Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 19.11.1990) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. November 1990 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Gewährung der Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit hat.
Der 1938 geborene Kläger war seit 1964 mit Unterbrechung in den Jahren 1975/1976 und von 1982 bis 1985 als Kraftfahrer tätig. Im Jahr 1979 hat er die Abschlußprüfung als Berufskraftfahrer (Güterverkehr) abgelegt. Zuletzt war er von Januar 1985 bis April 1986 bei einem Speditionsunternehmen beschäftigt. Im Anschluß daran war er von Juli 1986 bis Dezember 1987 als Kraftfahrer bei dem Unternehmen J.H. Rohrleitungsbau GmbH & Co KG beschäftigt. Er wurde nach der Lohngruppe M III des Anhangs zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (Lohngruppenverzeichnis BRTV) entlohnt. Seinen Antrag auf Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente vom Juli 1987 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Februar 1988 ab.
Auf seine Klage hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. August 1987 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Die weitergehende Klage auf Gewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat es abgewiesen (Urteil vom 2. April 1990). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. November 1990).
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Der Kläger rügt die Verletzung des § 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 2. April 1990 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist insoweit begründet, als das Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit nach § 170 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden muß. Das LSG hat bei seiner Entscheidung § 1246 Abs 2 RVO nicht richtig angewandt.
Zutreffend hat das LSG als bisherigen Beruf des Klägers den des Kraftfahrers angesehen, den er nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG nicht mehr ausüben kann. Soweit der Kläger bei seiner letzten Tätigkeit neben dem Fahren eines Lkws auch noch Tätigkeiten im Rohrleitungsbau verrichtet hat, hat dies das LSG zu Recht für unbeachtlich gehalten. Der Kläger war jedenfalls auch zuletzt überwiegend als Lkw-Fahrer tätig. Damit bestimmte diese Tätigkeit den letzten Beruf des Klägers im Rahmen von § 1246 Abs 2 RVO.
Zu Unrecht ist das LSG davon ausgegangen, daß der bisherige Beruf des Klägers als Kraftfahrer – mit Berufskraftfahrerprüfung – der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen ist und nicht der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung auch Versicherte, die in Tätigkeitsbereichen ohne anerkannte Ausbildung oder mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren gearbeitet haben, im Rahmen des für die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO maßgebenden Berufsgruppenschemas der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zugeordnet, wenn diese Tätigkeiten den anerkannten Ausbildungsberufen mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung tarifvertraglich qualitativ gleichgestellt sind (vgl die Urteile in BSGE 43, 243 = SozR 2200 § 1246 Nr 16, BSGE 58, 239 = SozR aaO Nr 129 und SozR aaO Nr 164 und zuletzt Senatsurteile vom 14. Mai 1991 – 5 RJ 82/89 ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫, 5 RJ 41/90 und 5 RJ 59/90 –). Dieser Rechtsprechung hat sich auch der 13. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) angeschlossen (vgl die Urteile vom 28. Mai 1991 – 13/5 RJ 17/90 und 13/5 RJ 69/90 –).
Der Kläger ist nach den Feststellungen des LSG zuletzt nach der Lohngruppe M III Lohngruppenverzeichnis BRTV entlohnt worden. Dieses ist auch die für ihn maßgebende Lohngruppe. Denn sie umfaßt einerseits Kraftfahrer mit Berufskraftfahrerprüfung nach zweijähriger Tätigkeit (M III/2) und Kraftfahrer, die selbständig Reparaturen ausführen können (M III/3). Der Kläger gehörte in diese Gruppe, denn er war bereits mehr als zwei Jahre als Kraftfahrer tätig. Der Senat hat bereits in seinem in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 151 veröffentlichten Urteil entschieden, daß zwar die Kraftfahrer der Lohngruppe M IV/2 Lohngruppenverzeichnis BRTV nicht zur Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters gehörten, wohl aber die in die Lohngruppe M III eingestuften Kraftfahrer. Dies ergibt sich daraus, daß die Lohngruppe III Lohngruppenverzeichnis BRTV die eigentliche Facharbeiterlohngruppe im Baugewerbe ist.
Auch das LSG ist davon ausgegangen, daß die für die Tätigkeit des Klägers maßgebende Lohngruppe eine Lohngruppe ist, die durch Facharbeiter geprägt ist. Es meint aber, daß in dem Fall, in dem ein Beruf allein wegen seiner Ausbildungsdauer nicht als Facharbeiterberuf iS der Rechtsprechung angesehen werden könne, eine abweichende tarifvertragliche Einstufung der Tätigkeit nicht maßgebend sein kann. Dem folgt der Senat mit seiner Rechtsprechung nicht. Der Senat sieht vielmehr nicht nur bei Tätigkeiten ohne anerkannte Ausbildung, sondern auch bei solchen Tätigkeiten mit einer durch eine Ausbildungsordnung geregelten Ausbildung bis zu zwei Jahren eine tarifvertraglich vereinbarte höhere Einstufung dieser Tätigkeit für die Beurteilung des Werts des Berufes als maßgeblich an.
Das Urteil des LSG ist auch nicht aus anderen Gründen richtig. Die vom LSG genannten Verweisungstätigkeiten sind dem Kläger nicht zumutbar, wenn seine zuletzt verrichtete Tätigkeit hinsichtlich ihres Werts der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zugeordnet wird. Es sind ungelernte Arbeiten, die tarifvertraglich nicht den Tätigkeiten gleichgestellt sind, die eine echte Anlernzeit von mehr als drei Monaten erfordern.
Das LSG wird zu prüfen haben, ob für den Kläger, ausgehend von seiner Zugehörigkeit zur Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters, zumutbare Verweisungstätigkeiten in Betracht kommen.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen