Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmerähnliche Tätigkeit. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Tätigkeit wie ein Unternehmer
Orientierungssatz
1. Arbeitnehmerähnlich ist eine Person nicht tätig, die als Unternehmer oder wie ein Unternehmer (unternehmerähnlich) tätig ist. Ob letzteres der Fall ist, kann nicht losgelöst von den tatsächlichen und rechtlichen Umständen beurteilt werden, unter denen sich die Tätigkeit vollzieht. Die isolierte Betrachtung der einzelnen Verrichtungen reicht allein nicht aus, um die Tätigkeit als arbeitnehmer- oder unternehmerähnlich zu qualifizieren (vgl BSG vom 27.1.1976 - 8 RU 14/75 = SozR 2200 § 539 Nr 14).
2. Handelt es sich bei einer Tätigkeit um die Besorgung eines Auftrags nach § 662 BGB mit Werkvertragscharakter, dann kann es für die rechtliche Einordnung als unternehmerähnliche Tätigkeit dahinstehen, ob alle Voraussetzungen eines Auftrags, insbesondere ein rechtlicher Bindungswille, vorgelegen haben. Es ist auch nicht erforderlich, daß der so Tätiggewordene alle sonstigen Merkmale erfüllt, die zum Begriff eines Unternehmers gehören, wie zB eine planmäßige für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten und die Risikotragung (vgl BSG vom 5.8.1976 - 2 RU 189/74 = BSGE 42, 126, 128).
3. Der Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO setzt voraus, daß es sich um eine ernsthafte, dem Unternehmen dienende und dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit handelt, die in arbeitnehmerähnlicher Weise verrichtet wird.
4. Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit liegt nicht vor, wenn die Initiative für das Tätigwerden nicht vom Unternehmer, sondern von dem die Arbeit Ausführenden ausgeht und er die Arbeit frei gestalten und planen kann.
Normenkette
RVO § 539 Abs 2; BGB § 662
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 06.02.1986; Aktenzeichen L 5 U 75/85) |
SG Speyer (Entscheidung vom 13.03.1985; Aktenzeichen S 2 U 141/84) |
Tatbestand
Die klagende Krankenkasse fordert von dem beklagten Unfallversicherungsträger Erstattung von Kosten, die durch Aufwendungen (stationäre Behandlung, Krankengeld) für ihr Mitglied W. G. (G.) aus Anlaß eines Unfalls vom 23. September 1982 entstanden sind. G. hatte sich am Unfalltag beim Herausschlagen von Brettern und Bohlen an einem alten Zaun eine Fraktur des 1. Mittelhandknochens der rechten Hand (Bennett-Fraktur) zugezogen. Nach Meinung der Klägerin habe G. im Auftrag und mit Zustimmung der Hauseigentümer W. (W.) gehandelt. Der alte Zaun habe durch einen neuen Zaun ersetzt werden sollen. Die Materialkosten hätten die Hauseigentümer getragen.
Nachdem der Beklagte sich weigerte, der Klägerin die Kosten zu erstatten, hat die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Speyer Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, ihr aus Anlaß des Unfalls des G. Kostenerstattung zu gewähren. Das SG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 13. März 1985). Die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz zurückgewiesen (Urteil vom 6. Februar 1986). Es hat den Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 1504 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) für begründet erachtet. G. habe am 23. September 1982 einen von dem Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten. Er sei bei der zum Unfall führenden Tätigkeit nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert gewesen. Die im Zusammenhang mit der beabsichtigten Anbringung eines neuen Zaunes zu sehende Entfernung des alten Holzzaunes auf dem Grundstück der Hauseigentümer W. sei eine ernstliche, wirtschaftlich als Arbeit zu wertende Betätigung, die dem ausdrücklichen Willen der Hauseigentümer W. entsprochen habe. Sie sei unter Umständen geleistet worden, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei G. bei der Arbeit nicht unternehmerähnlich tätig gewesen. Die Ausführung der mit der Zaunerneuerung zusammenhängenden Arbeiten habe schon deshalb keinen unternehmerähnlichen Charakter gehabt, weil sie nicht Teil einer regelmäßigen und planmäßigen Tätigkeit gewesen sei, worauf das Bundessozialgericht (BSG) entscheidend abstelle (BSGE 42, 126). Die Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 657 Abs 1 Nr 7 RVO.
Durch Beschluß vom 20. Januar 1987 (2 BU 42/86) hat das BSG die Revision zugelassen.
Der Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Entgegen der Auffassung des LSG sei die Tätigkeit des G. nicht arbeitnehmerähnlich, sondern unternehmerähnlich gewesen. G. sei von den Eheleuten W., seinen Vermietern, persönlich und wirtschaftlich unabhängig gewesen. Er habe als Gegenleistung für mietfreies Wohnen gearbeitet. Beginn und Ende der Zaunerrichtung sei ihm überlassen gewesen. Die Art und Weise, wie er den Zaun herstelle, und der Umfang der täglichen Arbeitsleistung sei den Einflüssen der Eheleute W. nicht unterworfen gewesen. Unternehmerähnlich werde jemand schon dann tätig, wenn er ohne planmäßig tätig zu sein, alle weiteren Merkmale eines Unternehmers erfülle. Für die Nichtanwendung des § 539 Abs 2 RVO genüge es, wenn die Person nicht arbeitnehmerähnlich tätig werde. Das sei bereits dann der Fall, wenn er unternehmerähnlich auftrete, ohne Unternehmer zu sein. Regelmäßigkeit und Planmäßigkeit der Tätigkeit seien daher keine entscheidenden Abgrenzungskriterien. Zweifelhaft sei zudem, ob G. eine dem Unternehmen der Eheleute W. dienende Tätigkeit ausgeübt habe. Denn das Ergebnis seiner Tätigkeit sei auch ihm selbst und seinen Eltern zugute gekommen. Letztlich sei auch seine Zuständigkeit nicht gegeben. Der Gemeindeunfallversicherungsverband sei Träger der Unfallversicherung für Versicherte in Haushaltungen. Hausverwaltungen gehörten dagegen zur Verwaltungs-Berufsgenossenschaft.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Februar 1986 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor, daß G. nicht unternehmerähnlich, sondern nach den tatsächlichen und rechtlichen Umständen arbeitnehmerähnlich tätig gewesen sei. Eine Tätigkeit des G. als Gegenleistung für mietfreies Wohnen könne der Zeugenaussage des G. nicht entnommen werden. Die freie Gestaltung der Arbeit sei bei Gefälligkeitsleistungen der hier vorliegenden Art an der Tagesordnung. Eine unternehmerähnliche Tätigkeit des G. hätte erfordert, daß er die Materialkosten für den Zaun getragen hätte. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Aus der von dem Beklagten zitierten Rechtsprechung ergebe sich nichts dafür, daß die Tätigkeit des G. unternehmerähnlich gewesen sei. Auf seine Unzuständigkeit habe der Beklagte im bisherigen Verfahren nicht verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet.
Der seiner Höhe nach unbekannte Erstattungsanspruch der Klägerin ist nicht begründet.
Ist die Krankheit die Folge eines Arbeitsunfalls, den der Träger der Unfallversicherung zu entschädigen hat, so hat dieser, wenn der Verletzte bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 1504 Abs 1 RVO die Kosten mit Ausnahme des Sterbegeldes zu erstatten, die nach Ablauf des 18. Tages nach dem Arbeitsunfall entstehen. Ausgenommen sind die Kosten der Krankenpflege (§ 182 Abs 1 Nr 1 RVO). Die Kosten der Krankenhauspflege sind vom ersten Tag an zu erstatten.
Der bei der Klägerin für den Fall der Krankheit versicherte . hat am 23. September 1982 keinen (von dem Beklagten zu entschädigenden) Arbeitsunfall erlitten. Nach § 548 Abs 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den der Versicherte bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Wie das LSG festgestellt hat, war G. am Unfalltag damit beschäftigt, auf dem den Eheleuten W. gehörenden Hausgrundstück Bretter/Latten und Balken/Bohlen aus einem alten Holzzaun herauszuschlagen. Dies entsprach dem ausdrücklichen Willen der Eheleute W., die sich damit einverstanden erklärt hatten, daß G. entsprechend seinem Vorschlag kostenlos einen neuen Zaun errichtet, dessen Materialkosten sie tragen würden.
Ob G. bei der im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Bau eines neuen Zaunes zu sehenden Entfernung des alten Holzzaunes aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses mit den Eheleuten W. iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert war,hat das LSG nicht geprüft. Es hat dies aber wie schon das SG, wohl verneint. Denn seiner Auffassung nach war G. bei der zum Unfall führenden Tätigkeit nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO versichert gewesen. Dabei hat es jedoch nicht beachtet, daß eine Versicherung nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO jede Anwendung des § 539 Abs 2 RVO ausgeschlossen haben würde, so daß auf jeden Fall zu entscheiden war, ob die Voraussetzungen des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO gegeben waren.
Eine Versicherung aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO ist zu verneinen. Denn insoweit mangelt es an einem Abhängigkeitsverhältnis des G. zu den Eheleuten W. Maßgeblich für das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses ist, ob der Beschäftigte einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterliegt (BSGE 31, 1, 3). Aus den Feststellungen des LSG kann nichts für ein solches Abhängigkeitsverhältnis entnommen werden. Bei der Anwendung des § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO ist dagegen eine persönliche Abhängigkeit zu einem Unternehmen nicht erforderlich. Es genügt, daß eine ernstliche, dem anderen Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet wird, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht. Die verrichtete Tätigkeit muß zudem ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden können, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen; sie muß unter solchen Umständen geleistet werden, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO ähnlich ist (s BSGE 5, 168, 173; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 475n bis 476e). Arbeitnehmerähnlich ist eine Person nicht tätig, die als Unternehmer oder wie ein Unternehmer (unternehmerähnlich) tätig ist (vgl Brackmann aaO S 476a, 476c, 476h und 476i). Ob letzteres der Fall ist, kann nicht losgelöst von den tatsächlichen und rechtlichen Umständen beurteilt werden, unter denen sich die Tätigkeit vollzieht. Die isolierte Betrachtung der einzelnen Verrichtungen reicht allein nicht aus, um die Tätigkeit als arbeitnehmer- oder unternehmerähnlich zu qualifizieren (BSGE 31, 275, 277; 42, 1, 4; BSG SozR 2200 § 539 Nr 14).
Unbeschadet davon, daß die Errichtung eines Zaunes ihrer Art nach von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, lassen die Umstände des vorliegenden Falles die Arbeit des G. als unternehmerähnlich erscheinen. G. war an die Eheleute W. mit dem Anerbieten herangetreten, anstelle eines alten Holzzaunes kostenlos einen neuen Holzzaun zu errichten. Damit haben sich die Eheleute einverstanden erklärt und ihm das Geld zur Beschaffung des Materials gegeben. G. hatte damit die Verpflichtung übernommen, einen Zaun zu errichten. Die Herstellung eines versprochenen Werkes ist Gegenstand eines Werkvertrages (§ 631 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-) oder Werklieferungsvertrages (§ 651 BGB). Sofern - wie hier - eine Vergütung nicht vereinbart, sondern sogar ausgeschlossen ist, handelt es sich um die Besorgung eines Auftrags nach § 662 BGB mit Werkvertragscharakter (vgl Palandt, BGB, 46. Aufl, Einführung vor § 662, Anm 2 Buchst c). Ob alle Voraussetzungen eines Auftrags, insbesondere ein rechtlicher Bindungswille, vorgelegen haben, kann dahinstehen. Es ist auch nicht erforderlich, daß der so Tätiggewordene alle sonstigen Merkmale erfüllt, die zum Begriff eines Unternehmers gehören, wie zB eine planmäßige für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten und die Risikotragung (vgl BSGE 42, 126, 128). Für eine unternehmerähnliche Tätigkeit spricht nicht nur, daß G. bei der von ihm angebotenen Errichtung des Zaunes und den vorbereitenden Abbrucharbeiten des alten Zaunes im wesentlichen frei seine Tätigkeit planerisch gestalten und seine Arbeitszeit bestimmten konnte. Von einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit unterschied sich die Tätigkeit des G. vor allem dadurch, daß er den Eheleuten W. nicht wie ein Beschäftigter seine Dienste zur Verfügung stellte, sondern ein versprochenes Werk herstellte. Wegen der unternehmerähnlichen Tätigkeit ist ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO ausgeschlossen. Dem steht nicht, wie die Klägerin meint, entgegen, daß G. die Materialkosten ersetzt erhielt; ein Unternehmer stellt regelmäßig seinem Auftraggeber die Materialkosten in Rechnung.
Die vorinstanzlichen Urteile waren daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Eine Kostenerstattung entfällt (§ 193 Abs 4 RVO).
Fundstellen