Leitsatz (amtlich)
Wechselt ein Beschädigter, bei welchem die Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß BVG § 30 Abs 2 Buchst b (Ausübung des früheren Berufes nur mit besonderem Energieaufwand) höher bewertet worden war, später aus schädigungsunabhängigen Gründen den Beruf, so entfällt das besondere berufliche Betroffensein im allgemeinen nur dann, wenn der neue Beruf dem früheren sozial gleichwertig ist (BVG § 30 Abs 2 Buchst a).
Normenkette
BVG § 30 Abs. 2 Buchst. b Fassung: 1964-02-21, Buchst. a Fassung: 1964-02-21
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. November 1971 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
Der im Jahre 1910 geborene Kläger war vor und nach dem Kriege - mit einer kurzen Unterbrechung im Jahre 1957 - bis zum 30. April 1965 als Web- oder Saalmeister tätig und ist seit dem 1. Juni 1965 als Pförtner bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt.
Aufgrund des Neufeststellungsbescheides vom 27. Mai 1963 sind bei ihm seit dem 1. November 1962 als Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. anerkannt worden:
"1. Teillähmung des linken Mittelnerven, reizlose Narbe in der Ellenbeuge links und reizlose Narbe am linken Oberarm nach Durchschuß.
2. Große reizlose Narbe in der linken Lendengegend mit großem Narbenbruch, zahlreiche Granatsplitter innerhalb der Bauchhöhle.
3. Reizlose Narben am Nacken nach Granatsplitterverletzung.
4. Zwerchfellverklebung links".
Gleichzeitig wurde eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) wegen besonderen beruflichen Betroffenseins zunächst mit der Begründung abgelehnt, der Kläger könne bei der Art seines Schädigungsleidens auch weiterhin seinen Beruf als Webermeister ausüben. Der Neufeststellungsbescheid vom 27. Mai 1963 ist bindend geworden.
Im Oktober 1968 beantragte der Kläger die Neufeststellung seines Versorgungsanspruchs wegen einer Verschlimmerung der Schädigungsfolgen. In einem weiteren Antrag vom 14. November 1968 begehrte er eine höhere Bewertung der MdE wegen besonderen beruflichen Betroffenseins, da er den schweren Beruf des Saal- und Webmeisters nicht mehr ausüben könne.
Den Antrag auf Neufeststellung wegen Verschlimmerung lehnte der Beklagte mit dem Bescheid vom 1. Oktober 1969 ab. Auf den Antrag vom 14. November 1968 erteilte er den Zugunstenbescheid vom 2. Oktober 1969, mit dem die MdE rückwirkend vom 1. November 1962 bis 30. April 1965 - dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Beruf als Web- und Saalmeister - von 40 v. H. auf 50 v. H. erhöht wurde; der Kläger habe seinen Beruf bis zum Ausscheiden nur unter besonderem Energieaufwand ausüben können und sei daher als besonders beruflich betroffen im Sinne des § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG anzusehen. Ein besonderes berufliches Betroffensein sei über den 30. April 1965 hinaus nicht zu berücksichtigen, weil der Beruf wegen Nichtschädigungsfolgen aufgegeben worden sei.
Nach Zurückweisung des Widerspruchs gegen die zeitlich befristete Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit (Widerspruchsbescheid vom 12. März 1970) hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Dieses hat mit dem Urteil vom 28. Oktober 1970 den Bescheid vom 2. Oktober 1969 und den Widerspruchsbescheid vom 12. März 1970 insoweit aufgehoben, als dem Kläger Rente nach einer MdE um 50 v. H. unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nur bis zum 30. April 1965 zuerkannt worden ist. Der Grund des Ausscheidens aus dem Beruf sei unerheblich, wenn vorher der Beschädigte beruflich besonders betroffen gewesen sei.
Durch Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 18. November 1971 ist das Urteil des SG Düsseldorf vom 28. Oktober 1970 auf die Berufung des Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Das LSG hat ausgeführt: Zwar könne aus den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juli 1965 - 10 RV 659/63 (BSG 23, 188) und vom 25. April 1961 - 11 RV 1340/60 - (BSG 14, 172) der Schluß gezogen werden, daß regelmäßig die bereits bindenden Feststellungen besonderer beruflicher Betroffenheit später - insbesondere aus Gründen des Alters oder der Aufgabe des Berufes aufgrund nicht Wehrdienstbedingter Gesundheitsstörungen - nicht entfielen. Anders aber sei es dann, wenn die MdE ohne soziale Einbuße oder erheblichen Einkommensverlust wegen Aufbietung außergewöhnlicher Tatkraft im seitherigen Beruf höher bewertet worden sei. Werde in einem solchen Fall der Beruf aufgegeben, so seien die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG nicht mehr gegeben, es sei denn, daß der Berufswechsel auf dem Versorgungsleiden beruhe. Dies sei hier nicht der Fall. Denn nach dem überzeugenden versorgungsärztlichen Gutachten des Dr. G vom 29. Juli 1969 komme für die Aufgabe des Berufes und den Berufswechsel zum Pförtner überwiegende Bedeutung den Nichtschädigungsfolgen zu, nämlich der Schlagaderverhärtung mit Bluthochdruck, dem operativ behandelten Magengeschwürsleiden, der Blählunge mit Bronchitis und den Folgen des im Jahre 1963 durchgemachten Herzinfarktes. Der ohne nähere Begründung vertretenen Ansicht des behandelnden Arztes des Klägers, Dr. S, in dem Attest vom 29. Juni 1970, wonach der Berufswechsel auf dem Versorgungsleiden beruhe, könne nicht beigepflichtet werden. Auch nach § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG komme eine höhere Bewertung der MdE nicht in Betracht, da Voraussetzung hier ebenfalls ein schädigungsbedingter Berufswechsel sei, der nicht vorliege.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 30 Abs. 2 BVG, 40 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG). Hilfsweise stützt er seine Revision mit näherer Begründung auf die Verletzung der §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er trägt u. a. vor, das LSG habe zu Unrecht angenommen, die besondere berufliche Betroffenheit sei durch Aufgabe des Berufs entfallen. Dies sei nur der Fall, wenn der Beschädigte später wieder eine dem Vorschädigungsberuf sozial gleichwertige Beschäftigung ausübe. In Anwendung der vom LSG zitierten Urteile des BSG mache es auch keinen Unterschied, ob die MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 Buchst. a, b oder c BVG erhöht worden sei. Die Auffassung des LSG führe zu dem unzutreffenden Ergebnis, daß auch immer dann ein besonderes berufliches Betroffensein nicht mehr gegeben sei, wenn aus Altersgründen der Beruf aufgegeben werde. Dies führe zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Beschädigten, die trotz der bestehenden Schädigungsfolgen den vor der Schädigung ausgeübten Beruf auf Kosten der Gesundheit fortgesetzt hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. November 1971 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 1970 zurückzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des Urteils vom 18. November 1971 die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Verfahrensmängel lägen nicht vor. Der Umstand, daß schädigungsunabhängige Nachschäden mitgewirkt hätten, schließe nach der Rechtsprechung des BSG bereits die Berücksichtigung der Berufsaufgabe im Rahmen des § 30 Abs. 2 BVG aus (SozR Nr. 20 zu § 30 BVG = BSG 23, 188).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, durch Zulassung statthafte Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG). Sie ist auch insofern begründet, als der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden muß (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen keine Bedenken. Das Urteil des SG war mit der Berufung anfechtbar, weil von dem begehrten Grad der MdE ab 1. Mai 1965 auch die Schwerbeschädigteneigenschaft des Klägers abhängt (§ 148 Nr. 3 SGG).
Die Entscheidung des LSG ist nicht frei von Rechtsirrtum. Der angefochtene Bescheid vom 2. Oktober 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1970 ist im Gegensatz zur Ansicht des LSG ermessensfehlerhaft, weil § 30 Abs. 2 BVG unrichtig angewandt worden ist.
Das LSG hat zwar ausgeführt, daß die Entscheidung des Beklagten nur auf Ermessensfehler überprüfbar sei, es hat sich aber zu Recht nicht auf eine solche Ermessenskontrolle beschränkt. Denn die Ermessensentscheidung des Beklagten nach § 40 Abs. 1 VerwVG ist hinsichtlich der Höhe der MdE gerichtlich unbeschränkt nachzuprüfen, weil der Beklagte für Vergangenheit und Zukunft das Vorliegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins beim Kläger hat überprüfen wollen und es auch getan hat (BSG, Urteil vom 8. September 1970 - 9 RV 304/69 - in SozR § 40 VerwVG Nr. 14 - Ca 18 -; Schönleiter-Hennig, Komm. zum VerwVG, 2. Aufl., Anm 3 S. 121 zu § 40 VerwVG). Im Gegensatz zur Auffassung des LSG und des Beklagten scheitert aber eine höhere Bewertung der MdE ab 1. Mai 1965 nicht bereits daran, daß der Kläger seinen Beruf, den er bis dahin nur unter Aufbietung außergewöhnlicher Energie ausüben konnte, aufgegeben hat und für die Aufgabe nach den - allerdings angegriffenen - Feststellungen des LSG Nichtschädigungsfolgen verantwortlich sein sollen. Es trifft zwar zu, daß bei einer anerkannten besonderen beruflichen Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG in der hier in Betracht kommenden Fassung des Zweiten Neuordnungsgesetzes vom 21. Februar 1964 - BGBl I 85 - (2. NOG) die Aufgabe des vor der Schädigung ausgeübten Berufes den Anlaß für eine andere Bewertung der MdE bilden kann (vgl. hierzu die unterschiedlichen Auffassungen zur Neufeststellung aus Anlaß der Berufsaufgabe insbesondere bei: Meyer: "Unter welchen Voraussetzungen läßt sich eine Neufeststellung nach § 62 BVG vornehmen, wenn die MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG erhöht worden war?" in KOV 1972, S. 1 (2, linke Spalte); Brückmann, Zweifelsfragen zur Durchführung des § 30 Abs. 2 bis 4 BVG in Versorg. Bea 1966, 16, (21, linke Spalte); Vorberg-van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, IV. Teil, Stand Mai 1972, S. 35). Dies ergibt sich einerseits aus dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift, die die höhere Bewertung der MdE vorsieht, wenn der Beschädigte seinen vor der Schädigung ausgeübten Beruf weiter "ausübt". Andererseits entspricht es auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, daß die aus Gründen des § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG anerkannte berufliche Betroffenheit - wie hier für die Zeit bis 30. April 1965 - entfallen kann, wenn der Beruf aufgegeben wird. Denn durch § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG trägt das Gesetz den Beschädigten Rechnung, die ohne nachweislichen beruflichen Schaden deshalb besonders betroffen sind, weil sie in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben in dem weiter ausgeübten Beruf beeinträchtigt sind (vgl. z. B. Vorberg-van Nuis, S. 35 aaO), wie es insbesondere bei einem Verbleiben im Beruf unter Aufbietung außergewöhnlicher Energie der Fall ist (vgl. hierzu BSG 13, 20 (23)). Für die Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG ist daher wesentlich, daß das besondere berufliche Betroffensein in der durch die Schädigungsfolgen erschwerten Berufsausübung seinen Ausdruck findet, ohne daß es darauf ankommt, ob der Beschädigte z. B. einen anderen gleichwertigen Beruf zur Vermeidung der Betroffenheit ausüben kann. Daher kann in diesen Fällen die Aufgabe des Berufes durchaus von Bedeutung sein und zu einer Herabsetzung des Grades der MdE führen, wenn im übrigen ein beruflicher Schaden tatsächlich nicht vorliegt, der nach § 30 Abs. 2 BVG noch auszugleichen wäre.
Diese Auffassung steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BSG vom 27. Juli 1965 - 10 RV 659/63 - BSG 23, 188). Aus dieser Entscheidung läßt sich nicht folgern, daß die Aufgabe des Berufes, wegen dessen Ausübung die MdE höher bewertet worden ist, schlechthin bedeutungslos sein müsse. Zwar ist auch bei der Bewertung der MdE unter Berücksichtigung von § 30 Abs. 2 BVG - wie in BSG 23, 188 (191) ausgeführt ist - die MdE aus dem Vergleich der Erwerbsfähigkeit vor und nach der Schädigung zu ermitteln. Dies bedeutet aber nicht, daß später fortfallende Umstände, die bei der Feststellung der MdE - wie hier die Ausübung des früheren Berufs - bedeutsam waren, unberücksichtigt bleiben müssen. Eine solche Folgerung ist auch nicht aus der in BSG 14, 172 veröffentlichten Entscheidung des 11. Senats vom 25. April 1961 zu ziehen, wonach regelmäßig eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen (§ 62 Abs. 1 BVG) jedenfalls darin nicht zu erblicken ist, daß wegen fortschreitenden Alters oder nicht wehrdienstbedingter Gesundheitsstörungen der Beruf ohnehin nicht mehr hätte ausgeübt werden können. Die Berufsaufgabe allein aus diesen Gründen wird zwar regelmäßig auch in dem Fall eines anerkannten beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG nicht zu einer anderen Beurteilung der MdE führen. Da diese Vorschrift wie auch die Regelungen in § 30 Abs. 2 Buchst. a und c BVG Fälle besonderen beruflichen Betroffenseins nur beispielhaft aufzählen (vgl. BSG 29, 139 (141) und nur Erläuterungen für den in § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG allgemein zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers auf Höherbewertung der MdE darstellen, kann die spätere Berufsaufgabe zu einer Herabsetzung der MdE führen, nämlich dann, wenn sich nunmehr ergibt, daß nach dem Berufswechsel die Voraussetzungen für eine Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG insgesamt nicht mehr gegeben sind.
Bei der Prüfung der Frage, ob die Berufsaufgabe eine andere Bewertung der MdE ab 1. Mai 1965 rechtfertigt, hat das LSG jedoch zu Unrecht angenommen, der Kläger könne schon deshalb nicht als besonders beruflich betroffen i. S. des § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG gelten, weil er den Beruf wegen schädigungsunabhängiger Gesundheitsstörungen aufgegeben habe. Hierauf kann es jedenfalls dann nicht entscheidend ankommen, wenn ein Beschädigter, der seinen Beruf wegen der Schädigungsfolgen nur unter Aufbietung außergewöhnlicher Energie - wie hier - bisher ausüben konnte, diesen Beruf aus irgendwelchen - also auch schädigungsunabhängigen - Gründen aufgibt. Denn wenn ein Beschädigter nur unter Aufbietung außergewöhnlicher Energie seinen Beruf verrichtet, so steht bereits damit fest, daß er ihn im Sinne des § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG an sich nicht "ausüben kann". Das BVG mutet dem Beschädigten keine außergewöhnliche und den Durchschnitt übersteigende Arbeitsleistung zu. Wenn er - wie hier - darauf angewiesen ist, durch besondere Tatkraft und außergewöhnliche Anspannung seiner Kräfte einen Ausgleich für den durch seine körperliche Beeinträchtigung im Beruf bedingten Minderverdienst dadurch zu schaffen, daß er mehr als vergleichbare Berufsangehörige arbeiten muß, so offenbart diese Mehrleistung sein besonderes berufliches Betroffensein (vgl. Vorberg-van Nuis, S. 33 aaO). Wäre es anders, so hätte im vorliegenden Fall - beim Fehlen einer Erwerbseinbuße - eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG gar nicht erfolgen dürfen.
Daß das Gesetz an den Beschädigten keine höheren Anforderungen stellen kann und will, als im allgemeinen an die Arbeitskraft des Arbeitnehmers gestellt werden, ergibt sich nicht nur aus dem Sinn und Zweck des § 30 Abs. 2 BVG, wie er durch die Rechtsprechung klargestellt worden ist (vgl. BSG 13, 20), sondern auch aus dem im Arbeitsrecht von der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleiteten Gedanken, daß der Arbeitnehmer regelmäßig nicht mit Arbeit überlastet werden darf (vgl. z. B. Nikisch, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 3. Aufl., 1. Bd. S. 475/476). Eine Berufsausübung unter außergewöhnlichem Energieaufwand stellt aber eine Überlastung dar und ist deshalb dem Beschädigten weder aus versorgungs- noch arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten zumutbar (vgl. im übrigen zur Frage unangemessen hoher Anforderungen an die Arbeitskraft und das Leistungsvermögen eines Arbeitnehmers: Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 20 ff. und Brieler, Die Nachtarbeitsverbote des geltenden deutschen Rechts im Lichte des Sozialstaats, Hamburger Diss. 1970, S. 181 m. w. Literaturnachweisen).
War dem Kläger sonach die bis zum 30. April 1965 ausgeübte Tätigkeit wegen der Schädigungsfolgen nicht zumutbar, so kann ihm dadurch, daß er die ihm nicht zumutbare Tätigkeit schließlich aufgibt, kein Rechtsnachteil entstehen. Das besondere berufliche Betroffensein entfällt daher nicht durch die Aufgabe des dem Kläger ohnedies nicht zumutbaren Berufs. Vielmehr ist ab 1. Mai 1965 die Voraussetzung des § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG erfüllt, so daß nun zu prüfen ist, ob der Kläger auch einen sozial gleichwertigen Beruf nicht ausüben kann.
Da das LSG hierzu keine Feststellungen getroffen hat und das BSG die erforderlichen Feststellungen nicht selbst nachholen kann, war das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Prüfung, ob die hilfsweise auf §§ 103, 128 SGG gestützten Rügen des Klägers durchgreifen. Denn würden sie durchgreifen, so müßte die Sache ebenfalls an das LSG zurückverwiesen werden.
Da die Voraussetzungen der §§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erfüllt waren, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Die Kostenentscheidung war der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung des LSG vorzubehalten.
Fundstellen