Leitsatz (amtlich)
Völlige Erwerbsunfähigkeit iS des RVO § 581 liegt nicht vor, wenn der Verletzte in einem landwirtschaftlichen Betrieb, dem er als mithelfender Familienangehöriger angehört, vor dem Arbeitsunfall Tätigkeiten in nennenswerten Umfang täglich regelmäßig ausgeübt hat, die üblicherweise in anderen landwirtschaftlichen Unternehmen auch gegen Entgelt verrichtet werden.
Normenkette
RVO § 581 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Oktober 1970 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der 1885 geborene Kläger übergab 1952 seinen landwirtschaftlichen Betrieb an seinen Schwiegersohn. Der Hof wird überwiegend von der Tochter des Klägers und seiner Enkelin bewirtschaftet; der Schwiegersohn ist werktags als Tiefbauarbeiter tätig. Der Kläger ist auch nach der Hofübergabe in dem landwirtschaftlichen Unternehmen als mithelfender Familienangehöriger verblieben. Am 30. September 1967 fiel er bei der Fahrt zum Acker vom Pferdefuhrwerk und brach sich den rechten Oberschenkel. Die Beklagte übernahm die durch den Unfall entstandenen Heilbehandlungskosten, lehnte aber mit Bescheid vom 27. März 1968 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Sie begründete dies damit, beim Kläger habe schon vor dem Unfall völlige Erwerbsunfähigkeit bestanden, so daß durch den Unfall die Erwerbsfähigkeit nicht habe weiter gemindert werden können. Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Würzburg nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens durch Urteil vom 11. Juli 1969 die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides verurteilt, dem Kläger für die Unfallfolgen "Geldleistungen" zu gewähren. Die Beklagte hat daraufhin den Kläger erneut untersuchen lassen und festgestellt, im Zeitpunkt des Urteils des SG sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Unfallfolgen noch um 40 v. H. gemindert gewesen (MdE). Sie hat das Urteil des SG vorläufig vollzogen und dem Kläger vom Tage des Urteils an Rente nach einer MdE von 40 v. H. gewährt.
Die von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 8. Oktober 1970 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Zwischen den Beteiligten bestehe weder Streit über das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Arbeitsunfalls noch über die Höhe der dafür ggf. zu erbringenden Leistungen. Streitig sei lediglich, ob der Kläger deshalb keine Rente erhalten könne, weil er schon vor dem Arbeitsunfall völlig erwerbsunfähig gewesen sei. Das habe das SG zutreffend verneint. Aufgrund des vom SG eingeholten Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Dr. P stehe fest, daß beim Kläger altersbedingte Veränderungen vorlägen; der medizinische Sachverständige habe aber die Auffassung vertreten, leichtere Arbeiten, wie sie in der Landwirtschaft anfielen, habe der Kläger noch verrichten, einen nennenswerten Verdienst jedoch nicht mehr erzielen können. Aus den Aussagen der vernommenen Zeugen sei auch zu erkennen, daß der Kläger bei der Heu-, Rüben- und Kartoffelernte mitgeholfen, Holz gehackt, Reinigungsarbeiten ausgeführt, Stallarbeiten verrichtet sowie Getreide und Gras gemäht habe. Es handele sich hierbei nicht, wie die Beklagte meine, um "gelegentliche Tätigkeiten eines Austräglers", sondern um Arbeiten, die für den landwirtschaftlichen Beruf geradezu charakteristisch seien, die nicht hätten unterbleiben können und die bei Wegfall des Klägers von einer anderen Arbeitskraft hätten verrichtet werden müssen. Bei dieser Beweislage sei aber die Annahme einer völligen Erwerbsunfähigkeit vor dem Unfall ausgeschlossen. Völlige Erwerbsunfähigkeit sei auch nicht deshalb anzunehmen, weil sich nach Auffassung der Beklagten kein Arbeitgeber mehr bereitfinden werde, den Kläger gegen Entgelt zu beschäftigen, und der Kläger deshalb seine etwa verbliebene Erwerbsfähigkeit vor dem Unfall nicht habe wirtschaftlich verwerten können. Es sei zwar eine Tatsache, daß ältere und alte Arbeitnehmer, auch wenn sie noch so rüstig und nicht erwerbsunfähig seien, in der Bundesrepublik kaum Arbeit finden könnten. Dies beruhe aber nicht auf ihrer mangelnden Fähigkeit, einem Lohnerwerb nachzugehen, sondern auf dem Unwillen der Arbeitgeber, ältere Leute zu beschäftigen. Für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit bzw. einer wirtschaftlichen Verwertbarkeit der verbliebenen Arbeitskraft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne aber nicht maßgebend sein, ob der Versicherte bei seinem Alter noch eine Fremdarbeit finden werde. Es könne vielmehr nur darauf ankommen, ob er persönlich noch die Fähigkeit besitze, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, hier auf dem landwirtschaftlichen Sektor, solche Arbeiten zu verrichten, die objektiv nutzbringend und von wirtschaftlichem Wert seien. Leiste ein Verletzter auf dem Anwesen, auf dem er ein ganzes Leben lang gearbeitet habe, nutzbringende und wirtschaftlich verwertbare Arbeit, so könne ihm nicht zugemutet werden, sich im Alter nach Fremdarbeit umzusehen.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des LSG die - zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügt die Verkennung des Begriffs der "völligen Erwerbsunfähigkeit" im Rahmen der Auslegung des § 581 der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch das Berufungsgericht und das Vorliegen wesentlicher Verfahrensmängel bei der Beweisaufnahme (§§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie führt dazu aus: Erwerbsfähig im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) sei nicht schon derjenige, der bestimmte Arbeiten, die sonst von anderen Personen verrichtet werden müßten, ausführe. Vielmehr sei erforderlich, daß der Verletzte geistig und körperlich auch in der Lage gewesen sei, seine Arbeitskraft unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes wirtschaftlich nutzbringend und mit einiger Regelmäßigkeit einzusetzen und auszuwerten. Für die Beurteilung der körperlichen und geistigen Einsatzfähigkeit sei auch das Lebensalter ein wichtiges Kriterium. Unter all diesen Voraussetzungen sei aber der Kläger schon zur Zeit des Arbeitsunfalles völlig erwerbsunfähig gewesen. Der vom SG zugezogene medizinische Sachverständige Dr. P habe aus den von ihm festgestellten altersbedingten Befunden gefolgert, der Kläger sei zur Unfallzeit im Hinblick auf das hohe Lebensalter und die damit verbundenen Alterserscheinungen am Skelett und an den inneren Organen nicht mehr in der Lage gewesen, einen nennenswerten Verdienst zu erzielen. Kleinere und leichtere Arbeiten (zB Viehfüttern) habe er noch verrichten können. Der Kläger habe seine Einsatzfähigkeit zwar nicht durch Fremdarbeit unter Beweis stellen müssen, jedoch könne die Betätigung im eigenen Betrieb bei einem im 83. Lebensjahr stehenden Menschen mit einem diesem vorgerückten Alter entsprechenden Kräftezustand und erheblichen Gesundheitsschäden verschiedener Art nicht die Annahme begründen, Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 581 RVO sei vor dem Unfall noch gegeben gewesen. Es falle auch auf, daß sich die Befunde in den Gutachten des Kreiskrankenhauses Ebern vom 29. Januar 1968 und des Sachverständigen Dr. P vom 4. Juni 1969 in einem entscheidenden Punkt widersprächen. Während im Kreiskrankenhaus ein Myocardschaden festgestellt worden sei, habe der Sachverständige Dr. P ausgeführt, ein Herzleiden sei "nicht augenfällig". Dadurch hätte sich das LSG gedrängt fühlen müssen, hierüber eine Klärung herbeizuführen. Der Myocardschaden sei nämlich ermittelt worden, bevor Dr. P tätig gewesen sei, könne also nicht erst später entstanden sein. Die Diagnose des Kreiskrankenhauses gewinne aber noch zuletzt dadurch besonderes Gewicht, weil der Kläger dort nach dem Unfall lange Zeit stationär behandelt worden sei. Im übrigen habe das LSG es auch versäumt, genau zu ermitteln, wann der Kläger welche Tätigkeit ausgeübt habe. Soweit zu den tatsächlichen Verhältnissen der Schwiegersohn des Klägers und zwei Zeugen gehört worden seien, handele es sich teils um recht allgemeine und teils auch um nicht auf das Jahr 1967 (Unfalljahr) bezogene Angaben.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er führt aus: Bei der Feststellung, ob völlige Erwerbsunfähigkeit bei einem Verletzten vorgelegen habe, könne es nicht darauf ankommen, ob Arbeitgeber gewillt seien, ältere Leute einzustellen. Konjunkturell bedingte Einflüsse und auch das Lebensalter seien dabei völlig unerheblich. Es käme entscheidend nur darauf an, ob der Verletzte fähig gewesen sei, noch eine wirtschaftlich verwertbare Arbeit zu leisten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Verletztenrente aus dem Arbeitsunfall vom 30. September 1967 gegenüber der Beklagten zu. Die Entschädigungsleistung wird nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger, wie die Beklagte zu Unrecht annimmt, schon vor dem Arbeitsunfall völlig erwerbsunfähig gewesen sei.
Nach § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO wird eine Verletztenrente gewährt, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge eines Arbeitsunfalls um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Die zu Rente berechtigende MdE muß somit durch den Arbeitsunfall verursacht worden sein. Daraus folgt, daß einem Versicherten keine Verletztenrente gewährt werden kann, wenn er in dem Zeitpunkt, in dem eine an sich zu Rente berechtigende MdE durch den Unfall eingetreten wäre, bereits infolge anderer Krankheiten dauernd erwerbsunfähig gewesen ist. In einem solchen Fall ist nämlich die MdE nicht infolge des Unfalls, sondern allein durch die unfallunabhängigen Krankheiten eingetreten. Eine bereits völlig entfallene Erwerbsfähigkeit kann aber durch einen Arbeitsunfall nicht mehr gemindert werden (BSG 30, 224, 225; BSG, Urteil vom 24. Juni 1971 - 5 RKnU 7/69 - in Die Praxis 1972, 276; Urteil vom 25. Mai 1972 - 5 RKnU 2/70 -).
Unter Berücksichtigung dieser ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist das LSG unter Würdigung der Verhältnisse des Klägers zutreffend und verfahrensfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, daß beim Kläger eine völlige Erwerbsunfähigkeit zur Unfallzeit nicht bestanden hat. Dabei ist vom Berufungsgericht der Begriff der völligen Erwerbsunfähigkeit nicht verkannt worden; dieser ist nicht einer Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO gleichzusetzen. An dem Begriff der "völligen Erwerbsunfähigkeit" in der gesetzlichen Unfallversicherung sind vielmehr strengere Anforderungen zu stellen. Völlige Erwerbsunfähigkeit bedeutet, daß der Verletzte dauernd die Fähigkeit verloren hat, einen irgendwie nennenswerten Verdienst zu erlangen, d. h. er muß aus gesundheitlichen Gründen unfähig sein, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm nach seinen gesamten Kenntnissen sowie körperlichen und geistigen Fähigkeiten im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, noch einen Erwerb zu verschaffen (RVA AN 1897, 463, 464; BSG 17, 160, 161; BSG, Urteil vom 25. Mai 1972 - 5 RKnU 2/70 -). Völlige Erwerbsunfähigkeit aufgrund des gesundheitlichen Zustandes des Versicherten ist deshalb nur anzunehmen, wenn der Verletzte nur noch gelegentlich eine Reihe von Arbeiten im eigenen Betrieb, Haus oder Garten erledigen kann (BSG, Urteil vom 25. Mai 1972 - 5 RKnU 2/70 -). Damit steht aber noch nicht fest, daß jede Tätigkeit eines Versicherten in einem landwirtschaftlichen Betrieb, der ihm früher gehörte und dem er jetzt als mithelfender Familienangehöriger angehört, die Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht erfüllt. Zu fordern ist lediglich, daß es sich bei den vom Kläger vor dem Arbeitsunfall verrichteten Tätigkeit um solche handelte, die auch üblicherweise in anderen landwirtschaftlichen Betrieben gegen Entgelt verrichtet werden. Auch müssen die vom Kläger ausgeführten Arbeiten nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig in nennenswertem Umfang geleistet worden sein. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob auch fremde Arbeitgeber, sei es aus konjunkturellen Gründen, sei es bedingt durch das Lebensalter des Klägers, sich bereitfinden würden, diesen einzustellen. Es genügt, daß sich der Kläger unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheit in dem Betrieb, in der er tatsächlich vor dem Unfall tätig war, nach seinen gesamten Kenntnissen sowie körperlichen und geistigen Fähigkeiten noch einen im vorgenannten Sinne nennenswerten Erwerb hätte verschaffen können.
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, daß der Kläger im Zeitpunkt des Arbeitsunfalles noch nicht völlig erwerbsunfähig gewesen ist. Bei der Feststellung der hierfür erforderlichen Tatsachen hat das LSG auch - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) verletzt und auch nicht die seiner Beweiswürdigung gesetzten Grenzen (§ 128 SGG) überschritten. Das Berufungsgericht hat (Seiten 6 und 7 des angefochtenen Urteils) nicht nur angegeben, welche Arbeiten aufgrund der Zeugenaussagen der Kläger noch vor dem Unfall verrichtet hat, sondern auch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich nicht nur um gelegentliche Tätigkeiten gehandelt hat. Es hat die Arbeiten im einzelnen aufgeführt und auch zu dem wirtschaftlichen Wert Stellung genommen. Es hat unangegriffen und deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß beim Wegfall des Klägers die von ihm ausgeführten Arbeiten von einer anderen Arbeitskraft verrichtet werden müssen. Soweit das Berufungsgericht nur kurz festgestellt hat, daß es nach der Beweislage sich nicht um "gelegentliche Tätigkeiten als Austrägler" gehandelt habe, ist darin - entgegen der Auffassung der Beklagten - ebenfalls kein wesentlicher Verfahrensmangel zu sehen. Hierbei darf nicht übersehen werden, daß das LSG die medizinischen Gutachten, die Zeugenaussagen und den gesamten sonstigen Akteninhalt ausdrücklich zum Gegenstand seines Verfahrens gemacht und darauf verwiesen hat. Daraus ist aber ersichtlich, daß das Berufungsgericht bei seiner Beweiswürdigung auch die vom SG bereits ausdrücklich hervorgehobene Erklärung des Schwiegersohnes des Klägers, Valentin M, vor dem SG am 4. Juni 1969 berücksichtigt hat. Gerade daraus ergibt sich aber, daß der Kläger vor dem Unfall beim Viehfüttern, Grasmähen, Holzhacken und Reinigen der Futterkrippen sowie bei den Erntearbeiten und sonstigen Arbeiten auf dem Hof regelmäßig täglich - mit einer größeren Mittagspause - mitgeholfen hat. Unter Berücksichtigung dieser Bekundung und der Zeugenaussagen konnte deshalb das LSG, ohne die Grenzen seiner freien Beweiswürdigung (§ 128 SGG) zu überschreiten, zu dem Ergebnis kommen, daß der Kläger vor dem Unfall noch einer wirtschaftlich verwertbaren Erwerbstätigkeit, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegen Entgelt geleistet wird, nachgegangen ist. An dieser Schlußfolgerung wurde das Berufungsgericht auch nicht durch das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme gehindert und hat deshalb auch insoweit nicht gegen die §§ 103, 128 SGG verstoßen. Das LSG hat sich mit dem Gutachten des im ersten Rechtszug gehörten Sachverständigen Dr. P vom 4. Juni 1969 auseinandergesetzt und dabei auch die Ausführungen des von der Beklagten eingeholten Gutachtens des Kreiskrankenhauses E vom 17. Januar 1968 berücksichtigt (S. 6 und 7 des Berufungsurteils). Angesichts der Beurteilung des Sachverständigen Dr. P es könne nicht in Abrede gestellt werden, daß der Kläger zur Zeit des Unfalls noch kleinere und leichtere Arbeiten, wie sie in der Landwirtschaft anfallen (zB Viehfüttern), aufgrund des bei ihm festgestellten Gesundheitszustandes habe verrichten können, war es für das Berufungsgericht nicht unmöglich, den Ausführungen des Hofeigentümers Valentin M und der vom SG gehörten beiden Zeugen zu folgen und daraus auf eine regelmäßige tägliche wirtschaftlich verwertbare Tätigkeit des Klägers zu schließen. Es kann dahinstehen, ob nach dem Ergebnis des Verfahrens auch eine andere Schlußfolgerung - etwa im Sinne der Beklagten -, möglich gewesen wäre. Das ist ohne Bedeutung, weil das Revisionsgericht nicht selbst die Beweiswürdigung vorzunehmen hat, sondern nur gehalten ist, die Schlußfolgerungen des LSG auf - hier nicht feststellbare - Ermessensfehler zu überprüfen (BSG SozR Nr. 56 zu § 128 SGG).
Das LSG brauchte sich auch nicht deshalb zu weiterer Sachaufklärung (§ 103 SGG) gedrängt zu fühlen, weil der Sachverständige Dr. P ausgeführt hatte, Ausgleichsstörungen von Seiten des Herzens seien beim Kläger nicht augenfällig, während im Gutachten des Kreiskrankenhauses E vom 17. Januar 1968 von einem Myocardschaden die Rede ist. Bei ihrer insoweit vorgebrachten Rüge übersieht die Revision, daß der zuletzt gehörte gerichtliche Sachverständige Dr. P in seinem Gutachten vom 4. Juni 1969 nicht nur ganz allgemein davon gesprochen hat, Herzstörungen seien nicht "augenfällig", sondern im Gegensatz zu dem Gutachten des Kreiskrankenhauses Ebern aus dem Jahr 1968 auch eingehende Befundangaben über die Herztätigkeit gemacht hat. So heißt es dort ausdrücklich: "Grenzen perkutorisch nicht nachweisbar verbreitert." Aktion regelmäßig. Töne rein. Blutdruck 140/60 mmHg. Puls 72 Schläge in der Minute". Da das zeitlich ältere Gutachten des Kreiskrankenhauses E sich - dem Gutachtenauftrag entsprechend - nur mit den Unfallfolgen, nicht aber mit dem Zustand vor dem Unfall befaßt und insoweit keinerlei Befundangaben im einzelnen enthält, war es für das Berufungsgericht durchaus möglich, ohne Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht hinsichtlich dieses Zustandes von den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P auszugehen. Maßgebend für die Beurteilung des LSG war letztlich ohnehin die auf Grund der Bekundungen des Hofeigentümers im Zusammenhang mit den Aussagen der vom SG gehörten Zeugen getroffene Feststellung, daß der Kläger noch täglich bestimmte landwirtschaftliche Arbeiten regelmäßig mit einer längeren Mittagspause verrichtet hat.
Nach allem ist deshalb das Berufungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß dem Kläger ein Anspruch auf Verletztenrente aus dem Arbeitsunfall vom 30. September 1967 zusteht. Die Revision der Beklagten kann deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen