Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitslosengeldes. regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit. Verfassungsmäßigkeit von § 112 Abs 2 AFG
Orientierungssatz
1. Eine von der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abweichende tatsächliche Arbeitszeit (hier 50 statt 40 Wochenstunden) darf bei der Bestimmung der Höhe eines Arbeitslosengeldanspruches nur dann zugrunde gelegt werden, wenn auch die längere tatsächliche Arbeitszeit eine vom Tarifvertrag als regelmäßig vorgesehene oder zugelassene Arbeitszeit ist.
2. Festlegungen besonderer Arbeitszeiten durch Einzelarbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung sind für die Arbeitslosengeldbemessung nur dann maßgebend, wenn sowohl die Art der Festlegung als auch ihr Umfang tarifvertraglich zulässig ist iS der Bestimmung einer nach dem Tarifvertrag ebenfalls regelmäßigen Arbeitszeit. Es reicht nicht aus, daß nach Tarifvertrag die Vereinbarung längerer Arbeitszeiten als solche erlaubt ist, wenn der Tarifvertrag diese längeren Arbeitszeiten nicht als regelmäßige Arbeitszeit anerkennt.
3. Die von einem Tarifvertrag vorgesehene regelmäßige Arbeitszeit ist die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit iS des § 112 Abs 2 AFG (vgl BSG vom 10.12.1980 7 RAr 91/79 = BSGE 51, 64 = SozR 4100 § 112 Nr 15)
4. Es verletzt keine Verfassungsgrundsätze, wenn § 112 Abs 2 AFG für die Bemessung des Arbeitslosengeldes davon ausgeht, daß die nach Tarifrecht übliche regelmäßige Arbeitszeit dafür maßgeblich ist (vgl BVerfG vom 3.4.1979 1 BvL 30/76 = SozR 4100 § 112 Nr 10).
5. Auch Arbeitnehmer in besonderer Verwendung können eine längere Arbeitszeit als Maßstab für ihren Arbeitslosengeldanspruch nur dann verlangen, wenn diese Arbeitszeit iS des § 112 Abs 2 AFG tariflich ist, ohne daß dies gegen Art 3 GG verstößt.
Normenkette
AFG §§ 111, 112 Abs 2 S 1; GG Art 3 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 13.06.1985; Aktenzeichen L 9 Ar 138/84) |
SG Münster (Entscheidung vom 15.05.1984; Aktenzeichen S 2 Ar 62/83) |
Tatbestand
Der 1944 geborene verheiratete Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg). Er war bis zum 20. Dezember 1982 bei der Firma B. (Fa. B.) - Transportbeton in St. als Transportbetonfahrer beschäftigt. Nach der Arbeitsbescheinigung seiner Arbeitgeberin hatte er in dem letzten Lohnabrechnungszeitraum (November 1982) an 22 Arbeitstagen in 312 Stunden ein Arbeitsentgelt in Höhe von 5.880,08 DM verdient. Die tarifliche Arbeitszeit wurde mit 50 Stunden wöchentlich angegeben. Mit Bescheid vom 30. Dezember 1982 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 21. Dezember 1982 Alg. Hierbei ging sie von einer tariflichen Arbeitszeit von 40 Stunden aus und legte deshalb ein gerundetes Bemessungsentgelt von 755,-- DM wöchentlich zugrunde. Hiernach ergab sich gemäß der Leistungsgruppe C der AFG-Leistungsverordnung 1982 ein Leistungssatz von 354,60 DM.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die maßgebliche tarifliche wöchentliche Arbeitszeit betrage 50 Stunden. Sie sei der Berechnung des Alg zugrunde zu legen. So sei es auch in den vergangenen Jahren gewesen, als er jeweils im Winter von der Fa. B. entlassen worden sei. Er bezog sich auf eine Betriebsvereinbarung seiner Arbeitgeberin vom 18. Februar 1982, wonach eine mündliche Vereinbarung vom 22. Dezember 1975 zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat wie folgt schriftlich bestätigt wurde: "Die wöchentliche Arbeitszeit ist von 40 Stunden auf 50 Stunden festgelegt. Die Regelung gilt für jeden Arbeitnehmer der B.-Werke St. und O." Der Widerspruch hatte ebenso wie die Klage keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 1983, Urteil des Sozialgerichts -SG- Münster vom 15. Mai 1984).
Auf die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) in seinem Urteil vom 13. Juni 1985 das erstinstanzliche Urteil und die Bescheide der Beklagten geändert sowie die Beklagte verurteilt, bei der Berechnung des Alg des Klägers eine regelmäßige tarifliche Arbeitszeit von 50 Stunden in der Woche zugrunde zu legen. Nach Auffassung des LSG sind im vorliegenden Falle die Bestimmungen des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Kies-, Sand-, Mörtel- und Transportindustrie in Nord- und Westdeutschland vom 29. September 1976 (RTV-Kies) anzuwenden. § 3 II dieses RTV gebe den Betrieben und Betriebsvertretungen die Möglichkeit, die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit bis zu zehn Stunden zu verlängern. Bei Vorliegen einer regelmäßigen und erheblichen Arbeitsbereitschaft könne zudem eine weitere Verlängerung vereinbart werden. Dies bedeute, daß die Verlängerung auf zehn Stunden - unabhängig vom Vorliegen einer Arbeitsbereitschaft - nicht eine Ausnahme von der achtstündigen Arbeitszeit darstelle, sondern für die Parteien des Arbeitsverhältnisses der Rahmen sei, innerhalb dessen sie Regelungen treffen könnten. Die Aufführung dieser tariflichen Bestimmung unter der Überschrift "Arbeitsbereitschaft" führe zu keinem anderen Ergebnis. Da die zehnstündige Arbeitszeit in den Betriebsvereinbarungen vom 22. Dezember 1975 und 18. Februar 1982 ausdrücklich beschlossen worden sei, handele es sich auch um eine tarifliche Arbeitszeit. Tariflich sei nämlich nicht nur die im Tarifvertrag festgelegte Arbeitszeit, sondern auch die durch Betriebsvereinbarungen geregelte, wenn der Tarifvertrag dies vorsehe. Auch der Umstand, daß im vorliegenden Falle die über acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit zuschlagspflichtig sei, spreche nicht gegen dieses Ergebnis. Durch die Zuschlagspflichtigkeit werde die Eigenschaft der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit nicht berührt.
Mit der Revision wendet sich die Beklagte gegen die Auffassung des LSG. Sie trägt vor, aufgrund von § 3 Abs I Nr 1 RTV-Kies habe die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen acht Stunden betragen, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab 1. Mai 1977 40 Stunden. Diese Arbeitszeit sei danach als tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit iS des § 112 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) anzusehen. Zwar habe im vorliegenden Falle die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit nach § 3 II RTV-Kies bis zu zehn Stunden zuschlagspflichtig verlängert werden können; von dieser Möglichkeit sei jedoch kein Gebrauch gemacht worden. Die Betriebsvereinbarung sehe lediglich vor, daß die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 50 Stunden festgelegt sei. Diesen Umstand habe das LSG zwar in den Tatbestand seines Urteils aufgenommen; in den Urteilsgründen ziehe es daraus indes den falschen Schluß, daß die Arbeitszeit auf werktäglich zehn Stunden verlängert worden sei. Eine derartige Vereinbarung sei nicht getroffen worden. Die in Frage stehende Vereinbarung entspreche zum einen nicht dem RTV-Kies, zum anderen auch nicht dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau). Deshalb halte sich die Betriebsvereinbarung nicht in dem vom Tarifvertrag bestimmten Rahmen und sei daher bei der Bestimmung der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit iS des § 112 Abs 2 AFG unbeachtlich.
Im übrigen sei aus dem Umstand, daß eine verlängerte werktägliche Arbeitszeit iS des § 3 II RTV-Kies zuschlagspflichtig sei, der Schluß zu ziehen, daß es sich bei dieser Zeit um Mehrarbeit iS des § 4 Nr 1 RTV-Kies handele. Da Mehrarbeit nicht zur regelmäßigen Arbeitszeit gehöre, sei sie bei der Feststellung des Bemessungsentgelts iS des § 112 Abs 2 AFG nicht zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Juni 1985 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 15. Mai 1984 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er ist der Auffassung, das Vorbringen der Beklagten über den Unterschied zwischen werktäglicher und wöchentlicher Arbeitszeit sei nicht überzeugend. Die Annahme, der BRTV-Bau finde im vorliegenden Falle Anwendung, sei irrig. In der Regel würden die vom Arbeitgeber abverlangten Wochenarbeitsstunden an den Werktagen von Montag bis Freitag geleistet. Bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden lasse sich mithin eine werktägliche Arbeitszeit von vierzig Fünfteln = acht Stunden feststellen. Werde die Wochenarbeitszeit auf 50 Stunden angehoben, erhöhe sich die Zahl der werktäglich zu leistenden Stunden auf zehn bei gleichbleibenden Werktagen. Die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit sei bei gleichbleibender Anzahl der Arbeitszeit denknotwendig auch immer eine Erhöhung der werktäglichen Arbeitszeit. Die Auslegung des hier maßgeblichen Tarifvertrages sei im übrigen vom LSG zutreffend vorgenommen worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind entgegen der Auffassung des LSG nicht rechtswidrig. In dem Bewilligungsbescheid vom 30. Dezember 1982 ist das dem Kläger ab 21. Dezember 1982 zustehende Alg zutreffend festgesetzt worden. Dies folgt aus § 111 AFG (hier anzuwenden idF des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des Bundesversorgungsgesetzes -HStruktG-AFG- vom 22. Dezember 1975, BGBl I 3113) iVm § 112 AFG (hier anzuwenden idF des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - SGB 10 vom 18. August 1980, BGBl I 1469). Danach beträgt das Alg 68 vH des um gewöhnlich anfallende gesetzliche Abzüge verminderten Arbeitsentgelts, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielt hat, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 AFG).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war gemäß § 112 Abs 3 AFG Bemessungszeitraum hier der Monat November 1982. Das in diesem Zeitraum beim Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis abgerechnete Arbeitsentgelt betrug 5.880,08 DM und war an 22 Arbeitstagen in 312 Arbeitsstunden erzielt worden. Die Beklagte hat daraus zutreffend einen tatsächlichen Stundenlohn von 18,84 DM errechnet (5.880,08 : 312). Rechnerisch ergibt sich ferner bei der Multiplikation dieses Stundenlohnes mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ein wöchentliches Entgelt von 753,85 DM. Dieser Betrag ist gemäß § 112 Abs 9 AFG auf 755,-- DM zu runden. Aufgrund dieses Wertes ergibt sich nach der Anlage 2 (Leistungstabelle Alg) zu § 1 Nr 2 der hier maßgeblichen AFG- Leistungsverordnung 1982 vom 30. Dezember 1981 (BGBl I 1704), die auf der Ermächtigung in § 111 Abs 2 AFG beruht, in der für den verheirateten Kläger geltenden Leistungsgruppe C ein Alg- Wochensatz von 354,60 DM. Dieser Betrag ist dem Kläger zu Recht bewilligt worden. Ein höheres Alg steht ihm nämlich nicht zu.
Das Begehren des Klägers, bei der Bemessung seines Anspruches anstelle von 40 Wochenstunden 50 Wochenstunden zugrunde zu legen, wodurch sich ein höherer Leistungssatz ergäbe, ist unbegründet. Für den Bemessungsfaktor "Arbeitszeit" bestimmt § 112 Abs 2 AFG, daß von der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auszugehen ist. Eine von der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abweichende tatsächliche Arbeitszeit (hier 50 statt 40 Wochenstunden) darf deshalb bei der Bestimmung der Höhe eines Alg-Anspruches nur dann zugrunde gelegt werden, wenn auch die längere tatsächliche Arbeitszeit eine vom Tarifvertrag als regelmäßig vorgesehene oder zugelassene Arbeitszeit ist. Festlegungen besonderer Arbeitszeiten durch Einzelarbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung sind deshalb für die Alg-Bemessung nur dann maßgebend, wenn sowohl die Art der Festlegung als auch ihr Umfang tarifvertraglich zulässig ist iS der Bestimmung einer nach dem Tarifvertrag ebenfalls regelmäßigen Arbeitszeit. Es reicht nicht aus, daß nach Tarifvertrag die Vereinbarung längerer Arbeitszeiten als solche erlaubt ist, wenn der Tarifvertrag diese längeren Arbeitszeiten nicht als regelmäßige Arbeitszeit anerkennt. Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, entspricht diese Auslegung des Inhalts von § 112 Abs 2 AFG einer ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nrn 14 und 22 mwN). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß das Bemessungsentgelt dem Arbeitsentgelt entsprechen soll, das der Arbeitslose erzielen würde, wenn er in einem Arbeitsverhältnis stünde. Dabei kann nicht unterstellt werden, daß der Arbeitslose, der im Bemessungszeitraum eine vom zeitlichen Umfang her besonders hohe Arbeitsleistung erbracht hat, diese fortlaufend, insbesondere in einem anderen Arbeitsverhältnis, leisten könnte, es sei denn, es handelte sich dabei schon bisher um eine tarifliche regelmäßige Arbeitszeit (BSG aaO).
Die vom Kläger im Bemessungszeitraum geleistete Wochenarbeitszeit von 50 Stunden war entgegen der Auffassung des LSG keine tarifliche regelmäßige Arbeitszeit in diesem Sinne. Das folgt aus der Auslegung des RTV-Kies, der für das Arbeitsverhältnis des Klägers, jedenfalls soweit es um die Bestimmung der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 112 Abs 2 AFG geht, maßgeblich ist. Dieser Tarifvertrag gilt nach seinem § 1 Nr 2 fachlich ua für alle Unternehmen, die - wie es bei dem früheren Arbeitgeber des Klägers der Fall war - Transportbeton gewerbsmäßig herstellen oder fördern. Persönlich gilt der Tarifvertrag gemäß seinem § 1 Nr 3 ua für alle gewerblichen Arbeitnehmer mit der Ausnahme von Personen, die eine nach § 1228 Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherungsfreie Tätigkeit ausüben, was hier nicht zutrifft. Darüber hinaus entsprechen die Tarifnormen des RTV-Kies den betrieblichen Erfordernissen im Sinne darauf sachlich abgestellter Arbeitsbedingungen. Die von diesem Tarifvertrag vorgesehene regelmäßige Arbeitszeit ist daher die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit iS des § 112 Abs 2 AFG (BSGE 51, 64, 66 = SozR 4100 § 112 Nr 15).
Bei der Frage, welche Arbeitszeit dies ist, ist der Senat nicht gemäß § 162 SGG gehindert, die Bestimmungen des RTV-Kies selbst auszulegen. Der räumliche Geltungsbereich dieses Tarifvertrages geht über den Bezirk des Landessozialgerichts hinaus. Er umfaßt nach seinem § 1 Nr 1 die Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Nach § 3 I Ziff 1 RTV-Kies beträgt die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen acht Stunden, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab 1. Mai 1977 40 Stunden. § 3 II RTV-Kies, der mit "Arbeitsbereitschaft" überschrieben ist, bestimmt, daß die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit bis zu zehn Stunden, bei regelmäßiger und erheblicher Arbeitsbereitschaft in den Grenzen der Arbeitszeitordnung auch darüber hinaus - zuschlagspflichtig - verlängert werden kann. Ob hiermit anstelle der normalerweise vorgesehenen tariflichen Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich unabhängig von der Frage, ob Arbeitsbereitschaft vorliegt, eine tarifliche regelmäßige Arbeitszeit von zehn Stunden eintritt, kann dahinstehen. Im vorliegenden Falle ist zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine entsprechende tarifliche regelmäßige Arbeitszeit nicht vereinbart worden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Arbeitgeber des Klägers mit dem Betriebsrat aufgrund der schriftlichen Betriebsvereinbarung vom 18. Februar 1982 die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 50 Stunden festgelegt. Damit ist keine Regelung iS von § 3 II RTV-Kies getroffen worden. Diese Bestimmung sieht eine Verlängerung der regelmäßigen werktäglichen Arbeitszeit vor. Geregelt worden ist indessen in der Betriebsvereinbarung, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit. Aus § 3 I Ziff 1 RTV-Kies folgt aber, daß die Parteien des Tarifvertrages zwischen einer regelmäßigen werktäglichen Arbeitszeit und einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit unterscheiden. Nur die Verlängerung der regelmäßigen werktäglichen Arbeitszeit kann nach dem RTV-Kies durch Betriebsvereinbarung erfolgen. Damit kann mangels einer tarifvertraglichen Grundlage die verlängerte wöchentliche Arbeitszeit keine tarifliche Arbeitszeit iS von § 112 Abs 2 AFG sein. Tariflich ist insoweit lediglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden.
Zwar ist dem Kläger einzuräumen, daß die Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im vorliegenden Falle zugleich eine Verlängerung der regelmäßigen werktäglichen Arbeitszeit zur Folge hat. Damit wird jedoch keine regelmäßige tarifliche werktägliche Arbeitszeit begründet. Diese hängt von der Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf sechs oder fünf Arbeitstage ab, was in § 3 II RTV-Kies gerade nicht geregelt ist. Die vereinbarte Arbeitszeit von 50 Stunden wöchentlich stellt daher allenfalls nach einer gewissen betrieblichen Übung eine übliche Arbeitszeit dar. Auf die Üblichkeit kommt es aber - anders als im Rahmen der Bemessung des Kurzarbeitergeldes gemäß § 69 Halbsatz 1 AFG - nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG nicht an. Die übliche Arbeitszeit ist gemäß § 112 Abs 4 Nr 2 AFG nur dann maßgebend, wenn weder für die Beschäftigung noch für eine gleiche oder ähnliche Beschäftigung eine tarifliche Regelung bestand (BSG SozR 4100 § 112 Nr 14).
Ergibt sich sonach, daß die vom Kläger geleistete Arbeitszeit von 50 Wochenstunden nicht eine tarifliche regelmäßige Wochenarbeitszeit war, dann scheidet sie für die Bemessung des Alg-Anspruches gemäß § 112 Abs 2 AFG aus. Diesem Ergebnis kann auch nicht entgegengehalten werden, § 112 Abs 2 AFG enthalte insoweit eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von Art 3 Grundgesetz (GG). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits bestätigt, daß es keine Verfassungsgrundsätze verletzt, wenn § 112 Abs 2 AFG für die Bemessung des Alg davon ausgeht, daß die nach Tarifrecht übliche regelmäßige Arbeitszeit dafür maßgeblich ist (vgl BVerfGE 51, 115 = SozR 4100 § 112 Nr 10). Der Entscheidung des BVerfG liegt zwar ein Sachverhalt zugrunde, bei dem es um die Frage der Berücksichtigung von Überstunden ging. Die Entscheidung betrifft jedoch nicht nur diesen Fall. Das BVerfG hält es nämlich ebenso für verfassungsrechtlich unbedenklich, "wenn sich bei der Berechnung des Alg Unterschiede innerhalb der Gruppe der tariflich bezahlten Arbeitnehmer hinsichtlich der Berücksichtigung der von ihnen geleisteten längeren Arbeitszeiten ergeben". Auch Arbeitnehmer in besonderer Verwendung können eine längere Arbeitszeit als Maßstab für ihren Alg-Anspruch nur dann verlangen, wenn diese Arbeitszeit iS des § 112 Abs 2 AFG tariflich ist, ohne daß dies gegen Art 3 GG verstößt. Es verletzt also nicht das GG, wenn der Gesetzgeber nur solche Gründe als Anlaß für die Berücksichtigung der längeren Arbeitszeit bei der Alg-Bemessung anerkennt, wenn sie Ausdruck in einer tarifvertraglichen Regelung dergestalt gefunden haben, daß gerade auch diese Arbeitszeit als tarifvertraglich regelmäßige Arbeitszeit anzusehen ist. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, seine dementsprechende bisherige Rechtsprechung verfassungsrechtlich in Frage zu stellen und das BVerfG anzurufen.
Nach alledem muß die Revision der Beklagten Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen