Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung von Sozialkostenentlastungsbeträgen gegen Beitragserstattungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Mit Beträgen, die ein landwirtschaftlicher Unternehmer gemäß § 1 SVBEG zur Entlastung von seinen Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung erhalten hat, kann nicht gegen dessen Beitragserstattungsanspruch nach § 48 GAL aufgerechnet werden.
Orientierungssatz
Es verbietet sich insbesondere eine analoge Anwendung des § 48 Abs 2 S 4 GAL, der die Aufrechnung mit Zuschüssen iS von § 3c GAL ermöglicht; denn diese Zuschüsse werden ausschließlich für Beiträge zur landwirtschaftlichen Altershilfe gewährt, während die Entlastung nach dem SVBEG die landwirtschaftliche Sozialversicherung insgesamt betrifft, also Kranken- und Unfallversicherung sowie Altershilfe für Landwirte.
Normenkette
SVBEG § 1 Abs 1 Nr 3; GAL § 48 Abs 2 S 4 Fassung: 1985-12-20; SVBEG § 5 Abs 3; SGB 10 § 48; GAL § 3c
Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 11.10.1989; Aktenzeichen S 1 Lw 10/89) |
Tatbestand
Streitig ist, ob mit einer Rückforderung von Sozialkostenentlastungsbeträgen gegen einen Beitragserstattungsanspruch aufgerechnet werden kann.
Der am 27. März 1926 geborene Kläger war bis September 1958 landwirtschaftlicher Gehilfe und danach landwirtschaftlicher Unternehmer iS von § 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL), bis er das Unternehmen zum 31. März 1988 abgab. Auf seinen Antrag erhielt er von der beklagten Hannoverschen Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) nach dem Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz (SVBEG) vom 21. Juli 1986 (BGBl I 1070) für die Jahre 1986 und 1987 je 1.000,- DM und für Januar bis März 1988 250,- DM (insgesamt 2.250,- DM) Beitragsentlastungen (Bescheide vom 21. Januar 1987, 24. Februar 1987 und 22. Juni 1988). Nachdem er bei der Landesversicherungsanstalt Hannover (LVA) nach Art 2 § 52a des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) freiwillige Beiträge nachentrichtet, dafür von der Beklagten einen Zuschuß aus Bundesmitteln erhalten hatte (§ 47 Abs 1 und 4 GAL) und deswegen aus der landwirtschaftlichen Alterskasse ausgeschieden war (§ 48 Abs 1 GAL), wurden ihm die (seit der letzten gewährten Leistung) zur LAK von Februar 1978 bis März 1988 geleisteten Beiträge von insgesamt 13.039,20 DM bis auf den Betrag von 2.250,- DM erstattet mit dem Hinweis, daß über die Aufrechnung der für 1986 bis 1988 gezahlten Beitragsentlastung gesondert entschieden werde (Bescheid vom 16. Januar 1989).
Mit Schreiben vom 26. Januar 1989 wies die beklagte LAK den Kläger darauf hin, daß sie beabsichtige, den Bescheid über die Bewilligung einer Beitragsentlastung vom 21. Januar 1987 sowie die entsprechenden Folgebescheide gemäß § 3 Abs 1 und 2 SVBEG aufzuheben und die Erstattung von 2.250,- DM geltend zu machen. Mit dem streitigen Bescheid vom 11. April 1989 hob die Beklagte die "vorläufigen Bescheide über die Bewilligung der Beitragsentlastung für 1986, 1987 und 1988" auf und führte aus, es seien "die vorsorglich laut Bescheid vom 16. 1. 1989 einbehaltenen Beträge in Höhe von 2.250,- DM nunmehr mit der Rückforderung aufgerechnet worden." Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 1989).
Auf die Klage, mit der auch die Zurückzahlung der einbehaltenen 2.250,- DM beantragt worden ist, hat das Sozialgericht Hildesheim (SG) durch Urteil vom 11. Oktober 1989 den Bescheid vom 11. April 1989 idF des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1989 aufgehoben: § 48 Abs 2 Satz 4 GAL könne entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entsprechend angewandt werden, weil sich diese Regelung ausschließlich auf die nach § 3c GAL gezahlten Beitragszuschüsse beziehe, während die nach dem SVBEG erbrachten Leistungen die Entlastung von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung beträfen, sich also auch auf die landwirtschaftliche Kranken- und Unfallversicherung erstreckten. Auch das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB X) enthalte keine Rechtfertigungsnorm für die Beklagte. § 45 SGB X sei unanwendbar, da die Bewilligungsbescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses nicht rechtswidrig gewesen seien. § 48 SGB X könne nicht angewandt werden, da die Bewilligungsbescheide nur eine Einmal-Leistung betroffen hätten, und die Anwendbarkeit des § 47 SGB X entfalle, weil es am Widerrufsvorbehalt fehle und im übrigen die Aufhebung des Bescheides nur mit Zukunftswirkung zulässig wäre. Deshalb sei die Beklagte verpflichtet, in Ausführung des Bescheides vom 16. Januar 1989 dem Kläger die noch einbehaltenen 2.250.- DM auszuzahlen.
Das SG hat die Sprungrevision im Tenor seines Urteils zugelassen.
Zur Begründung der mit schriftlicher Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision trägt die Beklagte vor: Das SG habe Sinn und Zweck des § 48 Abs 2 Satz 4 GAL verkannt. Nicht nur mit Zuschüssen zum Beitrag, sondern auch mit der Sozialkostenentlastung müsse gegen den Beitragserstattungsanspruch aufgerechnet werden. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, daß durch die Beitragspflicht zur Altershilfe auch die Belastung mit Beiträgen zur Unfall- und Krankenversicherung einhergehe. Entfalle die Beitragspflicht zur LAK, so ende der Anspruch auf Beitragsentlastung (§ 3 Abs 2 SVBEG). Hier habe rückwirkend keine Beitragsbelastung in der landwirtschaftlichen Altershilfe bestanden. Wenn schon Beitragszuschüsse nach dem GAL mit dem Erstattungsanspruch nach § 48 GAL zu verrechnen seien, müsse dies erst recht für Zuschußbeträge nach dem SVBEG gelten. Daß die Vorschriften des GAL entsprechend anzuwenden seien, ergebe sich aus § 5 Abs 3 SVBEG.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 11. Oktober 1989 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 11. April 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1989 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Sprungrevision der Beklagten zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß die Beklagte ihm 2.250,-- DM zu zahlen hat.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, er könne nicht rückwirkend aus der Altershilfe für Landwirte ausgeschieden sein, was sich auch daraus ergebe, daß ihm im Januar 1978 Betriebshilfe gewährt worden sei. Unabhängig hiervon könne die Beklagte keine Rückzahlung oder Aufrechnung der gezahlten Beitragsentlastungsbeträge geltend machen. Die Ansicht, daß eine entsprechende Anwendung des § 48 Abs 4 GAL über § 5 Abs 3 SVBEG ermöglicht werde, könne schon deshalb nicht geteilt werden, weil § 5 SGBEG lediglich verfahrensrechtliche, aber nicht materiellrechtliche Bestimmungen des GAL für anwendbar erkläre. Er - der Kläger - werde auch nicht doppelt entlastet, zumal er auch mit Beiträgen zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung belastet gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger stehen die streitigen Sozialkostenentlastungsbeträge von 2.250,-- DM zu.
In verwaltungsverfahrens- und prozeßrechtlicher Hinsicht konnte eine Prüfung, ob die Beklagte überhaupt vor der eigentlichen Aufrechnung schon mit Bescheid vom 16. Januar 1989 die nach ihrer Ansicht zu Unrecht gezahlten 2.250,-- DM "vorsorglich einbehalten" durfte, ebenso vernachlässigt werden wie eine Erörterung darüber, daß der Kläger in erster Instanz schriftsätzlich neben der Aufhebung des Bescheides (Widerspruchsbescheides) vom 11. Juli 1989 auch die "Zurückzahlung" der Beitragsentlastungsbeträge für die Zeit von Januar 1986 bis März 1988 in Höhe von 2.250,-- DM beantragt hatte, während das SG in seinem ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil von einer - offenbar als genügend angesehenen - Anfechtungsklage, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides vom 11. April 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1989, ausgegangen ist. Denn zum einen besteht, wie noch im einzelnen auszuführen sein wird, kein Anspruch der Beklagten auf Erstattung ("Einbehaltung", Rückforderung), so daß auch eine Aufrechnung mit einem solchen Anspruch entfällt. Zum anderen hat der Senat entsprechend dem ursprünglichen Klagebegehren (§ 123 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) und dem neu formulierten Revisionsantrag die Beklagte verpflichten können und müssen, dem Kläger 2.250,-- DM zu zahlen. Darin liegt keine - in der Revisionsinstanz unzulässige - Klageänderung, sondern nur eine Erweiterung des Klageantrages auf der Grundlage bereits getroffener Feststellungen (vgl §§ 168, 99 Abs 3 Nr 2 SGG). Hinsichtlich der Einordnung in das Klagesystem des SGG kann dabei offenbleiben, ob es sich - da die Beklagte ihren mit Bescheid vom 16. Januar 1989 anerkannten Zahlungsanspruch teilweise nicht erfüllt hat - nur um eine mit der Anfechtungsklage verbundene Leistungsklage handelt (§ 54 Abs 4 SGG), oder ob, anknüpfend an die der Aufrechnung vorausgegangene "Einbehaltung" des Betrages von 2.250,-- DM, das Gericht damit eine Folgenbeseitigung iS von § 131 Abs 1 Satz 1, 2 SGG anordnet.
Der Bescheid vom 11. April 1989 (idF des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1989) ist rechtswidrig. Die Beklagte durfte gegen den Beitragserstattungsanspruch des Klägers nicht mit einer Rückforderung der von ihr nach dem SVBEG für den Zeitraum Januar 1986 bis März 1988 als Entlastung gezahlten 2.250,-- DM aufrechnen; denn ihr steht kein solcher Rückforderungsanspruch (Erstattungsanspruch) zu.
Es unterliegt keinem Zweifel und ist im übrigen zwischen den Beteiligten auch unstreitig, daß die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 21. Januar 1987 und auch danach für die Zeit bis einschließlich März 1988 dem Kläger rechtmäßig Leistungen nach dem SVBEG gewährt hat. Gemäß § 1 Abs 1 aaO erhalten landwirtschaftliche Unternehmer "eine Entlastung von ihren Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung", wenn sie entweder die Voraussetzungen für einen Zuschuß zum Beitrag nach § 3c Abs 1 bis 5 und 7 GAL oder nach der Verordnung über einen Beitragszuschuß in der Altershilfe für Landwirte (GAL-Beitragszuschußverordnung) vom 21. Mai 1986 (BGBl I 750) erfüllen oder wenn sie - Abs 1 Nr 3 der Vorschrift - nach § 14 Abs 1 Buchst a GAL beitragspflichtig sind, der Wirtschaftswert des Unternehmens 40.000,-- DM überschreitet (a), (aber) das Einkommen ein Siebtel der Bezugsgröße nicht überschreitet (b) und das Einkommen einschließlich des Arbeitseinkommens aus der Land- und Forstwirtschaft das 1,2-fache der Bezugsgröße (gemeint ist die Bezugsgröße iS von § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV - iV mit der jeweiligen Sozialversicherungs-Bezugsgrößenverordnung) nicht überschritten hat (c). Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 3 SVBEG. Er erhielt die "Entlastung", die hinsichtlich ihrer Höhe in fünf Berechtigungsgruppen eingeteilt worden ist, nach dem niedrigsten Wert (sog Stufe 5) von jährlich 1.000,-- DM (§ 2 Abs 1 Nr 3 SVBEG). Da mit dem 31. März 1988 seine landwirtschaftliche Unternehmerschaft endete, entfiel gleichzeitig der Anspruch auf Entlastung (§ 3 Abs 2 Halbs 1 SVBEG); dementsprechend wurde der für April bis Dezember 1988 bereits gezahlte Teil der Entlastung zurückgefordert (Bescheid vom 22. Juni 1988).
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rechtsgrundlage für die von ihr vorgenommene Zahlung der Entlastungsbeträge von 2.250,-- DM auch nicht nachträglich mit der Folge entfallen, daß diese Summe zurückgefordert oder in dieser Höhe gegen einen Anspruch des Klägers aufgerechnet werden könnte. Allerdings hat der Kläger nicht nur - wie oben im Zusammenhang mit dem Wegfall der Entlastung erwähnt - seine Rechtsposition als (aktiver) landwirtschaftlicher Unternehmer aufgegeben. Er ist auch, da er einen Zuschuß nach § 47 GAL in Anspruch genommen hat, aus der LAK - überhaupt - ausgeschieden (§ 48 Abs 1 GAL). Dieser gesetzlichen Vorschrift ist vorausgegangen, daß mit dem durch das (Erste) Agrarsoziale Ergänzungsgesetz (1. ASEG) vom 21. Dezember 1970 (BGBl I 1774) angefügten Dritten Teil des GAL (§§ 47 bis 50) - Überschrift: "Zuschußgewährung zur Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten" - ausgeschiedenen landwirtschaftlichen Unternehmern ermöglicht werden sollte, durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung (§ 47 GAL, § 52a ArVNG, § 50b AnVNG, jeweils idF des 1. ASEG) einen umfassenden sozialen Schutz in diesem Sicherungssystem aufzubauen, dem sie sodann angehörten. Dazu diente die Gewährung eines Zuschusses zu den nachzuentrichtenden Beiträgen in Höhe von 70 vH (§ 47 Abs 1, 3 GAL). Um den Doppelbezug von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und der Altershilfe, zu deren Beiträgen und Leistungen der Bund unmittelbar oder mittelbar jeweils Zuschüsse geleistet hatte, andererseits zu vermeiden, bestimmte § 48 Abs 1 GAL idF des 1. ASEG, daß derjenige Versicherte, der einen Zuschuß gemäß § 47 GAL in Anspruch nimmt, aus der landwirtschaftlichen Alterskasse ausscheidet (vgl hierzu unter Bezug auf die Gesetzesmaterialien Urteil des erkennenden Senats vom 29. März 1990 - 4 RLw 4/89 S. 8, 9; ebenso Urteil vom 25. April 1990 - 4 RLw 5/89 S. 10,11). Der Begriff des Ausscheidens bedeutet, daß der Betreffende wegen des Übergangs in ein anderes Sicherungssystem rückwirkend von Anfang an als nicht zur landwirtschaftlichen Altershilfe gehörend anzusehen war (BSG aaO). Die Auflösung des Versicherungsverhältnisses nach dem GAL zieht auf der Beitragsseite die Erstattung der zur LAK entrichteten Beiträge nach sich, für den Fall der Leistungsgewährung nach dem GAL allerdings nur für den Zeitraum nach Erlaß des letzten Bewilligungsbescheides (§ 48 Abs 2 Satz 1, 2 GAL).
Indessen begründet die Auflösung und "Rückabwicklung" des GAL- Versicherungsverhältnisses keinen Erstattungsanspruch der LAK hinsichtlich der nach dem SVBEG gezahlten Entlastung und demzufolge auch keine Erfüllungspflicht des früheren landwirtschaftlichen Unternehmers. Eine gesetzliche Regelung hierüber gibt es nicht. Auf allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht (SGB X), dessen grundsätzliche Anwendbarkeit § 5 Abs 3 SVBEG klarstellt, hat sich die Beklagte nicht berufen; es bietet ihr auch keine Anspruchsgrundlage. § 45 SGB X kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Vorschrift einen rechtswidrigen (begünstigenden) Verwaltungsakt voraussetzt (§ 45 Abs 1, 2 und 3 SGB X), die Bescheide über die Zuerkennung der Entlastung aber zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig waren, wie bereits ausgeführt worden ist und auch das SG erkannt hat. Auch § 48 SGB X hilft der Beklagten nicht weiter. Zwar entfällt nach der Ansicht des Senats die Anwendbarkeit der Vorschrift auf den vorliegenden Fall entgegen dem SG nicht schon deshalb, weil die Bescheide über die Bewilligung der Entlastung eine Einmal-Leistung betroffen hätten; denn der einmal gestellte Antrag wirkt zugleich für die folgenden Kalenderjahre (§ 5 Abs 1 Satz 2 SVBEG), woraus erhellt, daß die Entlastung eine dauernde Geldleistung ist (vgl Breuer, Das Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz, SdL 1986, S 229 ff, 247); und der bereits erörterte § 3 Abs 2 Halbs 1 SVBEG stellt auf einen nachträglichen, nicht notwendig auf den Leistungsbeginn zurückwirkenden Wegfall der Leistung ab, wie er nur bei einem Verwaltungsakt "mit Dauerwirkung" vorkommen kann (vgl hierzu Stüwe, Bindungswirkung von Verwaltungsakten bei der Zuschußgewährung und der Beitragsentlastung, SdL 1988, S 206 ff, 219). § 48 SGB X wirkt aber allenfalls auf den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - hier also auf den 31. März 1988 - zurück, wenn auf den Wegfall des Anspruchs auf Entlastung abgehoben wird, so daß sich schon deshalb kein Erstattungsanspruch ergeben kann. Hält man die rückbezogene Auflösung des Versicherungsverhältnisses für maßgebend, scheidet die rückwirkende Aufhebung der die Entlastung bewilligenden Bescheide aus, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 4 SGB X ersichtlich nicht in Betracht kommen.
Eine entsprechende Anwendung des § 48 Abs 2 Satz 4 GAL, auf die sich die Beklagte stützt, ist nicht möglich. Die durch Art 1 Nr 27 des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes - 3. ASEG - vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2475) eingefügte Vorschrift lautet: "Sind Zuschüsse zum Beitrag gewährt worden, ist mit den für den gleichen Zeitraum gezahlten Zuschüssen gegen den Erstattungsanspruch aufzurechnen." Der Anspruch vermindert sich also im Ergebnis um die Zuschüsse iS des § 3c GAL idF des 3. ASEG oder des Abs 8 aaO iVm §§ 1, 2 der GAL-Beitragszuschußverordnung vom 21. Mai 1986, die zu den der Erstattung unterliegenden Altershilfe-Beiträgen gewährt worden sind. Diese Ausnahmevorschrift zur Höhe des Beitragserstattungsanspruchs läßt sich jedoch nicht analog in dem Sinne anwenden, daß auch mit einer gewährten Entlastung gegen den Erstattungsanspruch aufgerechnet werden könnte. Nichts anderes läßt sich aus Abs 3 des mit "Verfahren" überschriebenen § 5 SVBEG herleiten, wonach, soweit dieses Gesetz (das SVBEG) nichts anderes vorschreibt, die für die Altershilfe für Landwirte geltenden Vorschriften des GAL sowie des Ersten, Vierten und Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend anzuwenden sind. Mit einer solchen allgemeinen Verweisungsklausel wird lediglich klargestellt, daß beim Fehlen besonderer Regelungen die Kriterien und Begriffsbestimmungen des GAL gelten (vgl BT-Drucks 10/5463, Begründung zu § 5 Abs 3 SVBEG); es kann aber damit der im GAL vorgesehenen Aufrechnung mit einem Zuschuß iS des § 3c GAL eine Aufrechnung mit einer gewährten Entlastung nach dem SVBEG nicht gleichgesetzt werden.
Sinn und Konzeption des SVBEG sprechen nicht für die Beklagte, sondern verdeutlichen im Gegenteil, daß eine analoge Anwendung ausscheidet. Während sich nämlich der Zuschuß nach § 3c GAL nur auf den Beitrag zur landwirtschaftlichen Altershilfe beziehen kann, wurde mit dem SVBEG eine pauschale Entlastungsleistung konzipiert, um die infolge der Beiträge in allen drei Sicherungssystemen (Kranken-, Unfall- und "Renten"versicherung = Altershilfe) bestehende Beitragslast abzubauen (vgl Breuer, aaO S 231); demzufolge sind die einzelnen Sicherungssysteme in § 1 Abs 1 SVBEG unter dem Oberbegriff der "landwirtschaftlichen Sozialversicherung" zusammengefaßt worden. Zwar hat der Gesetzgeber des SVBEG bewußt an die Regelungen des 3. ASEG angeknüpft, weil die "notwendigen Unterlagen und Kataster ... nur bei den Alterskassen vorhanden oder von ihnen kurzfristig zu beschaffen" waren (BT- Drucks 10/5463 S 7; BR-Drucks 231/86 S 17); andererseits sind aber - anders als hinsichtlich der Beitragszuschußregelung in der Altershilfe nach § 3c GAL - die Weiterversicherten (§ 27 GAL) von der Entlastung ausgenommen worden, und zwar zum einen, weil sie keine landwirtschaftlichen Unternehmer mehr sind und daher das Risiko der gesunkenen Gewinnaussichten in der Landwirtschaft nicht mehr zu tragen haben, zum anderen jedoch auch, weil sie in der Regel nicht mehr in allen drei landwirtschaftlichen Sozialversicherungssystemen beitragspflichtig sind (vgl Breuer, aaO, S 232f). Daß die Entlastung nach dem SVBEG alle drei Systeme erfaßt, zeigt auch § 2 Abs 2 Halbs 1 SVBEG, wonach sich die Entlastung für Berechtigte, die nicht nach § 2 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versichert sind, auf die Hälfte des sonst zu zahlenden Betrages reduziert.
Wenn aber somit die Sozialkostenentlastung im Gegensatz zum Zuschuß nach § 3c GAL kein Ausgleich für nur nach dem GAL geleistete Beiträge ist, sondern die Beitragsbelastung insgesamt - in der Unfall- und Krankenversicherung sowie in der Altershilfe - mindern soll, dann wäre es sinn- und systemwidrig, gegen den Anspruch auf Erstattung der GAL-Beiträge mit dem Sozialkostenentlastungsbetrag in voller Höhe aufrechnen zu können. Der von der Beklagten vertretene Grundsatz, die in § 48 Abs 2 Satz 4 GAL sanktionierte Aufrechnung mit Beitragszuschüssen müsse erst recht für die Sozialkostenentlastung gelten, läßt sich daher dem Gesetz gerade nicht entnehmen. Zwar wäre eine gesetzliche Regelung denkbar, die - pauschalierend - die Aufrechnung mit einem Teil der Sozialkostenentlastung zuließe. Im Wege der Gesetzesanwendung und -auslegung kann indessen ein Ergebnis in dieser Richtung nicht gewonnen werden.
Das Urteil des erkennenden Senats vom 4. Oktober 1988 - 4/11a RLw 5/87 -, mit dem Bedenken gegen die Vereinbarkeit des SVBEG mit den Bestimmungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) - insbesondere dessen Art 92 Abs 1 - angemeldet worden sind, berührt den vorliegenden Rechtsstreit nicht, weil selbst bei einer Unvereinbarkeit des SVBEG mit Europa-Recht der von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Rückforderungsanspruch nicht bestünde.
Nach alledem war die Revision der Beklagten unter gleichzeitiger Ergänzung des Urteilstenors zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen