Die weiterhin begehrte zusätzliche Anerkennung von Wesensveränderungen sowie eine Heraufsetzung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 BVG auf 100 v.H. und die Gewährung der einfachen Pflegezulage wurden abgelehnt. Der Widerspruch blieb erfolglos.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Nervenarzt Dozent Dr. med. habil v d H. Der Sachverständige hat keine wesentliche Veränderung der für die Feststellung der Rente maßgebenden Verhältnisse außer einer rechtsseitigen Störung der Geruchswahrnehmung gefunden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. November 1967 haben die Beteiligten auf Anregung des SG folgenden Vergleich geschlossen:

1.

Der Beklagte erkennt rechtsseitige Störung der Geruchswahrnehmung als weiteres Versorgungsleiden an.

2.

Über den Grad der MdE soll durch Urteil entschieden werden.

Der Kläger hat daraufhin beantragt, zentrale Regulierungsstörungen und Wesensveränderungen sowie Beeinträchtigung des Geruchssinns als weitere Versorgungsleiden anzuerkennen und Versorgung nach einer MdE um 100 % sowie die gesetzliche Pflegezulage ab Juni 1962 zu gewähren. Das SG wies die Klage ab, weil zentrale Regulierungsstörungen und Wesensveränderungen nicht vorlägen und führte u.a. zu der neu anerkannten Störung der Geruchswahrnehmung aus, daß diese nach Ansicht des gerichtlichen Gutachters die Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht merkbar beeinflusse; damit sei offensichtlich gemeint, daß insoweit keine meßbare - also eine wesentlich weniger als 10 v.H. betragende - MdE im Sinne des Versorgungsrechts bestehe. Da in medizinischer Betrachtung die Erwerbsfähigkeit bis dahin um 80 v.H. gemindert sei, könne sich nach der Lohmüller'schen Formel eine medizinische Gesamt-MdE von etwa 82 v.H. ergeben, die aber nach unten abzurunden sei, so daß es bei 80 v.H. bleibe, wozu die 10 v.H. nach § 30 Abs. 2 BVG hinzuzurechnen seien. Es stehe also keine höhere Rente als nach einer MdE um 90 v.H. zu.

Der Kläger hat Berufung eingelegt und zunächst den Klageantrag wiederholt. Er ist (im Schriftsatz vom 12. April 1969) besonders auf die Geruchsschädigung eingegangen, die seines Erachtens ebenfalls als Schädigungsfolge anzuerkennen sei. Er hat bemängelt, daß sich das SG nicht damit auseinandergesetzt habe, ob wegen der Geruchsschädigung zusätzliche Prozente der MdE anzuerkennen seien. Es möge zutreffen, daß der Gutachter zum Ausdruck gebracht habe, daß eine Geruchsstörung die Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht meßbar beeinflusse. Wenn aber für die Geruchsstörung hier schon ein Grad der MdE um mindestens 1% anzuerkennen sei, würde sich die MdE aus rein medizinischer Betrachtung auf über 80 v.H. belaufen. Unter Addition der zuerkannten 10% für das besondere berufliche Betroffensein würde insgesamt ein Prozentsatz von mehr als 90 v.H. erreicht werden, wodurch der Anspruch auf Gewährung der einfachen Pflegezulage berechtigt sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten durch die Professoren Dres. E und B und hat durch Urteil vom 17. August 1972 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe sich eine Verschlimmerung der anerkannten oder das Hinzutreten weiterer Schädigungsfolgen nicht feststellen lassen. Auf die ursprünglich vom Kläger geforderte Anerkennung einer Beeinträchtigung des Geruchssinnes habe das Berufungsgericht nicht mehr Bedacht zu nehmen brauchen, weil der Kläger diesen Anspruch in der Berufungsinstanz erkennbar nicht mehr geltend gemacht habe. Der Klagepunkt habe durch die Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 28. November 1967 und das Urteil vom gleichen Tage seine Erledigung gefunden. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.

Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt,

in Abänderung des Urteils des LSG Berlin vom 17. August 1972 das Urteil des SG Berlin vom 28. November 1967 abzuändern und den Beklagten in Abänderung des Bescheides des VersorgA I B vom 10. Januar 1964 und des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes B vom 14. September 1964 zu verurteilen, beim Kläger als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen:

"Zustand nach rechtsseitiger Hirnverletzung mit Zeichen der schlaffen Halbseitenlähmung links, herdepileptischen Anfällen und hochgradiger Hirnleistungsschwäche und Wesensveränderung"

und ihm Beschädigtenrente nach einem Grade der MdE von insgesamt 100 v.H. und eine Pflegezulage der Stufe I vom 1. Juni 1962 an zu gewähren,

hilfsweise,

das Urteil des LSG Berlin vom 17. August 1972 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Berlin zurückzuverweisen.

Er rügt mit näherer Begründung eine Verletzung der §§ 103, 106 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG sei zu Unrecht auf die Störung der rechtsseitigen Geruchswahrnehmung nicht eingegangen und habe diesen Anspruch für erledigt erachtet. Er verweise insbesondere auf seinen Schriftsatz vom 12. April 1969, mit dem er bemängelt habe, daß das SG keine MdE für das zusätzlich anerkannte Leiden der Störung des Geruchssinns festgesetzt habe. Bei dieser Sachlage habe das LSG nicht davon ausgehen dürfen, daß dieser Anspruch erledigt sei.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Berlin vom 17. August 1972 als unzulässig zu verwerfen.

Er hält die Revision für nicht statthaft und führt insbesondere aus, ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28. November 1967 habe sich der Beklagte zur Anerkennung der weiteren Schädigungsfolge "ohne Änderung der MdE" bereit erklärt.

II

Der Kläger hat die Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sein vom LSG nicht zugelassenes Rechtsmittel findet hier statt, weil ein wesentlicher Mangel des Verfahrens im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird und auch vorliegt. Die Revision mußte insoweit Erfolg haben, als sie hinsichtlich des Anspruchs auf Erhöhung der Rente zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG führen mußte.

Zu Recht hat das LSG das Land Hessen als den richtigen Beklagten bezeichnet und im Rubrum aufgeführt. Die im Laufe des ersten Rechtszuges geänderte Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 4 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, weil der Kläger nach Erlaß des Widerspruchsbescheides und nach Klageerhebung von Berlin, seinem ursprünglichen Wohnsitz, in die Bundesrepublik, und zwar in das Land Hessen verzogen ist und das VersorgA Berlin, das ursprünglich zuständig gewesen ist und die streitigen Verwaltungsakte erlassen hat, die Akten am 7. Oktober 1965 an das VersorgA Kassel abgegeben hat. Dadurch ist das Land Hessen zum Beklagten geworden und hat in den anhängigen Rechtsstreit eintreten müssen. Wenn das SG dies auch nicht beachtet hat, so hat das LSG den Wechsel der Parteien auf der Seite des Beklagten zu Recht richtig gestellt und dies außerdem noch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. August 1972 mit den Parteien erörtert. Im übrigen aber ist die angefochtene Entscheidung nicht frei von Rechtsirrtum.

Der Kläger begehrt eine Erhöhung seiner Rente und die Gewährung von Pflegezulage nach Stufe I. Hierbei handelt es sich um mehrere selbständige Ansprüche. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG 8, 228 ff) sind in einem solchen Falle die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit der Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG für jeden Anspruch gesondert zu prüfen; die Revision ist nur hinsichtlich des selbständigen prozessualen Anspruchs statthaft, auf den sich ein vorliegender Verfahrensmangel bezieht. Zu dem Anspruch auf Gewährung von Pflegezulage hat die Revision keinen Mangel des Verfahrens gerügt. Vielmehr hat sie nur Ausführungen zur materiellen Rechtslage gemacht; sie betrachtet den Anspruch auf Pflegezulage der Stufe I für begründet, weil die MdE wegen der anerkannten Hirnverletzung mit ihren Folgeerscheinungen gemäß § 30 Abs. 2 BVG von 80 v.H. auf 90 v.H. erhöht worden sei und nur eine geringe weitere - durch eine andere Schädigungsfolge verursachte - MdE die Erwerbsunfähigkeitsrente (§ 31 Abs. 3 BVG) und die Pflegezulage nach Stufe I rechtfertige. Es kann unerörtert bleiben, ob diese Ansicht zutrifft (vgl. BSG SozR Nr. 19 zu § 35 BVG und auch BSG 22, 88 ff); denn auf jeden Fall wird hierdurch nicht ein Mangel im Verfahren des LSG geltend gemacht. Da also hinsichtlich des selbständigen Anspruchs auf Pflegezulage (BSG 3, 271 ff, SozR Nr. 17 zu § 148 SGG) kein wesentlicher Verfahrensmangel gerügt ist, ist die Revision insoweit nicht statthaft und mußte als unzulässig verworfen werden.

Hinsichtlich des Anspruchs auf Erhöhung der Rente hat der Kläger die zusätzliche Anerkennung verschiedener Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen begehrt, insbesondere einer Wesensveränderung, von zentralen Regulierungsstörungen, zu denen er in der zweiten Instanz noch weitere Ausfallerscheinungen hinzufügte, und außerdem einer Störung des Geruchssinns, welche sich erst im Laufs des Verfahrens erster Instanz herausgestellt hatte. Nach seinem Antrag in der Revisionsinstanz hat er zwar immer noch seinen Anspruch aufrechterhalten, den Zustand nach rechtsseitiger Hirnverletzung mit Zeichen der schlaffen Halbseitenlähmung links, herdepileptischen Anfällen und hochgradiger Hirnleistungsschwäche und Wesensveränderung anzuerkennen. Hierzu aber hat er in der Revisionsbegründung keine weiteren Ausführungen gemacht.

Anders verhält es sich mit der weiter geltend gemachten Störung des Geruchssinns. Diese ist Gegenstand des Streits in der ersten Instanz gewesen. Das Begehren des Klägers ist durch den Teilvergleich in der Sitzung vom 28. November 1967 nur insoweit erledigt worden, als der Beklagte die Störung der Geruchswahrnehmung als weiteres Versorgungsleiden anerkannt hat. Zu Unrecht behauptet der Beklagte in der Revisionserwiderung, er habe diese neue Schädigungsfolge nur "ohne Änderung der MdE" anerkannt. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vor dem SG vom 28. November 1967 trifft dies nicht zu. Vielmehr ist dort die Störung des Geruchssinns ohne Einschränkung als weitere Schädigungsfolge anerkannt worden.

Was die MdE durch diese zusätzliche Schädigungsfolge anlangt, so sollte nach Punkt 2) des Vergleichs hierüber durch Urteil entschieden werden. Dies hat das SG getan und hat eine MdE als "nicht messbar oder aber mit wesentlich weniger als 10 v.H." bezeichnet. Hiermit ist der Kläger nicht einverstanden gewesen; er hat in der Berufungsinstanz mit seinem Schriftsatz vom 12. April 1969 dazu längere Ausführungen gemacht und insbesondere auch dargelegt, daß eine weniger als 10 v.H. betragende MdE für ihn bereits die Gewährung der einfachen Pflegezulage herbeiführen würde. Bei dieser Sachlage durfte das LSG diesen Punkt nicht für erledigt erklären. Zwar ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 17. August 1972 hierauf nicht noch einmal ausdrücklich zurückgekommen. Er hat aber seinen Antrag auf Gewährung einer Rente von 100 v.H. und der Pflegezulage der Stufe I aufrechterhalten, was er u.a. auch mit der zusätzlichen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit durch die neu anerkannte Störung des Geruchssinns begründet hatte. Das LSG durfte daher nicht davon ausgehen, daß das Begehren auf Erhöhung der schädigungsbedingten MdE wegen der Geruchsstörung nicht mehr Streitgegenstand des Berufungsverfahrens gewesen ist. Da es dies aber getan hat, leidet das Verfahren des Berufungsgerichts an dem vom Kläger geltend gemachten Mangel. Damit ist sein Rechtsmittel statthaft.

Bei der nunmehr gemäß § 170 Abs. 2 SGG bestehenden Möglichkeit, in der Sache selbst zu entscheiden, hatte der Senat zunächst die Zulässigkeit der Berufung zu prüfen. Die Ausführungen der Revisionsbegründung betreffen hauptsächlich die MdE durch die im ersten Rechtszuge zusätzlich anerkannte weitere Schädigungsfolge der Störung des Geruchssinns. Infolgedessen könnte es nahe liegen, die Berufung gemäß § 148 Nr. 3 SGG als ausgeschlossen zu betrachten, weil insoweit nur der Grad der MdE seit dem Ende der ersten Instanz streitig war. Diese Vorschrift kann jedoch nicht Platz greifen. Vielmehr ist die Berufung gemäß § 150 Nr. 3 SGG zulässig gewesen, weil bei dem einheitlich erhobenen Anspruch auf erhöhte Rente der ursächliche Zusammenhang weiterer, gleichzeitig geltend gemachter Gesundheitsstörungen mit einer Schädigung im Sinne des BVG streitig gewesen ist und auch in der Revisionsinstanz noch ist.

Wie aus dem Vorbringen des Klägers, insbesondere seinen Anträgen im gerichtlichen Verfahren zu entnehmen ist, erstrebt er eine Erhöhung seiner Rente und die Zubilligung der Pflegezulage. Das Begehren auf höhere Rente hat er auf verschiedene Weise begründet, nämlich durch eine angebliche Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen, durch das Hinzutreten weiterer Gesundheitsstörungen, welche er als Schädigungsfolgen ansieht, und schließlich mit der Anwendung der Vorschrift des § 30 Abs. 2 BVG. Dabei diente ihm die Geltendmachung zentraler Regulierungsstörungen, von Wesensveränderungen sowie einer Beeinträchtigung des Geruchssinns erkennbar zur Begründung für die von ihm erstrebte höhere Rente, die Rente eines Erwerbsunfähigen. Sie ist insoweit der eigentliche Klageanspruch. Es handelt sich bei den drei im ersten Rechtszuge geltend gemachten neuen Gesundheitsstörungen sowie der angeblichen Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen um einen einheitlichen Streitgegenstand. Er setzt sich zwar aus mehreren Teilen zusammen, nämlich der Höherbewertung der anerkannten Schädigungsfolgen wegen einer Änderung der Verhältnisse und der erstmaligen Bewertung weiterer Gesundheitsstörungen, welche der Kläger zusätzlich zu den bereits anerkannten als Schädigungsfolgen geltend macht. Die Streitteile sind jedoch nicht selbständig sondern stellen nur mehrere Klagegründe dar, mit denen der Kläger das erstrebte prozessuale Ziel, nämlich eine höhere Bewertung seiner durch Schädigungsfolgen herbeigeführten MdE und damit die Erhöhung seiner Rente zu erreichen sucht.

In Fällen der vorliegenden Art ist auszugehen von dem prozessualen Begehren. Es kann nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels, bezogen auf jede einzelne der geltend gemachten Gesundheitsstörungen beurteilt werden, sondern nur die Gesamtheit dieser Störungen, weil sie insgesamt den erhobenen Klageanspruch auf Erhöhung der Rente tragen. Nur wenn es sich im Gegensatz zu Fällen der vorliegenden Art um selbständige Ansprüche - nicht also wie hier klagbegründende Tatsachen - handelt, sind die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels für jeden Anspruch gesondert zu prüfen (vgl. BSG 3, 135 ff; 5, 222 ff; 6, 11 ff, (13 ff); 8, 228 ff; 10, 264 ff).

Abgesehen von der Gewährung der Pflegezulage war Streitgegenstand bei der Berufungseinlegung die Rentenerhöhung wegen zentraler Regulierungsstörungen, Wesensveränderungen und der Beeinträchtigung des Geruchssinns. Von diesen letzteren drei Anspruchsgründen betreffen die beiden ersten auch den ursächlichen Zusammenhang mit der Schädigung. Infolgedessen ist insoweit die Berufung gemäß § 150 Nr. 3 SGG zulässig gewesen. Da es sich um ein einheitliches Klagebegehren handelt, kann die Störung des Geruchssinns nicht - wie der Beklagte in seinem Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zum Ausdruck gebracht hat - abgespalten und für sich allein betrachtet werden. Die Vorschrift des § 148 Nr. 3 SGG gehört ihrer Stellung im Gesetz und ihrem Wortlaut nach zu den Vorschriften, welche die Zulässigkeit der Berufung regeln. Hierbei geht es immer darum, das Rechtsschutzbegehren des Rechtsmittelklägers als Ganzes dem Berufungsgericht zur Verhandlung und Entscheidung zu unterbreiten; denn die Zulässigkeit der Berufung richtet sich stets nach dem gesamten, mit ihr weiter verfolgten prozessualen Anspruch (Streitgegenstand). Dieser Anspruch ist durch den Antrag des Klägers gekennzeichnet, den Beklagten auch zur Gewährung einer höheren als ihm von der Verwaltung zugesprochenen Rente zu verurteilen. Mit der Einlegung der Berufung ist der Anspruch daher im ganzen Umfange beim Berufungsgericht angefallen. Da es sich hier um einen einheitlichen prozessualen Anspruch handelt, der seiner Natur nach auch eine einheitliche, jedenfalls nicht nach einzelnen Berechnungsfaktoren aufgespaltene Entscheidung erfordert, können von dieser Entscheidung einzelne Streitpunkte nicht ausgenommen und hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung gesondert behandelt werden (vgl. BSG 5 Seite 222 ff, 226). Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG 8, 228 ff; SozR Nr. 26 zu § 148 SGG; SozR Nr. 30 und 47 zu § 150 SGG und Entscheidung des Senats vom 16. März 1972 - 10 RV 255/71 mit weiteren Nachweisungen).

Dementsprechend ist vorliegend die Berufung nicht nur wegen der zentralen Regulierungsstörungen und der Wesensveränderungen, sondern auch wegen der MdE durch die neu anerkannte Störung des Geruchssinns zulässig gewesen. Das LSG hätte auch über die MdE durch die Störung des Geruchssinns sachlich entscheiden müssen. Da die geltend gemachten Revisionsrügen wegen eines untrennbaren Teiles des Anspruchs auf Rentenerhöhung durchgreifen, und es dem Senat verwehrt ist, von sich aus die notwendigen sachlichen Feststellungen zu treffen, mußte das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben und die Sache wegen des Anspruchs auf Erhöhung der Rente an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Urteil vorbehalten, durch welches das Verfahren abgeschlossen wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649083

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