Leitsatz (amtlich)

Eine Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10a Abs 2 WGSVG ist für Verfolgte, die wegen Versäumung der Antragsfrist keine Entschädigung nach § 116 oder § 118 BEG, jedoch wegen Ausbildungsschadens noch einen Härteausgleich nach § 171 Abs 1 BEG erhalten haben, jedenfalls dann nicht zulässig, wenn sie für Zeiten, für die sie jetzt Beiträge nach § 10a Abs 2 WGSVG nachentrichten wollen, früher bereits Beiträge nach § 10 Abs 1 S 1 WGSVG nachentrichten konnten und ihnen das auch bekannt war (Anschluß an und Ergänzung zu BSG 17.3.1981 12 RK 72/79 = SozR 5070 § 10a Nr 6, BSG 24.10.1985 12 RK 42/84 = SozR 5070 § 10a Nr 12, BSG 24.10.1985 12 RK 48/84 = SozR 5070 § 10a Nr 13).

 

Orientierungssatz

1. Ähnlich wie ein Berechtigter, der eine Antragsfrist versäumt hat und dies auf falsche oder ungenügende Information eines Versicherungsträgers zurückführt, deswegen dann keinen Herstellungsanspruch hat, wenn das Fehlverhalten des Versicherungsträgers für die Fristversäumung nicht ursächlich war, können auch in Fällen, in denen eine fristgebundene Nachentrichtungsberechtigung erst nach Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist gerichtlich geklärt wird, die durch die klarstellende Entscheidung begünstigten Personen daraus einen Anspruch auf Neueröffnung der Frist nicht herleiten, wenn die Verzögerung der Entscheidung nicht ursächlich dafür war, daß sie die nachzuentrichtenden Beiträge nicht fristgemäß entrichtet haben.

2. Ein Fall fehlender Kausalität wird in der Regel dann, aber auch nur dann vorliegen, wenn die fraglichen Beiträge aufgrund eines fristgerecht gestellten Antrags nach einer anderen Vorschrift, jedoch mit (mindestens) gleicher Wirkung entrichtet werden konnten, der Berechtigte darüber auch informiert war, gleichwohl aber die Beitragsentrichtung ohne triftigen Grund unterlassen hatte.

 

Normenkette

WGSVG § 10a Abs 2 Fassung: 1975-04-28; BEG §§ 116, 118, 171 Abs 1; WGSVG § 10 Abs 1 S 1 Fassung: 1970-12-22; SGB 10 § 26

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 13.05.1986; Aktenzeichen L 2 An 122/85)

SG Berlin (Entscheidung vom 04.07.1985; Aktenzeichen S 11 An 768/83)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin nach § 10a Abs 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) berechtigt ist, freiwillige Beiträge nachzuentrichten.

Die am 25. November 1917 in Berlin geborene Klägerin ist rassisch Verfolgte. Sie mußte Anfang 1934 aus Verfolgungsgründen die Mittelschule vorzeitig verlassen und war von März 1934 bis Juli 1938 als Verkäuferin versicherungspflichtig in Berlin beschäftigt. Dann wanderte sie aus Verfolgungsgründen nach Ecuador aus. Sie lebt seit Mitte der sechziger Jahre in Israel und besitzt die Staatsangehörigkeit Israels und der Schweiz.

Im Mai 1974 stellte die Klägerin, vertreten durch Bevollmächtigte der Delegation der Kibbuzverbände in Israel, einen Antrag auf Zulassung der Nachentrichtung von Beiträgen nach §§ 9, 10 WGSVG. Die Beklagte teilte durch Schreiben vom 20. Oktober 1975 mit, sie könne Beiträge nach § 10 WGSVG für die Zeit vom 1. November 1933 bis zum 28. Februar 1934 sowie vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Januar 1971 nachentrichten. Die Klägerin konkretisierte ihren Nachentrichtungsantrag durch ihre Bevollmächtigten dahin, daß 4 Beiträge für November 1933 bis Februar 1934, 1 Beitrag für März 1954 und 3 Beiträge für Januar bis März 1959 zu insgesamt 612 DM entrichtet werden sollten. Die Beklagte ließ die Klägerin mit Bescheid vom 7. Januar 1976 antragsgemäß zur Nachentrichtung zu, die Klägerin entrichtete die Beiträge (612 DM) im März 1976.

Seit 1977 bemühte sich die Klägerin darum, eine Streichung oder Umbuchung der für 1933 nachentrichteten Beiträge sowie die Zulassung zur Nachentrichtung weiterer Beiträge gemäß § 10 WGSVG zu erreichen. Damit wollte sie ein höheres (vorgezogenes) Altersruhegeld erzielen, das ihr die Beklagte mit Bescheid vom 17. August 1978 vom 1. Dezember 1977 an in Höhe von anfangs 445 DM monatlich bewilligt hatte. Ihr Begehren hatte jedoch keinen Erfolg (rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Berlin vom 12. Dezember 1984 - L 6 An 39/83 -).

Inzwischen hatte die Klägerin im Juli 1981 für die Zeit von Januar 1956 bis Juni 1980 die Nachentrichtung von Beiträgen nach dem Zusatzabkommen zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen beantragt, jedoch gebeten, die Entscheidung darüber bis nach Abschluß des oben genannten Rechtsstreits zurückzustellen. Gleichzeitig (im Juli 1981) hatte sie auch die Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 10a WGSVG beantragt, und zwar der Beitragsklasse 600 zu je 108 DM für alle belegungsfähigen Zeiten zwischen November 1933 und Dezember 1955. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. September 1982 ab: Eine Entschädigung gemäß § 116 oder § 118 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) sei nicht gewährt worden; ein Härteausgleich nach § 171 Abs 1 BEG begründe kein Recht auf Nachentrichtung gemäß § 10a Abs 2 WGSVG. Während des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte die Auskunft des Entschädigungsamts Berlin vom 25. November 1982 ein. Danach beruht die mit Bescheid vom 21. September 1970 zuerkannte Entschädigung (9.000 DM) überwiegend auf einem Ausbildungsschaden, in geringem Umfang auf einem Schaden im beruflichen Fortkommen. Da aber die Frist des § 189 BEG versäumt worden sei, habe nur § 171 Abs 1 BEG angewandt werden können. - Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1983).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage durch Urteil vom 4. Juli 1985 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides zu verurteilen, ihr die Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10a WGSVG für die Zeiten von Januar 1950 bis Februar 1954 und April 1954 bis Dezember 1955 in der Beitragsklasse 600 zu je 108 DM zu gestatten. Das LSG Berlin hat die Berufung durch Urteil vom 13. Mai 1986 zurückgewiesen. Die Klägerin habe kein Nachentrichtungsrecht nach § 10a Abs 2 WGSVG. Denn sie habe weder eine Entschädigung nach § 116 oder § 118 BEG noch, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR 5070 § 10a Nr 6 ebenfalls ausreiche, einen Härteausgleich nach § 171 Abs 2 Buchst c BEG erhalten. Für Verfolgte, die lediglich einen Härteausgleich nach § 171 Abs 1 BEG bezogen hätten, bestehe kein Recht auf Nachentrichtung gemäß § 10a Abs 2 WGSVG.

Die Klägerin hat gegen das Urteil die - vom Senat zugelassene - Revision eingelegt, mit der sie geltend macht: Im Anschluß an die Urteile vom 17. März 1981 (SozR 5070 § 10a Nr 6) und vom 24. Oktober 1985 (SozR 5070 § 10a Nr 12) sei eine Ausdehnung des Nachentrichtungsrechts nach § 10a Abs 2 WGSVG auch auf solche Verfolgten geboten, die wegen nicht fristgerechter Antragstellung zwar keine Entschädigung wegen Ausbildungsschadens nach § 116 oder § 118 BEG, jedoch (auch und hauptsächlich) wegen eines solchen Schadens einen Härteausgleich nach § 171 Abs 1 BEG erhalten hätten. Dem stehe nicht entgegen, daß bereits ein Nachentrichtungsrecht gemäß § 10 WGSVG bestanden habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 13. Mai 1986 und des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juli 1985 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. September 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1983 zu verurteilen, die Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10a Abs 2 WGSVG in der Beitragsklasse 600 zu je 108 DM für die Zeiten von Januar 1950 bis Februar 1954 sowie von April 1954 bis Dezember 1955 zu gestatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie entnimmt den genannten Urteilen des Senats (SozR 5070 § 10a Nr 6 und Nr 12), daß die entsprechende Anwendung des § 10a Abs 2 WGSVG auf die Härteausgleichsempfänger nach § 171 Abs 2 Buchst c BEG beschränkt sei und die Nachentrichtung für Härteausgleichsempfänger nach § 171 Abs 1 BEG ausscheide. Auch stehe dem Begehren der Klägerin entgegen, daß für die genannten Zeiten früher bereits Beiträge nach § 10 WGSVG hätten entrichtet werden können.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Nach § 10a Abs 2 WGSVG, der hier allein in Betracht kommt, gilt das Nachentrichtungsrecht des § 10a Abs 1 WGSVG entsprechend für Verfolgte mit einer - hier erfüllten - Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten, denen wegen eines Schadens in der Ausbildung iS des BEG rechtskräftig oder unanfechtbar eine Entschädigung nach § 116 oder § 118 BEG zuerkannt worden ist oder bei denen die Verfolgung innerhalb von 12 Monaten nach Beendigung der Ausbildung begonnen hat. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht. Bei ihr hat die Verfolgung zum Abbruch der Schulausbildung geführt; sie hat aber keine Entschädigung nach § 116 oder § 118 BEG erhalten. Der Senat hat die Regelung des § 10a Abs 2 WGSVG in seinen Urteilen vom 17. März 1981 (SozR 5070 § 10a Nr 6) und vom 24. Oktober 1985 (SozR 5070 § 10a Nr 12) allerdings hinsichtlich der Härteausgleichsempfänger des § 171 Abs 2 Buchst c BEG als lückenhaft angesehen, diesem Personenkreis in entsprechender Anwendung des § 10a Abs 2 WGSVG ein Nachentrichtungsrecht zuerkannt und für sie in einem weiteren Urteil vom 24. Oktober 1985 (SozR 5070 § 10a Nr 13) eine Neueröffnung der bereits abgelaufenen Antragsfrist für geboten erachtet. Die Klägerin gehört jedoch auch zu diesem Personenkreis nicht. Sie hat vielmehr einen Härteausgleich von 9.000 DM hauptsächlich wegen Ausbildungsschadens, daneben auch wegen Berufsschadens nach § 171 Abs 1 (nicht nach § 171 Abs 2 Buchst c) BEG erhalten. Denn sie gehörte zwar sogar zu dem gesetzlich ausdrücklich begünstigten, nach § 116 oder § 118 BEG entschädigungsberechtigten Personenkreis, hatte aber die Antragsfrist des § 189 Abs 1 BEG (1. April 1958) versäumt und daher nur noch einen Härteausgleich nach § 171 Abs 1 BEG erhalten, der noch bis zum 31. Dezember 1969 (vgl Art VIII BEG-Schlußgesetz) hatte beantragt werden können.

Die Frage, ob § 10a Abs 2 WGSVG auch auf solche Verfolgte entsprechend anzuwenden ist, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls scheidet das für diejenigen von ihnen aus, die bereits nach § 10 Abs 1 Satz 1 WGSVG nachentrichtungsberechtigt waren und die die Beitragslücken, die jetzt nach Ablauf der Antragsfrist (31. Dezember 1975) durch eine Nachentrichtung gemäß § 10a Abs 2 WGSVG ausgefüllt werden sollen, schon früher nach § 10 WGSVG hätten belegen können und darüber auch unterrichtet waren. So ist es bei der Klägerin. Ihr hatte die Beklagte durch Schreiben vom 20. Oktober 1975 mitgeteilt, sie könne für die Zeiten von November 1933 bis Februar 1934 und von Januar 1950 bis Januar 1971 Beiträge nach § 10 WGSVG nachentrichten. Damit waren auch die Zeiträume als - nach § 10 WGSVG - nachentrichtungsfähig bezeichnet, für die die Klägerin jetzt nach § 10a Abs 2 WGSVG Beiträge nachentrichten will (Januar 1950 bis Februar 1954 und April 1954 bis Dezember 1955). Das Nachentrichtungsverfahren nach § 10 WGSVG ist bei der Klägerin auch durchgeführt und im März 1976 durch die Nachentrichtung der Beiträge abgeschlossen worden. Sie hat darin jedoch nur für 8 Monate (November 1933 bis Februar 1934, März 1954 und Januar bis März 1959) Beiträge nachentrichtet, obwohl ihr ein Nachentrichtungszeitraum von mehr als 22 Jahren offen stand.

Für Verfolgte, die bereits nach § 10 WGSVG wegen verfolgungsbedingter Beendigung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachentrichtungsberechtigt waren, aber unter den genannten Umständen auch einen Härteausgleich nach § 171 Abs 1 BEG wegen Ausbildungsschadens erhalten haben, fehlt es für die Begründung eines weiteren Nachentrichtungsrechts, nunmehr nach § 10a Abs 2 WGSVG, an einer ausfüllungsbedürftigen Lücke im Gesetz. Dieses sieht in § 10 Abs 1 Satz 1 (iVm § 9 Abs 1 Satz 1), in § 10a Abs 1 und in § 10a Abs 2 WGSVG für drei Personengruppen ein Nachentrichtungsrecht vor: Zur ersten (§ 10 Abs 1 Satz 1 iVm § 9 Abs 1 Satz 1 WGSVG) gehören diejenigen, die vor der Verfolgung bereits im Berufsleben standen und deren rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aus Verfolgungsgründen unterbrochen oder beendet worden ist oder die bis zum Beginn der Verfolgung einen der näher bezeichneten Ausfallzeittatbestände zurückgelegt hatten. Die zweite Gruppe (§ 10a Abs 1 WGSVG) umfaßt die Verfolgten, die bei Beginn der Verfolgung nicht versicherungspflichtig waren, sondern vor Beginn der Verfolgung lediglich (für mindestens 12 Monate) freiwillige Beiträge entrichtet hatten. Schließlich behandelt § 10a Abs 2 WGSVG die Verfolgten, die von der Verfolgung schon während ihrer Ausbildung oder innerhalb von 12 Monaten nach deren Beendigung betroffen wurden. Das Nachentrichtungsrecht für die beiden letzten Gruppen (§ 10a WGSVG) ist erst nachträglich eingefügt (durch § 19 Nr 2 des 18. RAG vom 28. April 1975, BGBl I S 1018, 1778) und im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Bundestages damit begründet worden, das Recht zur Nachentrichtung solle "zwei weiteren Gruppen von Verfolgten" eingeräumt werden (BT-Drucks 7/3235, S 6 unter 7. zu Nummer 2 - § 10a WGSVG -). Für alle drei genannten Nachentrichtungstatbestände (§ 10 Abs 1 Satz 1, § 10a Abs 1 und § 10 Abs 2 WGSVG) galt einheitlich die Antragsfrist bis zum 31. Dezember 1975 (§ 10 Abs 1 Satz 4 idF von § 19 Nr 1 des 18. RAG, § 10a Abs 4 WGSVG).

Die drei Nachentrichtungsregelungen knüpfen an verschiedene Tatbestände an, die nach der bis zur Verfolgung erreichten (versicherungsrechtlichen) Stellung insbesondere im Erwerbsleben oder in der Ausbildung abgestuft sind und deswegen einander häufig ausschließen werden. Ist dieses der Fall, greift ohnehin nur ein Nachentrichtungstatbestand ein. Allerdings kann es, wie der bei der Klägerin vorliegende Sachverhalt zeigt, vorkommen, daß zunächst die Ausbildung und später auch eine versicherungspflichtige Beschäftigung durch die Verfolgung abgebrochen worden ist und in dieser Hinsicht sowohl der Tatbestand des § 10a Abs 2 WGSVG als auch der des § 10 WGSVG erfüllt ist. Ob auch in diesen Fällen gleichwohl nur ein einmaliges Nachentrichtungsrecht bestanden hat, etwa nach der für den Verfolgten günstigsten Regelung, was im allgemeinen die des § 10 WGSVG gewesen sein dürfte, läßt der Senat offen. Auch wenn bis zum Ablauf der Antragsfrist (31. Dezember 1975) von den Nachentrichtungstatbeständen, deren jeweilige Voraussetzungen sämtlich erfüllt waren, nebeneinander, nacheinander oder wahlweise hätte Gebrauch gemacht werden können, wäre das bei einem Sachverhalt der vorliegenden Art nicht mehr zulässig. Für Verfolgte, für die eine Nachentrichtungsmöglichkeit nach § 10 WGSVG bestanden hat und die sie nach fristgerechter Antragstellung sogar - allerdings nur unvollständig - wahrgenommen haben, käme eine weitere Nachentrichtung gemäß § 10a Abs 2 WGSVG nach 1975 nur noch in Betracht, wenn sie als Härteausgleichsempfänger nach § 171 Abs 1 BEG über die Annahme einer Gesetzeslücke und deren Ausfüllung in den nachentrichtungsberechtigten Personenkreis des § 10a Abs 2 WGSVG einbezogen werden könnten. Dem steht aber entgegen, daß ihnen die Nachentrichtung nach § 10 WGSVG eröffnet war und daher eine der Ausfüllung bedürftige Lücke im Nachentrichtungsrecht, hier in § 10a Abs 2 WGSVG, nicht besteht.

Die Nachentrichtung nach § 10 WGSVG reicht weiter und ist in aller Regel günstiger als die nach § 10a WGSVG. Gemäß § 10 WGSVG (freiwillig) nachentrichtete Beiträge gelten nach Maßgabe des § 10 Abs 1 Satz 3 WGSVG als rechtzeitig entrichtete Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dagegen werden die nach § 10a WGSVG nachentrichteten Beiträge nur als freiwillige Beiträge angerechnet, weil sie freiwillig entrichtet sind und § 10a Abs 4 WGSVG die entsprechende Geltung des § 10 Abs 1 Satz 3 WGSVG nicht anordnet. Ferner reicht der Nachentrichtungszeitraum in § 10 Abs 1 Satz 1 WGSVG bis Januar 1971, der des § 10a WGSVG nach seinem Abs 1 Satz 1 nur bis zur Rückkehr in den Geltungsbereich des WGSVG, längstens aber bis Dezember 1955; für die Folgezeit kann allenfalls die allgemeine Nachentrichtung (Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG, Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG) eingreifen. Schließlich ist die Nachentrichtung nach § 10a WGSVG dem Gesetzeswortlaut nach nicht nur wie in § 10 WGSVG für bereits vorhandene Beitrags- und Ersatzzeiten, sondern - insoweit über § 10 WGSVG hinausgehend - auch für solche Zeiten ausgeschlossen, die als Zeiten der Verfolgung bereits in einer öffentlich-rechtlichen Versicherung oder Versorgung nach dienstrechtlichen Grundsätzen berücksichtigt oder zu berücksichtigen sind (§ 10a Abs 1 WGSVG). Damit war mit einer ohne weiteres gegebenen und - wie hier - dem Berechtigten auch bekannten Nachentrichtungsmöglichkeit nach § 10 WGSVG allen berechtigten Interessen der betreffenden Verfolgten Rechnung getragen und für eine Anwendung des § 10a Abs 2 WGSVG kein erkennbares Bedürfnis und deshalb auch kein Raum mehr.

Bei dieser Rechtslage läuft das Begehren der Klägerin darauf hinaus, das, was sie durch Nichtwahrnehmung der ihr eröffneten weitergehenden und günstigeren Nachentrichtung nach § 10 WGSVG versäumt hat, dadurch nachzuholen, daß im Anschluß an die Rechtsprechung des Senats (SozR 5070 § 10a Nr 6 und Nr 12) eine weitere Lücke in § 10a Abs 2 WGSVG angenommen, diese im Sinne der Klägerin ausgefüllt und möglicherweise im Anschluß an SozR 5070 § 10a Nr 13 auch eine Neueröffnung der Frist für den so erneut erweiterten Personenkreis angestrebt werden soll. Zu einem derartigen Ausgleich einer nicht genutzten früheren Gelegenheit kann indes das Institut der Lückenfüllung im Wege der Analogie hier nicht dienen.

Im übrigen könnte eine Entscheidung des Senats, daß auch Empfänger eines Härteausgleichs nach § 171 Abs 1 BEG in den Anwendungsbereich des § 10a Abs 2 WGSVG einzubeziehen seien, dem Begehren der Klägerin auch noch aus einem anderen Grunde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Umstand, daß eine solche Entscheidung erst jetzt, lange nach Ablauf der Antragsfrist für Beitragsnachentrichtungen nach § 10a Abs 2 WGSVG erginge - dies würde an sich eine Neueröffnung der Frist im Wege der ergänzenden Rechtsfortbildung rechtfertigen (vgl SozR 5070 § 10a Nr 13) -, wäre im Falle der Klägerin nicht ursächlich dafür, daß sie die nachzuentrichtenden Beiträge nicht früher entrichtet hat. Ähnlich wie ein Berechtigter, der eine Antragsfrist versäumt hat und dies auf falsche oder ungenügende Information eines Versicherungsträgers zurückführt, deswegen dann keinen Herstellungsanspruch hat, wenn das Fehlverhalten des Versicherungsträgers für die Fristversäumung nicht ursächlich war, können auch in Fällen, in denen eine fristgebundene Nachentrichtungsberechtigung erst nach Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist gerichtlich geklärt wird, die durch die klarstellende Entscheidung begünstigten Personen daraus einen Anspruch auf Neueröffnung der Frist nicht herleiten, wenn die Verzögerung der Entscheidung nicht ursächlich dafür war, daß sie die nachzuentrichtenden Beiträge nicht fristgemäß entrichtet haben (über diese Frage war in dem eben genannten Urteil des Senats nicht zu entscheiden, weil der damalige Fall keinen Anlaß dazu bot). Ein Fall fehlender Kausalität wird in der Regel dann, aber auch nur dann vorliegen, wenn die fraglichen Beiträge aufgrund eines fristgerecht gestellten Antrags nach einer anderen Vorschrift, jedoch mit (mindestens) gleicher Wirkung entrichtet werden konnten, der Berechtigte darüber auch informiert war, gleichwohl aber die Beitragsentrichtung ohne triftigen Grund unterlassen hatte. Dies trifft für die Klägerin zu; sie hätte, wie dargelegt, die Nachentrichtung der Beiträge, die sie jetzt nach § 10a Abs 2 WGSVG entrichten will, schon früher - vor Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist am 31. Dezember 1975 - nach der ihr bekannten und auch genutzten Vorschrift des § 10 WGSVG beantragen können und damit sogar ein noch besseres Ergebnis erzielt als durch eine Nachentrichtung nach § 10a Abs 2 WGSVG.

Die Klägerin kann für ihre gegenteilige Auffassung nicht mit Erfolg geltend machen, sie müsse so behandelt werden wie die Härteausgleichsempfänger des § 171 Abs 2 Buchst c BEG in der genannten Rechtsprechung des Senats (SozR 5070 § 10a Nr 6, Nr 12 und Nr 13). In den Sachverhalten, die den drei Urteilen zugrunde lagen, waren die Kläger schon während der Schulzeit im Alter von 13, 15 und 17 Jahren verfolgt worden und ausgewandert, ohne vorher noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen zu haben. Sie waren daher nicht nach § 10 Abs 1 Satz 1 WGSVG nachentrichtungsberechtigt. Darin lag ein entscheidender Unterschied zur Klägerin. Im übrigen hat der Senat in einem anderen, in gewisser Hinsicht jedoch vergleichbaren Zusammenhang bereits entschieden, daß auch einem in Israel lebenden israelischen Staatsangehörigen, der aufgrund seiner gleichzeitigen deutschen Staatsangehörigkeit zur Nachentrichtung nach Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (= Art 2 § 51a Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes) und zur anschließenden freiwilligen Versicherung berechtigt war, das Nachentrichtungsrecht nicht erneut nach deutsch-israelischem Abkommensrecht zustand (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 52).

Die Nachentrichtung nach § 10a Abs 2 WGSVG scheitert hiernach für die Klägerin jedenfalls daran, daß sie früher nach § 10 Abs 1 Satz 1 WGSVG nachentrichtungsberechtigt war. Deshalb bedurfte es keiner Entscheidung der Frage mehr, ob Verfolgte, die unter den gleichen Umständen wie die Klägerin einen Härteausgleich nach § 171 Abs 1 BEG erhalten haben, dann die Nachentrichtung entsprechend § 10a Abs 2 WGSVG eröffnet wäre, wenn sie früher nicht nach § 10 WGSVG nachentrichtungsberechtigt waren.

Die Revision erwies sich als unbegründet und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664822

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