Leitsatz (amtlich)

Entrichtet der Versicherte nach Vollendung des 65 Lebensjahres für Zeiten vorher innerhalb der Frist des RVO § 1418 Abs 1 freiwillige Beiträge wirksam nach und wird erst dadurch die Wartezeit erfüllt, so ist dem Versicherten das Altersruhegeld vom Beginn des Monats an zu gewähren, in dem er das 65 Lebensjahr vollendet hat, nicht erst vom Beginn des Monats an, in dem die Beiträge tatsächlich entrichtet sind.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die innerhalb der Fristen des RVO § 1418 für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres wirksam nachentrichteten freiwilligen Beiträge haben hinsichtlich des Beginns des Altersruhegeldes die rechtliche Wirkung wie rechtzeitig entrichtete Beiträge.

 

Normenkette

RVO § 1418 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1290 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 26. September 1961 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft den Beginn des wegen Vollendung des 65. Lebensjahres gewährten Altersruhegeldes. Streitig ist, wann die Voraussetzungen für das Altersruhegeld erfüllt sind, wenn der Versicherte nach Vollendung des 65. Lebensjahres durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres die Wartezeit erfüllt.

Die am 24. September 1892 geborene Klägerin war in den Jahren 1907 bis 1920 und 1945 bis 1946 versicherungspflichtig beschäftigt. Etwa seit April 1957 ist sie berufsunfähig. Sie beantragte am 24. Mai 1958, ihr das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres vom 1. September 1957 an zu gewähren. Um die gesetzliche Wartezeit zu erfüllen, entrichtete sie im Juni 1958 für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 28. Februar 1957 61 freiwillige Wochenbeiträge der Klasse II nach. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 5. Februar 1959 den Antrag ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei; die vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten seien auf die Wartezeit nicht anzurechnen, da nicht glaubhaft gemacht sei, daß für die Klägerin in den Jahren 1945/46 Versicherungsbeiträge entrichtet worden seien. Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Klage. Im Verlauf des Verfahrens hob die Beklagte ihren Bescheid durch Bescheid vom 23. November 1959 auf und gewährte der Klägerin vom 1. Mai 1958 an Rente wegen Berufsunfähigkeit. Nachdem sie der Klägerin mitgeteilt hatte, daß die für die Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 1957 nachentrichteten freiwilligen Wochenbeiträge beanstandet würden, weil für die Zeit ab 1. Januar 1957 Monatsbeiträge zu entrichten seien, und daß an der Erfüllung der Wartezeit von 180 Kalendermonaten noch drei Beitragsmonate fehlten, entrichtete die Klägerin im März 1960 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1957 unter Anrechnung der für diese Zeit bereits gezahlten Beträge drei freiwillige Monatsbeiträge. Die Beklagte gewährte der Klägerin nunmehr durch Bescheid vom 4. Mai 1960 das Altersruhegeld vom 1. Mai 1958 an.

Mit der Klage begehrt die Klägerin das Altersruhegeld bereits vom 1. September 1957 an. Sie hat sich darauf berufen, die Voraussetzungen der Rente seien schon im September 1957 erfüllt gewesen; denn bei Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 24. September 1957 sei auch die Wartezeit erfüllt gewesen; die von ihr wirksam nachentrichteten Beiträge seien auch hinsichtlich des Rentenbeginns so zu behandeln, als ob sie zu den Zeiten entrichtet seien, für die sie gelten sollten. Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Altersruhegeld sei vom 1. September 1957 an noch nicht begründet, weil bei Vollendung des 65. Lebensjahres die Wartezeit tatsächlich nicht erfüllt gewesen sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 4. Mai 1960 verurteilt, der Klägerin das Altersruhegeld vom 1. September 1957 an zu gewähren; es hat die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei nach § 1233 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zur Weiterversicherung berechtigt gewesen und habe die freiwilligen Beiträge innerhalb der Fristen der §§ 1418 Abs. 1, 1420 Abs. 2 RVO wirksam nachentrichtet. Die für die Zeit vor der Berufsunfähigkeit nachentrichteten Beiträge müßte die Beklagte gemäß § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO gegen sich gelten lassen, weil sie bei der Rentengewährung voll berücksichtigt und von der Beklagten nicht beanstandet worden seien. Die wirksam nachentrichteten Beiträge seien so zu behandeln, als ob sie während der Zeit entrichtet worden wären, für die sie gelten sollten, so daß die Wartezeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres rechtlich als erfüllt anzusehen sei.

Gegen das Urteil hat die Beklagte mit Einverständnis der Klägerin Sprungrevision eingelegt. Sie rügt, das SG habe die §§ 1248 Abs. 4, 1290 Abs. 1 Satz 1, 1418 Abs. 1 RVO nicht richtig angewandt. Zu Unrecht habe das SG daraus, daß die Klägerin im Rahmen der §§ 1418 Abs. 1, 1420 Abs. 2 RVO freiwillige Beiträge für das Jahr 1957 wirksam nachentrichtet habe, den Schluß gezogen, daß mit den tatsächlich erst im März 1960 entrichteten Beiträgen die Wartezeit als am 1. September 1957 erfüllt anzusehen sei. Die vom SG zur Begründung angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG 6 S. 136) betreffe nicht die Erfüllung der Wartezeit, sondern die Erhaltung der Anwartschaft und könne deshalb auf den vorliegenden Fall nicht angewandt werden. Wenn auch die auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nachentrichteten Beiträge die Folge hätten, daß sie im Zeitpunkt der Fälligkeit als entrichtet zu gelten hätten, so könne dieser Grundsatz auf die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nicht angewandt werden, weil es für diese Beiträge den Begriff der Fälligkeit nicht gebe. Dem Versicherten bleibe es vielmehr überlassen, ob er von der Möglichkeit der Weiterversicherung Gebrauch machen wolle und von welchem Zeitpunkt an. § 1418 Abs. 1 RVO betreffe, soweit sich diese Bestimmung auf freiwillige Beiträge beziehe, lediglich die Wirksamkeit der nachentrichteten Beiträge. An dem Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Entrichtung, der sich bei der Rentenberechnung durch die Zuteilung der für das Entrichtungsjahr geltenden Werteinheiten ausdrücke, ändere sich jedoch nichts. Wenn die Wartezeit erst mit der tatsächlichen Entrichtung der freiwilligen Beiträge erfüllt sei, dann sei auch erst damit die Voraussetzung für die Gewährung des Altersruhegeldes gegeben, so daß die Rente gemäß § 1290 Abs. 1 RVO erst vom 1. des Monats der Beitragsentrichtung an gewährt werden könne. Dieser Zeitpunkt wäre im vorliegenden Fall auf den 1. März 1960 gefallen. Der Klägerin sei aber das Altersruhegeld bereits vom 1. Mai 1958, also vom Antragsmonat gewährt worden, weil - einer Verwaltungsübung entsprechend - der auf die Gewährung des Altersruhegeldes gerichtete Antrag als eine Bereiterklärung der Klägerin angesehen worden sei, die zur Erfüllung der Wartezeit etwa noch fehlenden Beiträge nachentrichten zu wollen. Dies sei in angemessener Frist geschehen, so daß die Beiträge als im Mai 1958 entrichtet zu gelten hätten. Da im Mai 1958 beide Voraussetzungen für die Gewährung des Altersruhegeldes, nämlich die Vollendung des 65. Lebensjahres und die Erfüllung der Wartezeit, vorgelegen hätten, hätte das Altersruhegeld gemäß § 1290 Abs. 1 RVO vom 1. Mai 1958 an festgesetzt werden müssen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Aurich vom 26. September 1961 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und ist der Auffassung, eine unterschiedliche Behandlung von Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen sei bei Anwendung des § 1418 Abs. 1 RVO nicht gerechtfertigt. Daß Pflichtbeiträge für die Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung fällig, freiwillige Beiträge dagegen nicht fällig seien, sei für § 1418 Abs. 1 RVO unerheblich. Die rechtzeitige Nachentrichtung von Beiträgen müsse für die Erfüllung der Wartezeit in gleicher Weise gelten wie zur Erhaltung der Anwartschaft.

II

Die nach den §§ 160 Abs. 1, 150 Nr. 1, 146 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Sprungrevision ist unbegründet.

Mit Recht hat das SG die Voraussetzungen für das Altersruhegeld der Klägerin wegen Vollendung des 65. Lebensjahres im Monat September 1957 als erfüllt und den Rentenanspruch gemäß § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO vom 1. September 1957 an als begründet angesehen.

Das Vordergericht ist bei dem allein bestehenden Streit über den Beginn des Altersruhegeldes zutreffend von der Vorschrift des § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO ausgegangen, die besagt, daß die Rente grundsätzlich vom Beginn des Monats an zu gewähren ist, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ergeben sich aus § 1248 RVO. Nach § 1248 Abs. 1 RVO erhält Altersruhegeld der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Der Antrag auf Gewährung der Rente gehört nicht zu den Voraussetzungen des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres i. S. des § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO, so daß der Beginn dieses Altersruhegeldes unabhängig von dem Zeitpunkt ist, in dem der Versicherte den Antrag gestellt hat. Da die Klägerin das 65. Lebensjahr im September 1957 vollendet hat und das Altersruhegeld vom 1. dieses Monats an begehrt, kam es allein darauf an, ob im Monat September 1957 auch die Wartezeit erfüllt war. Das SG hat das Vorliegen auch dieser Voraussetzung im September 1957 mit Recht bejaht.

Die Wartezeit für das Altersruhegeld ist erfüllt, wenn eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt ist (§ 1248 Abs. 4 RVO). Auf die Wartezeit anrechnungsfähige Versicherungszeiten sind gem. § 1250 Abs. 1 Buchstabe a RVO Zeiten, für die Beiträge wirksam entrichtet sind oder nach § 1397 Abs. 6 RVO als entrichtet gelten (Beitragszeiten). Die Beklagte hat die Wirksamkeit der für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. März 1957 - zuletzt im März 1960 - freiwillig nachentrichteten Beiträge dadurch anerkannt, daß sie der Klägerin durch den Bescheid vom 4. Mai 1960 das Altersruhegeld, wenn auch vom 1. Mai 1958 an, unter Berücksichtigung aller nachentrichteten freiwilligen Beiträge bewilligt hat. Sie hätte, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, gemäß § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO den Rentenanspruch der Klägerin auch vom 1. September 1957 an nicht mehr mit der Begründung ablehnen können, daß die Beiträge zu Unrecht entrichtet seien (Reichsversicherungsamt - RVA - AN 12, 676; EuM 14, 287; Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 1423 Anm. II, 2 Abs. 1; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. III S. 656 e). Ob die freiwilligen Beiträge im März 1960 noch für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. März 1957 hätten nachentrichtet werden dürfen und ob ihrer Wirksamkeit insbesondere die Bestimmung des § 1419 Abs. 1 RVO entgegenstand, weil es sich um freiwillige Beiträge handelte, die nach Eintritt der Berufsunfähigkeit für Zeiten vorher entrichtet werden, kann, nachdem die Beklagte die Wirksamkeit der Beiträge anerkannt hat, nicht überprüft werden. Sind die freiwilligen Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. März 1957 wirksam nachentrichtet, so gelten sie in der Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. März 1957 als entrichtet. Die Kalenderzeit vom 1. Januar 1956 bis 31. März 1957 war daher mit wirksamen Beiträgen belegt und als Versicherungszeit für die Erfüllung der Wartezeit anzurechnen. Damit hat die Klägerin vor Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 24. September 1957, also vor Eintritt des Versicherungsfalles, eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt. Die Wartezeit war bereits im April 1957 erfüllt. Damit waren im September 1957 auch alle Voraussetzungen gegeben, die für die Gewährung des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt sein müssen. Der Klägerin steht deshalb, wie das SG mit Recht entschieden hat, die Rente ab 1. September 1957 zu.

Der Auffassung der Beklagten, daß die Voraussetzungen für den Beginn des Altersruhegeldes im Sinne des § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO erst im März 1960 mit der tatsächlichen Nachentrichtung der Beiträge bzw. durch eine Bereiterklärung der Klägerin zur Entrichtung der Beiträge, die in ihrem Rentenantrag vom 24. Mai 1958 zu erblicken sei, als erfüllt anzusehen seien, vermochte der Senat nicht beizutreten. Aus der Rechtsprechung des früheren RVA zu dem Beginn der beantragten Altersinvalidenrente bei Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres (RVA in AN 27, 432; 38, 196 = EuM 42, 122; EuM 47, 22) wird auch für das seit dem 1. Januar 1957 geltende Recht der Grundsatz hergeleitet, daß die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen nach Vollendung des 65. Lebensjahres für Zeiten vorher den Beginn des Altersruhegeldes von der Vollendung des 65. Lebensjahres an nicht hindere, die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge jedoch dazu führe, daß das Ruhegeld erst mit dem 1. des Monats beginnen könne, in dem die Nachentrichtung tatsächlich erfolgt sei (vgl. Jantz/Zweng aaO, § 1290 Anm. II; Verb. Komm. 6. Aufl. 1958/61, § 1290 Anm. 6, III; Koch/Hartmann, AVG 2. Aufl. Bd. III Teil V C, AVG idF vom 23. Februar 1957 § 25 Anm. B II). Dies folge aus dem Grundsatz, daß die Voraussetzungen des Anspruchs erst mit ihrer tatsächlichen Verwirklichung erfüllt seien und bei Pflichtbeiträgen eine Ausnahme gerechtfertigt sei, um dem Versicherten aus der Säumnis des Arbeitgebers keine Nachteile erwachsen zu lassen. Eine unterschiedliche rechtliche Behandlung von nachentrichteten Pflichtbeiträgen und nachentrichteten freiwilligen Beiträgen wird auch deshalb für richtig gehalten, weil - wie auch die Revision geltend macht - Pflichtbeiträge auf Grund der versicherungspflichtigen Tätigkeit als im Zeitpunkt der Fälligkeit entrichtet zu gelten haben, während es bei freiwilligen Beiträgen den Begriff der Fälligkeit nicht gebe, der Versicherte für die Entrichtung freiwilliger Beiträge vielmehr allein die Verantwortung trage. Mit freiwilligen Beiträgen habe der Versicherte daher die Wartezeit erst erfüllt, sobald er die Beiträge tatsächlich nachentrichtet habe. Die Rechtslage habe sich insoweit gegenüber dem früheren Recht - abgesehen davon, daß die Rente vom Beginn des Monats zu gewähren ist -- nicht geändert. Dieser Auffassung ist der Senat nicht gefolgt.

Daß für nachentrichtete Pflichtbeiträge und nachentrichtete freiwillige Beiträge eine unterschiedliche rechtliche Behandlung hinsichtlich ihrer Wirkung für den Rentenbeginn nicht gerechtfertigt ist, hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 25. April 1963 (BSG in SozR ArVNG Art. 2 § 42 Nr. 11), zu der in Art. 2 § 42 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelgungsgesetz (ArVNG) vorgeschriebenen Anwartschaftserhaltung, ausführlich dargelegt. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an, auch für den Fall, daß die Erfüllung der Wartezeit in Frage steht. Die entgegengesetzte Auffassung berücksichtigt nicht hinreichend die seit dem 1. Januar 1957 durch die Vorschriften der §§ 1233 Abs. 1 Satz 2, 1248 Abs. 1 und Abs. 4, 1290 Abs. 1 Satz 1 und 1419 Abs. 1 RVO für den Versicherungsfall des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres getroffene Regelung. § 1418 Abs. 1 RVO eröffnet gerade die rechtliche Möglichkeit, nachträglich für Zeiten vorher freiwillige Beiträge in der Weise nachzuentrichten, daß ihre Wirkung als Beitragsleistung nicht erst "in" dem Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Entrichtung eintritt, sondern bereits in der Zeit, "für" die sie nachentrichtet sind, so daß diese früheren mit Beiträgen belegten Kalenderzeiten als Versicherungszeiten anrechnungsfähig sind. Sind solche Beiträge wirksam nachentrichtet, so wird auch mit Recht angenommen, daß sie, soweit das Gesetz keine Einschränkung vorsieht, in jeder Hinsicht so zu behandeln sind, als seien sie bereits in dem früheren Zeitpunkt, für den sie bestimmt sind, entrichtet worden. Grundsätzlich haben danach innerhalb der Frist des § 1418 Abs. 1 RVO rechtsgültig nachentrichtete Beiträge dieselbe Wirkung wie rechtzeitig entrichtete Beiträge (vgl. Brackmann aaO, III S. 655). Sie gelten als mit dem Monat geleistet, für den sie bestimmt sind (Jantz/Zweng aaO § 1418 Anm. II letzter Absatz). Dieser Grundsatz gilt für die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen ebenso wie für die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge. Diese Auffassung hat nicht nur das frühere RVA vertreten (AN 38, 196), sondern auch der 4. Senat in BSG 6, 136 ausgesprochen. Hier hat der 4. Senat allerdings zur Frage der Anwartschaftserhaltung bereits entschieden, daß auch wirksam nachentrichtete freiwillige Beiträge so zu behandeln sind, als ob sie schon während der Zeit, für welche sie gelten sollen, entrichtet worden wären, und daß diese Beiträge, da der Gesetzgeber in § 1442 RVO aF die Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen "für" eine vergangene Zeit ausdrücklich zugelassen habe und für eine Einschränkung der Wirksamkeit dieser Beiträge dem Gesetz nichts entnommen werden könne, auch in jeder Hinsicht so zu behandeln seien, als ob sie tatsächlich während dieser vergangenen Zeit entrichtet worden wären. Im gleichen Sinne hat sich der 4. Senat in seinem Urteil vom 25. April 1963 (SozR ArVNG Art. 2 § 42 Nr. 11) zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft nach dem Übergangsrecht ausgesprochen. Diese Grundsätze, daß nachentrichtete freiwillige Beiträge hinsichtlich des Rentenbeginns wie rechtzeitig entrichtete Beiträge zu behandeln sind, gelten nicht nur, soweit die Erhaltung der Anwartschaft in Betracht kommt, sondern im Gegensatz zu der Auffassung der Revision auch für die Erfüllung der Wartezeit. Die Nachentrichtung von Beiträgen war nach altem Recht sowohl für die Anwartschaftserhaltung als auch für die Erfüllung der Wartezeit und für die Rentensteigerung zulässig (vgl. Hanow/Lehmann, Invalidenversicherung, 4. Aufl., 1925, § 1443 Anm. 7 B, RVA in EuM 1930, 195). Sie kann sich nach neuem Recht nach Wegfall der Vorschriften über die Anwartschaftserhaltung - abgesehen von dem Übergangsrecht - nur noch auf die Wartezeiterfüllung und die Höherversicherung beziehen. Für die rechtliche Wirkung nachentrichteter freiwilliger Beiträge ist es auch nicht entscheidend, daß sie im Unterschied zu den Pflichtbeiträgen nicht fällig werden. Freiwillige Beiträge werden zwar dem Versicherungsträger nicht geschuldet und nicht fällig und können von dem Versicherten innerhalb der vorgesehenen Zeiten nach Belieben entrichtet werden (Koch/Hartmann aaO, AVG § 182 Anm. II, 1). Jedoch kommt es darauf nicht an. Das RVA hat in seiner Entscheidung AN 37, 82 für die Nachentrichtung rückständiger Pflichtbeiträge ausgeführt, daß wesentliche Grundlage des Rentenanspruchs nicht die Beitragsentrichtung, sondern die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sei, die erst die Beitragspflicht bedinge. Grundlage der Rentengewährung sei der Versicherungsfall. Liege er vor und seien die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung der Rente erfüllt, so sei die Rente von dem in § 1286 RVO aF festgesetzten Zeitpunkt an zu gewähren. Dieser Zeitpunkt müsse auch dann maßgebend sein, wenn Pflichtbeiträge erst nachträglich beigebracht würden; denn es fehle an einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift, wonach in diesen Fällen der Rentenbeginn anders als sonst festzusetzen sei. Ausschlaggebend sei, daß die Landesversicherungsanstalt die rückständigen Beiträge erhalten habe, und nicht, wann sie sie erhalten habe. Die Nachbringung von Pflichtbeiträgen habe deshalb die Wirkung, daß sie für den Rentenbeginn so anzusehen seien, als ob sie schon in dem Zeitpunkt verwendet worden seien, für den sie gelten sollen. Diese Gesichtspunkte haben auch für die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge entsprechend zu gelten, und zwar auch soweit es sich um die Erfüllung der Wartezeit für das Altersruhegeld handelt. Grundlage für den Rentenanspruch ist auch hier der Eintritt des Versicherungsfalls. Ist er eingetreten und sind die übrigen versicherungsmäßigen Voraussetzungen für die Gewährung des Altersruhegeldes gegeben, so ist die Rente von dem in § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO bestimmten Zeitpunkt an zu gewähren. Da in § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO für die Fälle des § 1418 Abs. 1 RVO keine abweichende Regelung getroffen ist, ist der in § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO für den Beginn der Rente festgesetzte Zeitpunkt auch maßgebend, wenn im Rahmen der Frist des § 1418 Abs. 1 RVO freiwillige Beiträge für Zeiten vor Erreichen der Altersgrenze wirksam nachentrichtet sind und der Versicherungsträger diese Beiträge tatsächlich erhalten hat. Es besteht kein Anhalt dafür, daß das Gesetz in § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO für den Beginn der Rente und auch für den Beginn des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres von dem in § 1418 Abs. 1 RVO aufgestellten Grundsatz abweichen wollte. Zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen Ausnahme würde es aber führen, wenn man im Rahmen des § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO die wirksame Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen gemäß § 1418 Abs. 1 RVO nicht gelten lassen, sondern für den Beginn des Altersruhegeldes darauf abstellen wollte, wann die freiwilligen Beiträge für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres tatsächlich entrichtet worden sind. Es geht nicht an, für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres wirksam nachentrichtete freiwillige Beiträge in ihrer rechtlichen Wirkung aufzuspalten. Dazu würde es aber führen, wenn sie zur Feststellung der auf die Wartezeit anrechnungsfähigen Versicherungszeiten i. S. des § 1250 Abs. 1 a RVO als in der Zeit verwendet gälten, für die sie bestimmt sind, aber für den Beginn des Altersruhegeldes als im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Nachentrichtung als entrichtet anzusehen wären.

Der Grundsatz, daß nachentrichtete Beiträge dieselbe Wirkung haben wie rechtzeitig entrichtete Beiträge, kann zwar dort nicht gelten, wo nach dem Gesetz die tatsächliche Beitragsentrichtung in einem vom Gesetz angegebenen Zeitpunkt oder Zeitraum ausdrücklich gefordert wird (vgl. z. B. § 4 Abs. 2 SVAG, § 1249 Satz 2 RVO, Art. 2 § 42 Satz 2 ArVNG). Das Gesetz läßt aber stets durch seine Wortfassung erkennen, in welchen Fällen es darauf ankommen soll, daß die Beiträge nicht "für" eine bestimmte Zeit nachentrichtet, sondern "in" einem bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum tatsächlich entrichtet sind (vgl. BSG 10, 139, 146). Für den Beginn des Altersruhegeldes hat das Gesetz jedoch nicht vorgeschrieben, daß der Zeitpunkt der tatsächlichen Beitragsentrichtung entscheidend sein soll, sondern daß es auf den Zeitpunkt ankommt, in dem die Voraussetzungen der Rente erfüllt sind. Diese sind aber, soweit es sich um die Erfüllung der Wartezeit handelt, erfüllt, wenn "für" Zeiten Beiträge wirksam entrichtet, d. h. auch nachentrichtet sind. Hätte der Gesetzgeber im Falle der wirksamen Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für Zeiten vor Erreichen der Altersgrenze den Beginn des Altersruhegeldes von dem Zeitpunkt der tatsächlichen Nachentrichtung abhängig machen wollen, so hätte dieser Rechtsgedanke im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 1233 Abs. 1 Satz 2, 1248 Abs. 4, 1418 Abs. 1, 1419 Abs. 1 RVO in § 1290 RVO eine besondere Erwähnung finden müssen. Der Gesetzgeber hat in dem seit dem 1. Januar 1957 geltenden Recht in § 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO die Weiterversicherung nach Erreichen der Altersgrenze für die Gewährung des Altersruhegeldes zugelassen, solange der Versicherte ein Altersruhegeld aus den Rentenversicherungen nicht bezieht. In § 1418 Abs. 1 RVO hat er die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge innerhalb der Zweijahresfrist für die Erfüllung der Wartezeit beibehalten, und aus § 1419 Abs. 1 RVO ergibt sich, daß freiwillige Beiträge für Zeiten vor Erreichen der Altersgrenze entrichtet werden können, weil, wie das Bundessozialgericht bereits entschieden hat, diese Vorschrift sich auf den Versicherungsfall des Altersruhegeldes nicht bezieht (BSG-Urteil vom 25. April 1963 in SozR ArVNG Art. 2 § 42 Nr. 11). Der Versicherte kann also grundsätzlich durch Nachentrichten freiwilliger Beiträge für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres die Wartezeit auch in der Weise erfüllen, daß sie vor oder mit Vollendung des 65. Lebensjahres zurückgelegt ist. Gibt der Gesetzgeber diese rechtliche Möglichkeit, so hat die Rechtsprechung dem Rechnung zu tragen.

Bedenken gegen diese Auffassung können auch nicht aus dem Rechtsgedanken hergeleitet werden, welcher der Bestimmung des § 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO zugrunde liegt, wenn durch die Gewährung des Altersruhegeldes vom 1. September 1957 an sich ergibt, daß die Klägerin die Nachentrichtung der freiwilligen Beiträge im März 1960 zu einer Zeit geleistet hat, für die sie das Altersruhegeld, wenn auch nachträglich, bezieht. Daß die Klägerin im März 1960, als sie die letzten für die Erfüllung der Wartezeit erforderlichen Beiträge für die Zeit von Januar bis März 1957 nachentrichtete, ein Altersruhegeld tatsächlich noch nicht bezogen hat, stände dem nicht entgegen, daß die Beiträge durch die spätere rückwirkende Bewilligung der Rente vom 1. September 1957 an unwirksam werden (BSG 1, 52, 55; SozR RVO § 1248 Nr. 5). Jedoch sind nach § 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO nur solche Beiträge unwirksam, die für eine Zeit entrichtet sind, für die das Altersruhegeld bereits bezogen wird, was auch dann gilt, wenn die Renten erst später rückwirkend für diese Zeit gewährt werden. § 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO schließt aber, wie der 4. Senat bereits in seinen Urteilen vom 14. Juni 1962 und 24. Januar 1963 (BSG in SozR RVO § 1233 Nr. 3 und BSG 18, 212 = SozR RVO § 1419 Nr. 1) ausgesprochen hat, eine freiwillige Fortsetzung der Versicherung nur für Zeiten vom Beginn des Altersruhegeldes an, nicht aber für Zeiten vorher, aus. Die Klägerin hat in dem hier vorliegenden Falle die freiwilligen Beiträge indessen nicht für Zeiten des Bezuges des Altersruhegeldes, sondern für Zeiten vorher entrichtet, so daß der Wirksamkeit der Beiträge auch aus § 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO Bedenken nicht entgegenstehen.

Schließlich steht das Ergebnis, daß ein Versicherter nach Vollendung des 65. Lebensjahres durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für Zeiten vorher die Wartezeit mit der Wirkung erfüllen kann, daß ihm das Altersruhegeld vom Beginn des Monats an zu gewähren ist, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat, nicht im Widerspruch zu dem Versicherungsgedanken. Eine dem Gesetz entgegenstehende einseitige Verschiebung des Versicherungswagnisses zugunsten des Versicherten tritt dadurch nicht ein. Nach der gesetzlichen Regelung tritt bei dem Versicherungsfall des Altersruhegeldes das mit der Versicherung für die Versicherungsfälle der Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit oder des Todes sonst verbundene Versicherungswagnis weitgehend in den Hintergrund, da bei ihm ein beiderseitiges Risiko nahezu beseitigt ist. Sowohl der Versicherte als auch der Versicherungsträger können sich, weil die Vollendung des 65. Lebensjahres ein feststehender, leicht zu berechnender Zeitpunkt ist, auf diesen Versicherungsfall einstellen, und der Versicherte hat für ihn ein weitgehendes eigenes Gestaltungsrecht. Das Versicherungswagnis wird nicht in nennenswertem Umfang anders beeinträchtigt, wenn der Versicherte nach Erreichen der Altersgrenze durch Beitragsleistungen für Zeiten nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Wartezeit erfüllt oder wenn er durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres bewirkt, daß vor Erreichen der Altersgrenze eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt ist. Schließlich führt dieses Ergebnis auch nicht zu einer wirtschaftlichen oder verwaltungsmäßigen Belastung des Versicherungsträgers, die über den sonst üblichen Rahmen hinausgeht. Bei einer Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres kann das Altersruhegeld von Erreichen der Altersgrenze an immer nur gewährt werden, wenn die zur Erfüllung der Wartezeit erforderlichen Beiträge an den Versicherungsträger geleistet sind. Bevor dieser also die Rente zahlt, hat er auch den wirtschaftlichen Gegenwert in Form der Beitragsleistung erhalten. Dies gilt selbst dann, wenn ein Versicherter Beiträge für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres unter voller Ausnutzung der sich aus § 1418 Abs. 1 RVO ergebenden Frist nachentrichtet. Der Fall, daß der Versicherungsträger die Rente für eine Zeit zu zahlen hätte, in der er über die Beitragsleistung noch nicht hat verfügen können, kann nicht eintreten. Bei einer Nachentrichtung von Beiträgen für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres komme stets nur eine Rentennachzahlung in Betracht, weil vor dem Zeitpunkt der Beitragsnachentrichtung keine Rente festgestellt werden kann. Auch wenn bei Berechnung der Rente vom Beginn des Monats, in den die Vollendung des 65. Lebensjahres fällt, die möglicherweise 2 Jahre später nachentrichteten Beiträge zu berücksichtigen sind, ergibt sich daraus keine andere Rechtslage, wie sie auch sonst bei der Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen innerhalb der Fristen der §§ 1418 bis 1420 RVO gegeben ist.

Da sonach zur Zeit der Vollendung des 65. Lebensjahres am 24. September 1957 auch die Wartezeit erfüllt war, hat das Vordergericht mit Recht die Beklagte verurteilt, der Klägerin das Altersruhegeld bereits vom 1. September 1957 an zu gewähren.

Die Sprungrevision der Beklagten mußte aus diesen Gründen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380521

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