Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Übergangsgeldes

 

Leitsatz (amtlich)

Schließt das Übergangsgeld während einer Maßnahme der beruflichen Umschulung an den Vorbezug von Zwischenübergangsgeld an, wird es nach dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt berechnet. Auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides über den Vorbezug kommt es nicht an.

 

Normenkette

AFG § 59 Abs 3, § 59c; RehaAnglG § 17

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 31.05.1989; Aktenzeichen L 3 Ar 2406/87)

SG Mannheim (Entscheidung vom 16.10.1987; Aktenzeichen S 14 Ar 825/87)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Übergangsgeld (ÜG). Ihre berufliche Rehabilitation begann mit einer Arbeitserprobung in der Zeit vom 8. bis 12. Juni 1986, wobei sich das ÜG - wie zuvor das Arbeitslosengeld (Alg) - nach ihrem im Dezember 1985 als Arzthelferin erzielten Bruttoarbeitsentgelt richtete. Anschließend erhielt sie Zwischenübergangsgeld in gleicher Höhe mit Ausnahme der Zeit vom 14. Juli bis 10. September 1986, als sie im Betrieb ihres Bruders beschäftigt und im Anschluß daran einige Tage ohne Beschäftigung, aber nicht arbeitslos gemeldet war. Ab dem Beginn der Umschulung zur Sozialarbeiterin am 25. September 1986 strebt die Klägerin eine neue Berechnung des ÜG auf der Grundlage des bei ihrem Bruder erzielten - höheren - Bruttoentgelts an. Die Beklagte hat dies abgelehnt (Bescheid vom 14. Oktober 1986 und Widerspruchsbescheid vom 10. März 1987). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage abgewiesen mit der Begründung, das ÜG sei nicht nach den allgemeinen Regeln zu bemessen, weil es an einen Vorbezugszeitraum anschließe. Die Klägerin habe tatsächlich vom 11. bis 24. September 1986 ÜG bezogen und im unmittelbaren Anschluß daran eine berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation durchgeführt. Bei einem solchen nahtlosen Übergang bleibe das Bemessungsentgelt gleich.

Die Klägerin hat die zugelassene Revision eingelegt; sie erstrebt eine Neuberechnung des ÜG nach der Grundnorm des § 59 Abs 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) bezogen auf den letzten Lohnabrechnungszeitraum, weil die Zwischenbeschäftigung neue Bemessungsgrundlage sei. Die Voraussetzungen des § 59c AFG lägen schon deshalb nicht vor, weil sie zuvor nicht ÜG, sondern Zwischenübergangsgeld erhalten habe. Diese Leistung sei im Gesetz nicht erwähnt. Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Oktober 1987 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus den übersandten Akten ergibt sich, daß ein nach Abschluß des Berufungsverfahrens von der Klägerin angeregtes Überprüfungsverfahren zur Höhe des Zwischenübergangsgeldes ab 11. September 1986 inzwischen abschlägig beschieden worden ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen.

Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsurteils betrifft das Verfahren ausschließlich den Anspruch auf Übergangsgeld ab 25. September 1986. Dieser Leistungszeitraum schließt nahtlos an den Bezugszeitraum vom 11. bis 24. September 1986 an. Für eine solche Fallgestaltung ordnet § 59c AFG, eingefügt durch das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) als Spezialnorm zu § 59 Abs 3 AFG an, daß die aneinander anschließenden Übergangsgelder nach demselben Arbeitsentgelt berechnet werden.

Zwar hat der Gesetzgeber bei § 59c AFG nur die Abfolge von Leistungen aus der Kranken-, Unfall- oder Rentenversicherung (Kranken-, Verletzten- oder Übergangsgeld) mit anschließendem ÜG aus der Arbeitslosenversicherung geregelt. Die Rechtsprechung hat jedoch die insoweit bestehende Lücke über § 17 RehaAnglG geschlossen (vgl BSGE 46, 108 = SozR 2200 § 1240 Nr 1; SozR 2200 § 1241e Nrn 5, 12, 18; BSGE 57, 113 = SozR 4100 § 59d Nr 2; SozR 4100 § 59 Nr 3) und für Zeiten zwischen zwei berufsfördernden Maßnahmen ÜG zugesprochen, wenn die nachfolgende Maßnahme aus Gründen, die der Behinderte nicht zu vertreten hat, nicht im unmittelbaren Anschluß an die vorherige Maßnahme durchgeführt wird, dem Behinderten Anspruch auf Krankengeld nicht zusteht und ihm eine zumutbare Beschäftigung nicht vermittelt werden kann. Aufgrund dieser Rechtsprechung, die von der Beklagten beachtet worden ist, stand der Klägerin im Anschluß an die sechswöchige Beschäftigung bei ihrem Bruder nach der Arbeitslosmeldung nicht Alg, sondern das sogenannte Zwischen-ÜG zu. Bei dieser von der Rechtsprechung entwickelten Leistung handelt es sich um ein ÜG iS des § 59c AFG.

Soweit die Klägerin aus der Tatsache, daß das Gesetz den Begriff Zwischen-ÜG nicht kennt, schließt, daß ein solches in § 59c AFG auch materiell nicht geregelt sein könne, irrt sie. Auch § 17 RehaAnlgG erwähnt diesen Begriff nicht. Der Begriff ÜG umfaßt sowohl die Leistungen während der Maßnahmen als auch die Fortzahlung von ÜG anstelle von Arbeitslosen- oder Krankengeld im Anschluß an eine Maßnahme (§ 59d Abs 1 und 2 AFG). In gleicher Weise erfaßt die Vorschrift das zwei Maßnahmeabschnitte oder Maßnahmeteile überbrückende ÜG nach § 17 RehaAnglG analog. § 59c AFG verklammert darüber hinaus auch Leistungen, die von anderen Rehabilitationsträgern erbracht werden und verdeutlicht damit die gesetzgeberische Absicht, während einer laufenden Rehabilitation die Lebensgrundlage des Behinderten gleichbleibend sicherzustellen. Im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und zur Gewährleistung einer durchgehenden Zahlung stellt § 59c AFG auf den tatsächlichen Vorbezug von ÜG ab und vermeidet mit dem Rückgriff auf das bisher zugrunde gelegte Arbeitsentgelt Streit um die Bemessungsgrundlage und Verzögerungen bei der Verwaltungsentscheidung, weil keine neuen Arbeitgeberauskünfte eingeholt und insoweit keine neuen Berechnungen angestellt werden müssen.

Dieser gesetzliche Zweck der Leistungskontinuität würde verfehlt, wenn man entsprechend der Auffassung der Klägerin die Norm dahin verstünde, daß zunächst zu prüfen sei, ob der Vorbezug des ÜG rechtmäßig war. Dann hätte die Beklagte nach Grund und Höhe neu zu prüfen und müßte auch bei aneinander anschließenden Bezugszeiträumen ohne Rücksicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 151, 152 AFG, 44 ff SGB X Leistungen neu feststellen. Eine solche Verpflichtung zur vollständigen Neuprüfung aller Anspruchsvoraussetzungen will aber § 59c AFG im Interesse einer raschen Leistungsgewährung gerade ausschließen, was der Wortlaut deutlich zum Ausdruck bringt: Es kommt auf den tatsächlichen Bezug der voraufgehenden Leistung an; das ÜG muß anschließen, dann ist das bisher zugrunde gelegte Arbeitsentgelt zu übernehmen. Es kommt nicht darauf an, ob im Vorbezugszeitraum ein Anspruch auf Leistung bestanden hat und ob das zugrunde gelegte Arbeitsentgelt zutreffend ermittelt, ob also der Vorbescheid rechtmäßig war. Im übrigen folgt dieses Ergebnis auch aus der Tatsache, daß der auf einer bindenden Bewilligung begründete Leistungsbezug solange rechtmäßig ist, als der Bewilligungsbescheid besteht (vgl hierzu BSGE 61, 286 = SozR 4100 § 134 Nr 31). Eine Änderung des Bescheides über die Vorbezugszeit hat nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts bis zur letzten Tatsachenentscheidung nicht stattgefunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666298

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