Entscheidungsstichwort (Thema)
Fachgebietsbeschränkung. Weiterbildungsordnung. Anästhesiologie. Berufsrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung des anästhesiologischen Fachgebietes durch eine landesrechtliche Weiterbildungsordnung.
Orientierungssatz
1. Das Beschränkungsgebot in Art 29 Abs 1 des bayerischen Gesetzes über die Berufsvertretungen und über die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker (Kammergesetz) vom 9.3.1978 ist nicht verfassungswidrig.
2. Die Definition des Gebietes der Anästhesiologie in der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 1.1. 1978 läßt jedenfalls nicht ohne weiteres erkennen, ob ein Anästhesiologe außer den (generell) aufgeführten Therapieleistungen auch diagnostische Leistungen erbringen darf und in welchem Umfang dies der Fall ist.
3. Haben die "für das Grundleiden zuständigen Ärzte" ihrerseits diagnostische Leistungen erbracht bzw erbringen lassen, die aus dieser ihrer insoweit vorrangigen Verantwortlichkeit erforderlich waren und auf die der Anästhesiologe zweckmäßiger- und zumutbarerweise zurückgreifen kann, um seine nach den Regeln der anästhesiologischen Kunst (vgl § 368e Abs 1 S 1 RVO) zu erbringende Leistungen zu erfüllen, so darf der Anästhesist jedenfalls schon aufgrund des ihm obliegenden Gebotes der Wirtschaftlichkeit keine zusätzlichen diagnostischen Leistungen erbringen.
4. Eine Einschränkung der freien Berufsausübung iS des Art 12 Abs 1 S 2 GG durch Fachgebietsbegrenzungen ist nur unter der jeweiligen Abwägung zwischen dem Gesichtspunkt der Einheit des Arztberufs und dem der Spezialisierung möglich. Beide Gesichtspunkte resultieren aus dem Gebot der Sicherung einer zweckmäßigen ärztlichen Versorgung; sind sie nicht gebührend berücksichtigt, fehlt es an einer sachgemäßen Abgrenzung.
5. Der Grundsatz der Einheit des Arztberufes erfährt einen besonders schwerwiegenden Einbruch dann, wenn der Arzt sich für ein Therapiegebiet qualifiziert hat und dabei von den erforderlichen und fachlich ohne weiteres beherrschten Diagnoseleistungen abgeschnitten wird.
6. Zur Vereinbarkeit der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns mit dem GG, als sie den Anästhesisten, obwohl er fachlich dazu schon als approbierter Arzt ohne weiteres in der Lage wäre, davon ausschließt, die typischerweise für seine Anästhesieleistungen erforderlichen Laborleistungen (soweit sie im Zusammenhang mit dem Grundleiden noch nicht erbracht oder nicht verwertbar sind), selbst zu erbringen.
Normenkette
RVO § 368a; GG Art. 12 Abs. 1 S. 2; ÄWeitBiO BY; HKG BY Art. 29 Abs. 1; RVO § 368e Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 26.09.1984; Aktenzeichen L 12 Ka 28/82) |
SG München (Entscheidung vom 09.12.1981; Aktenzeichen S 31 Ka 271/80) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger, der als Anästhesist ermächtigt ist, im Rahmen der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung anästhesiologische Leistungen zu erbringen, damit auch (bestimmte) Laboruntersuchungen durchführen darf.
Die Beklagte hat es abgelehnt, die vom Kläger für das Quartal II/1979 geltend gemachten Labor- und EKG-Untersuchungen abzurechnen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß diese Leistungen in das Fachgebiet des Internisten fallen würden. Dem Widerspruch des Klägers hat der Vorstand der Beklagten insoweit stattgegeben, als die Abrechnung von EKG-Leistungen (Ziffer 651 BMA, E-GO) streitig war, wegen der Laborleistungen wurde der Widerspruch zurückgewiesen (Bescheid vom 7. Juli 1980). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Aus der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 1. Januar 1978 nebst Anlage und den dazu ergangenen Richtlinien ergebe sich nicht, daß die vom Kläger für notwendig erachteten labortechnischen Voruntersuchungen von ihm selbst durchgeführt werden dürften. Dies werde auch durch die von der Bundesärztekammer eingeholte Auskunft vom 25. März 1983 bestätigt, wonach labordiagnostische Leistungen nur von den in den Richtlinien insoweit ausdrücklich genannten Ärzten erbracht werden dürften. Zwar müsse bei der Abgrenzung der Fachgebiete eine gewisse Toleranzbreite gelten, was sich hier darin ausdrücke, daß die in Zusammenhang mit einer Bluttransfusion bzw einer Narkose stehenden serologisch-immunologischen Untersuchungsmethoden zum Gebiet der Anästhesiologie zu rechnen seien. Eine darüber hinausgehende Tätigkeit, wie sie der Kläger offenkundig begehre, sei jedoch nicht zulässig; der Anästhesist sei nicht als eine Art letzte Kontroll- und umfassende Diagnoseinstanz zu verstehen. Das ergebe sich schon aus der Definition des Fachgebietes Anästhesiologie in der Anlage zur Weiterbildungsordnung, wonach die Fachtätigkeit des Anästhesisten immer in Zusammenarbeit mit den für das Grundleiden zuständigen Ärzten erfolge. Die Operationsdiagnose zB stelle nämlich der Operateur und nicht der Anästhesist. Die Regelung, die den Tätigkeitsbereich der Gebietsärzte nach der von ihnen geführten Gebietsbezeichnung bestimmen, verstoße nicht gegen den Grundsatz der Freiheit der Berufswahl nach Art 12 Abs 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG). Auch der Grundsatz der Freiheit der Berufsausübung (Art 12 Abs 1 Satz 2 GG) werde nicht verletzt. Eine Verletzung sei bei Behandlungen anzunehmen, die in einem derart engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stünden, daß die Unterlassung als ungerechtfertigte Unterbrechung eines einheitlichen Behandlungsvorganges erscheinen müsse. Mit Ausnahme der durch die Bundesärztekammer benannten Leistungen sei dies bei den allgemeinen Laborleistungen aber nicht der Fall. Eine derartige Beschränkung sei dem Kläger auch zumutbar, da die Gebietsarztbereiche sachgemäß abgegrenzt seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe sich bei seiner Entscheidung zu Unrecht auf die Vorschriften des § 368n der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 34 Abs 1 Buchst a des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) gestützt, die beide das nicht tragen würden. Fachgebietsbegrenzungen könnten nicht bis zu den Laborleistungen hin vorgenommen werden. Die Fachgebietsbegrenzung finde ihre sachliche Rechtfertigung darin, daß sie die Spezialisierung der Ärzte auf den von ihnen gewählten Gebieten sicherstellen solle. Bei den Laborleistungen komme dieser Aspekt aber nicht zum Tragen. Die Abgrenzung, auf die sich die Beklagte berufe, sei nicht sachgemäß, sie verstoße gegen Art 12 GG.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. September 1984 - L 12 Ka 28/82 - sowie das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Dezember 1981 - S 31 Ka 271/80 - aufzuheben; den Bescheid der Beklagten vom 3. September 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 1980 in Ziffer 2 aufzuheben; die Beklagte zu verurteilen, ihm auch die übrigen im Abrechnungsquartal II/1979 erbrachten Laborleistungen zu vergüten.
Die Beklagte und die Beigeladene Ziffer 1 beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, begegnet die Regelung, wonach der Tätigkeitsbereich des Gebietsarztes durch die jeweilige Gebietsbezeichnung bestimmt und begrenzt wird, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die diesen Ärzten in den Berufsordnungen der Länder auferlegte Pflicht, ihre Tätigkeit grundsätzlich auf das jeweilige Fachgebiet zu beschränken, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- (BVerfGE 33, 125 ff, 167 - Beschluß vom 9. Mai 1972 -) und nach der ständigen Rechtsprechung des Senats verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BSGE 58, 18, 25 mwN). Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung insbesondere ausgeführt, daß den für die Begrenzung der Facharzttätigkeit auf das eigene Fach sprechenden Gründen, nämlich der optimalen Versorgung der Bevölkerung, nicht jede sachliche Berechtigung abgesprochen werden könnten, daß es sich hier vielmehr um "vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls" handele, die eine Einschränkung grundsätzlich rechtfertigen könnten und daß diese Beschränkung dem Facharzt auch zuzumuten sei, wenn die Facharztbereiche vom fachlich-medizinischen Standpunkt aus sachgerecht abgegrenzt seien und angenommen werden könne, daß der Facharzt in der auf sein Fachgebiet beschränkten Tätigkeit eine ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage finde; die gegenwärtige Gliederung der Facharztbereiche scheine diesen Forderungen im wesentlichen zu entsprechen. Je stärker die Berufstätigkeit eingeengt werde, umso gewichtiger müßten die sie rechtfertigenden Gründe sein. Diesem Grundsatz werde das Verbot der Betätigung außerhalb des Fachgebiets nur gerecht, wenn es lediglich generell, nicht aber auch in einzelnen Ausnahmefällen gelte.
Wie das LSG festgestellt hat, ist in Bayern nach der obengenannten Entscheidung des BVerfG das "Gesetz über die Berufsvertretungen und über die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker (Kammergesetz)" vom 9. März 1978 ergangen, das in seinem § 29 Abs 1 bestimmt: "Wer eine Gebietsbezeichnung führt, darf grundsätzlich nur in dem Gebiet, wer eine Teilgebietsbezeichnung führt, darf im wesentlichen nur in dem Teilgebiet tätig werden, dessen Bezeichnung er führt". Dieses Beschränkungsgebot ist, wie das LSG ebenfalls zutreffend dargelegt hat, aus den obengenannten Gründen nicht verfassungswidrig. Es hält sich insbesondere an das vom BVerfG insoweit näher bestimmte Gebot der Verhältnismäßigkeit dadurch, daß es lediglich generell, also nicht ausnahmslos in jedem Einzelfall gelten will.
Der (bayerische) Landesgesetzgeber hat es dem autonomen Satzungsrecht der Landesärztekammer überlassen, in der Weiterbildungsordnung den "Inhalt und Umfang der Gebiete, Teilgebiete und Bereiche, auf die sich die Bezeichnungen nach Art 21 beziehen", zu regeln (Art 30 Abs 1, Abs 2 Nr 1 des Kammergesetzes). Eine solche Delegation von Normsetzungsbefugnissen auf einen Berufsverband begegnet keinen rechtlichen - an dem Prinzip des demokratischen Rechtsstaates orientierten - Bedenken, da es sich insoweit um Berufsregelungen handelt, die nicht in die Freiheit der Berufswahl, sondern lediglich in die Freiheit der Berufsausübung (der Verbandsmitglieder) eingreifen und weil auch die Selbstgesetzgebung autonomer Körperschaften, deren Sachverstand für die Normsetzung genutzt werden soll, in dem freiheitlich-demokratischen Prinzip des Grundgesetzes wurzelt (BVerfGE aa0, S 159 f).
Die hier maßgebliche Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 1. Januar 1978 hatte das Gebiet der Anästhesiologie - insoweit übereinstimmend mit den Weiterbildungsordnungen anderer Länder und daher, obwohl kein Bundesrecht, der Revision zugänglich - wie folgt definiert: Die Anästhesiologie umfaßt die allgemeine und lokale Anästhesie einschließlich deren Vor- und Nachbehandlung, die Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen während operativer Eingriffe, die Wiederbelebung und Intensivtherapie in Zusammenarbeit mit den für das Grundleiden zuständigen Ärzten (Anlage zur Weiterbildungsordnung, I, 2). Diese Definition läßt jedenfalls nicht ohne weiteres erkennen, ob ein Anästhesiologe außer den (generell) aufgeführten Therapieleistungen auch diagnostische Leistungen erbringen durfte und in welchem Umfang dies der Fall war.
An diese berufsrechtliche, vom Landesgesetzgeber normierte Fachgebietsbeschränkung knüpft die kassenärztliche Zulassung an. Zwar gibt es keine entsprechende Gesetzesnorm in der RVO, und auch in der gemäß § 368c Abs 1 RVO vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Rechtsverordnung erlassenen Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ärzte) fehlt es an einer Vorschrift, welche die genannte berufsrechtliche Pflicht des Gebietsarztes zur entsprechenden Gebietsbeschränkung in das Kassenarztrecht hinüberführt (vgl aber § 18 Abs 1 ZO-Ärzte und § 24 Abs 3 ZO-Ärzte). Auch die durch § 368g Abs 3 RVO ermächtigten Vertragspartner des kassenärztlichen Systems haben im § 4 BMV-Ä, der unter der Überschrift "Rechte und Pflichten des Kassenarztes" steht und auch solche kassenärztlichen Pflichten aufführt, die in der RVO ausdrücklich genannt sind, das Gebot der Gebietsbeschränkung nicht mit aufgeführt. Wie der Senat jedoch schon in seinem Urteil vom 28. Mai 1965 - 6 RKa 1/65 - ausgeführt hat, handelt es sich bei der Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit um die Erfüllung einer besonderen öffentlich-rechtlichen Aufgabe im Rahmen des ärztlichen Berufs (BSGE 23, 97, 98 f). Das bedeutet, daß diejenigen ärztlichen Pflichten, die bereits als generelle berufsrechtliche Pflichten den speziellen Erfordernissen kassenärztlicher Tätigkeit vorausgehen, zugleich auch Bestandteil des kassenärztlichen Pflichtenkatalogs sind. Dies hat der Senat in der genannten Entscheidung dahin zum Ausdruck gebracht, daß die hier streitige Beschränkung "angesichts der Gebundenheit der kassenärztlichen Tätigkeit an die Normen des allgemein-ärztlichen Berufsrechts auch gelten (müsse), soweit der Facharzt in seiner Eigenschaft als Kassenarzt tätig (werde)". Für den Kläger gilt daher (- auch als nach § 31 ZO-Ärzte bloß ermächtigter Arzt -) das Gebot der Beschränkung auf sein Fachgebiet grundsätzlich in demjenigen Umfang, der sich aus dem allgemeinen Berufsrecht, wie oben beschrieben, ergibt. Das gilt unabhängig davon, ob in der Satzung der Beklagten dieses Beschränkungsgebot für deren Mitglieder aufgenommen wurde oder nicht.
Wie oben ausgeführt, steht damit aber noch nicht fest, ob der Anästhesiologe auch diagnostische Leistungen selbst erbringen darf. Daß er bei seiner Tätigkeit insgesamt mit den für das Grundleiden zuständigen Ärzten zusammen zu arbeiten verpflichtet ist, wie aus der entsprechenden Definition der Anlage zur Weiterbildungsordnung hervorgeht, aber auch sich aus der Natur der Sache ergibt, steht der Berechtigung zu einer (auch) diagnostischen Leistung nicht entgegen. Denn diese Zusammenarbeit ist auch im Bereich seiner (eigentlichen) therapeutischen Leistungen erforderlich und geboten. Haben die "für das Grundleiden zuständigen Ärzte" aber schon ihrerseits diagnostische Leistungen erbracht bzw erbringen lassen, die aus dieser ihrer insoweit vorrangigen Verantwortlichkeit erforderlich waren und auf die der Anästhesiologe zweckmäßiger- und zumutbarer Weise zurückgreifen kann, um seine nach den Regeln der anästhesiologischen Kunst (vgl § 368e Abs 1 Satz 1 RVO) zu erbringenden Leistungen zu erfüllen, so darf der Anästhesist jedenfalls schon aufgrund des ihm obliegenden Gebotes der Wirtschaftlichkeit keine zusätzlichen diagnostischen Leistungen erbringen. In Frage kann daher nur noch stehen, ob der (kassenärztliche) Anästhesiologe auch solche diagnostischen Leistungen erbringen darf, die nach den Regeln der anästhesiologischen Kunst erforderlich sind, die aber entweder von den für das Grundleiden im Rahmen ihrer eigenen Verantwortlichkeit zuständigen Ärzten noch nicht erbracht wurden oder zwar erbracht wurden, aber zweckmäßiger- und zumutbarer Weise nicht von ihm (- dem Anästhesiologen -) verwertet werden können.
Das LSG hat keine näheren Ausführungen darüber gemacht, was der Kläger letztlich mit seiner Klage erreichen will. Mit seinem Antrag, (den angefochtenen Bescheid in Ziffer 2 aufzuheben und) die in der Abrechnung 2/79 aufgeführten Laborleistungen zu vergüten, will der Kläger offensichtlich nicht nur ausnahmsweise eine Vergütung für die dort aufgeführten Leistungen, so daß der Streit nicht darum geht, wieviel Fremdleistungen ein Gebietsarzt ausnahmsweise abrechnen darf. Er will vielmehr die streitigen Leistungen als grundsätzlich zu seinem Gebiet gehörende Normalleistungen vergütet haben. Andererseits geht es dem Kläger aber nicht darum, die Verbindlichkeit der Gebietsbeschränkungen schlechthin oder auch nur die seines eigenen Gebietes in Frage zu stellen. Diesen Eindruck läßt das LSG freilich aufkommen, wenn es ausführt, daß der Kläger offenkundig eine fortdauernde Tätigkeit außerhalb der Grenzen des Fachgebietes begehre, daß der Anästhesist aber "nicht als eine Art letzte Kontroll- und umfassende Diagnoseinstanz zu verstehen" sei. Der Kläger will dagegen lediglich zum Ausdruck bringen, daß die streitigen Laborleistungen typischerweise als diagnostische Leistungen zu seinem Gebiet gehören. Er hat (darüber hinaus) vorgetragen, daß er die streitigen Laborleistungen deshalb habe erbringen müssen, weil er auf keine entsprechenden Laboruntersuchungsergebnisse habe zurückgreifen können. Das hat zwar das LSG nicht ausdrücklich festgestellt, doch besteht insoweit kein Streit zwischen den Beteiligten. Die Frage geht also lediglich darum, ob der Kläger die für seine anästhesiologischen (Behandlungs-)Leistungen erforderlichen labortechnischen (Diagnose-)Leistungen selbst erbringen durfte oder sie aufgrund des Gebots der Facharztbeschränkung von anderen Ärzten hätte erbringen lassen müssen.
Die Beklagte hat dem Widerspruch des Klägers insoweit stattgegeben, als der Kläger in der streitigen Abrechnung Elektrokardiographische Untersuchungen nach Nummer 651 des Bewertungsmaßstabes für kassenärztliche Leistungen 1978 (BMÄ) in Ansatz gebracht hatte. Sie hat auch ausgeführt, daß sie "nach heutiger Erkenntnis" die Labor-Leistungen Nr 3531 BMÄ (Urobilin; Harnfärbung bei Urobilinogen) und Nr 4055 (Harnsedimentuntersuchung) "als in das Fachgebiet des Anästhesiologen gehörig" ansehe, so daß sie bei neueren Abrechnungen diese Leistungen vergüte. Die (sieben) anderen Laborleistungen (Nrn 3663, 3664, 3710, 3735, 3738, 3906, 4205 BMÄ) seien jedoch "nach wie vor für den Anästhesisten als fachfremd zu bezeichnen". Damit wird deutlich, daß die Beklagte zwei verschiedene Maßstäbe an die hier streitigen Laborleistungen anlegt. Unter den Laborleistungen, die nach den Regeln der ärztlichen (- anästhesiologischen -) Kunst in gleicher Weise erforderlich sind, unterscheidet sie zwischen solchen, die (nach ihrer Ansicht) der Anästhesist erbringen darf und solchen, bei denen das nicht der Fall ist. Rechtliche Gründe für diese Differenzierung ergeben sich jedenfalls nicht ohne weiteres aus der hier maßgeblichen Weiterbildungsordnung und ihrer Anlage und auch nicht aus den dazu ergangenen Richtlinien.
Die Weiterbildungsordnung Bayerns vom 1. Januar 1978 nebst Anlage (WBO) enthielt keinen ausdrücklichen Rechtssatz dahin, daß es dem Anästhesisten verboten ist, die für seine Behandlung erforderlichen Laborleistungen zu erbringen (während die neue WBO, die nach dem mündlichen Vorbringen der Beklagten erst jüngst in Kraft getreten ist, die Formulierung enthält: ..."einschließlich gebietsbezogener Laboratoriumsuntersuchungen...")
Da, wie oben ausgeführt, der Bayerische Landesgesetzgeber durch § 29 Abs 1 des Kammergesetzes das Fachgebiets-Beschränkungsgebot ausdrücklich normiert und den ärztlichen Berufsverband auch ermächtigt hat, den jeweiligen Inhalt und Umfang zu regeln, gehört der genannte Verbots- bzw Gebotssatz zwar nicht zur Regelungsmaterie der WBO. Bei konkreter Abgrenzung der Fachgebiete (im weiteren Sinne) hätte es aber der Regelung bedurft, daß zum anästhesiologischen Fachgebiet nicht auch das Erbringen der (erforderlichen) Laborleistungen gehöre oder daß nur bestimmte Laborleistungen dazu gehören würden. Eine solche Regelung enthält die WBO aber nicht. Wie sich aus dem Gesamttext ergibt und wie auch aus der vom LSG eingeholten Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 25. März 1983 entnommen werden kann, geht ihr (formales) Regelungsprinzip dahin, durch die ausdrückliche Aufführung der jeweiligen Fachgebiets-Inhalte zugleich stillschweigend darauf zu verweisen, daß alle anderen medizinischen Bereiche fachgebietsfremd sind. Eine solche Abgrenzung allein vermag den an eine autonome Satzung zu stellenden Anforderungen der Klarheit aber dann nicht mehr gerecht zu werden, wenn es um einen Bereich wie dem der Laborleistungen geht. Die hier maßgebliche WBO definierte die Anästhesiologie ohne einen Hinweis auf den Gegenstand der Laborleistungen, und auch insoweit, als in ihr und ihren "Richtlinien" der entsprechende "Inhalt der Weiterbildung" näher bestimmt wird, erfolgte kein Hinweis darauf, daß dazu auch die jeweils erforderlichen Laboruntersuchungen gehören. Die Beklagte schließt hieraus - entsprechend dem obengenannten formalen Regelungsprinzip -, daß solche Untersuchungen nicht zum Tätigkeitsgebiet des Anästhesisten gehören. Den Widerspruch, der darin liegt, daß sie gleichwohl einen Teil der für den Anästhesisten erforderlich werdenden Laboruntersuchungen abzurechnen bereit ist, hat sie aber ebensowenig erklärt wie ihr Vorbringen, hierbei neuesten "Erkenntnissen" zu folgen.
Wie das BVerfG schon in seiner obengenannten Entscheidung zum Ausdruck gebracht hat, stellt der ärztliche Beruf unbeschadet der Spezialisierung auf einzelne Fachgebiete eine Einheit dar. Eine Einschränkung der freien Berufsausübung im Sinne des Art 12 Abs 1 Satz 2 GG durch Fachgebietsbegrenzungen ist daher nur unter der jeweiligen Abwägung zwischen dem Gesichtspunkt der Einheit des Arztberufes und dem der Spezialisierung möglich. Beide Gesichtspunkte resultieren aus dem Gebot der Sicherung einer zweckmäßigen ärztlichen Versorgung; sind sie nicht gebührend berücksichtigt, fehlt es an einer sachgemäßen Abgrenzung. Der Grundsatz der Einheit des Arztberufes zwingt dazu, jede Einschränkung der ärztlichen Tätigkeit - auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebots nach Art 3 GG - besonders zu legitimieren. Eine solche Legitimation für ein ärztliches Beschränkungsgebot liegt zwar immer schon dann vor, wenn es dem Arzt ohne zusätzliche Ausbildung an der zu fordernden fachlichen Qualifikation fehlt. Ist das aber nicht der Fall, so erfährt der Grundsatz der Einheit des Arztberufes einen besonders schwerwiegenden Einbruch dann, wenn der Arzt sich für ein Therapie-Gebiet qualifiziert hat und dabei von den erforderlichen und fachlich ohne weiteres beherrschten Diagnoseleistungen abgeschnitten wird. Für eine solche Abgrenzung sind hier keine Legitimationsgründe ersichtlich, weder in den Bestimmungen der Satzung selbst, noch in einer dazu ergangenen Begründung, - die fehlt -, noch im Vorbringen der Beklagten und der vom LSG eingeholten Stellungnahme.
Auch autonome Satzungen wie die WBO müssen sich an dem sich aus Art 20 Abs 3 GG ergebenden Gebot der ausreichenden Bestimmbarkeit messen lassen. Hätte die WBO in dem hier streitigen Punkt die Rechtsregel, auf die sich die Beklagte beruft, klar zum Ausdruck gebracht, so wäre sie dahin zu formulieren gewesen, daß der Anästhesiologe die zu seiner Behandlung erforderlichen diagnostischen Laborleistungen auch dann nicht selbst erbringen darf, wenn er ihr Erbringen fachlich ohne weitere Ausbildung beherrscht. Ist aber schon die Norm nicht hinreichend bestimmbar formuliert, so läßt sie sich schon aus diesen Gründen nur schwer einer angemessenen verfassungsrechtlichen Kontrolle darauf unterwerfen, ob die Verfassungsgrundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichheit (Art 3, 12 GG) gewahrt sind. Die Ermächtigung des Art 30 Kammergesetz, durch die der Landesgesetzgeber seine Normsetzungsbefugnis auf die Landesärztekammer delegiert, umfaßt nur eine sachgemäße Abgrenzung. Anderenfalls würde letztlich allein die Landesärztekammer über das den statusbildenden Normen nahestehende fachgebietsärztliche Beschränkungsgebot entscheiden, für welches das BVerfG in der obengenannten Entscheidung doch gerade eine gesetzesförmliche Regelung empfohlen hatte.
Das LSG wird - uU durch Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen - aufzuklären haben, aufgrund welcher tatsächlicher Umstände es sachgemäß bzw sachwidrig ist, einzelne der neun streitigen Leistungen zum Fachgebiet des Anästhesiologen zu rechnen und andere nicht. Denn darauf läuft das (nicht näher erläuterte) Vorbringen der Beklagten hinaus, "nach neuesten Erkenntnissen" zwei der Leistungen (für die Zukunft) anders zu beurteilen als die anderen Leistungen. Es wird in diesem Zusammenhang zu bedenken haben, ob die von der Beklagten eingeräumte Zugehörigkeit einzelner Diagnose-Leistungen zum anästhesiologischen Fachgebiet es nicht rechtlich geboten erscheinen läßt, die Beklagte jedenfalls insoweit antragsgemäß zu verurteilen, da kaum vorstellbar ist, daß die für eine solche Zuordnung tragenden Gesichtspunkte nicht schon in der streitigen Zeit vorgelegen haben. Eine andere Entscheidung würde sich möglicherweise nur dann ergeben, wenn man den Kassenärztlichen Vereinigungen wegen der Vorrangigkeit des ärztlichen Berufsrechts jedes Recht auf eine eigene Beurteilung der Zugehörigkeit einer Leistung zum Fachgebiet auch dann absprechen würde, wenn es sich nicht um den (geregelten) Kern der Fachgebiete handelt, sondern, wie hier, um ihren mehr oder weniger ungeregelten Randbereich. Sollte sich in diesem Zusammenhang aber erweisen, daß die restlichen Leistungen aus tatsächlich-sachlichen Gründen nicht weniger zum anästhesiologischen Fachgebiet gehören als diejenigen, deren Zugehörigkeit die Beklagte einräumt, so wird das LSG zu bedenken haben, ob damit nicht ein Rechtsgrund vorliegt (jedenfalls für die streitigen Leistungen), in vollem Umfang antragsgemäß zu erkennen. Kommt das LSG aber zu dem Ergebnis, daß die Zuordnungsfähigkeit auch nur einer der streitigen Leistungen zum anästhesiologischen Fachgebiet der hier maßgeblichen WBO entgegensteht, daß dieser Ausschluß aber wegen Sachwidrigkeit iS des Art 12 GG unzumutbar sein könnte, so wird es zu entscheiden haben, ob es eine evtl. Verfassungswidrigkeit - eine Vorlage an das BVerfG nach Art 100 GG scheidet aus, da es sich um untergesetzliches Recht handelt - selbst feststellen kann, oder ob es, weil der Gegenstand der WBO zum Kompetenzbereich der Allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit gehört, dem Kläger aufzugeben hat, das Normenkontrollverfahren für untergesetzliches Landesrecht, das § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dafür zur Verfügung stellt, aufzugreifen (und das Berufungsverfahren bis zum Abschluß des Normenkontrollverfahrens aussetzt - § 114 SGG -). Dem Kläger geht es letztlich um die Vereinbarkeit der hier maßgeblichen WBO mit dem GG, nämlich darum, ob diese Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns insoweit rechtmäßig war (oder ist), als sie dem Anästhesisten, obwohl er fachlich dazu schon als approbierter Arzt ohne weiteres in der Lage wäre, davon ausschließt, die typischerweise für seine Anästhesieleistungen erforderlichen Laborleistungen (soweit sie im Zusammenhang mit dem Grundleiden noch nicht erbracht oder nicht verwertbar sind), selbst zu erbringen. Ein nach der ZO-Ärzte zugelassener bzw beteiligter oder ermächtigter Arzt, der sich durch die Abgrenzung seines Fachgebietes benachteiligt glaubt, darf in seinem Rechtsschutz nach Art 19 Abs 4 GG nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß einerseits die Kassenärztlichen Vereinigungen auf die Vorrangigkeit des Berufsrechts verweisen, die für seinen (Gebühren-)Rechtsstreit zuständigen Sozialgerichte andererseits den berufsrechtlichen Konfliktbereich aber weitgehend unkontrolliert lassen. Auch dann, wenn die ärztlichen Gebiete nach den eigentlichen medizinischen Sachbereichen im Kern durchaus sachgerecht aufgeteilt werden, kann das jeweilige Gebiet dennoch, was die zugehörigen Leistungen im einzelnen anlangt, sachwidrig abgegrenzt sein. Die Sachgebietstrennung (als solche) wird, wie schon das BVerfG ausgeführt hat, gerechtfertigt durch das Gebot der Spezialisierung und der damit bezweckten optimalen Versorgung der Bevölkerung. Der Arzt wird durch die WBO nicht gezwungen, sich zu spezialisieren; er kann sich auch als Allgemeinarzt niederlassen. Will er sich aber spezialisieren, dann hat er auch die vorgeschriebene Spezialausbildung zu durchlaufen und sich an die Fachgebietsbeschränkung zu halten. All dies zeigt, daß die Zwecke und Folgen der Spezialisierung nicht notwendig auch dazu taugen, den spezialisierten Arzt von einzelnen Leistungen auszuschließen. Zwar wird es relativ unproblematisch sein, einzelne Leistungen dem einen oder anderen Gebiet zuzuordnen, soweit es darum geht, die Bereiche nach Krankheiten, Organen, Methoden, Patienten, Behandlungs- und sonstigen Zwecken aufzuteilen. Soweit aber, wie hier, eine Trennung zwischen Behandlung und entsprechender Diagnose vorgenommen wird, kann der Rechtfertigungsgrund dafür, diese an sich natürliche Einheit ärztlichen Tuns aufzuspalten, nicht mehr darin bestehen, daß sich bei grundsätzlich sinnvoller Aufteilung in Einzelbereiche der einzelne Arzt doch gerade freiwillig für eine Spezialisierung entscheide, dann aber auch die entsprechende Spezialausbildung durchlaufen müsse. So hat sich zwar der Arzt für Laboratoriumsmedizin oder der Arzt für Radiologie entschlossen, ausschließlich auf einem diagnostischen Gebiet tätig zu werden, das er dann freilich auch beherrschen muß. Dies gilt aber nicht in gleicher Weise für den Arzt, der sich, wie der Kläger, nicht von vornherein auf ein diagnostisches Gebiet beschränkte und der jedenfalls einen Teil der zu seiner Behandlung erforderlichen Diagnoseleistung schon aufgrund seiner ärztlichen Allgemeinausbildung beherrscht. Will er die für seine Behandlung erforderlichen und so beherrschten Diagnoseleistungen (nicht von dem dafür ausgerüsteten Kollegen erbringen lassen, sondern) selbst erbringen, so vermag es, wie ersichtlich, grundsätzlich weder der Gesichtspunkt der Spezialisierung als solcher noch der Gesichtspunkt der Beherrschung des Spezialgebietes zu rechtfertigen, ihn hiervon auszuschließen. Darüber, ob weitere tatsächliche Gesichtspunkte vorliegen, die als Rechtfertigung in Betracht kommen und ob die hier streitigen Leistungen von jedem Arzt beherrscht werden, hat das LSG aber keine Feststellungen getroffen.
Das LSG wird auch über die Kosten der Revisionsinstanz zu entscheiden haben.
Fundstellen