Leitsatz (amtlich)
1. Ein Rechtsanwalt kann vor dem BSG auch in eigener Sache rechtswirksam Prozeßhandlungen vornehmen.
2. Ein neuer Verwaltungsakt wird nach SGG § 96 nur insoweit Gegenstand des schwebenden Verfahrens, als er den Streitstoff beeinflussen kann. Ist nur ein Teil des Verwaltungsakts angefochten, so muß der neue Verwaltungsakt an die Stelle des angefochtenen Teiles des abgeänderten Verwaltungsakts treten; es muß sich hierbei um einen selbständigen, trennbaren Teil des Anspruchs handeln.
Normenkette
SGG § 96 Fassung: 1953-09-03, § 164 Fassung: 1953-09-03, § 166 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 4. November 1954 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Durch Bescheid des Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamts Berlin-Nord vom Jahre 1943 sind beim Kläger "Brustfellschwarte nach Rippenfellentzündung, Halsdrüsentuberkulose und Wirbeltuberkulose" als Wehrdienstbeschädigungen im Sinne der Entstehung anerkannt und Versorgungsbezüge nach der Versehrtenstufe III gewährt worden. Der Kläger, dessen Eltern im russisch besetzten Sektor Berlins wohnten, hat sich am 16. Dezember 1949 dort polizeilich abgemeldet und in Berlin (West) von diesem Tage ab zum Zwecke des Studiums und der Ableistung des Vorbereitungsdienstes als Referendar eine befristete Zuzugsgenehmigung erhalten. Auf seinen Antrag vom 15. August 1950 hat das Versorgungsamt I (VersorgA.) Berlin mit vorläufigem Bescheid vom 19. September 1951 die durch die anerkannten Beschädigungsfolgen verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) auf 70 v. H. und den Beginn der Versorgung auf den 1. Oktober 1951 festgesetzt. Durch endgültigen Bescheid des VersorgA. vom 19. März 1952 ist dem Kläger nach dem BVG schon vom 1. Oktober 1950 ab eine Beschädigtenrente in Höhe von 70 v. H. gewährt, eine solche jedoch für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1950 nach dem Gesetz über die Versorgung von Kriegs- und Militärdienstbeschädigten sowie ihren Hinterbliebenen vom 24. Juli 1950 (KVG) abgelehnt worden, da der Kläger in dieser Zeit seinen Hauptwohnsitz nicht in Groß-Berlin (West) gehabt habe. Den Einspruch des Klägers gegen diesen Bescheid hat das Landesversorgungsamt Berlin durch Entscheidung vom 19. Januar 1953 mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Kläger vom 16. Dezember 1949 bis 30. Juni 1951 lediglich im Besitz einer befristeten Zuzugsgenehmigung für Berlin (West) gewesen sei und daher in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1950 seinen Hauptwohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 4 KVG nicht in Berlin (West) gehabt habe. Die unbefristete Zuzugsgenehmigung sei ihm erst am 12. Juli 1951 erteilt worden.
Das Versorgungsgericht Berlin hat durch Urteil vom 30. Oktober 1953 die Klage auf Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem KVG abgewiesen. § 9 der auf Grund des § 53 KVG vom Magistrat Berlin erlassenen Durchführungsverordnung vom 13. Dezember 1950 bestimme, daß Berlin (West) als Hauptwohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 4 KVG dann anzusehen sei, wenn der Antragsteller nach dem 30. September 1945 seinen ständigen Wohnsitz in Berlin (West) auf Grund einer unbefristeten Zuzugsgenehmigung begründet und seitdem beibehalten habe. Unstreitig habe der Kläger die unbefristete Zuzugsgenehmigung erst am 12. Juli 1951 erhalten. Da der Begriff "Hauptwohnsitz" durch das KVG nur für das Gebiet des Versorgungsrechts geschaffen worden sei, komme es auf den Begriff des Wohnsitzes im Sinne des § 7 BGB nicht an.
Das Urteil des Versorgungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 1953 ist dem Kläger am 3. Dezember 1953 zugestellt worden. Er hat mit einem am 4. Januar 1954 eingegangenen Schriftsatz vom 3. Januar 1954 Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens ist am 15. Mai 1954 ein Bescheid des VersorgA. ergangen, durch den die Minderung der Erwerbsfähigkeit vom 1. April 1954 ab nur noch auf 50 v. H. festgesetzt und dem Kläger wegen Verringerung seines Einkommens mit Wirkung vom 1. März 1954 eine Ausgleichsrente gewährt worden ist. Das Landessozialgericht (LSG.) Berlin hat durch Urteil vom 4. November 1954 die Berufung als unzulässig verworfen. Es hat die Revision zugelassen und zur Begründung seines Urteils ausgeführt:
Dem Kläger sei die Versorgungsrente nach dem KVG für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1950 - also für einen bereits abgelaufenen Zeitraum - nicht gewährt worden. Die Berufung gegen das Urteil des Versorgungsgerichts Berlin sei nach § 148 Nr. 2 SGG nicht zulässig, da bei einer Änderung von Vorschriften des Prozeßrechts das neue Recht grundsätzlich vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an auch auf anhängige Verfahren anzuwenden sei, soweit keine abweichenden Übergangsvorschriften ergangen seien. Derartige Vorschriften seien für den Fall einer nach dem 1. Januar 1954 eingelegten Berufung nicht ergangen. Es könne daher dahingestellt bleiben, welche Bedeutung den §§ 215, 218 SGG zukomme; denn diese Vorschriften fänden nur Anwendung auf solche Fälle, in denen bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGG Berufung eingelegt gewesen sei.
Der Kläger, der inzwischen Rechtsanwalt geworden ist, hat gegen das ihm am 24. November 1954 zugestellte Urteil des LSG. Berlin mit einem beim Bundessozialgericht (BSG.) am 24. Dezember 1954 eingegangenen Schriftsatz selbst Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung den Anträgen erster und zweiter Instanz stattzugeben.
Er hat die Revision - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 24. Februar 1955 - mit einem an diesem Tage beim BSG. eingegangenen Schriftsatz begründet. Er rügt, daß das LSG. seine Berufung zu Unrecht als unzulässig verworfen habe. Nach § 218 Abs. 6 SGG seien die bei dem Oberversorgungsgericht Berlin anhängigen Fälle vom LSG. zu übernehmen. Diese Vorschrift finde nicht nur Anwendung, wenn die Berufung bereits vor dem Inkrafttreten des SGG beim Oberversorgungsgericht eingelegt worden sei, sondern auch dann, wenn die Berufungsfrist am 1. Januar 1954 noch nicht abgelaufen gewesen und die Berufung nach dem Inkrafttreten des SGG am letztmöglichen Tage eingelegt worden sei. Wenn das LSG. meine, das SGG greife hinsichtlich der Zulässigkeit von Rechtsmitteln in bei seinem Inkrafttreten noch anhängige Verfahren ein, so trage es damit den besonderen Berliner Verhältnissen, die in § 218 Abs. 6 SGG zum Ausdruck gekommen seien, nicht hinreichend Rechnung.
Der Beklagte hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt, daß bei einer nach dem 1. Januar 1954 eingelegten Berufung hinsichtlich ihrer Zulässigkeit die Vorschriften des SGG maßgebend seien. Die Berufung des Klägers sei daher nach § 148 Nr. 2 SGG unzulässig. Daran ändere sich auch dadurch nichts, daß die Berufung nach früherem Verfahrensrecht zulässig gewesen sei.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist fristgerecht eingelegt worden. Auch verstößt die vom Kläger als Rechtsanwalt selbst eingelegte Revision nicht gegen die Formvorschrift des § 166 SGG. In Abs. 1 dieser Vorschrift ist für die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, die Vertretungspflicht vor dem BSG. durch Prozeßbevollmächtigte festgelegt. § 166 Abs. 2 SGG bestimmt, wer als Prozeßbevollmächtigter vor dem BSG. zugelassen ist. Hierzu gehört jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt. Eine dem § 78 Abs. 3 ZPO entsprechende Vorschrift, daß ein bei dem Prozeßgericht zugelassener Rechtsanwalt sich selbst vertreten kann, fehlt in § 166 SGG. Zwar ist nach § 202 SGG, soweit dieses Gesetz keine Vorschriften über das Verfahren enthält, die ZPO entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Insoweit bestehen hier auch keine grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten. Es erscheint jedoch nicht angängig, diese Vorschrift über § 202 SGG im Rahmen des § 166 anzuwenden, da die Vertretungspflicht vor dem BSG. ausdrücklich und umfassend in § 166 SGG geregelt ist. Aus Sinn und Zweck des § 166 SGG läßt sich jedoch ohne entsprechende Anwendung des § 78 Abs. 3 ZPO über § 202 SGG folgern, daß ein Rechtsanwalt vor dem BSG. in eigener Sache rechtswirksam Prozeßhandlungen vornehmen kann. § 166 SGG soll lediglich sicherstellen, daß die meist rechtsunkundigen Versicherten und Versorgungsberechtigten in Revisionsverfahren durch fachkundige Personen vertreten werden. Aus diesem Grunde enthält auch § 166 Abs. 1 SGG eine Ausnahme vom Vertretungszwang für die Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, weil sich diese durch entsprechend vorgebildete Beamte und Angestellte vertreten lassen können. Es entspricht daher dem Sinn und Zweck des Gesetzes, wenn ein Rechtsanwalt sich in eigener Sache vor dem BSG. nicht durch einen anderen Anwalt vertreten lassen muß. Auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit, in der vor den Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht nach § 11 Abs. 2 ArbGG Vertretungspflicht besteht, wird eine sinngemäße Anwendung des § 78 Abs. 3 ZPO für zulässig gehalten, obwohl § 11 Abs. 2 ArbGG ebensowenig wie § 166 SGG eine dem § 78 Abs. 3 ZPO entsprechende Vorschrift enthält (vgl. Dersch-Volkmar, Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz, 6. Aufl. S. 365 Anm. 19 zu § 11).
Da hiernach die Revision formgerecht eingelegt und begründet worden ist, ist sie zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Der Kläger rügt, daß das LSG. seine Berufung gegen das Urteil des Versorgungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 1953 zu Unrecht als unzulässig verworfen habe. Er ist der Auffassung, daß bei dem Übergang anhängiger Fälle vom Oberversorgungsgericht Berlin auf das LSG. nach § 218 Abs. 6 SGG eine nach früherem Verfahrensrecht zulässige Berufung auch nach dem 31. Dezember 1953 zulässig bleibe und daß diese Vorschrift auch auf solche Fälle Anwendung finden müsse, in denen die Berufung gegen ein Urteil des Versorgungsgerichts erst nach Inkrafttreten des SGG am 1. Januar 1954 innerhalb der über diesen Zeitpunkt hinaus noch laufenden Berufungsfrist eingelegt worden sei. Diese Rüge des Klägers geht fehl. § 218 Abs. 6 SGG betrifft nach seinem klaren Wortlaut lediglich Fälle, die beim Inkrafttreten des SGG bereits beim Oberversorgungsgericht anhängig gewesen sind. Der Kläger hat jedoch erst am 4. Januar 1954 - am letzten Tage der Berufungsfrist (der 3. Januar 1954 war ein Sonntag) - gegen das ihm am 3. Dezember 1953 zugestellte Urteil des Versorgungsgerichts vom 30. Oktober 1953 Berufung eingelegt. Da das Oberversorgungsgericht mit dem Inkrafttreten des SGG am 1. Januar 1954 aufgehört hat zu bestehen und von diesem Zeitpunkt ab das LSG. Berlin an seine Stelle getreten ist, konnte die vorliegende Streitsache, in der erst am 4. Januar Berufung eingelegt worden ist, nicht mehr beim Oberversorgungsgericht anhängig werden und damit auch nicht nach § 218 Abs. 6 SGG auf das LSG. übergehen. Beim Inkrafttreten des SGG war die Streitsache vielmehr noch beim Versorgungsgericht Berlin anhängig. Sie ist nach § 218 Abs. 5 SGG in dem Schwebezustand, in dem sie sich zu diesem Zeitpunkt befand, auf das Sozialgericht Berlin übergegangen und nach Anfechtung des versorgungsgerichtlichen Urteils am 4. Januar 1954 kraft der Anfallwirkung des eingelegten Rechtsmittels beim LSG. Berlin anhängig geworden, ohne daß es einer erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das SG. bedurfte (BSG. Bd. 1 S. 208; vgl. auch Urteil des 2. Senats vom 22. Januar 1957 - 2 RU 92/55 -). Auch wenn der Übergang der Sache auf das LSG. in der dargelegten Weise erfolgt ist, unterscheidet sie sich hinsichtlich des Verfahrensstandes nicht von den Fällen, die am 1. Januar 1954 bereits beim Oberversorgungsgericht anhängig waren und nach § 218 Abs. 6 SGG unmittelbar auf das LSG. übergegangen sind. Bei den nach dieser Vorschrift übergegangenen Sachen richtet sich die Zulässigkeit der Berufung nach den Vorschriften des SGG. § 218 Abs. 6 SGG entspricht dem für das Land Bayern und das frühere Land Württemberg-Baden, in denen vor dem Inkrafttreten des SGG ebenso wie in Berlin ein zweistufiger Rechtszug bestand, geltenden § 215 Abs. 3 SGG. Die Vorschrift des § 218 Abs. 6 SGG kann daher für das Land Berlin nicht anders ausgelegt werden als § 215 Abs. 3 SGG, zu dem das BSG. in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, daß sich die Zulässigkeit der Berufung bei den von den Landesversicherungsämtern Bayern und Württemberg-Baden auf die zuständigen LSG. übergegangenen Streitsachen nach den §§ 144-150 SGG richtet (BSG. Bd. 1 S. 62, 208 und 264). Da somit in den Fällen des § 218 Abs. 6 SGG die Rechtslage nicht anders zu beurteilen ist (BSG. Bd. 1 S. 78 und 208) und der vorliegende Rechtsstreit - wie oben dargelegt worden ist - sich hinsichtlich des Verfahrensstandes nicht von den Fällen des § 218 Abs. 6 SGG unterscheidet, hat das LSG. zutreffend § 148 Nr. 2 SGG angewendet. Denn das Urteil des Versorgungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 1953 betrifft nur Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume, nämlich für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1950. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil, die nach § 45 KVG zulässig gewesen wäre, ist daher nach § 148 Nr. 2 SGG unzulässig geworden.
Das BSG. hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß in Übergangsfallen die Berufung dann zulässig ist, wenn die Streitsache grundsätzliche Bedeutung hat und die Berufung in entsprechender Anwendung des § 150 Nr. 1 SGG zuzulassen gewesen wäre (BSG. Bd. 1 S. 62, 78, 208 und 264). Dieser Grundsatz erleidet bei Berufungen gegen Urteile des Versorgungsgerichts Berlin keine Ausnahme, obwohl auch das frühere Berliner Verfahrensrecht in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung eine besondere Zulassung der Berufung kannte (§ 45 Abs. 2 KVG). Denn die Zulassung nach § 45 Abs. 2 KVG war auf die dort angeführten Fälle an sich unzulässiger Berufungen beschränkt, die nicht die gleichen sind wie die im SGG in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung vorgesehenen Fälle unzulässiger Berufungen. Das LSG. Berlin hat daher in Übergangsfällen zu prüfen, ob eine nach den Vorschriften des SGG unzulässige Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen gewesen wäre (BSG. Bd. 2 S. 129).
Diese Prüfung hat das LSG. nicht vorgenommen. Der erkennende Senat hat an seiner Stelle nunmehr selbst zu prüfen, ob dem Rechtsstreit im vorliegenden Falle eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, daß die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder daß für eine erhebliche Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (BSG. Bd. 2 S. 129). Meist wird die grundsätzliche Bedeutung auf rechtlichem Gebiet liegen; es wird aber hierbei auch die wirtschaftliche Auswirkung der Entscheidung über eine Streitfrage nicht ganz außer Acht gelassen werden können (vgl. Stein-Jonas, Kommentar zur ZPO, 18. Aufl., § 546 Anm. VI 2 a). Die Parteien streiten im vorliegenden Fall darüber, ob dem Kläger eine Versorgungsrente nach dem KVG für die Monate Juli bis September 1950 zusteht. Da das KVG mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 längst außer Kraft getreten ist und dieses Gesetz überhaupt nur drei Monate Geltung hatte, kann der Entscheidung der Frage, ob der Kläger auf Grund der bei ihm vorliegenden besonderen Verhältnisse in dieser Zeit seinen Hauptwohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 4 KVG in Berlin (West) hatte, keine grundsätzliche Bedeutung mehr im Zeitpunkt der Verkündung der angefochtenen Entscheidung, der für die Prüfung der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits maßgebend ist (BSG. Bd. 2 S. 129), beigemessen werden. § 150 Nr. 1 SGG kann somit keine entsprechende Anwendung finden. Die Entscheidung des LSG., daß die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Versorgungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 1953 als unzulässig zu verwerfen war, ist daher nicht zu beanstanden.
Während des Berufungsverfahrens ist am 15. Mai 1954 ein Bescheid des VersorgA. I Berlin ergangen, durch den dem Kläger vom 1. April ab eine Versorgungsrente nach dem BVG auf Grund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um nur noch 50 v. H. (bisher 70 v. H.) gewährt worden ist. Das LSG. hat nicht geprüft, ob dieser Bescheid nach § 96 in Verbindung mit § 153 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist mit der Folge, daß das LSG. verpflichtet gewesen wäre, über den Bescheid vom 15. Mai 1954 mit zu entscheiden. Hierbei wäre es rechtlich ohne Bedeutung, daß die Berufung gegen das Urteil des Versorgungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 1953 unzulässig ist (Urteil des 2. Senats vom 24. Oktober 1956 - 2 RU 114/55 -). Die Frage, ob ein solcher Verfahrensmangel ausdrücklich gerügt werden müßte oder schon von Amts wegen zu berücksichtigen wäre, kann hier dahingestellt bleiben, da hinsichtlich des Bescheides vom 15. Mai 1954 kein Fall des § 96 SGG vorliegt (vgl. hierzu auch das Urteil des 4. Senats vom 25. Oktober 1956 - 4 RJ 126/55 -). Wird nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so wird nach § 96 SGG auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Dasselbe gilt für das Berufungsverfahren. Durch den dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Bescheid vom 19. März 1952 ist dem Kläger vom 1. Oktober 1950 ab nach dem BVG eine Beschädigtenrente in Höhe von 70 v. H. gewährt, eine solche jedoch für die Monate Juli bis September 1950 nach dem KVG abgelehnt worden. Der Kläger hat diesen Bescheid ausdrücklich nur wegen der Versagung einer Rente nach dem KVG angefochten und gegen die nach dem BVG gewährte Rente keine Einwendungen erhoben. Der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 15. Mai 1954 betrifft lediglich die dem Kläger nach dem BVG zustehende Rente, also den Teil des Bescheids vom 19. März 1952, der nicht im Streit befangen ist. Nach § 96 SGG wird aber der neue Verwaltungsakt nur Gegenstand des schwebenden Verfahrens, soweit er den Streitstoff beeinflussen kann (vgl. BT.-Drucks. 4357/53, Begründung zu § 43 Abs. 1 SGO am Ende). Ist nur ein Teil des Verwaltungsakts angefochten, so muß der neue Verwaltungsakt an die Stelle des angefochtenen Teils des abgeänderten Verwaltungsakts treten; es muß sich hierbei um einen selbständigen, trennbaren Teil des Anspruchs handeln (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 1 zu § 96). Der angefochtene Teil des Bescheides vom 19. März 1952 ist selbständig und trennbar, da es sich hierbei lediglich um den im Streit befindlichen Anspruch des Klägers auf eine Versorgungsrente nach dem KVG handelt. Der Bescheid vom 15. Mai 1954, der lediglich die nicht im Streit befangene Versorgungsrente des Klägers nach dem BVG betrifft, ist daher nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Eine andere Auslegung des § 96 SGG würde zur Folge haben, daß ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Klage- oder des Berufungsverfahrens werden könnte, obwohl die in dem neuen Verwaltungsakt getroffene Regelung zwischen den Parteien nicht streitig ist und sich überhaupt nicht auf den Streitgegenstand des schwebenden Verfahrens bezieht. Die Gerichte müßten also dann gegebenenfalls auch Verwaltungsakte in ihre Entscheidung einbeziehen, durch die sich der Kläger gar nicht beschwert fühlt. Dies würde dem Sinn des § 96 SGG widersprechen, der lediglich bezweckt, den durch einen neuen Verwaltungsakt Beschwerten davor zu schützen, daß er durch das Vertrauen auf die bereits eingelegten Rechtsbehelfe einen Nachteil erleidet.
Da somit die Revision des Klägers in vollem Umfange unbegründet ist, war sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen