Leitsatz (amtlich)
Ist eine zweite Ehe des Versicherten wegen Bigamie für nichtig erklärt worden und hat der Versicherte danach der früheren Ehefrau Unterhalt geleistet, so steht die Hinterbliebenenrente nach § 65 RKG der zweiten Ehefrau auch dann zu, wenn sie das Weiterbestehen der ersten Ehe gekannt hatte. Diese Regelung und die sich daraus ergebende Kürzung der Hinterbliebenenrente der Witwe verstoßen nicht gegen das GG.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente besteht jedoch nur dann, wenn der Versicherte der früheren Ehefrau im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat.
2. Bei eheähnlichem Zusammenleben nach geschiedener Ehe muß geprüft werden, ob die Geldleistungen des Versicherten als Gegenleistung für die Haushaltsführung oder unabhängig davon gewährt wurden. Das muß auch für das Zusammenleben früherer Ehegatten nach einer für nichtig erklärten Ehe gelten. Die Feststellung des Zusammenlebens "wie Eheleute" genügt daher nicht.
Normenkette
RKG § 65 S. 1 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1265 S. 1 Fassung: 1957-02-23; RKG § 69 Abs. 4 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1268 Abs. 4 Fassung: 1957-02-23; EheG § 26 Fassung: 1976-06-14, § 23 Fassung: 1946-02-20; GG Art. 6 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin die volle Witwenrente zusteht.
Die Klägerin ist die Witwe des im Juli 1976 verstorbenen Versicherten. Die Ehe der Klägerin wurde 1931 geschlossen und dauerte bis zum Tode des Versicherten. Er heiratete im September 1947 die Beigeladene. Diese Ehe wurde auf Antrag der Klägerin durch Urteil des Landgerichts Aachen vom 22. Dezember 1959 für nichtig erklärt. Die Klage war gegen den Versicherten und die Beigeladene gerichtet, die beide, wie es in den Entscheidungsgründen des Urteils heißt und was die Beigeladene bestritten hat, bei Schließung ihrer Ehe den Fortbestand der früheren Ehe kannten. Der Versicherte und die Beigeladene lebten auch nach der Nichtigerklärung ihrer Ehe zusammen. Sie bestritten ihren gemeinsamen Unterhalt aus dem Einkommen des Versicherten. Die Klägerin und die Beigeladene stellten bei der Beklagten Antrag auf Witwenrente.
Die Beklagte gewährte mit zwei Bescheiden vom 11. Januar 1977 sowohl der Klägerin als auch der Beigeladenen Hinterbliebenenrente, wobei sie den Gesamtbetrag nach der Dauer der Ehe aufteilte.
Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 22. April 1977).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. November 1977). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 9. Juni 1978 die Berufung zurückgewiesen und ausgeführt:
Der Versicherte habe der Beigeladenen, die keinerlei eigene Einkünfte gehabt habe, im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet. Sie hätten nach der Nichtigerklärung der Ehe weiter zusammengelebt, so als wäre nichts geschehen. Damit unterscheide sich ihr Verhalten von den Fällen, in denen die Eheleute nach einer Scheidung, die sie selbst herbeigeführt hätten, einen neuen "Zweckverband" des gemeinsamen Wohnens schlössen, ohne Eheleute sein zu wollen. Der Rentenanspruch der Beigeladenen scheitere auch nicht daran, daß sie wie es in den Entscheidungsgründen des Urteils des Landgerichts Aachen heiße, bei Schließung ihrer Ehe den Fortbestand der früheren Ehe gekannt habe. Auf die Frage einer Gut- oder Bösgläubigkeit der Beigeladenen in diesem Punkt komme es dann nicht an, wenn, wie hier, die Beigeladene ihren Anspruch darauf stütze, daß sie tatsächlich von dem Versicherten im letzten Jahr vor dessen Tod Unterhalt erhalten habe. Es sei nicht einzusehen, warum diese Regelung des § 65 Satz 1 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) "unerträglich" sein solle. Im Vordergrund der Überlegungen des Gesetzgebers habe bei § 65 Satz 1 RKG die Unterhaltsersatzfunktion der Rente gestanden. Dabei gehe der Gesetzgeber davon aus, daß die vernichtbare Ehe bis zu ihrer Nichtigerklärung wie eine gültige Ehe zu behandeln sei. Hinsichtlich der Unterhaltsfrage nach der Nichtigerklärung der Ehe gehe § 65 Satz 1 RKG bewußt über die Unterhaltsregelung in § 26 des Ehegesetzes (EheG) hinaus, indem auch die ohne rechtliche Verpflichtung geleisteten Unterhaltszahlungen rentenrechtliche Folgen auslösten. Es sei nicht ersichtlich, daß § 65 Satz 1 RKG gegen Art 6 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße. § 65 Satz 1 RKG gehe nicht etwa davon aus, daß Bigamie zulässig sei, sondern knüpfe lediglich an Unterhaltsfragen an, die nach einer wegen Doppelehe nichtigen Ehe entstünden. Habe aber die Beigeladene gemäß § 65 Satz 1 RKG einen Rentenanspruch, so trete ein Fall des § 69 Abs 4 RKG ein. Jeder der beiden Rentenberechtigten erhalte im Verhältnis zu dem anderen nur eine Teilrente, die dem Verhältnis entspreche, in dem die Dauer der eigenen Ehe zu der des anderen Berechtigten stehe.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 65 Satz 1 RKG und des Art 6 Abs 1 GG. Sie trägt vor:
Die bigamische Ehe sei nach ihrer Nichtigerklärung mit rückwirkender Kraft als nicht geschlossen anzusehen, so daß allenfalls aus der faktischen Lebensgemeinschaft, nicht aber aus rechtlichen Gesichtspunkten, Ansprüche zwischen dem Dritten und dem Ehegatten bestehen könnten. Wenn aber beide, der Dritte wie der Ehegatte, bei Eingehen der vernichtbaren Ehe das Bestehen der früheren Ehe gekannt hätten und in Kenntnis dieser Tatsache trotzdem die Ehe geschlossen hätten, so könne dies für die insoweit unbeteiligte rechtmäßige Ehefrau keine nachteiligen Folgen haben. Die Ehefrau, die von ihrem Ehemann jahrelang bei bestehender Ehe getrennt gelebt habe, habe den vollen Rentenanspruch, selbst wenn der Verstorbene in dieser Zeit ständig mit einem neuen Partner zusammengelebt habe. Habe aber dieser Partner eine rechtlich verbotene und sogar strafbare Handlung, nämlich das Eingehen einer zweiten Ehe bei noch bestehender Ehe, begangen, so könne sich nicht deshalb der Rentenanspruch des rechtmäßigen Ehegatten vermindern.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach
den Schlußanträgen der Klägerin in der
Berufungsinstanz zu erkennen,
hilfsweise,
die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
In der Berufungsinstanz hat die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom
7. November 1977, den Widerspruchsbescheid vom
22. April 1974 und den der Beigeladenen erteilten
Rentenbescheid vom 11. Januar 1977 zu ändern
sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr die
volle Witwenrente nach A S zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene ist nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. Der Klägerin steht die volle Witwenrente nach dem Versicherten A S nur zu, wenn die Beigeladene keinen Anspruch nach § 65 RKG hat. Die Feststellungen des LSG reichen zu einer abschließenden Entscheidung nicht aus.
Nach § 65 Satz 1 RKG ist einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 für nichtig erklärt worden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente zu gewähren, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat.
§ 65 RKG ist nicht seinem Sinne nach dahin auszulegen, daß er die frühere Ehefrau nur dann begünstigt, wenn vom Versicherten nicht nur tatsächlich Unterhalt gewährt wurde, sondern wenn nach dem Eherecht ein Anspruch auf Unterhalt bestanden hatte. Die Klägerin sieht eine solche einschränkende Auslegung des § 65 Satz 1 RKG deshalb als notwendig an, weil nur auf diesem Wege der Frau der Anspruch auf Hinterbliebenenrente versagt werde, die bei Schließung der Ehe gewußt habe, daß ihre Ehe mit dem Versicherten vernichtbar sei. Der Wortlaut des Gesetzes spricht zunächst gegen eine solche Auslegung. § 65 Satz 1 RKG stellt geschiedene, für nichtig erklärte und aufgehobene Ehen ohne Einschränkung einander gleich. In allen drei Fällen gibt er der früheren Ehefrau dann einen Hinterbliebenenrentenanspruch, wenn sie - aus Gesetz oder aus sonstigen Gründen - einen Unterhaltsanspruch hatte oder wenn der Versicherte tatsächlich Unterhalt geleistet hatte (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 1). § 65 Satz 1 RKG macht keinen Unterschied, welche Umstände bei der Schließung oder Nichtigerklärung der Ehe vorgelegen haben, sondern knüpft lediglich an die Unterhaltssituation vor dem Tode des Versicherten an.
Wollte man aus dem von der Klägerin dargelegten Grunde einen Hinterbliebenenrentenanspruch der Ehefrau bei wegen Bigamie für nichtig erklärter Ehe nur auf den Fall des Nichtwissens beschränkt zulassen, so dürfte auch dann der früheren Ehefrau, der das Weiterbestehen der ersten Ehe bekannt war, keine Rente gewährt werden, wenn die (ehemaligen) Eheleute angesichts der Nichtigerklärung ihrer Ehe eine Unterhaltsvereinbarung getroffen haben. Bei der ersten Alternative des § 65 Abs 1 RKG ist es angesichts der gesetzlichen Unterhaltsregelung in § 26 iVm § 58 EheG aF ohnehin eine Leistungsvoraussetzung, daß die frühere Ehefrau (der zweiten Ehe) das Bestehen der ersten Ehe nicht gekannt hatte. Bei den beiden anderen Alternativen müßte diese weitere Voraussetzung - die Unkenntnis - in den § 65 RKG hineininterpretiert werden. Gegen die Annahme, daß der Gesetzgeber den § 65 RKG in dieser eingeschränkten Weise verstanden wissen will, spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
Während nach dem bis zum 31. Dezember 1956 gültig gewesenen Recht außer der Witwe nur die geschiedene Ehefrau des Versicherten eine Hinterbliebenenrente erhalten konnte, waren schon im Entwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten (BT-Drucksache Nr 196/56), dessen § 1269 Abs 1 später als § 1265 Reichsversicherungsordnung (RVO) Gesetz wurde und dem § 65 RKG entspricht, die Fälle der Scheidung, der Nichtigkeit und der Aufhebung der Ehe einander gleichgesetzt. Es ist kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, daß der Gesetzgeber damals die Folgen der Gleichsetzung nicht voll erkannt hat. Wenn auch nicht völlig auszuschließen ist, daß er die Folgen nicht gesehen hat, die sich ergeben, wenn die Frau die Nichtigkeit der Ehe gekannt hat, so liegt jedoch die Annahme näher, daß er, obwohl ihm die Regelung des § 26 EheG gegenwärtig war, gleichwohl den Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht an die gleichen Voraussetzungen wie den Unterhaltsanspruch nach § 26 EheG knüpfen wollte. Da somit eine "planwidrige Unvollständigkeit", eine "Regelungslücke" in § 65 Satz 1 RKG nicht zu erkennen ist (vgl dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Auflage 1979, Kap 5, 2; S 354), scheidet eine Fortbildung des Rechts über den Wortlaut hinaus aus. Schon bei Schaffung der heutigen Regelung setzte man also gescheiterte (geschiedene) und mängelbehaftete (nichtige) Ehen in den versicherungsrechtlichen Folgen einander gleich, ohne daß ersichtlich ist, dies sei aus Versehen geschehen.
Der Senat verkennt nicht, daß die Rechtsposition der Klägerin als der Ehefrau, deren Ehe mit dem Versicherten bis zu dessen Tode rechtsgültig bestanden hat, nach der Wertung des Gesetzgebers allgemein schutzwürdiger ist als die der Beigeladenen, die lediglich auf Nachwirkungen einer für nichtig erklärten Ehe beruht. Dennoch läßt sich die Aufteilung der Hinterbliebenenrente für den Fall der tatsächlichen Unterhaltsleistung an die Beigeladene im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten rechtfertigen, selbst wenn die Beigeladene die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung gekannt hat. Entscheidend ist insoweit die Funktion der Hinterbliebenenrente, den infolge des Todes weggefallenen Unterhalt zu ersetzen. Hat der Versicherte zu seinen Lebzeiten der früheren Ehefrau aus der für nichtig erklärten Ehe Unterhalt geleistet, so ist dadurch in der Regel die Ehefrau der noch bestehenden - gültigen - Ehe schon zu Lebzeiten beeinträchtigt gewesen. Der an die frühere Ehefrau geleistete Unterhalt wird von der Rechtsordnung nicht schon ohne weiteres mißbilligt, wie sich auch daraus ergibt, daß unter bestimmten Voraussetzungen aus der für nichtig erklärten Ehe Unterhaltspflichten folgen (vgl §§ 26, 58 EheG). Dieser Zustand wird in gewisser Weise nach dem Tode des Versicherten fortgesetzt und auf die Rentenleistung übertragen. Es entspricht durchaus nicht dem Sinn und Zweck der Hinterbliebenenrente, der Klägerin durch den Tod ihres Ehemannes einen wirtschaftlichen Vorteil in der Weise zu verschaffen, daß ihr nun in Form der Rente die wirtschaftliche Leistungskraft des Versicherten allein zugute kommt. Vielmehr sollen nur auf Seiten der Klägerin der weggefallene Unterhaltsanspruch oder Unterhalt und auf Seiten der Beigeladenen die tatsächliche Unterhaltsleistung ersetzt werden.
§ 65 RKG ist auch nicht insoweit verfassungswidrig, als er der bei der Eheschließung bösgläubigen Ehefrau einer bigamischen Ehe, zum Teil zum Schaden der ersten Ehefrau, einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente gibt, wenn sie im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten von diesem Unterhalt erhalten hat. Art 6 Abs 1 GG hat dreifache verfassungsrechtliche Bedeutung. Er enthält sowohl eine Institutsgarantie wie ein Grundrecht auf Schutz vor störenden Eingriffen des Staates und darüber hinaus eine wertentscheidende Grundsatznorm für das ganze die Ehe und Familie betreffende Recht (BVerfG 6, 55, 71 f; 24, 119, 135). Zum Wesen der Ehe, wie sie durch Art 6 Abs 1 GG geschützt ist, gehört ihre monogamische Form. Die Ehe nach Art 6 Abs 1 GG ist die Einehe (BVerfG 29, 166, 176). Sie ist eine grundsätzlich dauernde und vollkommene Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau (BGHZ 37, 52, 55). Aus diesen Grundsätzen folgt aber nicht, daß der zweiten bigamischen Ehe sämtliche Wirkungen abgesprochen werden müssen. Beim Konflikt zwischen zwei nach den Förmlichkeiten des staatlichen Rechts geschlossenen Ehen kann es dem Gesetzgeber daher nicht verwehrt werden, an das Bestehen oder frühere Bestehen der Ehe, sei es auch einer vernichtbaren Ehe, Wirkungen zu knüpfen. Es mag in vielen Fällen unbillig sein, wenn eine Frau, die das Bestehen der ersten Ehe gekannt hat, aus der vernichtbaren, von ihr eingegangenen zweiten Ehe rechtliche Ansprüche herleitet, die die Rechte der ersten Ehefrau schmälern. Der Gesetzgeber ist aber nicht durch die Verfassung verpflichtet, die erste Ehefrau vor jedem Nachteil zu bewahren, der aus der Tatsache folgt, daß ihr Ehemann unter Umgehung rechtlicher Vorschriften eine weitere Verbindung eingegangen ist. Weder wird durch solche Nachwirkungen der vernichtbaren Ehe das Institut der Ehe beeinträchtigt noch greift der Staat störend in eine bestehende Ehe ein noch trifft er eine Wertentscheidung, die mit der des Art 6 Abs 1 GG unvereinbar ist. Die Vorkehrungen, die der Gesetzgeber gegen das Eingehen einer weiteren Ehe getroffen hat, sind im allgemeinen ausreichend. Wenn es in Einzelfällen dennoch gelingt, eine zweite Ehe einzugehen, so entstehen daraus Folgen, die gesetzlich zu regeln notwendig ist.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist bisher davon ausgegangen, daß auch bei der Vernichtung oder Beendigung einer bigamischen Ehe der früheren Ehefrau der nicht vollgültigen Ehe ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente zustehen kann, der sich auf tatsächliche Zahlungen des Versicherten vor seinem Tode gründet (BSGE 38, 242, 243 = SozR 2200 § 1265 Nr 1; SozR 2200 § 1268 Nr 9 = § 1265 Nr 27; SozR 2200 § 1268 Nr 12 = § 1265 Nr 44). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
Ob jedoch der Versicherte der Beigeladenen auch nach der Nichtigerklärung seiner zweiten bigamisch geschlossenen Ehe iS des Gesetzes Unterhalt gewährt hat, geht aus den Feststellungen des LSG nicht eindeutig hervor. Unterhalt leistet nur derjenige Versicherte, der den wirtschaftlichen Lebensbedarf seiner früheren Ehefrau unabhängig davon befriedigt, ob diese eine Gegenleistung erbringt (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 45 mwN). Die Tatsache allein, daß frühere Eheleute zusammenleben und nur das Einkommen des einen die Grundlage der Haushaltführung bildet, bedeutet nicht in jedem Falle, daß der eine dem anderen Unterhalt gewährt. Die geldliche Leistung des einem Erwerb nachgehenden Teils an den anderen kann als Gegenleistung für Dienstleistungen des anderen im Haushalt erfolgen. Es ist nicht auszuschließen, daß das LSG das nicht gesehen hat. Auch wenn frühere Eheleute (äußerlich) "wie Eheleute" zusammen leben, können die beiderseitigen Leistungen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Bei Eheleuten werden kraft Gesetzes die Leistungen, die jeder für den anderen erbringt, als Unterhalt angesehen. Denn der Rechtsgrund für diese gegenseitigen Dienste ist unmittelbar durch die beiderseits vorhandene Unterhaltspflicht gegeben. Anders bei Geschiedenen oder solchen, deren Ehe für nichtig erklärt wurde. Wenn sie in einem Verhältnis leben, das dem von Eheleuten in der äußeren tatsächlichen Ausgestaltung entspricht, so kann das bedeuten, daß sie ihre Leistungen austauschen oder daß sie die Leistungen, die jeder für den anderen erbringt, nicht als Gegenwert für die empfangenen Dienste gewähren, sondern unabhängig vom Wert der Gegenleistung, unmittelbar aus der - wenn auch ohne Rechtspflicht übernommenen - Verantwortung für den anderen. Liegt der letztere Fall vor, so entspricht auch das zwischen den ehemaligen Eheleuten bestehende Leistungsverhältnis zwar nicht kraft gegenseitiger rechtlicher Verpflichtung, wohl aber kraft beiderseitigen tatsächlichen Verhaltens, hinsichtlich der Unterhaltsgewährung dem von Eheleuten. Ihre beiderseitigen Leistungen sind unabhängig von einer Gegenleistung erbracht und damit Unterhalt. Die Regel wird das zwischen früheren Eheleuten nicht sein, wohl aber kann die Tatsachenwürdigung durch das Gericht ergeben, daß das Verhältnis zwischen den früheren Ehegatten so geregelt war (BSGE 19, 185 = SozR Nr 13 zu § 1265 RVO). Der 4. Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 1966 (BSG Soz Entsch 5 § 1265 Nr 38) die Auffassung vertreten, die Tatsache, daß das frühere Ehepaar sich überhaupt nicht getrennt habe, rechtfertige die Annahme, daß weder der Versicherte Hausarbeit abgelten wollte noch die frühere Ehefrau die Absicht hatte, gegen Entgelt zu arbeiten. Liegt dagegen ein Verhältnis vor, das durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet ist, kann Unterhalt nur das sein, was über den Wert der Gegenleistung des anderen hinausgeht, also insoweit ohne Gegenleistung erbracht ist (vgl BSG Mitt BKn 1970, 81). Das LSG hat zwar festgestellt, die Beigeladene und der Versicherte hätten keinen "Zweckverband" des gemeinsamen Wohnens gegründet, sondern "wie Eheleute" miteinander gelebt. Doch geht aus diesen Ausführungen nicht deutlich genug hervor, ob das LSG insoweit eine Feststellung über das tatsächliche Verhältnis zwischen der Beigeladenen und dem Versicherten treffen wollte (an die das BSG gebunden wäre, § 163 SGG) oder ob es irrtümlich einen Rechtssatz des Inhaltes angenommen hat, daß ehemalige Eheleute, die (äußerlich) wie Eheleute zusammen leben, mit ihren Leistungen sich auch stets Unterhalt gewähren.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen