Leitsatz (amtlich)
1. Ein Versicherter kann die Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht des Rentenversicherungsträgers nach AVG § 103 S 1 aF nicht mit der (Popular) Klage geltend machen.
2. Der Rentenversicherungsträger ist zur Belehrung und Beratung des einzelnen Versicherten nur dann verpflichtet, wenn dieser sich mit einem entsprechenden Ersuchen an ihn wendet.
3. Das Amtsermittlungsprinzip verpflichtet den Versicherungsträger nur zur Aufklärung der Tatsachen, die für die beantragte Leistung bedeutsam sind.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach dem bis zum 31.12.1975 geltenden Recht war für die Verjährung des Anspruchs auf den Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers nach RVO § 381 Abs 4 die 4jährige Verjährungsfrist des RVO § 29 Abs 3 maßgebend, sie begann jeweils mit der Fälligkeit der Leistung, dh mit der monatlichen Entstehung des Anspruchs.
2. Den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit steht, soweit der Versicherungsträger nach Ermessen zu handeln befugt ist, nicht die Prüfung zu, ob er sein Ermessen in der richtigen Weise angewandt hat. Das Gericht hat vielmehr lediglich nachzuprüfen, ob er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (SGG § 54 Abs 2).
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12, § 1545 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1924-12-15; AVG § 103 S. 1 Fassung: 1960-02-25; RVO § 1324 S. 1 Fassung: 1960-02-25; SGB 1 § 13 Fassung: 1975-12-11, § 14 Fassung: 1975-12-11, § 15 Abs. 2 Fassung: 1975-12-11; BGB § 242 Fassung: 1896-08-18; SGG § 54 Abs. 2
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 17. Dezember 1975 und des Sozialgerichts Berlin vom 15. Februar 1974 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verjährung eines Beitragszuschusses.
Die Kläger sind die Testamentsvollstrecker der am 29. April 1974 verstorbenen, in den USA wohnhaft gewesenen Betty S. S. Sie hatte unter Hinweis auf ihre früheren Beitragsleistungen zur deutschen Rentenversicherung im Februar 1962 die Gewährung einer Rente beantragt. Die Beklagte hatte den Anspruch anerkannt und ihr mit Bescheid vom 6. März 1964 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt. Im Rentenantrag hatte die Versicherte die Frage, bei welcher Kasse oder bei welchem privaten Versicherungsunternehmen eine Krankenversicherung bestehe, mit der Bemerkung "bei keiner" beantwortet.
Am 7. August 1972 beantragte die Versicherte die Gewährung eines Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Sie legte Bescheinigungen zweier Krankenversicherungen über die Höhe ihrer Beiträge ab 29. Oktober 1962 vor. Die Beklagte erkannte den Anspruch mit Bescheid vom 3. Juli 1973 an und zahlte den Beitragszuschuß ab September 1968. Für die vorhergehende Bezugszeit berief sie sich auf Verjährung. Der Widerspruch der Versicherten blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid legte die Beklagte die Voraussetzungen der Verjährung dar.
Auf die von der Versicherten dagegen erhobene verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der sie die Zahlung des Beitragszuschusses auch für die vorhergehende Zeit gefordert hat, hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid geändert, den Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Versicherten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen (Urteil vom 15. Februar 1974): Die Beklagte habe in ihrem Bescheid keine Gründe dafür angegeben, warum sie nach ihrem Ermessen die Verjährungseinrede erhoben habe. Demgemäß sei es dem Gericht nicht möglich zu prüfen, ob sie sich im Bereich des ihr eingeräumten Ermessens bewegt habe.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Rechtsmittel zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 17. Dezember 1975). Es hat festgestellt, daß die Versicherte die Voraussetzungen für die Gewährung eines Beitragszuschusses seit dem 29. Oktober 1962 erfüllt habe. Auf die Verjährung des Anspruchs hätte sich die Beklagte nicht berufen dürfen, weil ihr die Verletzung einer allgemeinen Informationspflicht gegenüber Auslandsrentnern über die Möglichkeiten der Rentnerkrankenversicherung vorzuwerfen sei. Bis zum August 1972 habe die Beklagte generell bei Rentenanträgen aus dem Ausland keine Belehrungen über die Rechtslage für den Bezug eines Beitragszuschusses erteilt; sie habe sich vielmehr darauf beschränkt, die für Inlandsrentner geltenden Belehrungen mitzusenden und diese mit dem Stempelaufdruck "ungültig" zu versehen. Ob die Beklagte auch bei der Versicherten dieses Rechtsstreits so verfahren habe, stehe nicht fest. Darauf komme es aber nicht an. Die Versicherte habe zwar im Rentenantrag die Frage nach dem Bestehen einer privaten Versicherung verneint und diese Antwort sei auch zutreffend gewesen, dennoch sei die Beklagte dadurch nicht von ihrer Informationspflicht entbunden gewesen, denn sie habe nicht wissen können, ob die Versicherte nicht späterhin einer privaten Krankenversicherung beitreten würde. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die Beklagte nicht schon vor dem August 1972 zutreffende Belehrungen über den Beitragszuschuß für Auslandsrentner erteilt habe. Die Beklagte habe auch ihre Verpflichtungen aus dem individuellen Versicherungsverhältnis verletzt. Auf den formlosen Rentenantrag des Bevollmächtigten der Versicherten hin seien diesem nur Vordrucke für den Rentenantrag zugesandt worden, nicht jedoch auch Vordrucke für einen Antrag auf Beitragszuschuß. Auf Grund dieser Pflichtverletzungen der Beklagten sei es ihr nach Treu und Glauben verwehrt gewesen, die Verjährungseinrede zu erheben. Das gelte zumindest bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte zutreffende Belehrungen erteilt habe, also bis August 1972. Die Versicherte habe aber ihren Anspruch auf Beitragszuschuß schon vorher geltend gemacht.
Im Verlauf des Berufungsverfahrens ist die Versicherte verstorben. Die Kläger zu 1) und 2) haben als ihre Testamentsvollstrecker den Rechtsstreit fortgeführt.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen das Urteil des LSG und rügt eine Verletzung der §§ 205 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), 29 Abs. 3 RVO, 103 AVG aF und 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Es könne bereits fraglich sein, ob eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht überhaupt als Verstoß gegen Treu und Glauben anzusehen sei; selbst bei Bejahung dieser Frage könne ein Verstoß nur dann vorliegen, wenn eine Fehlinformation verbreitet worden sei. Dieser Fall sei nicht gegeben. Anders lägen die Dinge bei Erteilung einer unrichtigen Auskunft, aber ein solcher Sachverhalt werde von den Klägern selbst nicht behauptet. Auch wenn man - wie das LSG unzutreffend - von der Voraussetzung einer Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht ausgehe, seien die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts irrig, denn es fehle an der erforderlichen Kausalität zwischen der angeblichen Pflichtverletzung und der verspäteten Antragstellung. Das LSG habe weiter verkannt, daß der Vordruck mit der Belehrung über die Rentnerkrankenversicherung nur zusammen mit dem Rentenbescheid versandt werde. Selbst wenn die Beklagte schon zu einem früheren Zeitpunkt Merkblätter über den Beitragszuschuß bei Auslandsaufenthalt herausgegeben hätte, hätte ein solches Verhalten der Beklagten - wie es das LSG offenbar fordere - für den vorliegenden Fall keine Bedeutung erlangen können, weil der Versicherten nach der erstmaligen Rentenfeststellung kein neuer Rentenbescheid erteilt worden sei. Demgemäß lasse sich aus dem Zeitpunkt der Herausgabe neuer Merkblätter nichts dafür ableiten, ob die Beklagte der Versicherten gegenüber den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Berlin vom 17. Dezember 1975 sowie das Urteil des SG Berlin vom 15. Februar 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen,
falls sich die tatsächlichen Feststellungen des LSG als unvollständig erweisen sollten.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, daß die Beklagte ihre Aufklärungspflicht verletzt habe. Sie lassen es dahingestellt, ob die Beklagte - wie das LSG meint - jeden Auslandsrentner persönlich über den Beitragszuschuß unterrichten müsse, halten die Beklagte aber für verpflichtet, an die deutschen Konsulate generelle Mitteilungen darüber zu machen, die dann ihrerseits verpflichtet seien, sie an die Versicherten in geeigneter Weise weiterzugeben. Falls die Versicherte auf diese Art Kenntnis erlangt hätte, würde sie den Beitragszuschuß auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt beantragt haben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Beklagte konnte sich für die Zeit vor dem 1. September 1968 auf die Verjährung des Anspruchs auf Beitragszuschuß berufen.
Das Berufungsurteil vermag keinen Bestand zu haben. Zu Unrecht ist das LSG davon ausgegangen, der Beklagten sei generell eine Verletzung der allgemeinen Informationspflicht gegenüber Auslandsrentnern über die Möglichkeiten des Beitragszuschusses "vorzuwerfen", hingegen komme es nicht darauf an, wie sich die Beklagte der Versicherten dieses Rechtsstreits gegenüber verhalten habe.
In dem für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutsamen Zeitraum war die Aufklärungspflicht der Beklagten in § 103 AVG aF - übereinstimmend mit § 1324 RVO aF - geregelt. Nach dieser Vorschrift obliegt der Beklagten die allgemeine Aufklärung der versicherten Bevölkerung und der Rentner über ihre Rechte und Pflichten (§ 103 Satz 1 AVG aF). Des weiteren statuiert § 103 Satz 2 AVG aF eine Pflicht der Versicherungsämter zur Erteilung von Auskünften, auf die die Beklagte in geeigneter Weise hinzuweisen hat (§ 103 Satz 3 AVG aF). Offensichtlich hat das LSG im vorliegenden Fall einen Verstoß der Beklagten gegen die allgemeine Informationspflicht nach § 103 Satz 1 AVG aF für gegeben gehalten. Es bedarf im Rahmen dieses Rechtsstreits keiner Untersuchung, ob aus dieser Vorschrift für die Beklagte die Verpflichtung erwachsen wäre, Merkblätter über den Beitragszuschuß für Auslandsrentner bereits zu einem früheren Zeitpunkt oder mit einem anderen Inhalt herauszugeben, weil jedenfalls die Versicherte oder die Kläger als deren Prozeßrechtsnachfolger daraus keine Rechte herleiten können.
Bei der Verpflichtung zur Aufklärung ist zu unterscheiden zwischen der Pflicht zur generellen Information, die der Rentenversicherungsträger der gesamten Bevölkerung und insbesondere der Versichertengemeinschaft gegenüber zu erfüllen hat, und seiner Pflicht zur individuellen Information einem bestimmten Versicherten gegenüber. Die allgemeine Informationspflicht bezweckt, die Rentenversicherung der Bevölkerung nahezubringen, und ist ein Ausfluß der grundgesetzlich garantierten Verpflichtung zur Sozialstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes). Diese generelle Verpflichtung zur Aufklärung macht zwar dem Versicherungsträger die Durchführung von Aufklärungsmaßnahmen, wie beispielsweise die Herausgabe von Merkblättern oder ähnliches, zur Pflicht, allein, sie verleiht dem einzelnen Versicherten kein subjektives klagbares Recht gegenüber dem Versicherungsträger. Er kann weder den Versicherungsträger zu bestimmten Maßnahmen zwingen noch kann er für sich daraus Rechte herleiten, wenn der Versicherungsträger Aufklärungsmaßnahmen nicht in der von ihm für richtig gehaltenen Weise oder nicht in dem von ihm als zutreffend befundenen Zeitpunkt durchführt (vgl. Gesamtkomm. zur RVO von Dersch u. a., Stand: Dezember 1975, § 1324, Anm. 1; Verbandskomm. zur RVO, Stand: Januar 1975, § 1324, Anm. 2; Koch/Hartmann, AVG, 2. und 3. Aufl., Stand: April 1973, § 103, Anm. A; Etmer, AVG, Stand: März 1976, § 103, Anm. 2; Jantz/Zweng, 1. Aufl., Anm. zu § 1315 RVO). Entsprechendes gilt ab 1. Januar 1976 nach der Streichung des § 103 AVG aF (Art. II § 5 iVm § 23 des Sozialgesetzbuchs, Allgemeiner Teil - SGB, Allg. Teil -) für die an dessen Stelle getretene allgemeine Informationspflicht nach § 13 SGB, Allg. Teil (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl., SGB, Allg. Teil, § 13, Anm. 2 und 3; Gesamtkomm., SGB, Allg. Teil, Stand: Mai 1976, § 13, Anm. 5). Daraus folgt, daß eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungsverpflichtung, sofern überhaupt eine solche vorgelegen hätte, zwar möglicherweise zwischen dem Versicherungsträger und der Aufsichtsbehörde oder auch zwischen der Geschäftsführung und den Selbstverwaltungsorganen streitig werden könnte, daß aber der einzelne Versicherte eine derartige Rechtsverletzung nicht mit der (Popular)Klage geltend machen und für sich daraus Rechte herleiten kann.
Unabhängig von der allgemeinen Informationspflicht trifft den Rentenversicherungsträger eine Verpflichtung, den einzelnen Versicherten zu beraten und ihm Auskünfte zu erteilen. Diese Verpflichtung ist seit dem 1. Januar 1976 gesetzlich festgelegt und hat ihren Niederschlag in den §§ 14 und 15 SGB, Allg. Teil, gefunden. Es kann schon zweifelhaft sein, ob auch vor dem Inkrafttreten des SGB, Allg. Teil, eine Verpflichtung der Rentenversicherungsträger zur Beratung und Auskunftserteilung an den einzelnen Versicherten i. S. einer erzwingbaren Rechtspflicht bestanden hat. Dagegen spricht vor allem die Entstehungsgeschichte der früheren Vorschrift über die Aufklärung (§ 103 AVG aF, § 1324 RVO aF). Sie ist durch die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze als § 1315 in die RVO eingefügt worden. Die spätere Veränderung der Paragraphenbezeichnung in § 1324 RVO durch Art. 2 Nr. 6 FANG vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) hat an dem Inhalt der Vorschrift nichts verändert. Bei ihrer Beratung wurde der Antrag gestellt, die allgemeine Aufklärungspflicht durch eine individuelle Beratungspflicht zu ersetzen. Dieser Antrag wurde jedoch bereits in dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik mit der Begründung abgelehnt, daß sich eine Verpflichtung der Rentenversicherungsträger zur Beratung der Versicherten bereits aus ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts ergebe und eine weitere Konkretisierung untunlich sei (Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, zu Drucks. 3080, S. 19, zu § 1319 des Entwurfs eines Rentenversicherungsgesetzes). Auch im Bundestag verfiel er der Ablehnung (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, 186. Sitzung, S. 10420). In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, daß selbst der abgelehnte Änderungsantrag keine unbeschränkte Beratungspflicht vorgesehen hätte, sondern den Rentenversicherungsträger nur verpflichten wollte, "bei Kenntnis von Umständen, die Leistungsansprüche begründen, den Berechtigten auf das Recht zur Antragstellung hinzuweisen" (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, 186. Sitzung, Anl. 5 (Umdruck 893), Ziff. 87 und 88, Nr. 1, S. 10481). Unter Beachtung dieser Entwicklung ist für die Zeit vor dem Inkrafttreten des SGB, Allg. Teil, davon auszugehen, daß die Rentenversicherungsträger auf Grund der aus dem jeweiligen einzelnen Versicherungsverhältnis erwachsenden Betreuungspflicht heraus zwar gehalten waren, den Versicherten zu belehren, zu beraten und ihm Auskünfte zu erteilen - wobei dahingestellt bleiben kann, ob eine solche Verpflichtung hätte erzwungen werden können -, daß aber der Versicherungsträger eine solche individuelle Information jedenfalls nur dann zu geben brauchte, wenn der Versicherte sich mit einem entsprechenden Ersuchen an ihn gewandt hatte. In dieser Weise ist auch von den Rentenversicherungsträgern verfahren worden.
Eine Verpflichtung des Versicherungsträgers, den einzelnen Versicherten von Amts wegen - ohne daß dieser darum ersucht oder es vielleicht überhaupt gewünscht hatte - über ihm möglicherweise zustehende Rechte zu beraten, ist hingegen weder durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen angeordnet gewesen noch hätte sich eine solche Verpflichtung aus der Betreuungspflicht des Rentenversicherungsträgers ableiten lassen. Sie stünde überdies selbst im Widerspruch zu der neuerdings im SGB, Allg. Teil, kodifizierten Beratungs- und Auskunftspflicht, denn diese setzt ebenfalls ein Verlangen des Berechtigten voraus (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, aaO, § 14, Anm. 2). Das LSG verkennt die Rechtslage, wenn es die Beklagte für verpflichtet hält, einen Versicherten über die Möglichkeiten des Beitragszuschusses ins Ausland zu belehren, obwohl dieser in seinem Rentenantrag an die Beklagte die Frage nach dem Bestehen einer privaten Versicherung verneint hatte. Eine derartige Verpflichtung ginge noch weit über den Inhalt des - abgelehnten - Abänderungsantrags bei den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen hinaus. In diesem Zusammenhang darf nicht unbeachtet bleiben, daß eine solche weitgehende Beratungspflicht, wie sie das LSG annimmt, ungeachtet der Frage, ob sie überhaupt verwaltungsmäßig durchführbar wäre, auch eine laufende Überwachung des Versicherten durch den Versicherungsträger erfordern würde. Denn nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung wäre der Versicherungsträger über die jeweilige versicherungsmäßige und wirtschaftliche Situation des Versicherten im Bilde und könnte demgemäß eine zutreffende Beratung erteilen, zu der er verpflichtet wäre.
Zusammenfassend ergibt sich somit, daß ein Rentenversicherungsträger - sei es vor, sei es nach dem Inkrafttreten des SGB, Allg. Teil - zur Belehrung und Beratung eines Versicherten nur dann als verpflichtet angesehen werden konnte, wenn dieser sich mit einem entsprechenden Ersuchen an den Versicherungsträger gewandt hatte. Das LSG hat jedoch festgestellt, daß die Versicherte nicht mit einer Bitte um Belehrung an die Beklagte herangetreten ist; auch aus den Akten ist dafür nichts ersichtlich. Da es an einem individuellen Begehren fehlt, ist der Beklagten keine Verletzung von Beratungspflichten vorwerfbar.
Das LSG sieht weiterhin, ohne allerdings insoweit Ermittlungen durchgeführt zu haben, eine Pflichtverletzung der Beklagten darin, daß diese der Versicherten auf deren formlosen Rentenantrag hin keine Vordrucke für den Antrag auf Beitragszuschuß übersandt habe. Da das Rentenversicherungsrecht auf dem Antragsprinzip beruht (§ 1545 Abs. 1 Nr. 2 RVO), bestimmt der Versicherte mit seinem Antrag den Umfang der Leistungen, die er in Anspruch nehmen will. Sofern ein Versicherter eine Leistung - zulässigerweise - durch ein einfaches Schreiben beantragt, dient die Übersendung von Vordrucken nicht mehr der Antragstellung selbst, denn diese ist bereits erfolgt, sondern der Ermittlung der Daten, die für die begehrte Leistung von Bedeutung sein können. Übersendet der Rentenversicherungsträger nur Vordrucke für die im Antrag bezeichnete Leistung, so verletzt er damit keine Rechtspflicht, weil das Amtsermittlungsprinzip ihm nur die Aufklärung der Fakten gebietet, auf die es für die genannte Leistung ankommt. Zwar kann durchaus der Fall eintreten, daß der Versicherungsträger auf Grund der vom Versicherten in dem Vordruck gemachten Eintragungen zu weiteren Ermittlungen, vielleicht auch zur Übersendung weiterer (Antrags-) Vordrucke gedrängt sein kann, allein ein solcher Sachverhalt war gerade im vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben. Da die Versicherte, wie das LSG festgestellt hat, zur Zeit ihrer Rentenantragstellung nicht bei einem Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert gewesen war, hätte auch die Übersendung eines Vordrucks auf Beitragszuschuß nichts an den fehlenden Anspruchsvoraussetzungen geändert.
Steht damit fest, daß die Beklagte keine ihr der Versicherten gegenüber obliegende Verpflichtung verletzt hat, so ist auch kein sonstiger Grund ersichtlich, ihr Verhalten als rechtswidrig zu qualifizieren. Der Gesetzgeber hat dem Rentenversicherungsträger in den Vorschriften der RVO ausdrücklich das Recht der Verjährung vorbehalten. Zwar kann diesem Leistungsverweigerungsrecht, wie jedem Recht, der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden, allein dafür bedürfte es des Vorliegens besonderer Tatsachen, die einen derartigen Einwand begründen könnten. Das LSG hat solche nicht festgestellt. Die Kläger haben keine vorgetragen und auch keine mangelnden Feststellungen gerügt. Das bloße Gebrauchmachen von der Verjährungseinrede, zu der der Versicherungsträger schon im Interesse einer sparsamen Haushaltsführung gehalten sein kann (vgl. BSG 20, 262, 265; 34, 1, 12), stellt keine unzulässige Rechtsausübung und somit auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar, wie der Senat in dem Urteil vom heutigen Tage zu 3 RK 97/75 entschieden und des näheren dargelegt hat. Damit ist auch die Frage des Ermessensgebrauchs beantwortet. Dem Gericht steht, soweit der Versicherungsträger nach Ermessen zu handeln befugt ist, nicht die Prüfung zu, ob er sein Ermessen in der richtigen Weise angewandt hat. Das Gericht hat vielmehr lediglich nachzuprüfen, ob er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, weil nur dann Rechtswidrigkeit besteht (§ 54 Abs. 2 SGG). Ist aber festzustellen, daß sein Verhalten nicht gegen Treu und Glauben verstößt, dann werden dadurch auch die Grenzen der Rechtswidrigkeit nicht verletzt.
Wie der erkennende Senat im Urteil vom heutigen Tage zum Rechtsstreit 3 RK 97/75 entschieden hat, verjährten Ansprüche auf Beitragszuschuß in der streitigen Zeit nach dem Ablauf von vier Jahren seit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung. Bei Stellung des Antrags auf Beitragszuschuß - am 7. August 1972 - war mithin die Verjährungsfrist für alle die Einzelansprüche abgelaufen, die bis August 1968 entstanden waren. Da der Beklagte die Berufung auf die Verjährung dieser Ansprüche nicht verwehrt war, steht den Klägern der im Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch nicht zu. Auf die Revision der Beklagten hin waren demzufolge die Vorderurteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1648659 |
BSGE, 224 |