Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG. Teilzahlungsfrist als Ausschlußfrist. Bindungswirkung von Nebenbestimmungen
Orientierungssatz
1. Die von dem Rentenversicherungsträger den Berechtigten nach Art 2 § 51a Abs 3 S 3 ArVNG bewilligte Teilzahlungsfrist ist eine Ausschlußfrist (vgl BSG 1983-09-27 12 RK 7/82). Das hat zur Folge, daß Beiträge, die nach Ablauf dieser Frist eingehen, grundsätzlich nicht mehr als wirksam betrachtet werden können.
2. Nebenbestimmungen von Bescheiden werden bindend, wenn sie eigenständige Aussagen enthalten (vgl BSG 1979-09-13 12 RK 60/78 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 30).
3. Die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Teilzahlungstermine hat zur Folge, daß die verspätet entrichteten Beiträge nicht nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG wirksam nachentrichtet worden sind.
Normenkette
ArVNG Art 2 § 51a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Abs 3 S 3 Fassung: 1972-10-16
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 14.12.1982; Aktenzeichen L 2 J 885/82) |
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.06.1982; Aktenzeichen S 10 J 610/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, freiwillige Beiträge, die der Kläger nach Art 2 § 51a des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) nachentrichtet hat, auch dann als wirksam zu behandeln, wenn sie nach Ablauf der ihm eingeräumten Einzahlungsfrist bei der Beklagten eingegangen sind.
Die Beklagte hatte dem Kläger die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG für die Jahre 1956 bis 1973 im Gesamtbetrage von 20.520,-- DM gestattet (Bescheid vom 19. Februar 1976). In der Anlage zu diesem Bescheid hatte sich die Beklagte mit dem Teilzahlungsvorschlag des Klägers (Streckung der Zahlung auf fünf Jahre) einverstanden erklärt, "wenn die Zahlungen wie folgt geleistet werden: 4.320,-- DM bis spätestens sofort, 4.140,-- DM bis spätestens 28. Februar 1977, 4.140,-- DM bis spätestens 28. Februar 1978, 3.960,-- DM bis spätestens 28. Februar 1979 und 3.960,-- DM bis spätestens 29. Februar 1980".
Die erste Teilzahlungsrate in Höhe von 4.320,-- DM wurde termingerecht überwiesen und bei der Beklagten am 12. März 1976 verbucht. Dem Kläger wurde eine entsprechende Mitteilung übersandt. Die nächste Rate in Höhe von 4.140,-- DM ging bereits um fast ein Jahr verspätet, nämlich erst am 17. Februar 1978, bei der Beklagten ein. Zu den übrigen Zahlungsterminen wurden keine Zahlungen geleistet. Eine Zahlung erfolgte erst wieder am 11. März 1981 in Höhe von 3.960,-- DM.
Die Beklagte lehnte die rechtswirksame Verwendung dieses Betrags ab (Bescheid vom 1. Juli 1981; Widerspruchsbescheid vom 28. September 1981).
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main -SG- vom 3. Juni 1982; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts -LSG- vom 14. Dezember 1982).
Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß es sich bei der in Art 2 § 51a Abs 3 Satz 3 ArVNG vorgesehenen maximal fünfjährigen Teilzahlungsfrist um eine Ausschlußfrist handele, nach deren Ablauf Beiträge grundsätzlich nicht mehr rechtswirksam nachentrichtet werden könnten. Die streitige Beitragszahlung sei eindeutig nach Ablauf der Frist von fünf Jahren, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, bei der Beklagten eingegangen. Die Beklagte habe deshalb zu Recht die Verbuchung verweigert. An dieser Situation ändere sich auch nichts dadurch, daß der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1976 keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung habe lediglich zur Folge gehabt, daß der Kläger diesen Bescheid noch innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe hätte anfechten können. Weitergehende Folgerungen seien hieraus nicht zu entnehmen.
Dem Kläger könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben Nachsicht gegenüber der Fristversäumnis gewährt werden. Zwar sei die Frist von fünf Jahren nur geringfügig überschritten worden. Der Kläger sei jedoch hinreichend darüber informiert worden, daß er die Teilzahlungsfrist einzuhalten habe. Aber auch wenn er den Hinweis der Beklagten auf die Verbindlichkeit der Zahlungstermine nicht voll verstanden habe, hätte er sich bei der Beklagten erkundigen können. Jedenfalls habe er bereits aus dem Teilzahlungsplan erkennen können, daß es die Beklagte nicht in sein Belieben stellen wollte, zu welchem Zeitpunkt er die Nachentrichtungsbeträge entrichten wollte. Im übrigen sei nicht ersichtlich und auch nichts dazu vorgetragen, warum der Kläger den Nachentrichtungsbetrag nicht früher entrichtet habe.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er ist der Ansicht, daß es sich bei der Teilzahlungsfrist des Art 2 § 51a Abs 3 Satz 3 ArVNG nicht um eine Ausschlußfrist handele. Es gehe nur noch um Zahlungsmodalitäten, also um Verfahrensfragen. Der Berechtigte trage lediglich das Risiko, daß die Beiträge für einen zwischenzeitlich eingetretenen Versicherungsfall nicht mehr anrechenbar seien. Im übrigen laufe die Fünfjahresfrist erst ab Eintritt der Bindungswirkung des Zulassungsbescheides, dh mit Ablauf der Widerspruchsfrist. Diese sei erst am 27. Februar 1977 abgelaufen, so daß der Kläger jedenfalls bis 27. Februar 1982 Beiträge wirksam nachentrichten konnte. Dementsprechend sei der am 11. März 1981 verbuchte Betrag noch rechtzeitig eingegangen. Der Teilzahlungsplan im Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1976 habe keine Bedeutung, weil der Kläger durch ihn nur berechtigt werde, Beiträge zu entrichten, nicht aber verpflichtet. Im übrigen sei der Bescheid durch die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers für ihn nachträglich belastend geworden, so daß die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, in ermessensfehlerfreier Weise erneut über den Zahlungsplan zu entscheiden. Schließlich seien auch die Voraussetzungen gegeben, unter denen dem Kläger Nachsicht zu gewähren sei. Der Kläger habe die Zahlungsfrist lediglich um wenige Tage überschritten.
Der Kläger beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Juli 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1981 zu verurteilen, den am 11. März 1981 verbuchten Betrag in Höhe von 3.960,-- DM als wirksame Beitragszahlung nach Art 2 § 51a ArVNG entgegenzunehmen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die Beklagte die am 11. März 1981 eingezahlten 3.960,-- DM nicht als wirksame Beitragszahlung nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG anrechnen mußte. Der Senat hat bereits entschieden, daß auch die von dem Rentenversicherungsträger den Berechtigten nach Art 2 § 51a Abs 3 Satz 3 ArVNG (= Art 2 § 49a Abs 3 Satz 3 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -AnVNG-) bewilligte Teilzahlungsfrist eine Ausschlußfrist ist (Urteil vom 22. Juni 1983 - 12 RK 59/82 -; s auch Urteil vom 27. September 1983 - 12 RK 7/82 -). Das hat zur Folge, daß Beiträge, die nach Ablauf dieser Frist eingehen, grundsätzlich nicht mehr als wirksam betrachtet werden können.
Der Senat hat dies allerdings für einen Fall entschieden, in dem die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Berechtigten den vollen Fünfjahreszeitraum für die Nachentrichtung von Beiträgen eingeräumt hatte, ohne besondere Raten festzulegen. Gleiches gilt indes für Fälle, in denen der Rentenversicherungsträger nicht den vollen gesetzlichen Zahlungszeitraum ausschöpft, sondern einen individuell zugeschnittenen Teilzahlungsplan festlegt. Dieser Teilzahlungsplan ist Bestandteil des Bewilligungsbescheides und erwächst mit diesem in Bindung. Auch Nebenbestimmungen von Bescheiden werden bindend, wenn sie eigenständige Aussagen enthalten (BSG SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 30; BSG SozR 5755 Art 2 §1 Nr 3).
Dem Eintritt der Bindung steht dabei nicht entgegen, daß der Bescheid - wie hier der Bescheid vom 19. Februar 1976 - keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung nimmt dem Bescheid nicht den Charakter eines Verwaltungsakts und macht ihn auch nicht unwirksam, sondern bewirkt lediglich, daß der Verwaltungsakt noch innerhalb eines Jahres nach seiner Zustellung angefochten werden kann (§ 66 Abs 2 SGG).
Ebenso unbeachtlich ist es, ob der Kläger möglicherweise zwischenzeitlich Umstände hätte vorbringen können, die die Beklagte verpflichtet hätten, den Teilzahlungsplan zu ändern; denn einen derartigen Antrag hat er nicht gestellt. Der im Bescheid vom 19. Februar 1976 enthaltene Teilzahlungsplan ist also nach wie vor verbindlich geblieben. Im übrigen hätte die Beklagte eine Änderung nur im Rahmen der 5-Jahresfrist vornehmen können. Dies hat sie auch insoweit bereits stillschweigend getan, als sie die verspätete zweite Rate entgegengenommen hat. Auf einen erst nach Ablauf der 5-Jahresfrist eingehenden Betrag kann sie indes nichts mehr veranlassen, weil der letztmögliche Zeitpunkt bereits verstrichen ist.
Entgegen der Auffassung des Klägers lief die genannte 5-Jahresfrist nicht erst ab Eintritt der Bindung des Bewilligungsbescheides, sondern bereits seit dessen Bekanntgabe. Vom Zeitpunkt der Bekanntgabe eines Bescheides an hat der Berechtigte die Möglichkeit, Zahlungen zu leisten. Die Möglichkeit der Anfechtung kann allenfalls Einfluß auf die Verbuchung der Zahlungen haben oder eine Erweiterung der Nachentrichtungsberechtigung bewirken. Steht aber nach Bekanntgabe des Nachentrichtungsbescheides dem Beginn der Einzahlung von Beiträgen nichts entgegen, so gibt es auch keinen Grund, den Beginn der im Bescheid festgelegten Entrichtungsfristen bis zum Eintritt seiner Bindung zu hemmen.
Die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Teilzahlungstermine hat zur Folge, daß die verspätet entrichteten Beiträge nicht nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG wirksam nachentrichtet worden sind.
Es sind auch keine Tatsachen vorgetragen oder erkennbar, die Veranlassung geben könnten, die Berufung der Beklagten auf die Ausschlußfrist hier als einen Verstoß gegen Treu und Glauben anzusehen. Das LSG hat festgestellt, daß "keine Gründe ersichtlich sind, warum der Kläger den Nachentrichtungsbetrag nicht früher entrichtet", die Teilzahlungstermine also nicht eingehalten hat. In bezug auf diese Feststellung sind Verfahrensrügen nicht erhoben worden. Allein der Umstand, daß für einen Laien nicht ohne weiteres erkennbar ist, daß es sich bei den Zahlungsfristen um Ausschlußfristen handelt und daß daraus (wie vom LSG angedeutet) Mißverständnisse des Klägers entstanden sein könnten, reicht nicht aus, eine Berufung der Beklagten auf Fristversäumnis auszuschließen, zumal dann nicht, wenn die Zahlungsfristen ohne Rückfrage bei der Beklagten so erheblich überschritten wurden wie im vorliegenden Fall. Entgegen der Auffassung des LSG kam es hier - wie dargelegt - nämlich nicht auf den im Gesetz genannten fünfjährigen Rahmen für Teilzahlungen an, sondern auf die Festlegung der Zahlungstermine in dem Bescheid vom 19. Februar 1976.
Auch der Umstand, daß die Beklagte die verspätete zweite Rate der Beiträge unbeanstandet entgegengenommen und nicht auf pünktliche Entrichtung der weiteren Raten gedrängt hat, nötigt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger zur pünktlichen Ratenzahlung anzuhalten. Die streitigen Beiträge sind freiwillige Beiträge; deshalb obliegt es jedem Berechtigten, selbst zu entscheiden, ob er sie entrichten will oder nicht. Aus dem Verhalten der Beklagten hätte der Kläger allenfalls den Schluß ziehen können, der Teilzahlungsplan werde von der Beklagten nicht als verbindlich angesehen. Dies hätte aber nur eine verspätete Beitragsentrichtung innerhalb der 5-Jahresfrist erklären und rechtfertigen können. Für die Annahme, daß auch diese Frist nicht eingehalten zu werden brauchte, hat die Beklagte dem Kläger keinen Anhalt geliefert.
Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen