Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilung der Beratungspflicht von Amts wegen
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage des Herstellungsanspruchs bei Mängeln des Verwaltungsverfahrens (Ermittlungsfehler, unzureichende Begründung, Verfahrensverzögerung) und infolge dieser Fehler unterbliebener Beratung.
2. Zur Frage, welche Beurteilung der Rechtslage bei der Entscheidung zugrundezulegen ist, ob eine Beratung von Amts wegen zu erfolgen hatte.
3. Zur Bedeutung von Aufklärung und Beratung im sozialen Leistungssystem.
Leitsatz (redaktionell)
Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen einer in den USA lebenden rassisch Verfolgten nach §§ 9 und 10 WGSVG bei Fristversäumung (31.12.1975) und Herstellungsanspruch.
Orientierungssatz
Beurteilungsgrundlage für die Frage nach dem Bestehen einer Pflicht zur Beratung von Amts wegen ist - anders als bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bereits erteilten rechtlichen Auskunft, für deren Richtigkeit die Verwaltung einzustehen hat (vgl BSG vom 1979-10-12 12 RK 47/77 = BSGE 49, 76, 78) - nicht schlechthin die objektiv gegebene, möglicherweise erst später geklärte Rechtslage ohne Rücksicht auf den subjektiven Erkenntnisstand der Verwaltung zu der Zeit, als die Erteilung eines Rates oder Hinweises in Betracht kam.
Normenkette
WGSVG § 9 Fassung: 1970-12-22, § 10 Fassung: 1970-12-22; SGB 1 § 14 Fassung: 1975-12-11
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 23.06.1983; Aktenzeichen L 1 J 12/83) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 12.01.1983; Aktenzeichen S 6 (12) J 166/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin aufgrund eines Herstellungsanspruchs berechtigt ist, Beiträge zur Rentenversicherung nach den §§ 9/10 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) nachzuentrichten.
Der Herstellungsanspruch wird vor allem darauf gestützt, daß der Beklagten im Rahmen eines Verfahrens über die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente Fehler unterlaufen sind, die dazu geführt haben, daß die Klägerin nicht über die Nachentrichtungsmöglichkeiten nach dem WGSVG beraten wurde.
Die Klägerin (geboren 1906) gehört zum Personenkreis der rassisch Verfolgten des Nationalsozialismus iS des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Sie wanderte am 24. September 1938 nach Kolumbien aus und lebt heute in den USA.
Im Mai 1967 beantragte sie zunächst Berufsunfähigkeitsrente. Im Rahmen dieses Verfahrens holte die Beklagte eine gutachtliche Stellungnahme der Entschädigungsbehörde in Düsseldorf ein. Aus ihr ergibt sich, daß die Klägerin bis 1. August 1938 unselbständig beschäftigt war und am 24. September 1938 ausgewandert ist. Im wesentlichen gleiche Angaben machte die Klägerin auf einem Formular der Beklagten und versicherte ihre Richtigkeit an Eides statt. Dazu überreichte sie eine Heiratsurkunde, aus der sich ergibt, daß sie am 1. August 1938 in Wuppertal geheiratet hat. Es lag auch ein Zeugnis vom 1. März 1938 vor, in dem die damalige Arbeitgeberin bescheinigte, daß das Arbeitsverhältnis nur im Falle der Auswanderung gelöst werden würde. Der Anwalt der Klägerin hatte ferner eine Aufenthaltsbescheinigung des Einwohnermeldeamts Wuppertal eingereicht, aus der hervorging, daß die Klägerin dort vom 1. September 1936 "bis 1. Mai 1938" gemeldet war.
Mit Rentenbescheid vom 19. September 1969 wurde Berufsunfähigkeitsrente bewilligt. Der Rentenbescheid enthielt zwar einen Versicherungsverlauf (mit einer Beitragszeit von 165 Monaten), jedoch keinen gesonderten Hinweis, daß, entgegen den Angaben im Antrag, nur die Zeit bis 1. Mai 1938 als Beitragszeit anerkannt worden war. Von einer Rückfrage an den Anwalt ist nichts ersichtlich.
Anfang April 1971 meldete sich bei der Beklagten der Rechtsanwalt Ch, B, der aber danach offenbar nicht weiter für die Klägerin tätig geworden ist.
Unter dem 25. August 1971 prüfte die Beklagte von Amts wegen, ob eine Umwandlung der Berufsunfähigkeitsrente in Altersruhegeld in Betracht kam. Dies wurde mangels Erfüllung der Wartezeit von 180 Kalendermonaten verneint und vermerkt, daß weiter nichts zu veranlassen sei. Unter dem 3. Januar 1972 schrieb die Klägerin der Beklagten, daß sie, soweit sie informiert sei, nach Vollendung des 65. Lebensjahres "nun Anspruch auf die volle Altersrente" habe. In der Folgezeit wurden ihr aber nur Rentenerhöhungen aufgrund der jährlichen Anpassungen der Rente mitgeteilt und Lebensbescheinigungen von ihr eingeholt sowie Adressenänderungen registriert. In bezug auf die beantragte Rentenumwandlung wurde nichts veranlaßt. Im Februar und Juni 1977 gingen erneute Schreiben der Klägerin ein mit der Bitte, ihre Rente auf ein Altersruhegeld umzustellen.
Im August 1977 meldete sich der Rechtsbeistand K, B, der die Klägerin auch in der Folgezeit vertreten hat.
Am 24. August 1977 erging ein Bescheid über eine Nachzahlung, der zugleich die Entscheidung enthielt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Altersruhegeld nicht erfüllt seien. Es wurde angefragt, ob der Antrag der Klägerin auf Altersrente als Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente angesehen werden sollte. Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin daraufhin beantragt hatte, statt der bisher gewährten Berufsunfähigkeitsrente "von Anfang an" eine Erwerbsunfähigkeitsrente zu gewähren, wandelte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 1977 die Rente wegen Berufsunfähigkeit mit Wirkung vom 1. Februar 1972 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit um.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage (Klageschrift vom 14. Dezember 1977). Er rügte, daß die versicherungspflichtige Beschäftigung nur bis 1. Mai 1938 und nicht bis 1. August 1938 anerkannt worden war. Dazu teilte er mit, er habe beim Einwohnermeldeamt in Wuppertal erfahren, daß die frühere Auskunft des Amtes auf einem Lesefehler beim Ablesen eines Mikrofilms beruhe. Er überreichte eine neue Bescheinigung, aus der sich ergab, daß die Klägerin seinerzeit bis 1. August 1938 gemeldet gewesen war.
Am 15. Januar 1979 und am 30. Mai 1979 ergingen weitere Bescheide über die Neuberechnung der bis Januar 1972 gezahlten Berufsunfähigkeitsrente und der danach gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente (Beitragszeit vom 2. Mai bis 1. August 1938). Die Anerkennung einer Ersatzzeit ab 2. August bis zur Auswanderung am 24. September 1938 wurde zunächst noch abgelehnt. Immerhin wurden nunmehr Ermittlungen nach der Arbeitgeberin eingeleitet. Diese ergaben, daß die damalige Arbeitgeberin inzwischen am 6. Dezember 1971 in Wuppertal verstorben war. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde auch die Zeit vom 2. August bis 23. September 1938 als Zeit einer verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit (Ersatzzeit nach § 1251 Abs 1 Nr 4 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) anerkannt.
Ein Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen wurde erstmalig im Mai 1979 gestellt, und zwar unter Hinweis auf das deutsch-amerikanische Sozialversicherungsabkommen und auf § 10 WGSVG.
Mit Bescheid vom 28. April 1981 lehnte die Beklagte den Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen gem § 10 WGSVG ab. Sie begründet dies damit, daß der Antrag erst nach Ablauf der Ausschlußfrist des § 10 Abs 1 WGSVG (31. Dezember 1975) gestellt worden sei.
Auf den Widerspruch der Klägerin gestattete die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 1981 die Nachentrichtung von Beiträgen gem Art 16 der Durchführungsvereinbarung zum deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommen. Im übrigen wies sie den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 6. August 1981).
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf -SG- vom 12. Januar 1983; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen -LSG- vom 23. Juni 1983). Das LSG hat die Auffassung bestätigt, daß der Nachentrichtungsantrag, soweit er sich auf § 10 WGSVG stützt, verspätet gestellt worden sei, weil die Klägerin die Frist nach § 10 Abs 1 Satz 4 WGSVG (31. Dezember 1975) versäumt habe.
Eine Wiedereinsetzung komme insoweit nicht in Betracht, weil § 27 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) erst ab 1. Januar 1981 in Kraft getreten sei. Auch eine Nachsichtgewährung nach Treu und Glauben scheide aus, da die Frist für die Nachholung des versäumten Antrages um mehr als ein Jahr überschritten worden sei (BSG SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 49 und BSG DAngVers 82, 394).
Das LSG verneinte aber auch ein Recht auf Nachentrichtung aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Beklagte sei nicht aus Anlaß des Umwandlungsantrages der Klägerin vom 3. Januar 1972 verpflichtet gewesen, auf die Möglichkeit der Nachentrichtung hinzuweisen. Es sei zum damaligen Zeitpunkt weder offensichtlich noch klar zu Tage liegend gewesen, daß die Klägerin zur Ausübung des Nachentrichtungsrechts berechtigt gewesen sei. Für die Beurteilung dieser Frage könne nur der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt des Beratungsbedürfnisses maßgebend sein. Nachträgliche Tatsachenfeststellungen und Rechtserkenntnisse könnten nicht dazu führen, ursprünglich vorhandene Zweifel und Unklarheiten als geklärt anzusehen. Der Akteninhalt habe im Jahre 1972 ein Nachentrichtungsrecht nicht erkennen lassen. Im Bescheid über die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente vom 19. September 1969 sei lediglich eine Beschäftigungszeit bis Mai 1938 anerkannt worden. Daraus habe sich eine Lücke von mehreren Monaten zwischen Ende der Beschäftigung und Auswanderung ergeben; deswegen sei eine Nachentrichtungsberechtigung (damals) zu verneinen gewesen. Selbst wenn man aber davon ausgehe, daß die Beklagte weiter hätte ermitteln müssen und deshalb die Nichtanerkennung der versicherungspflichtigen Beschäftigungszeit bis 1. August 1938 ihr zuzurechnen sei, sei doch ungeklärt geblieben, ob die Klägerin zwischen dem 1. August 1938 und dem 24. September 1938 verfolgungsbedingt arbeitslos gewesen sei. Eine solche verfolgungsbedingte Arbeitslosigkeit habe die Klägerin seinerzeit nicht einmal behauptet. Hinzu komme, daß wegen der am 1. August 1938 erfolgten Heirat zweifelhaft gewesen sei, ob die Klägerin in der Zeit danach noch die Absicht gehabt habe, eine Beschäftigung aufzunehmen.
Der Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, daß sie erst im Gerichtsverfahren die Zeit vor der Auswanderung als verfolgungsbedingte Ersatzzeit anerkannt habe. Dies sei erst durch die Anfügung des Abs 3 an § 1251 RVO aufgrund des WGSVG, also ab 1. Februar 1971, möglich geworden.
Schließlich sei die Klägerin nicht gehindert gewesen, mit Aussicht auf Erfolg rechtzeitig einen Nachentrichtungsantrag nach § 10 WGSVG zu stellen; denn die Feststellungen im Bescheid über die Berufsunfähigkeitsrente vom 19. September 1969 hätten keine Bindungswirkung für das Nachentrichtungsrecht gehabt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin weiterhin geltend, daß ihr ein Herstellungsanspruch zustehe. Sie habe von Anfang an vorgetragen, daß sie bis zum Sommer 1938 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und aus rassischen Gründen ausgewandert sei. Nachdem sie im Januar 1972 um eine höhere Rente ersucht habe, hätte die Beklagte sie (die aus einfachen Verhältnissen stamme und als Hausangestellte tätig gewesen sei) auf ihre Nachentrichtungsberechtigung hinweisen müssen, von der sie auch Gebrauch gemacht hätte.
Die Klägerin beantragt dem Sinne nach, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. April 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 1981 zu verurteilen, die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen nach den §§ 9/10 WGSVG zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt sie vor, die Ausdehnung der Beratungspflicht von Amts wegen durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) führe zu Ungleichbehandlungen, weil nur ein kleiner Teil der Versicherten, nämlich diejenigen, die auf irgendeine Weise mit der Behörde in Kontakt kämen, den Vorzug einer Beratung von Amts wegen haben könnten. Auch sei eine solche Beratung im Rahmen einer weitgehend über elektronische Datenverarbeitung laufenden Massenverwaltung nicht mehr möglich. Es könnten weder jeweils Merkblätter beigefügt werden, wenn ein Angehöriger einer bestimmten durch ein Gesetz begünstigten Personengruppe mit einem damit nicht unmittelbar im Zusammenhang stehenden Anliegen an die Behörde herantrete, noch könne der Sachbearbeiter bei jedem Vorgang die Akten durchsehen, ob ein Beratungsbedürfnis bestehe.
Im übrigen macht die Beklagte geltend, daß es auch für die Folgen des Herstellungsanspruchs zeitliche Grenzen geben müsse. Sie regt an, in Anlehnung an die zeitlichen Grenzen für die rückwirkende Korrektur von nicht begünstigenden Verwaltungsakten (§ 44 Abs 4 SGB 10) die Auswirkungen auf vier Jahre zu begrenzen, so daß im konkreten Fall nur Fehler aus der Zeit seit 1. Januar 1975 Berücksichtigung finden könnten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.
Mit dem LSG ist davon auszugehen, daß die Klägerin nur über einen Herstellungsanspruch zum Erfolg kommen kann. Die Voraussetzungen für die Nachentrichtung von Beiträgen nach §§ 9/10 WGSVG sind wegen Fristversäumnis nicht gegeben; denn nach § 10 Abs 1 Satz 4 WGSVG (in Kraft seit dem 4. Mai 1975, § 19 Nr 1 des Gesetzes vom 28. April 1975, BGBl I 1018) hätte der Antrag bis zum 31. Dezember 1975 gestellt sein müssen. Auch eine Nachsichtgewährung nach Treu und Glauben scheidet hier aus, weil zwischen Fristablauf und erstmaligem Antrag (Mai 1979) mehrere Jahre vergangen sind (vgl dazu Urteil des Senats SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 49, ferner Urteile vom 9. Dezember 1981 - 12 RK 38/80 - und vom 28. April 1982 - 12 RK 77/80 -, DAngVers 82, 394).
Der Herstellungsanspruch kann hier allerdings nicht auf eine positiv falsche Information seitens der Beklagten gestützt werden, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat. Die Klägerin beruft sich selbst nicht darauf, eine solche Information erhalten zu haben, durch die sie irregeleitet worden ist. Auch ein Beratungsersuchen der Klägerin, das nicht oder unzutreffend beschieden wurde, liegt nicht vor.
Der Herstellungsanspruch kann auch nicht darauf gestützt werden, daß die Beklagte die Klägerin im Rahmen des mit Bescheid vom 19. September 1969 abgeschlossenen Verfahrens über die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente unzureichend beraten habe; denn die hier streitigen Rechte sind erst durch das am 1. Februar 1971 in Kraft getretene WGSVG geschaffen worden.
Das LSG hat weiter erwogen, ob die Beklagte von sich aus (von Amts wegen) verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin auf die Möglichkeit einer Beitragsnachentrichtung nach dem WGSVG hinzuweisen, nachdem diese im Januar 1972 einen "Anspruch auf die volle Altersrente" statt der ihr bis dahin gezahlten Berufsunfähigkeitsrente erhoben und damit ein (neues) Verwaltungsverfahren auf Rentenumwandlung (§ 1254 Abs 2 RVO) eingeleitet hatte. Das LSG hat jedoch eine Hinweispflicht der Beklagten verneint, weil diese sich nach ihrem damaligen, hier allein maßgebenden Erkenntnisstand keineswegs zu einem Hinweis hätte gedrängt fühlen müssen, da weitere Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht und auch rechtliche Erwägungen erforderlich gewesen wären. Eine unter diesen Umständen feststellbare Berechtigung zur Nachentrichtung könne nicht als offensichtlich oder klar zutage liegend angesehen werden.
Diese Begründung reicht indes nicht aus, um den daraus vom LSG gezogenen Schluß (Ablehnung des Herstellungsanspruchs) zu rechtfertigen. Das LSG hat nicht berücksichtigt, daß auch andere Verfahrensfehler einen Herstellungsanspruch auslösen können, zB dann, wenn die Behörde durch eigene Ermittlungsfehler die Ursache dafür setzt, daß ein Beratungsbedürfnis nicht erkannt wurde (Urteil des erkennenden Senats vom 15. Dezember 1983 - 12 RK 1/81). Differenzierter als nach Ansicht des LSG ist vor allem auch die Frage zu beantworten, welche rechtlichen Verhältnisse zugrunde zu legen sind, wenn darüber zu entscheiden ist, ob die Verwaltung einen Rat oder auch nur Hinweis auf die Möglichkeit einer bestimmten rechtlichen Gestaltung, insbesondere die rechtzeitige Stellung eines Antrags (uU aber auch umgekehrt die erst spätere Stellung oder gar Unterlassung eines Antrags, vgl dazu BSGE 48, 211, 213 und SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 9), hätte geben sollen. Beurteilungsgrundlage für die Frage nach dem Bestehen einer Pflicht zur Beratung von Amts wegen ist allerdings - anders als bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bereits erteilten rechtlichen Auskunft, für deren Richtigkeit die Verwaltung einzustehen hat (BSGE 49, 76, 78) - nicht schlechthin die objektiv gegebene, möglicherweise erst später geklärte Rechtslage ohne Rücksicht auf den subjektiven Erkenntnisstand der Verwaltung zu der Zeit, als die Erteilung eines Rates oder Hinweises in Betracht kam.
Soweit die Erteilung eines Rates oder Hinweises die Kenntnis bestimmter Tatsachen voraussetzt, trägt für deren richtige und vollständige Aufklärung in erster Linie die Verwaltung - wegen und nach Maßgabe ihrer Pflicht zur Amtsermittlung - die Verantwortung. Genügt sie nicht den Anforderungen, die an ihre Ermittlungspflichten zu stellen sind, oder unterläuft ihr insoweit ein Fehler, so hat sie dafür einzustehen. Dabei kann hier offen bleiben, ob man einen Herstellungsanspruch unmittelbar aus dem Fehler der Verwaltung herleitet, oder ihr versagt, sich gegenüber dem Vorwurf unzureichender Beratung auf die durch eigenes Verhalten verursachte Unkenntnis zu berufen. Daß auch eine pflichtwidrige Unterlassung von Ermittlungen in einem früheren Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen ist, wenn es sich darum handelt, welcher tatsächliche Kenntnisstand dem Versicherungsträger in einem späteren Verfahren zuzurechnen ist, hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 15. Dezember 1983 - 12 RK 1/82 -).
Im vorliegenden Fall hätte der Beklagten, wie auch das LSG in einer Hilfsbegründung zugunsten der Klägerin mit Recht angenommen hat, schon im Jahre 1972, die - erst später festgestellte - Tatsache, daß die Klägerin nicht nur bis zum 1. Mai, sondern bis zum 1. August 1938 rentenversicherungspflichtig beschäftigt war, bekannt sein können, wenn sie nämlich in dem früheren, mit dem Bescheid vom 19. September 1969 abgeschlossenen Rentenverfahren die zunächst widersprüchlichen Angaben über die Dauer des Aufenthalts der Klägerin in Wuppertal (1. Mai 1938 oder August 1938) zum Anlaß für weitere Ermittlungen genommen hätte. Hierzu war sie verpflichtet; insbesondere hätte sie die sich aus den Unterlagen deutlich ergebenden Widersprüche durch Rückfragen bei der Klägerin oder ihrer damals noch in Wuppertal lebenden früheren Arbeitgeberin aufklären können und müssen. Es wäre dann zum Zeitpunkt des Umwandlungsantrages im Jahre 1972 klar gewesen, daß die Klägerin bis 1. August 1938 beschäftigt gewesen war.
Zu prüfen ist allerdings noch, ob und inwieweit diese Ermittlungsfehler der Beklagten dadurch unbeachtlich geworden sind, daß die Klägerin selbst Möglichkeiten zur Aufklärung der Irrtümer nicht genutzt hat. Dabei kommen jedoch nur solche Unterlassungen in Betracht, die es erlauben, der Klägerin oder ihrem Rechtsvertreter den Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen (BSGE 34, 124). Ein solcher Vorwurf ist indessen nach dem bisher festgestellten Sachverhalt nicht zu erheben.
Zunächst kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, daß sie sich nicht gegen die - im Bescheid vom 19. September 1969 enthaltene - fehlerhafte Feststellung des Endes ihrer Beschäftigung im Jahre 1938 gewandt hat. Die Beklagte hat es nämlich versäumt, in ihrem Bescheid ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß sie in Abweichung von Angaben der Klägerin nur eine Beschäftigung bis zum 1. Mai 1938 angenommen hatte. Lediglich der dem Bescheid beigefügte Versicherungsverlauf weist eine entsprechende Dauer der Beschäftigung aus. Damit war aber für einen Laien und auch für einen in Rentenfragen wenig erfahrenen Anwalt die fragliche Abweichung nicht genügend deutlich gemacht worden; der Vorwurf grober Fahrlässigkeit - wegen Nichtanfechtung des Bescheides - kann deshalb nicht gegen sie erhoben werden, es sei denn, die Klägerin hätte damals den Fehler tatsächlich erkannt oder bei dem für sie tätig gewordenen Anwalt hätte es sich um einen Rentenspezialisten gehandelt, wozu bisher Feststellungen fehlen.
Die Beklagte wird ferner nicht dadurch entlastet, daß die Klägerin, nachdem sie im Januar 1972 in vorsichtiger, rechtliche Unsicherheit verratender Form ("soweit ich informiert bin") einen "Anspruch auf die volle Altersrente" geltend gemacht hatte, darauf erst im Februar 1977 - nach Vollendung des 70. Lebensjahres - zurückgekommen ist. Wenn ein schriftlicher Antrag bei dem zuständigen Sozialleistungsträger eingeht, ist es in erster Linie dessen Aufgabe, für die Bearbeitung dieses Antrages zu sorgen. Eine Verzögerung der Bearbeitung ist insoweit immer eine wesentliche Ursache für die sich daraus für den Antragsteller ergebenden Nachteile, weil eine Mitwirkungspflicht des Bürgers in dem Sinne, daß er die Behörde an ihre Pflichten zu erinnern hat, weder im Gesetz vorgesehen noch als ungeschriebener Rechtsgrundsatz anerkannt ist. Etwas anderes gilt lediglich bei mündlicher Antragstellung (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 15. Dezember 1983 - 12 RK 37/82 -).
Schließlich kann sich aber die Beklagte auch nicht unter Hinweis auf die damals - bis Ende 1975 - noch herrschende Rechtsauffassung entlasten. Schon die Erläuterungen zu § 9 WGSVG im Verbandskommentar nach dem Stand vom 1. Juli 1973 sprechen nur davon, daß die Verfolgung für die Beendigung oder Unterbrechung der Beschäftigung ursächlich gewesen sein müsse; vgl ferner Mitt der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1971, 204, 205: Eine unmittelbare zeitliche Aufeinanderfolge zwischen dem Ende bzw der Unterbrechung der Versicherungspflicht und dem Verfolgungsgrund brauche nicht vorzuliegen, letzterer müsse nur, was im Einzelfall glaubhaft zu machen sei, Ursache sein; DAngVers, 1971, 109, 112 unter Nr 5: Es sei nicht erforderlich, daß sich die Ersatzzeit nach § 28 Abs 1 Nr 4 AVG unmittelbar an die unterbrochene oder beendete Beschäftigung anschließe; es genüge, wenn die Ersatzzeit noch in dem Kalendermonat beginne, der auf den Monat folge, in dem die Beschäftigung unterbrochen oder beendet worden sei.
Hinzu kommt, daß die später erfolgte Anerkennung der Zwischenzeit zwischen Ende der Beschäftigung und Auswanderung als Ersatzzeit auch schon 1972 geboten gewesen wäre, weil die rechtlichen Voraussetzungen bereits damals durch das WGSVG geschaffen worden waren.
Für die Frage, ob die Verwaltung einen Rat oder Hinweis zu geben hat, kommt es entgegen der Auffassung des LSG nicht allein darauf an, wie sie die Rechtslage selbst beurteilt. Zwar hat die Behörde insoweit, anders als bei einer von ihr erteilten rechtlichen Auskunft, nicht für die Richtigkeit der von ihr vertretenen Rechtsauffassung einzustehen, sondern kann von dem damals, dh im Zeitpunkt des Beratungsbedürfnisses, bestehenden Meinungsstand ausgehen. Sie ist deshalb nicht zu Hinweisen auf mögliche rechtliche Zweifel verpflichtet, soweit sie sich einer einhelligen oder eindeutig herrschenden Meinung anschließt. Sofern aber im beachtlichen Umfang bedeutsame Gegenstimmen aus Schrifttum und Rechtsprechung vorliegen, kann sie nicht mehr davon ausgehen, daß bei Zugrundelegung ihrer eigenen Rechtsauffassung ein Beratungsbedürfnis nicht besteht (BSG SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 9, S 28 unten/ 29 oben unter Berufung auf BSGE 48, 211, 213).
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang ferner auf die Rechtsprechung des Senats, wonach eine Beratung auch erfolgen muß, wenn zwar nicht sicher ist, ob im konkreten Fall ein Beratungsbedürfnis vorliegt, der Versicherte jedoch einer Gruppe angehört, für die die betreffende Information in einer großen Zahl von Fällen Bedeutung hat (vgl Urteil vom 26. Oktober 1982 - 12 RK 37/81 - SozR 1200 § 14 Nr 13).
Hiernach erscheint ein vorsorglicher Hinweis auch in den Fällen geboten, in denen seine Erteilung von einer bestimmte Auslegung einer Vorschrift abhängt, die fragliche Auslegung aber schon vor der endgültigen höchstrichterlichen Klärung naheliegt. Diese Voraussetzung ist im Falle der Klägerin gegeben.
Bei ordnungsgemäßer Beratung der Klägerin durch die Beklagte hätten die tatsächlichen Voraussetzungen des Nachentrichtungsrechts in der reichlich bemessenen Zeit zwischen 1972 und dem Fristablauf am 31. Dezember 1975 auch geklärt werden können. Die rechtlichen Voraussetzungen lagen ebenfalls vor. Daß die Klägerin aufgrund der §§ 9 und 10 WGSVG ein Recht zur Beitragsnachentrichtung erworben hatte, steht inzwischen fest; dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob sie in der Zeit zwischen der Beendigung ihrer Beschäftigung am 1. August 1938 und ihrer Auswanderung am 24. September 1938 verfolgungsbedingt arbeitslos war, wie die Beklagte später durch Anerkennung einer entsprechenden Ersatzzeit nach § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO angenommen hat. Auch wenn eine solche Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen haben sollte, weil die Klägerin wegen der kurz danach erfolgten Auswanderung (möglicherweise auch wegen ihrer Heirat am 1. August 1938) eine Beschäftigung nicht mehr hätte ausüben wollen, hätte sie gleichwohl aufgrund der genannten Vorschriften ein Nachentrichtungsrecht erworben. Denn § 9 WGSVG setzt nur voraus, daß eine rentenversicherungsrechtliche Beschäftigung aus Verfolgungsgründen unterbrochen oder beendet worden ist.
Diese Voraussetzung ist, wie der Senat inzwischen wiederholt entschieden hat, auch dann gegeben, wenn die Beschäftigung seinerzeit zum Zwecke der Auswanderung beendet worden ist, die Auswanderung sich zeitlich nicht unmittelbar an das Ende der Beschäftigung angeschlossen, die Zwischenzeit jedoch der Vorbereitung auf die Auswanderung gedient hat (vgl besonders Urteil des Senats vom 4. April 1979, 12 RK 7/78, SozR 5070 § 9 Nr 3). Auch in diesem Falle ist nämlich eine Verfolgungsmaßnahme - die Auswanderung - für die Beendigung der Beschäftigung ursächlich geworden und (was außerdem erforderlich ist, wie das LSG unter Hinweis auf das genannte Urteil des Senats zutreffend ausgeführt hat) bis zur Auswanderung ursächlich geblieben. Daß zwischen der Verfolgung und der Beendigung der Beschäftigung zwar ein Ursachenzusammenhang, jedoch nicht notwendig auch ein (unmittelbarer) zeitlicher Zusammenhang bestehen muß, ergibt sowohl Wortlaut wie Sinn des Gesetzes.
Hiernach spricht viel für die Annahme, daß auch für die Beklagte, wenn sie 1972 von einer Beschäftigung der Klägerin bis zum 1. August 1938 ausgegangen wäre, schon vor der klarstellenden Entscheidung des Senats vom 4. April 1979 (aa0) "klar zutage" gelegen hätte, daß die versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin iS des § 9 WGSVG aus Verfolgungsgründen beendet worden war und der Klägerin deshalb ein Beitragsnachentrichtungsrecht nach §§ 9, 10 WGSVG zustand. Selbst wenn die Beklagte damals aber noch eine andere Rechtsauffassung vertreten haben sollte, so hätte sie angesichts der vor dem genannten Urteil des Senats noch nicht endgültig geklärten Rechtslage und der - ihre Auffassung nicht stützenden - Stimmen im Schrifttum mindestens vorsorglich der Klägerin einen Hinweis auf die Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung geben müssen. Das hätte allerdings noch vor Ablauf der Antragsfrist (31. Dezember 1975) geschehen müssen, hätte aber auch noch im Jahre 1975 erfolgen können, dh innerhalb des von der Beklagten als rechtlich relevant angesehenen 4-JahresZeitraums, zurückgerechnet von dem späteren Nachentrichtungsantrag der Klägerin von Mai 1979.
Die Einwände der Beklagten, daß bei einer Ausdehnung der Beratungspflicht von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht den jeweils zu bescheidenden Antrag selbst betreffen, die Versicherten ungleich behandelt würden und daß eine solche Beratung von den in der modernen Massenverwaltung verwendeten elektronischen Datenverarbeitungsanlagen nicht geleistet werden könne, hält der Senat nicht für begründet.
Das BSG und besonders der Senat haben schon wiederholt auf die zentrale Bedeutung hingewiesen, die eine ausreichende Information und Beratung für das Funktionieren des sozialen Leistungssystems haben (s zB BSGE 49, 30, 33 f; BSGE 50, 16, 18; SozR 1200 § 14 Nrn 11 und 13; SozR 4100 § 44 Nr 9; SozR 5070 § 10 Nr 19, S 41 f; Urteil vom 27. März 1980 - 12 RK 61/79 -). Der Senat hat dabei hervorgehoben, daß der Zweck von Sozialleistungen, nämlich die Veränderung der Lebenssituation bei denjenigen, die dieser Leistungen bedürfen, nur erreicht werden kann, wenn die Behörde durch ihre Informations- und Beratungstätigkeit auf eine möglichst umfassende Information aller Beteiligten hinwirkt (vgl zB SozR 1200 § 14 Nr 13). Daß im Gesetz vorgesehene soziale Leistungen auch gewährt werden, dh jeder, der die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, die Leistung auch erhält, liegt grundsätzlich im öffentlichen Interesse (BSGE 52, 152, 162). Dies gilt besonders im Rahmen des Wiedergutmachungsrechts, mit dessen Leistungen eine moralische Verpflichtung des deutschen Volkes gegenüber den Verfolgten erfüllt wird. Der Senat hat die Notwendigkeit von Hilfestellungen der Behörde darüber hinaus aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet, weil anderenfalls die Gewährung von Sozialleistungen von Zufälligkeiten abhängig wäre (vgl SozR 5070 § 10 Nr 19 aa0), und er hat in solchen Hilfen schließlich die Grundlage für eine Beteiligung des Bürgers an Verwaltungsentscheidungen gesehen, weil nur durch ausreichende Informationen eine eigenverantwortliche Entscheidung ermöglicht wird (vgl SozR 4100 § 44 Nr 9).
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so muß die Beklagte, wenn sie ihrer Informationspflicht im Rahmen der Beitragsnachentrichtung nach dem WGSVG genügen will, alle Möglichkeiten nutzen, um die erforderlichen Informationen über die Nachentrichtung und ihre Modalitäten den Berechtigten zugänglich zu machen.
Der Umstand, daß dabei - zunächst - meist nur ein Teil der Berechtigten erreicht wird, macht eine Aufklärung und Beratung weder entbehrlich noch - unter dem Gesichtspunkt einer "Ungleichbehandlung" der Berechtigten - bedenklich. Eine im Gesetz vorgesehene Leistung der Behörde - Aufklärung und Beratung sind gesetzliche "Dienstleistungen" der Verwaltung - kann nicht deshalb verweigert werden, weil sie nicht oder nicht sogleich allen Berechtigten zugute kommt. Wenn schon das soziale Leistungssystem wegen seiner Kompliziertheit für die Berechtigten häufig nur schrittweise wirksam gemacht werden kann, so darf dies kein Grund sein, seine Verwirklichung noch weiter einzuengen, insbesondere Vergünstigungen auf diejenigen zu beschränken, die sich selbst so weit informieren oder beraten lassen können, daß sie auch ohne Aufklärung und Beratung von Amts wegen die nötigen Kenntnisse erhalten und ihre Rechte wahrnehmen können.
Im übrigen übersieht die Beklagte den Multiplikationseffekt von Aufklärung und Information, der in der Regel dazu führt, daß über den Kreis der unmittelbar Angesprochenen hinaus auch andere Personen von den gesetzlichen Möglichkeiten erfahren.
Die Aufklärung und Beratung der Berechtigten durch die Versicherungsträger darf auch nicht daran scheitern oder allein deswegen eingeschränkt werden, weil diese Verpflichtungen nicht "kostenneutral" oder nicht ohne erheblichen Verwaltungsaufwand erfüllt werden können. Da es sich insoweit um elementare Pflichten zur Sicherung einer umfassenden, am Rechtsstaatsprinzip und am Gleichheitssatz orientierten Gesetzesverwirklichung handelt, sind die Sozialleistungsträger auch unter den Bedingungen der modernen Massenverwaltung gehalten, alle Maßnahmen zu ergreifen, um eine möglichst weitgehende Aufklärung und Beratung sicherzustellen. Dies gilt auch, soweit sich beim Einsatz von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen dadurch Schwierigkeiten ergeben sollten, daß Verwaltungsabläufe unter Ausschaltung menschlicher Arbeitskraft automatisch gesteuert werden. Im übrigen bietet gerade der Einsatz solcher Anlagen der Verwaltung neue Möglichkeiten zu einer beschleunigten Informationsverknüpfung und damit auch einer Verbesserung des Informations- und Beratungssystems.
Im vorliegenden Fall bedarf es insoweit keiner weiteren Ermittlungen, weil aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich ist, daß hier die Beratungspflicht der Beklagten an technischen Schwierigkeiten hätte scheitern müssen; die Beklagte hat hierzu konkret auch nichts vorgetragen.
Auch eine anwaltliche Vertretung des Antragstellers führt nicht ohne weiteres dazu, einem Verfahrensfehler der Behörde nicht mehr das - ihm sonst zukommende - Gewicht beizumessen, abgesehen davon, ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, daß die Klägerin in dem hier erheblichen Zeitraum anwaltlich vertreten war und beraten worden ist. Das gilt auch für den Hinweis im Urteil des LSG (Blatt 14), daß sie bis April 1971 von in Berlin lebenden "Rechtsanwälten" vertreten worden sei. Aus Berlin hat sich lediglich einmal ein Rechtsanwalt Ch gemeldet, der aber dann offenbar nicht weiter tätig geworden ist.
Die Klägerin kann schließlich nicht darauf verwiesen werden, daß sie vorsorglich einen Nachentrichtungsantrag hätte stellen können. Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn beim Versicherungsträger Ermittlungs- und Begründungsfehler vorliegen, die dazu geführt haben, daß der Versicherungsträger das Beratungsbedürfnis nicht erkannt und deshalb den Versicherten zu Unrecht nicht beraten hat (vgl dazu auch BSG 15. Dezember 1983 - 12 RK 1/82 -).
Die Klägerin kann allerdings nur dann einen Herstellungsanspruch erworben haben, wenn sie, wie schon angedeutet, nicht bereits von anderer Seite über die Nachentrichtungsmöglichkeit informiert worden war (vgl auch Urteil vom 15. Dezember 1983 - 12 RK 6/83 -). In diesem Zusammenhang ist insbesondere noch zu ermitteln, ob Rechtsanwalt Ch oder eine andere sachkundige Person die Klägerin beraten und dabei auch die Nachentrichtungsmöglichkeiten mit ihr erörtert hat. Das LSG muß mithin noch klären, wann und durch wen die Klägerin erstmals von der Nachentrichtungsmöglichkeit nach dem WGSVG erfahren hat, ob dies namentlich noch vor dem 31. Dezember 1975 geschehen ist.
Ein Herstellungsanspruch der Klägerin setzt letztlich voraus, daß sie ein Recht auf Nachentrichtung von Beiträgen nach den §§ 9/10 WGSVG bei rechtzeitiger Antragstellung gehabt hätte.
Insoweit ist zu berücksichtigen, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, daß eine Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung mit dem Ziel, in Zukunft nicht mehr am Arbeitsleben teilzunehmen, sondern eine Tätigkeit als Hausfrau oder eine längere Berufsausbildung aufzunehmen, ein Nachentrichtungsrecht ausschließt (BSG SozR 5070 § 9 Nr 3). Im vorliegenden Fall spricht allerdings wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin und ihres Ehemanns in der damaligen Zeit wenig dafür, daß dies der Fall war.
Wegen der hiernach noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hat der Senat den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen