Leitsatz (redaktionell)

"Entstandene Kosten" iS des BVG § 20 idF vor dem 2. NOG-KOV sind alle Kosten, die der KK im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung des einzelnen Beschädigten erwachsen sind und der Versorgungsbehörde als solche nachgewiesen werden können; dazu gehören auch die für den Einzelfall nachzuweisenden Kosten vertrauensärztlicher Untersuchungen. Versorgungsbehörde und KK sind durch das Gesetz nicht gehindert, zur Erleichterung der Durchführung des Kostenersatzes nach BVG § 20 für den Einzelfall Pauschbeträge zu vereinbaren; der zu ersetzende Betrag kann jedoch von der Versorgungsbehörde nicht einseitig der Höhe nach begrenzt werden.

 

Normenkette

BVG § 20 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 2. Mai 1963 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Kostenentscheidung aufgehoben wird.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin fordert vom Beklagten die Erstattung von 99,15 DM, die ihr zu Aufwendungen durch die vertrauensärztliche Untersuchung verschiedener ihr zugeteilter Versorgungsberechtigter entstanden seien. Es handelte sich dabei ausnahmslos um in der Zeit von Juli bis November 1958 vom Vertrauensärztlichen Dienst (VäD) der Landesversicherungsanstalt (LVA) R durchgeführte körperliche Untersuchungen. Der Beklagte hat nur 2,75 DM für jede Untersuchung und statt des insgesamt geforderten Betrags von 143,15 DM nur 44,- DM an die Klägerin gezahlt. Das Sozialgericht (SG) verurteilte den Beklagten durch Urteil vom 2. Mai 1963, an die Klägerin 99,15 DM zu zahlen. Der gleichgelagerte Fälle betreffende Feststellungsantrag der Klägerin wurde abgewiesen. Der Beklagte wurde zur Tragung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin verurteilt und die Berufung zugelassen. Die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung der gesamten Kosten der vertrauensärztlichen Untersuchungen ergebe sich aus § 20 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Die vertrauensärztlichen Untersuchungen könnten nicht als Verwaltungsangelegenheit angesehen werden, sondern seien Teil der Heilbehandlung. Durch den Verwaltungskostenanteil könnten nur die verwaltungstechnischen Arbeiten, wie Schreibwerk, Karteiführung usw., erfaßt werden. Die Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 20 BVG sprächen nicht für die Ansicht des Beklagten und der beigeladenen Bundesrepublik, sondern für die des Gerichts. Auch die historische Entwicklung der jetzigen §§ 14 und 20 BVG widerspreche der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen. Zu den §§ 8, 14 und 15 des Reichsversorgungsgesetzes (RVG), die den jetzigen §§ 14, 19 und 20 BVG entsprächen, seien damals keine Ausführungsbestimmungen ergangen, doch ergebe sich aus dem Kommentar der Reichsversorgungsbeamten zum RVG, daß bei vertrauensärztlicher Untersuchung die gezahlte Gebühr zu ersetzen war. § 20 BVG sehe die Erstattung der gesamten Unkosten vor. Da sie der Klägerin in vollem Umfang entstanden seien, sei der Beklagte zum vollen Ersatz verpflichtet, zumal stichhaltige Gründe dafür, daß jede vertrauensärztliche Untersuchung nur 2,75 DM kosten solle, nicht vorgebracht worden seien. Der Anspruch sei auch nach § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches gerechtfertigt. Der Umstand, daß die Mehrforderung bis zur rechtskräftigen Entscheidung gestundet worden sei, stehe der Verurteilung nicht entgegen, da die Kosten im Zeitpunkt der vertrauensärztlichen Untersuchungen bzw. Inrechnungstellung zu Lasten der Klägerin entstanden seien. Die Feststellungsklage sei nicht begründet, da eine Leistungsklage möglich sei und im übrigen eine höchstrichterliche Entscheidung für die Verwaltung in künftigen Fällen verbindlich sein müsse.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte mit Zustimmung der Klägerin Sprungrevision eingelegt. Er rügt Verletzung des § 20 BVG. Die vertrauensärztlichen Untersuchungen seien nicht Teil der Heilbehandlung, vielmehr werde der VäD als Einrichtung der Verwaltung tätig; er übe lediglich eine die Krankenkassen in ihrer Verwaltungsarbeit unterstützende Funktion, aber keine auf Erzielung eines Heilerfolgs gerichtete Tätigkeit aus. Der Umstand, daß es sich um eine ärztliche Leistung handele, reiche nicht aus, um seine Tätigkeit als Maßnahme der Heilbehandlung einzuordnen. Unbeachtlich sei es auch, daß die Kosten des VäD nicht unter den persönlichen Verwaltungskosten, sondern der Kontenklasse "Leistungsaufwand der Krankenkassen" verbucht würden, da hierdurch der Charakter der Leistung nicht verändert werde. Im übrigen sei zu § 14 RVG eine Ausführungsbestimmung ergangen, ohne daß ein Einzelersatz für vertrauensärztliche Untersuchungen vorgesehen gewesen sei. Die im fraglichen Kommentar enthaltene Meinung stelle auf die Verhältnisse vor der Neuorganisation des VäD im Aufbaugesetz vom 5. Juli 1934 und durch die Dritte Verordnung des Reichsarbeitsministers zum Aufbau der Sozialversicherung vom 18. Dezember 1934 ab und könne daher für die Beurteilung der gegenwärtigen Verhältnisse nicht herangezogen werden. Die Krankenkassen hätten damals auch Verwaltungskosten einzeln anfordern können, wenn sie der pauschalen Abrechnung nicht zustimmten. Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Das SG-Urteil sei zutreffend. Im übrigen setzten sich der Beklagte und die Beigeladene in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten, nachdem in den VV zu § 20 BVG ausdrücklich zugesichert gewesen sei, daß die Kosten für vertrauensärztliche Untersuchungen neben den reinen Heilbehandlungskosten und Verwaltungskosten ersetzt würden. Der Streit könne daher nur noch um die Höhe der Kosten gehen. Insoweit aber seien die Feststellungen des SG bindend. Im übrigen decke der Verwaltungskostenersatz nicht einmal den reinen Verwaltungsaufwand für Nichtversicherte. Nachdem der erkennende Senat die hier streitige Rechtsfrage in zwei Urteilen vom 10. Dezember 1963 - 9 RV 502/62 und 9 RV 818/63 (vgl. BSG 20, 118, ferner SozR BVG § 20 Nr. 2 und 3) entschieden hat, macht die Beigeladene geltend, die vom Bundessozialgericht (BSG) getroffene Auslegung des Begriffs "entstandene Kosten" vermöge schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie die rechtshistorische Entwicklung der Vorschrift völlig unberücksichtigt lasse. § 20 BVG stimme im wesentlichen wortgleich mit § 15 Satz 1 RVG überein. Satz 2 des § 15 RVG habe ursprünglich gelautet: "Die Kosten für die Heilbehandlung und die Verwaltungskosten können in Pauschbeträgen ersetzt werden". Hieraus ergebe sich in Verbindung mit § 15 Satz 1 RVG und der Amtlichen Begründung des Entwurfs zum RVG zwingend, daß von einer Zweiteilung in Heilbehandlungskosten und Verwaltungskosten ausgegangen worden sei und deshalb als entstandene Kosten nur die Kosten der Heil- und Krankenbehandlung angesehen worden seien. Die spätere Neufassung des Satzes 2, wonach der Ersatz nach § 15 Satz 1 RVG in Pauschbeträgen nach Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen festzusetzen sei, habe die grundsätzliche Zweiteilung nicht berührt. Die bisherige Regelung sei in das BVG vollinhaltlich übernommen worden. Es sei lediglich auf die Übernahme der Pauschalierungsklausel verzichtet und eine etwaige Pauschalabgeltung der Vereinbarung der Beteiligten überlassen worden. Auch die Bedeutung des Wortes "soweit" habe das BSG verkannt. Es lege fest, daß der Erstattungsanspruch nicht weiter gehen könne als die Leistungspflicht nach dem BVG und schaffe erst die Rechtsgrundlage für einen Kostenersatz in den Fällen, in denen für die Heilbehandlung kein Anspruch nach § 19 BVG entstehen könne. Die Fassung "soweit" solle ermöglichen, die Heilbehandlung von Nichtversicherten durch vollen Ersatz des Leistungsaufwands abzuwickeln. Auch wenn das BSG darauf abhebe, daß neben der Heilbehandlung Kranken- und Hausgeld erstattet würden, könne ihm nicht gefolgt werden, denn letztere seien als ergänzende Heilbehandlung und als erstattungsfähig anzusehen, weil sie in einem notwendigen funktionellen Zusammenhang mit der eigentlichen ärztlichen Behandlung stünden. Die Wortabweichungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigten die vom BSG für die Auslegung des Begriffs "entstandene Kosten" im Sinne des § 20 Satz 1 BVG aF und nF gezogenen Folgerungen nicht. Die von der Beigeladenen vertretene Auffassung, daß hier den Heil- und Krankenbehandlungskosten im weiteren Sinne einschließlich der notwendigen Nebenkosten aus der ärztlichen Behandlung die Verwaltungskosten schlechthin gegenübergestellt werden müßten, werde auch durch die Neufassung des § 20 BVG durch das Zweite Neuordnungsgesetz (2. NOG) bestätigt. Zu Unrecht habe das BSG auch angenommen, die Nachweisbarkeit sei das wesentliche Kriterium für die Zuordnung einer Aufwendung zur einen oder anderen Erstattungsart, da der Wortlaut hierfür keinen Anhalt gebe. Auch die nicht nachweisbaren Kosten müßten entstanden sein und daher folgerichtig unter den Begriff der entstandenen Kosten subsummiert werden; damit wäre der Ersatz von Verwaltungskosten in § 20 Abs. 1 BVG zweimal geregelt. Folge man dem BSG, dann müßten auch reine Verwaltungskosten, wie Kosten für BVG-Formulare, Briefporti und Telefon einzeln erstattet werden, nur weil sie gesondert nachweisbar seien. Das Gutachten des Vertrauensarztes sei weder eine ärztliche Maßnahme im Sinne von § 10 Abs. 1 BVG noch würden damit unmittelbar die sachlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Arztes im Rahmen der Heilbehandlung, wie dies bei den Nebenleistungen (wie Transport des Kranken, Weg des Arztes zum Kranken) der Fall sei, geschaffen. Sie seien somit nicht der Heilbehandlung zuzurechnen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.

Die Sprungrevision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 161 Abs. 1, 164, 166 SGG) und daher zulässig; sachlich ist sie - außer bezüglich der Kostenentscheidung - nicht begründet.

Die tatsächlichen Feststellungen des SG über Art und Umfang der stattgefundenen vertrauensärztlichen Untersuchung und über die Höhe der hierdurch im Einzelfall bzw. insgesamt entstandenen Aufwendungen sind von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden und daher für das BSG nach § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindend.

Obwohl der Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Ersatz der entstandenen Kosten teilweise anerkannt und einen Teilbetrag an die Klägerin gezahlt hat, wird vom Beklagten und der Beigeladenen geltend gemacht, daß der Klägerin nach § 20 BVG für vertrauensärztliche Untersuchungen überhaupt kein Ersatzanspruch in Form "entstandener Kosten" (für Heilbehandlung) zustehe. Diese Rechtsfrage hat der erkennende Senat bereits in den oben erwähnten zwei Urteilen vom 10. Dezember 1963 (vgl. BSG 20, 118, ferner SozR BVG § 20 Nr. 2 und 3) entschieden. Hiernach sind "entstandene Kosten" im Sinne des § 20 BVG alle Kosten, die der Krankenkasse im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung des einzelnen Beschädigten erwachsen sind und der Versorgungsbehörde als solche nachgewiesen werden können; dazu gehören auch die für den Einzelfall nachzuweisenden Kosten vertrauensärztlicher Untersuchungen, auch wenn es sich nur um vertrauensärztliche Stellungnahmen ohne körperliche Untersuchung handelt. Versorgungsbehörde und Krankenkassen sind durch das Gesetz nicht gehindert, zur Erleichterung der Durchführung des Kostenersatzes nach § 20 BVG für den Einzelfall Pauschbeträge zu vereinbaren; der zu ersetzende Betrag kann jedoch von der Versorgungsbehörde nicht einseitig der Höhe nach begrenzt werden.

Da die beiden Urteile im vorliegenden Verfahren bereits erörtert worden sind, wird wegen der Einzelheiten auf den Inhalt dieser Entscheidungen Bezug genommen. Die vom Beklagten und der Beigeladenen vorgetragenen Gesichtspunkte geben dem Senat keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung abzuweichen. Der Einwand, der Senat habe bei der Auslegung des Begriffs "entstandene Kosten" die rechtshistorische Entwicklung der Vorschrift völlig unberücksichtigt gelassen, aus Satz 2 des § 15 RVG ergebe sich i. V. m. Satz 1 und der amtlichen Begründung des Entwurfs zum RVG zwingend, daß von der Zweiteilung in Heilbehandlungskosten und Verwaltungskosten ausgegangen worden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar trifft es zu, daß - wie der erkennende Senat in BSG 20, 233 bereits entschieden hat - die unveränderte Übernahme einer Vorschrift in ein Gesetz als eine Erneuerung des vorangegangenen Rechtszustandes und als eine Bestätigung der früheren Auslegungsergebnisse gelten kann . Die Vorschrift des § 15 Satz 2 RVG, auf die sich die Beigeladene stützt, ist aber gerade nicht in die dem früheren § 15 RVG sonst entsprechende Fassung des § 20 BVG aufgenommen worden. § 15 Satz 1, 2 und 3 RVG vom 12. Mai 1920 (RGBl S. 989) in der Fassung vom 1. April 1939 (RGBl I 663, 666) lautete: "Soweit die Krankenkasse nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet ist, Heilbehandlung einschließlich Heilanstaltspflege und Hauspflege sowie Krankengeld und Hausgeld zu gewähren, werden ihr die entstandenen Kosten und der entsprechende Anteil an den Verwaltungskosten ersetzt. Der Reichsarbeitsminister ist ermächtigt, diesen Ersatz in Pauschbeträgen zu gewähren. Er setzt die Pauschbeträge nach Anhörung der Reichsverbände der Krankenkassen (Ersatzkassen) fest" (vgl. auch die ähnliche Fassung im Handbuch der Reichsversorgung Bd. I (1932) Sp. 79/80).

§ 15 Satz 1 RVG stimmt sonach mit der hier maßgebenden Vorschrift des § 20 Satz 1 BVG idF vor dem 1. NOG fast wörtlich überein. Satz 2 dieser Vorschrift ist hingegen nicht in das BVG übernommen worden; ebenso nicht Satz 3. Es fehlt also schon an der unveränderten Übernahme einer vor dem Inkrafttreten des BVG geltenden entsprechenden Vorschrift (vgl. § 84 Abs. 2 Nr. 2 a BVG). Die Beigeladene beruft sich zwar nicht auf die letzte, sondern auf die "ursprüngliche" Fassung des § 15 Satz 2 RVG. Früher lautete Satz 2 (Satz 3 gab es nicht): "Die Kosten für die Heilbehandlung und die Verwaltungskosten können in Pauschbeträgen ersetzt werden" (vgl. Komm. von Reichsversorgungsbeamten zum RVG, 1929 - RVG-Komm. - S. 143). Bei Prüfung der Frage, ob die Auslegung einer früheren Vorschrift für das neue Gesetz von maßgeblicher Bedeutung sein kann, ist aber nicht auf einen längst überholten, sondern auf den nach altem Recht zuletzt geltenden Rechtszustand abzustellen. Wenn der erkennende Senat in BSG 20, 238 eine Übernahme früherer Auslegungsgrundsätze schon dann abgelehnt hat, wenn sich 1941 "Bedenken" gegen die 1920 erlassene Vorschrift durchgesetzt hatten, so muß dies um so mehr gelten, wenn - wie hier - das Gesetz selbst inzwischen geändert worden war. Aber auch wenn man hiervon absieht, ist festzustellen, daß die ursprüngliche Fassung des § 15 Satz 2 RVG in keiner Weise in die Fassung des § 20 BVG übernommen worden ist; § 20 BVG läßt eine pauschale Abgeltung aller Kosten nicht zu. Wenn die Beigeladene die Meinung vertritt, der ursprüngliche Wortlaut von § 15 Satz 2 RVG enthalte einen objektiven Hinweis auf den rechtlichen Inhalt des in Satz 1 verwendeten Begriffs "entstandene Kosten", dessen Rechtsgehalt in § 20 Satz 1 BVG unverändert übernommen worden sei, so kann dem nicht zugestimmt werden. Zunächst stellen auch die zitierten Urteile des erkennenden Senats eine solche Zweiteilung für § 20 BVG nicht in Abrede, sondern betonen, daß - neben dem pauschalierten anteiligen Ersatz der Verwaltungskosten - der Krankenkasse alle von ihr im Zusammenhang mit der Heilbehandlung bzw. Krankenbehandlung des Beschädigten aufgewendeten Kosten zu ersetzen sind; die Beigeladene verkennt aber, daß die ursprüngliche Fassung des § 15 Satz 2 RVG für die hier strittige Frage des vollen Ersatzes oder der nur pauschalen Abgeltung, somit der Art der Erstattung, keine Unterscheidung vorsah, sondern im Gegenteil nur bestimmte, daß sowohl die Kosten für die Heilbehandlung als auch die Verwaltungskosten gleichermaßen in Pauschbeträgen ersetzt werden konnten. Die zu Satz 2 getroffene Regelung steht sonach in grundsätzlichem Gegensatz zu den in Satz 1 genannten beiden gesonderten Abgeltungsformen. Folgerichtig führte die damalige widersprüchliche Regelung dazu, daß Satz 2 des § 15 RVG, wie der Beklagte selbst einräumt, dahin aufgefaßt wurde, die Krankenkassen könnten auch die (allgemeinen) Verwaltungskosten auf Grund Einzelnachweises als wirklich entstandene Kosten ersetzt verlangen, wenn sie der Abgeltung in Pauschbeträgen nicht zustimmten (vgl. hierzu RVG-Komm. Anm. 23 zu § 15 RVG S. 149). Eine entsprechende Regelung war überdies auch noch in den Ausführungsbestimmungen Nr. 9 g zu § 15 RVG nF vorgesehen. Hier hieß es: "Die übrigen Krankenkassen haben die Verwaltungskosten für Zugeteilte in ihrer tatsächlich entstandenen Höhe anzufordern, wobei die einzelnen Ausgaben ... nachzuweisen sind" (vgl. Handbuch der Reichsversorgung, Bd. I Sp. 87). Konnte sonach die Krankenkasse auch die Verwaltungskosten als "entstandene Kosten" ersetzt verlangen, so ist damit die Annahme, der Begriff der "entstandenen Kosten" in § 15 Satz 1 RVG "korrespondiere" dem der "Kosten für die Heilbehandlung" im ursprünglichen Satz 2 des § 15 RVG, widerlegt. Die amtliche Begründung zum RVG (Drucks. Nr. 2663 der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung S. 33) führt zu keinem anderen Ergebnis, da sie zu dieser Frage überhaupt nichts sagt. Es ist nur ausgeführt, daß von der in § 15 gegebenen Ermächtigung, Pauschbeträge zu leisten, im Interesse einer einfachen Abrechnung Gebrauch gemacht werden müsse. Im übrigen ist auch hier bereits betont, daß in den Fällen des § 15 RVG das Reich " vollen Kostenersatz " gewähre. Schon darum läßt sich aus § 15 RVG für die Auslegung des in § 20 BVG verwendeten Begriffs der entstandenen Kosten auch nicht herleiten, daß darnach nur die Kosten der Heilbehandlung in einem engeren Sinn gemeint sein könnten.

Auch mit dem Vorbringen der Beigeladenen zu dem Wort "soweit" in § 20 BVG werden die Ausführungen des Senats nicht in stichhaltiger Weise angegriffen. Der Senat hat dargetan, wie das Gesetz hätte lauten müssen, um die aus dem Wort "soweit" von der Versorgungsbehörde gezogenen Schlußfolgerungen abzuleiten. Darauf, ob die vertrauensärztlichen Begutachtungen einem typischen Verwaltungshandeln dienen und daher eventuell der Verwaltungstätigkeit zugerechnet werden können, kommt es nicht entscheidend an. Die Annahme der Beigeladenen, daß zwar Kranken- und Hausgeld sowie gewisse Nebenleistungen, nicht aber die zur Durchführung der Krankenbehandlung erforderlichen vertrauensärztlichen Untersuchungen in einem notwendigen funktionellen Zusammenhang mit der eigentlichen ärztlichen Behandlung stünden, verkennt im übrigen die vom Senat in den beiden Urteilen gekennzeichnete Bedeutung des VäD für die der Krankenkasse obliegende Leistungspflicht und trägt auch dem Umstand nicht Rechnung, daß das Reichsversicherungsamt bereits am 2. Dezember 1911 die Kosten ärztlicher Zwischengutachten zu den Kosten des Heilverfahrens gerechnet hat (vgl. AN 1912, 946 - Urteil 9 RV 502/62 S. 9). Dieser Entscheidung ist - jedenfalls im Grundsätzlichen - auch heute noch zuzustimmen. Wie die Sachlage nach Erlaß des 2. NOG zu beurteilen ist, hatte der Senat weder in den bereits ergangenen Urteilen noch im vorliegenden Fall zu entscheiden. Wenn der Senat als Verwaltungskosten diejenigen bezeichnet hat, die nicht im Einzelfall gesondert " nachgewiesen " werden können, so ergibt sich dies zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, aber aus dem Sinn dieser Vorschrift. Im übrigen haben auch die Ausführungsbestimmungen zu § 15 RVG nF im Zusammenhang mit den entstandenen Kosten einen Nachweis gefordert. Zu Unrecht meint die Beigeladene, nach der vom Senat vertretenen Auffassung wäre der Ersatz von Verwaltungskosten in § 20 Satz 1 BVG zweimal geregelt. Vielmehr ergibt sich hiernach - im Grundsatz - eine Regelung, bei der die eine Erstattungsart die andere ausschließt und die somit auch der Zweiteilung entspricht, auf die die Beigeladene selbst abhebt.

Der Senat ist nicht der Auffassung, daß die Krankenkassen bei der bestehenden Rechtslage Veranlassung hätten oder praktisch dazu in der Lage wären, für jeden zugeteilten Beschädigten die Kosten zB jedes einzelnen verwendeten Formulars und ähnlicher Kleinigkeiten zu ermitteln und gesondert in Rechnung zu stellen; auf diesen, elementare Bedürfnisse der Praxis außer acht lassenden Einwand brauchte daher nicht näher eingegangen zu werden. Daß aber zB ein zur dringenden Einweisung eines Beschädigten in ein Spezialkrankenhaus erforderliches Ferngespräch vom Beklagten auf Nachweis, d. h. als entstandene Kosten, zu ersetzen wäre, ist bereits in der Entscheidung 9 RV 502/62 angedeutet worden. Der Senat hat seine Entscheidung nicht auf die für die Krankenkassen maßgebende Vorschrift des § 182 RVO gestützt, sondern betont, daß es dieser Erwägungen nicht bedürfe, da sich der Ersatzanspruch bereits aus § 20 BVG ergebe. Da diese Vorschrift jedoch die Krankenhilfeleistungen der Klägerin gesetzlich regelt, war es sinnvoll, in diesem Zusammenhang auf ihre Bedeutung einzugehen. Wenn der Beklagte der Meinung ist, bei der von ihm vertretenen Auffassung werde das Prinzip des vollen Kostenersatzes gewahrt, so steht sein seitheriges Verhalten damit jedenfalls nicht in Einklang. Anscheinend ist die Versorgungsbehörde auch nicht geneigt, die Kosten der vertrauensärztlichen Untersuchungen als Verwaltungskosten abzugelten. Denn die Klägerin hat in einer gleichgelagerten Streitsache geltend gemacht, in einem solchen Fall würden ihr allein für 1959 rund 39.400 DM zusätzlich zu erstatten sein. Hierauf ist die Versorgungsbehörde nicht eingegangen. Auch im vorliegenden Verfahren hat die Allgemeine Ortskrankenkasse ausgeführt, daß ihr Erstattungsanspruch nicht beeinträchtigt würde, wenn die Kosten für vertrauensärztliche Untersuchungen als Teil der Verwaltungskosten betrachtet werden, und eine dahingehende Klage in Aussicht gestellt. Auf dieses Vorbringen ist die Versorgungsbehörde ebenfalls nicht näher eingegangen. Nachdem der Senat auch in einem früheren Verfahren mit einer entsprechenden Anregung keinen Erfolg gehabt hat, besteht der Eindruck, als wolle die Versorgungsbehörde die Kosten der vertrauensärztlichen Untersuchungen überhaupt nicht, d. h. weder auf die eine noch auf die andere Art, erstatten. Daß § 20 BVG etwas Derartiges nicht zuläßt, sondern den uneingeschränkten bzw. vollen Ersatz der entstandenen Kosten vorschreibt, ergibt sich eindeutig aus den bereits ergangenen Entscheidungen des Senats.

Im übrigen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, daß auch schon im RVG-Kommentar von 1929 zu § 15 RVG die Auffassung vertreten worden ist, wenn die Krankenkassen im Einzelfall für die vertrauensärztliche Nachuntersuchung eine besondere Gebühr zu zahlen haben, würden solche Aufwendungen für Zugeteilte vom Versorgungsamt ersetzt (vgl. Anm. 20 zu §§ 14, 15 RVG). Diesem Grundsatz ist durch die spätere Neuorganisation des VäD (vgl. Dritte VO zum Aufbau der Sozialversicherung (Gemeinschaftsaufgaben) vom 18. Dezember 1934 - RGBl I 1266 -) nicht der Boden entzogen worden.

Da nach alledem an der seitherigen Rechtsprechung des Senats festzuhalten und deshalb das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden war, mußte die Sprungrevision des Beklagten - allerdings unter Aufhebung der Kostenentscheidung des SG - zurückgewiesen werden. Nach § 193 Abs. 4 SGG sind die Aufwendungen der Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380429

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