Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. November 1967 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. Februar 1966 wird als unzulässig verworfen.
Die Klage gegen den Bescheid nach dem 8. Rentenanpassungsgesetz vom 1. März 1966 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger infizierte sich im Jahre 1946 als Volontärarzt im Marienhospital in Stuttgart mit spinaler Kinderlähmung. Wegen der Folgen dieser Berufskrankheit bezieht er von der beklagten Berufsgenossenschaft Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. Im Mai 1963 beantragte er nach den Vorschriften des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) die „Kapitalisierung der halben Rente” für einen Zeitraum von 10 Jahren, um damit Bausparverträge finanzieren zu können. Dementsprechend bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 1964 die Abfindung in Höhe von 57.999,50 DM (= 9 × 50 v.H. des Jahresbetrages der Verletztenrente – ohne Kinderzulagen – von 12.888,76 DM). Seitdem erhielt der Kläger – bis zur vorzeitigen Rückzahlung der Abfindung im Jahre 1966 – nur noch die halbe laufende Rente und die – vollen – Kinderzulagen für drei Kinder in Höhe von insgesamt monatlich 859,30 DM.
Im Februar 1965 paßte die Beklagte die Rente nach dem 7. Rentenanpassungsgesetz (7. RAG) unter Zugrundelegung eines neuen, mit 1,061 vervielfältigten Jahresarbeitsverdienstes (JAV) an. Danach betrug die Rente bei einem neuen JAV von 20.512,46 DM jährlich 13.674,98 DM. Wegen der teilweisen Kapitalabfindung halbierte die Beklagte diesen Betrag auf 6.837,49 DM, so daß sich ab 1. Januar 1965 eine Rente von monatlich 569,80 DM zuzüglich der Kinderzulagen zu einem Zahlbetrag von insgesamt 911,70 DM ergab (Bescheid vom 9. April 1965). Demgegenüber vertrat der Kläger die Auffassung, es müsse zunächst der ursprüngliche Jahresbetrag der Rente von 12.888,76 DM unter Berücksichtigung des mit 1,061 vervielfältigten JAV auf 13.674,98 DM erhöht und davon der im Jahre 1963 kapitalisierte Betrag von 6.444,38 DM abgezogen werden, so daß sich ein um monatlich etwa 393 DM höherer Zahlbetrag der Jahresrente ergebe.
Die auf Erhöhung der Anpassung gerichtete Klage ist im ersten Rechtszug vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 1. Februar 1966). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg durch Urteil vom 27. November 1967 – dem Klagantrag entsprechend – die Beklagte verurteilt, bei der Rentenanpassung nach dem 7. RAG und auch bei der nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils am 1. März 1966 vorgenommenen Anpassung nach dem 80 RAG zunächst die gesamte Verletztenrente – auch den abgefundenen Teil – zu erhöhen und alsdann jeweils nur den der Abfindung zugrunde gelegten Jahresbetrag von 6.444,38 DM abzuziehen.
Gegen das Urteil des LSG hat die Beklagte – die zugelassene – Revision eingelegt. Sie hält die vom LSG angeordnete Anpassungsweise für unrichtig, weil diese dazu führe, daß die abgefundene Rentenhälfte trotz ihres zeitweiligen Erlöschens (§ 609 Abs. 2 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung –RVO–) an zwischenzeitlichen Erhöhungen teilnehme.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für überzeugend und die Angriffe der Revision für unbegründet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Soweit die Revision das Urteil des Berufungsgerichts wegen seiner Entscheidung über die Anpassung nach dem 7. RAG angreift, muß sie schon deshalb Erfolg haben, weil die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG als unzulässig hätte verworfen werden müssen.
Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß die – nicht nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassene – Berufung nicht schon nach § 145 Nr. 2 SGG unzulässig war. Sie betraf nämlich nicht nur „Rente für bereits abgelaufene Zeiträume” im Sinne dieser Vorschrift. Die wegen der Abfindung verminderte Verletztenrente des Klägers, über deren Höhe die Beteiligten streiten, wurde nämlich bis einschließlich April 1966 gewährt; erst danach wurde dem Kläger wegen der Rückzahlung der Abfindungssumme die Rente wieder in voller Höhe (§§ 611, 612 Abs. 3 RVO) ausgezahlt. Der Zahlungszeitraum war deshalb bei Beginn des Berufungsverfahrens noch nicht abgelaufen (vgl. BSG SozR Nr. 1 zu § 146 SGG). Das LSG hat aber übersehen, daß die Berufung des Klägers die Neufeststellung einer Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse betrifft. Eine solche Berufung ist nach § 145 Nr. 4 SGG – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen – unzulässig. Gegenstand des Rechtsstreits vor dem SG war der förmliche Feststellungsbescheid der Beklagten (§ 1569 a RVO) vom 9. April 1965, der die vorausgegangene, nach § 14 des 7. RAG vorgeschriebene Mitteilung über die Höhe der Rente bestätigte. Ein solcher Anpassungsbescheid hat die Neufeststellung einer Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 145 Nr. 4 SGG zum Inhalt. Diese Vorschrift will die Berufung in solchen Verfahren grundsätzlich ausschließen, in denen über die zu entschädigenden Leiden zwischen den Beteiligten im Grunde keine Meinungsverschiedenheit besteht. Wenn die Berufung schon bei Streit über den Grad der MdE oder über das Vorliegen veränderter tatsächlicher Verhältnisse ausgeschlossen ist, muß dies erst recht im Falle der Berufung bei Neufestsetzung von Dauerrenten aufgrund gesetzlicher Neuregelungen angenommen werden. Es handelt sich hierbei nämlich nur um die Neuberechnung von Renten nach den neuen Vorschriften, zu deren gerichtlicher Nachprüfung eine Instanz im allgemeinen ausreicht. Wenn es erforderlich ist, kann hier mit der Zulassung der Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG geholfen werden. Im Hinblick auf diesen Zweck des § 145 Nr. 4 SGG ist es deshalb unerheblich, ob die Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Rentenberechnung etwa zu einer Neufeststellung aufgrund des § 622 RVO führt oder die Anpassung nach den besonderen Bestimmungen der Rentenanpassungsgesetze vorgenommen wird. In beiden Fällen ist die Berufung nach § 145 Nr. 4 SGG unzulässig (vgl. BSG SozR Nr. 1 und 9 zu § 145 SGG). Das LSG hätte deshalb die Berufung des Klägers nach § 158 Abs. 1 SGG als unzulässig verwerfen müssen, soweit die Anpassung nach dem 7. RAG im Streit war.
Dagegen hat das Berufungsgericht mit Recht über die am 1. März 1966 ergangene Mitteilung der Beklagten nach dem 8. RAG sachlich entschieden. Die Vorschriften über die Unzulässigkeit der Berufung sind insoweit unanwendbar, weil diese Mitteilung nicht mehr Gegenstand des durch Urteil am 1. Februar 1966 abgeschlossenen erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist (BSG 4, 24; 18, 231). Da jede Berufung eine – hier fehlende – erstinstanzliche Entscheidung voraussetzt, mußte das LSG die sachliche Entscheidung über die als Verwaltungsakt aufzufassende Mitteilung nach dem 80 RAG vom 1. März 1966 selbst als erste Instanz treffen (BSG 18, 231). Die Mitteilung nach dem 8. RAG ist daher gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem Berufungsgericht geworden. Insoweit muß deshalb auch der Senat das Urteil des LSG auf die zulässige Revision der Beklagten hin sachlich überprüfen. Dies führt zu dem Ergebnis, daß die Beklagte die Rente des Klägers entgegen der Auffassung des LSG aufgrund des 8. RAG richtig angepaßt hat.
Die Anpassung der Dauerrente des Klägers war nach § 579 RVO i.V.m. § 10 des 8. RAG vorzunehmen. Hiernach werden Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der Weise angepaßt, daß sie nach einem mit 1,089 vervielfältigten JAV berechnet werden. Die Beteiligten sind unterschiedlicher Auffassung darüber, wie sich die Teilkapitalisierung der Rente nach § 609 RVO auf die Rentenanpassung nach § 10 des 8. RAG auswirkt. Während die Beklagte als Geldleistung im Sinne des § 10 des 8. RAG eine Teilrente von 50 v.H. betrachtet, meint der Kläger, es sei zunächst die Vollrente anzupassen und von dem Betrag der Vollrente der Kapitalisierungsbetrag abzuziehen. Aus dem 8. RAG läßt sich indessen ebensowenig wie aus § 579 RVO entnehmen, welche Geldleistung im Fall der Teilkapitalisierung nach § 10 des 8. RAG zu erhöhen ist. Dies läßt sich nur aus einer am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierten Auslegung des § 609 Abs. 2 RVO herleiten.
Nach § 609 Abs. 2 Satz 3 RVO erlischt der Anspruch auf den Teil der Verletztenrente, an dessen Stelle die Abfindung tritt, mit Ablauf des Monats der Auszahlung für zehn Jahre. Dieser Wortlaut des Gesetzes vermag die Auslegung des Berufungsgerichts, der durch die Abfindung ersetzte Teil der Rente sei ein von der jeweiligen Vollrente abzusetzender, ein für allemal festgelegter Betrag, nicht eindeutig zu stützen. Er spricht – im Hinblick auf das Erlöschen eines Teils der Rente – eher dafür, daß der abgefundene Rententeil an Rentenanpassungen, die während des Abfindungszeitraumes aufgrund des § 579 RVO in Verbindung mit einem RAG vorgenommen werden, nicht teilnimmt (so Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., RVO § 609, Anm. 5 d und e; Miesbach/Baumer, Die gesetzliche Unfallversicherung, 2. Aufl., RVO § 609, Anm. 2 und 4; Gotzen/Doetsch, RVO vorletzter Absatz der Anm. zu § 609; Etmer, RVO § 609, Anm. 2). Selbst wenn man aber in dem Wortlaut des § 609 Abs. 2 Satz 3 RVO ein Argument für die Rechtsauffassung des Klägers und des LSG sehen wollte, so ergibt sich doch aus der Systematik und dem Sinn und Zweck des Gesetzes sowie aus den der Entstehungsgeschichte zu entnehmenden Willen des Gesetzgebers, daß der abgefundene Rententeil im Abfindungszeitraum von jeder Teilnahme an einer Rentenanpassung ausgeschlossen sein soll.
§ 609 Abs. 2 RVO steht im systematischen Zusammenhang mit § 609 Abs. 3 RVO. Nach dieser Vorschrift richtet sich die Kinderzulage für Kinder, die während des Abfindungszeitraumes hinzukommen, nach der Rente, die der Verletzte vor der Abfindung bezogen hat. Daraus wird schon deutlich, daß es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (Fiktion) bedurfte, um die Rechtsfolgen der Teilabfindung insoweit auszuschließen (Lauterbach aaO, § 609 Anm. 9). Diese Regelung wäre nicht notwendig gewesen, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, daß ohnehin der abgefundene Rententeil auch während des Abfindungszeitraums bei der Berechnung von Rentenerhöhungen und Rentenanpassungen zugrunde zu legen sei.
Dieses aus der Systematik des Gesetzes gewonne Ergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte der neuen Abfindungsregelung gerechtfertigt. Bei der Beratung über die Höhe der Abfindung wurde nämlich im Sozialpolitischen Ausschuß des Deutschen Bundestages die Frage erörtert, ob die Rentenanpassungsbestimmungen des § 579 RVO auch für abgefundene Rententeile entsprechend angewendet werden sollten (Bundestags-Drucks. IV/938 S. 16 zu § 606). Während des Gesetzgebungsverfahrens hatte die sozialdemokratische Bundestagsfraktion beantragt, das Zehnfache anstelle des Neunfachen des der Abfindung zugrunde liegenden Jahresbetrages der Rente als Abfindung zu gewähren. Sie hatte dies damit begründet, daß dadurch der Ausfall wettgemacht werden könne, der dem Verletzten dadurch entstehe, daß Rentenanpassungen während der Abfindungszeit nur auf den nicht abgefundenen Teil der Rente wirkten. Hilfsweise war noch beantragt worden, § 579 RVO auch für abgefundene Rententeile entsprechend anzuwenden. Beide Anträge wurden jedoch mit Mehrheit abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Versicherungsträger habe für die Dauer der Abfindung das Risiko einer möglichen Rentenminderung oder eines Rentenwegfalls zu tragen. Demgegenüber müsse sich der Verletzte in etwa den Zinsvorteil anrechnen lassen, der ihm bei der Abfindung zuwachse. Auch die Vorschrift über die Rentenanpassungen solle nicht auf abgefundene Rententeile erstreckt werden. Der Vorletzte erwerbe mit der Abfindung Rechte, deren Wert sich gewöhnlich ebenso wie die Rentenanpassungen entwickle. Mit dem Wiederaufleben der Rente komme er ohnehin in den vollen Genuß der während der Abfindungszeit vorgenommenen Rentenanpassungen. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (UVNG) wird somit deutlich, daß sowohl die damalige parlamentarische Opposition als auch die Regierungsparteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, daß beim Wortlaut der jetzt in Kraft befindlichen §§ 579, 609 RVO in der Fassung des UVNG die abgefundenen Rententeile an Rentenanpassungen nicht teilnehmen. Ansonsten wäre nämlich der Antrag überflüssig gewesen, auch die abgefundenen Rententeile durch eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift entweder bei der Rentenanpassung mitzuberücksichtigen oder als pauschale Abgeltung anstelle des Neunfachen den zehnfachen Abfindungsbetrag zu gewähren. Die aus der Systematik des Gesetzes gewonnene Auslegung wird daher durch die Entstehungsgeschichte bestätigt.
Diese Auslegung des § 609 Abs. 2 Satz 3 RVO entspricht auch dem Sinn und Zweck der Abfindung, einerseits den Versicherungsträger von seiner Wirtschaftslast zu befreien und andererseits dem Versicherten keine geldlichen Vorteile aus dem abgefundenen Rententeil zuwachsen zu lassen (vgl. BSG 12, 116, 120 f. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des RVA; LSG Nordrhein-Westfalen, Breith. 1970, 1014). Die Anpassung auch des abgefundenen Rentenanteils an die Veränderung der durchschnittlichen Lohn- und Gehaltssumme (§ 579 RVO) würde insoweit zu einer ungerechtfertigten doppelten „Dynamisierung” führen. Es muß nämlich – worauf schon der Sozialpolitische Ausschuß des Bundestages hingewiesen hat (vgl. BT-Drucks. aaO) – davon ausgegangen werden, daß das ausschließlich zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundvermögens oder grundstücksgleicher Rechte zu verwendende Abfindungskapital (§§ 607, 610 RVO) eine Wertsteigerung erfährt, die mindestens dem Anstieg des allgemeinen Lohnniveaus entspricht. Dagegen läßt sich nicht einwenden, der Gesetzgeber sei dieser Auswirkung dadurch entgegengetreten, daß als Abfindungssumme nur das Neunfache des der Abfindung zugrunde liegenden Jahresbetrages der Rente gezahlt werde (§ 609 Abs. 2 Satz 2 RVO). Durch diese Minderung des Zahlbetrages soll nämlich nur der mit der vorzeitigen Auszahlung der Rente verbundene – weit über einem Zehntel der Summe der zehn Jahresbeträge liegende – Zinsvorteil des Versicherten und ferner auch das dem Versicherungsträger auferlegte Risiko des Wegfalls der Rente in etwa ausgeglichen werden (BT-Drucks. aaO; Lauterbach, § 609 Anm. 6 a), nicht aber die Wertsteigerung der mit dem Abfindungskapital erworbenen Rechte. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Abfindung hat deshalb das Bundessozialgericht (BSG) auch schon zu den vor Inkrafttreten des UVNG geltenden Abfindungsvorschriften (§§ 616, 618 a RVO aF i.V.m. der Zweiten Verordnung über die Abfindungen für Unfallrenten vom 10. Februar 1928 – RGBl I 22) die Auffassung vertreten, der Abfindung sei der Betrag zugrunde zu legen, den die abgefundene Rente hätte, wenn sie nach dem für die neue Rente berechneten JAV errechnet wäre (BSG 12, 116), obwohl es nach dem Wortlaut des § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO aF näher gelegen hätte, anders zu verfahren als bei der jetzigen Fassung des Gesetzes in § 609 Abs. 2 Satz 3 RVO. Nach § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO aF war die Rente nämlich „um den Betrag” zu kürzen, der bei der Berechnung der Abfindung zugrunde gelegt war. Aus dem Wesen der Abfindung, die es nicht zuläßt, daß dem Abgefundenen noch geldliche Vorteile aus dem abgefundenen Rententeil zuwachsen, hat jedoch schon vor Inkrafttreten des UVNG der 5. Senat des BSG in seinem Urteil vom 28. April 1960 – 5 RKn 48/58 – (BSG 12, 116, 120) mit Recht gefolgert, daß es sich bei der gesetzlichen Änderung des zugrunde zu legenden JAV oder bei der sonstigen Erhöhung des nominellen Rentenbetrages nicht um eine echte zusätzliche Mehrleistung und Besserstellung gegenüber dem früheren Zustand, sondern nur darum handelt, die Renten wertmäßig wieder dem anzupassen, was sie für den Versicherten im Zeitpunkt des Unfalls wirtschaftlich bedeutet hatten. Dies alles trifft auch noch nach der Neufassung der Abfindungsvorschriften in § 609 Abs. 2 RVO durch das UVNG zu.
Am Ergebnis dieser Auslegung ändert sich nichts dadurch, daß in der Kriegsopferversorgung der kapitalisierte Rententeil als ziffernmäßiger Betrag aufgefaßt und bei Erhöhungen der Rente mitberücksichtigt wird. Zutreffend haben der Kläger und das LSG allerdings darauf hingewiesen, daß die Kapitalisierungsvorschriften der §§ 72 ff des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) weitgehend Vorbild für die Neuregelung der Kapitalabfindung durch das UVNG gewesen sind (vgl. BT-Drucks. IV/120, S. 60 zu §§ 604 bis 610). Dabei entspricht § 609 Abs. 2 Satz 3 RVO in der Fassung des UVNG dem § 74 Abs. 2 Satz 3 BVG. Nach dieser letztgenannten Vorschrift erlischt der „Anspruch auf die Bezüge, an deren Stelle die Abfindung tritt”, für die Dauer von zehn Jahren. Der Kläger und das LSG übersehen aber, daß § 609 Abs. 2 Satz 3 RVO und § 74 Abs. 2 Satz 3 BVG bereits im Wortlaut voneinander abweichen. Während in der RVO von „Teil der Rente” die Rede ist, wird im BVG vom „Anspruch auf die Bezüge” gesprochen. Eine unterschiedliche Behandlung der Unfallrenten einerseits und der Kriegsopferrenten andererseits bei der Kapitalisierung ist – jedenfalls für die Jahre 1963 bis 1970 – auch sachlich gerechtfertigt. Während es sich nämlich bei der Erhöhung der Unfallrenten – und gerade auch nach dem Inkrafttreten des UVNG – nur darum handelt, die Renten wertmäßig wieder dem anzupassen, was sie für den Versicherten im Zeitpunkt des Unfalls wirtschaftlich bedeutet hatten, waren die Erhöhungen der Grundrente in der Kriegsopferversorgung – jedenfalls bis zum Erlaß des Zweiten Anpassungsgesetzes – KOV – vom 10. Juli 1970 (BGBl I 1029) – keine Rentenanpassungen in diesem Sinne, sondern in der Hauptsache echte Mehrleistungen und Besserstellungen gegenüber dem früheren Zustand. Schon dieser sachliche Unterschied im Wesen der Rentenerhöhungen in der gesetzlichen Unfallversicherung und in der Kriegsopferversorgung rechtfertigte es jedenfalls in dem hier in Rede stehenden Zeitraum, den abgefundenen Rententeil in beiden Rechtssystemen bei Rentenerhöhungen unterschiedlich zu behandeln.
Nach allem muß die Revision der Beklagten Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Unterschriften
Schmitt, Dr. Witte, Dr. Heußner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.11.1971 durch Schäfers RegHauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen