Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Verletztengeld bei kurzfristiger Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
1. Betrifft die Berufung den Anspruch auf Verletztengeld (RVO § 560) für bereits abgelaufene Zeiträume, so ist sie nicht durch SGG § 145 Nr 2 ausgeschlossen.
2. Zu den Fragen der Voraussetzungen und der Berechnung des Verletztengeldanspruchs bei kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen.
Leitsatz (redaktionell)
Zum Anspruch auf Verletztengeld bei kurzfristiger Beschäftigung:
1. Auch während einer langdauernden Arbeitsunfähigkeit kann ein sonst nicht als Arbeitnehmer Beschäftigter, der während einer kurzfristigen Aushilfsbeschäftigung verunglückte, Verletztengeld beanspruchen.
2. Die Berechnung des Verletztengeldes nach RVO § 561 Abs 1 Nr 1 iVm RVO § 182 Abs 5 scheidet aus, wenn eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht feststellbar ist; in diesem Falle ist die in RVO § 561 Abs 3 vorgesehene und auf den JAV abstellende Berechnung vorzunehmen.
Normenkette
SGG § 145 Nr. 2 Fassung: 1958-06-25; RVO § 560 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 561 Abs. 3 Fassung: 1963-04-30, § 560 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 561 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1963-04-30, § 516 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 182 Abs. 5
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. Juni 1965 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die 1927 geborene Klägerin, verheiratet und Mutter von fünf Kindern, war nicht berufstätig und dementsprechend auch nicht krankenversichert; sie besorgte den ehelichen Haushalt. Im November 1963 half sie dem Bauern H beim Kohlschneiden. Für diese - auf insgesamt etwa 27-30 Stunden veranschlagte - Arbeit, die sich die Klägerin nach ihrem Belieben einteilen konnte, war ein Stundenlohn von 2.50 DM vereinbart worden. Nach Aufnahme ihrer Tätigkeit arbeitete die Klägerin am 15. und 16. November 1963 insgesamt 7 1/2 Stunden. Am Montag, dem 18. November 1963, gegen 13 Uhr, hatte die Klägerin auf dem Wege zur Arbeitsstätte einen Unfall. Wegen des dabei erlittenen Unterschenkelbruchs wurde sie stationär vom 18. November bis zum 21. Dezember 1963 und vom 14. bis zum 24. Januar 1964, anschließend ambulant bis zum 8. April 1964 behandelt. Der behandelnde Arzt bescheinigte "Arbeitsunfähigkeit" bzw. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. bis zum 12. April 1964; für die Zeit vom 13. April 1964 an schätzte er gutachtlich die MdE auf 30 v.H. Durch Bescheid vom 16. Juni 1964 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine vorläufige Rente von 30 v.H. vom 13. April 1964 an, der ein Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 2.625 DM zugrunde lag. Den Antrag der Klägerin auf Zahlung von Verletztengeld gemäß § 560 der Reichsversicherungsordnung - RVO - (in der Fassung seit 1. Juli 1963) für die Zeit vom 18. November 1963 bis zum 12. April 1964 lehnte die Beklagte mit formlosen Schreiben vom 7. April und 9. Juli 1964 ab.
Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat die Klage, mit der die Klägerin für die Zeit vom 18. November 1963 bis zum 12. April 1964 Zuerkennung des Verletztengeldes, hilfsweise der Vollrente beantragt hat, durch Urteil vom 29. September 1964 abgewiesen: Das Verletztengeld solle ähnlich wie das Krankengeld der Krankenversicherung den Ausfall an Arbeitsentgelt während der Arbeitsunfähigkeit ausgleichen, es müsse daher im angemessenen Verhältnis zu entgangenem Lohn stehen. Die Klägerin, die nach dem 18. November 1963 ohne den Unfall höchstens noch für 20 Stunden bei dem Bauern H beschäftigt geblieben wäre, habe an entgangenem Arbeitsentgelt keinen so erheblichen Schaden erlitten, daß er durch Verletztengeld ausgeglichen werden müßte. Sie sei einer Hausfrau ohne Erwerbstätigkeit gleichzusetzen, der nach einem Arbeitsunfall - etwa durch Hilfeleistung bei einem Unglücksfall - kein Verletztengeld zustehe. Ein an die Klägerin bis zum 12. April 1964 zu zahlendes Verletztengeld würde in keinem Verhältnis zu entgangenem Arbeitsverdienst von höchstens 100,00 DM stehen. Im übrigen ließe sich ein Verletztengeld für die Klägerin auch gar nicht berechnen. Als Berechnungsgrundlage komme nur § 561 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 182 Abs. 5 RVO in Betracht; ein Regellohn für die Klägerin lasse sich aber mangels einer Lohnabrechnung für mindestens vier Wochen nicht ermitteln. Auch Verletztenrente könne die Klägerin für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht beanspruchen, denn gemäß § 580 Abs. 1 RVO beginne die Verletztenrente erst mit dem Tage nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit; ein früherer Zeitpunkt komme nicht in Betracht, da die Klägerin nicht erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung sei.
Mit ihrer vom SG nicht zugelassenen Berufung hat die Klägerin ihr Klagbegehren zum Haupt- und zum Hilfsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte hat entgegnet, ein befriedigender Ausgleich für die Klägerin hätte sich nur durch eine besondere Unterstützung (§ 563 RVO) erzielen lassen. Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat am 22. Juni 1965 die Beklagte verurteilt, der Klägerin durch Bescheid für die Zeit vom 18. November 1963 bis 12. April 1964 Verletztengeld zu gewähren, das nach § 561 Abs. 3 RVO zu berechnen ist: Hinsichtlich des Hauptantrages auf Gewährung des Verletztengeldes sei die Berufung statthaft. § 145 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) stehe dem nicht entgegen; das Verletztengeld sei mit dem Übergangsgeld nach § 1241 RVO nicht vergleichbar, deshalb sei die Rechtsprechung zu § 146 SGG (SozR SGG § 146 Nr. 11) hier nicht maßgebend. Vergleichbar sei das Verletztengeld vielmehr mit dem Krankengeld der Krankenversicherung; insoweit ergebe sich aus § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG kein Ausschluß der Berufung. Ob die Berufung hinsichtlich der hilfsweise beanspruchten Verletztenrente unzulässig sei (§ 145 Nr. 2 SGG), brauche nicht entschieden zu werden.
Der Klägerin stehe das von ihr beanspruchte Verletztengeld nach § 560 Abs. 1 RVO zu. Unstreitig habe die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten und während der Zeit vom 18. November 1963 bis zum 12. April 1964 kein Arbeitsentgelt erhalten, damit seien zwei der gesetzlichen Voraussetzungen für das Verletztengeld gegeben. Auch die letzte Voraussetzung sei erfüllt, denn die Klägerin sei während des genannten Zeitraums arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung gewesen. Arbeitsunfähig in diesem Sinne sei, wer seine zuletzt ausgeübte Arbeit nicht mehr verrichten könne. Auf die Art dieser Arbeit oder Tätigkeit komme es hierbei nicht entscheidend an; neben Arbeitnehmertätigkeiten komme auch eine Tätigkeit nicht beruflicher Art, wie z.B. die einer Hausfrau, in Betracht. Ausschlaggebend sei die physische Unfähigkeit, überhaupt zu arbeiten. Zweifelsfrei sei die Klägerin vom Unfalltage bis zum 12. April 1964 in diesem Sinne zur Arbeit außerstande gewesen, wobei offenbleiben könne, ob diese Unfähigkeit die Haushaltsarbeit oder das - noch nicht zu Ende geführte - Kohlschneiden betroffen habe. Wegen der Unfallfolgen sei die Klägerin jedenfalls unfähig gewesen, irgendeiner Tätigkeit, die den Gebrauch der Beine erforderte, nachzugehen. Würde die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin verneint, so stünde ihr Verletztenrente nach § 580 Abs. 2 RVO vom Tage nach dem Arbeitsunfall an zu, da die zu entschädigende MdE länger als 13 Wochen nach dem Arbeitsunfall andauerte.
Das Verletztengeld sei - mangels Feststellbarkeit eines Regellohns und eines Grundlohns - gemäß § 561 Abs. 3 RVO nach dem JAV zu berechnen, dessen Festsetzung im Rentenbescheid die Klägerin nicht widersprochen habe. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 31. August 1965 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. September 1965 Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils die Berufung gegen das Urteil des SG Lübeck zurückzuweisen.
Innerhalb der bis zum 30. November 1965 verlängerten Frist hat die Beklagte ihre Revision begründet.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist statthaft und zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg.
Da das SG die Berufung nicht zugelassen hat und der Rechtsstreit nur die Gewährung von Geldleistungen für einen zur Zeit des erstinstanzlichen Urteils bereits abgelaufenen Zeitraum betrifft, ist vorweg zu prüfen, ob die Berufung der Klägerin durch die Vorschrift des § 145 Nr. 2 SGG ausgeschlossen war. Dies ist mit dem LSG hinsichtlich des Anspruchs auf Verletztengeld zu verneinen. Auch wenn § 145 Nr. 2 SGG über den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut hinaus auf Geldleistungen "rentenähnlichen Charakters" anwendbar wäre (so die zum gleichlautenden § 146 SGG ergangene Entscheidung des 12. Senats in SozR SGG § 146 Nr. 11), bleibt das Verletztengeld der Unfallversicherung hiervon unberührt. Denn diese Geldleistung, die seit dem 1. Juli 1963 die bis dahin vorgesehenen Leistungen (Krankengeld sowie Tage- und Familiengeld) abgelöst hat, unterscheidet sich nach Zweck, Voraussetzung und Berechnungsgrundlagen so erheblich von der in § 145 Nr. 2 SGG angeführten "Rente", daß eine entsprechende Heranziehung dieser Ausnahmevorschrift nicht vertretbar erscheint (vgl. auch BSG 26, 73, 74; SozR SGG § 144 Nr. 27). Da der streitige Anspruch wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen betrifft, steht - wie das LSG gleichfalls zutreffend dargelegt hat - auch § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen.
Der vom LSG vertretenen Auffassung, die Klägerin habe für die Zeit vom 18. November 1963 bis zum 12. April 1964 Anspruch auf Zahlung des Verletztengeldes, pflichtet der erkennende Senat im Ergebnis bei. Die Beklagte, die der Klägerin eine Verletztenrente vom 13. April 1964 an bewilligt hat, geht davon aus, daß der Klägerin vom Unfalltage bis zum 12. April 1964 keinerlei Geldleistungen - abgesehen von besonderen Unterstützungen (§ 563 RVO) - zu gewähren seien. Dieser - im Schrifttum von Boller (SozVers 1965, 217 = GUV 1965, 33) näher begründete - Standpunkt erscheint schon deshalb fragwürdig, weil unter dem bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963 (UVNG) geltenden Recht der Grundsatz anerkannt war, daß jedem Unfallverletzten, dessen Erwerbsfähigkeit durch Unfallfolgen über die 13. Woche hinaus beeinträchtigt wurde, vom Beginn der Erkrankung an Geldleistungen zustünden, sei es von der Krankenkasse, sei es von der Berufsgenossenschaft (vgl. RVA, AN 1927, 450 Nr. 3283; 1930, 78 Nr. 3653). Daß das UVNG diese Rechtslage zum Nachteil der Unfallverletzten geändert haben sollte, erscheint schwer vorstellbar. Die Erwägungen Bollers (aaO), dem übrigens Strecker (SozVers 1965, 347) offensichtliche Widersprüche nachgewiesen hat, stehen denn auch im Schrifttum zum Verletztengeld vereinzelt da. Die Autoren, die bei bestimmten Fallgestaltungen einen Verletztengeldanspruch gleichfalls verneinen, bestreiten jedenfalls nicht, daß dann für den betreffenden Zeitraum ein Anspruch auf Gewährung der Verletztenrente nach § 580 Abs. 2 RVO begründet ist (vgl. etwa Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 5 c zu § 560 S. 366; Dörner/Jegust, BG 1963, 153, 154, 164).
Nach § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO erhält Verletztengeld ein Unfallverletzter, solange er infolge des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung ist und soweit er Arbeitsentgelt nicht erhält. Während die sonstigen Erfordernisse bei der Klägerin unzweifelhaft erfüllt sind, bedarf es der Prüfung, ob die Klägerin seit dem 18. November 1963 als "arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung" anzusehen ist. Dieser Begriff bedeutet - wie das LSG nicht verkannt hat - das Unvermögen des Verletzten, seine bisherige Arbeitstätigkeit weiter verrichten zu können. Das LSG meint nun, auf die Art dieser Tätigkeit komme es hierbei nicht entscheidend an; neben Arbeitnehmertätigkeiten seien auch Betätigungen nicht erwerbsmäßiger Art, etwa die Hausfrauentätigkeit, zu berücksichtigen. Dieser weiten Auslegung, der auch ein Teil des Schrifttums folgt (vgl. insbesondere Noell-Breitbach, Landwirtschaftliche Unfallversicherung, Anm. 2 b zu § 560; Mogg, ZfS 1964, 128; Töns, DOK 1965, 229; Podzun, BG 1966, 26), steht die mit beachtlichen Argumenten begründete Auffassung entgegen, Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung könne begrifflich nur dann vorliegen, wenn der Versicherte eine zur Zeit des Unfalles ausgeübte Erwerbstätigkeit wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles aufgeben mußte (so insbesondere Lauterbach aaO S. 365 unter Bezugnahme auf einen dort wiedergegebenen BMA-Erlaß vom 12. November 1964; Dörner/Jegust aaO S. 154; Trachte, ZfS 1964, 367 und BG 1966, 150). Der Senat kann die Frage offenlassen, welche Auffassung den Vorzug verdient. Denn auch bei Zugrundelegung des strengeren Maßstabes ist im Falle der Klägerin der Anspruch auf Gewährung des Verletztengeldes begründet. Die Klägerin erlitt nämlich den Unfall am 18. November 1963 in der Erfüllung des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses, in dem sie damals zu dem Bauern Hinz stand. Mag das Arbeitsverhältnis, auf Grund dessen sie im Unfallzeitpunkt beschäftigt und deshalb bei der Beklagten versichert war (§ 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO), auch nur äußerst kurzfristig und von geringer wirtschaftlicher Bedeutung für beide Vertragspartner gewesen sein, so gehört die Klägerin doch jedenfalls eindeutig nicht in die Kategorie derjenigen, die einen "Arbeits"-unfall völlig außerhalb jeglicher Erwerbstätigkeit erlitten haben, wie etwa in den Fällen des § 539 Abs. 1 Nr. 9 und 10 (die besondere Problematik des zu § 539 Abs. 1 Nr. 4 gehörenden Personenkreises ist hier nicht zu erörtern; vgl. hierzu u.a. Podzun aaO; Keller, SozVers 1966, 244) oder bei vorübergehenden Hilfeleistungen (§ 539 Abs. 2 RVO). Nur auf diese Fallgestaltungen, bei denen nicht einmal eine kurzfristige vorübergehende Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, kann sich - mit Recht - die oben angeführte strengere Auffassung (vgl. Lauerbach aaO) beziehen. Der entscheidende Irrtum von Boller (aaO) besteht darin, daß er auch echte Beschäftigungsverhältnisse hierzu zählt, wenn sie ein gewisses zeitliches Mindestmaß unterschreiten; dabei ist die von ihm geforderte Frist von mindestens einem Monat frei aus der Luft gegriffen und sachlich nicht begründbar. Auch ist es nach Meinung des Senats nicht von entscheidender Bedeutung, ob die gelegentliche lohnbringende Beschäftigung in der Krankenversicherung gemäß § 168 RVO versicherungsfrei ist, weil sie nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Merkmalen nur als Nebenbeschäftigung anzusehen ist. Diese Abgrenzungsmerkmale für den Versicherungsschutz in der Krankenversicherung sind - ungeachtet der Bezugnahme auf das Recht der Krankenversicherung in den §§ 560, 561 RVO - für die Beurteilung des Verletztengeldanspruchs nicht heranzuziehen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Lohnersatzfunktion kann der Klaganspruch nicht als unbegründet erachtet werden. Zwar ist dieser Gesichtspunkt bei der Auslegung der §§ 560, 561 RVO zu berücksichtigen, jedoch darf das nicht dazu führen, den Gedanken der Verhältnismäßigkeit von entgangenem Arbeitsentgelt und Verletztengeld zu übersteigern, wie es in den Gründen des SG-Urteils zum Ausdruck gelangt (vgl. hierzu insbesondere Lauterbach aaO Anm. 5 d zu § 560 S. 366 mit dem dort angeführten treffenden Beispiel).
Der Klägerin steht hiernach bis zum Ende ihrer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit Verletztengeld zu, und zwar - was Boller (aaO) übersehen haben dürfte - gemäß § 560 Abs. 2 RVO für die Zeiträume der stationären Behandlung nur in der durch § 186 Abs. 1 RVO bestimmten Höhe.
Die Berechnung des Verletztengeldes ist in § 561 RVO näher geregelt. Da die Klägerin nicht bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war, scheidet Abs. 1 Nr. 2 dieser Vorschrift von vornherein aus. Dieses Hindernis besteht nicht bei der Anwendung der Vorschriften des § 561 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 RVO. Insbesondere § 561 Abs. 2 RVO dient sogar speziell dem Zweck, bei geringfügigen Arbeitsentgelten ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Verletztengeld und dem entgangenen Lohn herzustellen (vgl. Lauterbach aaO Anm. 7 zu § 561; Dörner/Jegust aaO S. 157), wäre daher an sich in einem Fall der hier gegebenen Art vorrangig heranzuziehen; indessen setzt diese Vorschrift voraus, daß das Entgelt des Verletzten nach Monaten bemessen ist. Bei § 561 Abs. 1 Nr. 1 RVO schließlich ergeben sich Schwierigkeiten aus der Bezugnahme auf § 182 Abs. 5 RVO. Die darin im einzelnen bestimmte Berechnung des Regellohns läßt sich bei dem hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht durchführen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Länge des Lohnabrechnungszeitraums (§ 182 Abs. 5 Satz 1 RVO) von ausschlaggebender Bedeutung ist. Entscheidend kommt es aber jedenfalls darauf an, daß die Zahl der auf den Werktag entfallenden Arbeitsstunden mit Hilfe der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ermittelt werden muß (§ 182 Abs. 5 Satz 3 und 4 RVO; vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 6. Aufl., S. 394 a; Lauterbach aaO, Anm. 5 b zu § 561; Dörner/Jegust aaO S. 157). Eine solche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, welche sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergeben würde (vgl. Dörner/Jegust aaO S. 158), ist für die Klägerin, die sich ihre Arbeit völlig nach Belieben einteilen konnte, nicht feststellbar, auch nicht bei weiter Gesetzesauslegung, wonach es genügt, daß sich die Arbeitsstunden innerhalb einer gewissen Zeitdauer mit einer gewissen Beständigkeit wiederholen (vgl. Brackmann aaO S. 394 f). Zu konkreten Zahlen kann man unter den hier gegebenen Umständen nur mit Hilfe von Unterstellungen gelangen (vgl. Stork, SozVers 1966, 85), die nach Ansicht des Senats nicht statthaft sind.
Da somit die Berechnung des Verletztengeldes auf Grund der Absätze 1 und 2 des § 561 RVO undurchführbar ist, verbleibt nur die Berechnung auf Grund des § 561 Abs.3 RVO nach dem JAV. Bedenken gegen die Anwendbarkeit dieser Vorschrift bestehen nicht (vgl. Lauterbach aaO Anm. 8 zu § 561; Dörner/Jegust aaO S.160); das LSG hat demnach mit Recht die Beklagte entsprechend verurteilt.
Die Revision muß hiernach als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen