Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.11.1992) |
SG Koblenz (Urteil vom 27.11.1991) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 1992 aufgehoben, soweit die Beklagte zur Erstattung verurteilt worden ist, und die Sache in diesem Umfange zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Im übrigen ist die Hauptsache erledigt; insoweit sind das Urteil des Landessozialgerichts und das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 27. November 1991 wirkungslos.
Tatbestand
I
Streitig ist im Revisionsverfahren nur noch, ob die Klägerin einen Erstattungsanspruch gegen die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) hat.
Die Klägerin gewährte dem am 4. November 1970 geborenen Beigeladenen im Wege der Heimpflege Hilfe zur Erziehung, die ua auch Hilfe zum Lebensunterhalt umfaßte. Nachdem der Beigeladene am 1. August 1988 eine Ausbildung zum Maler/Lackierer begonnen hatte, bewilligte ihm die BA auf Antrag Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bis zum 31. Januar 1990 und zahlte die Beträge an die Klägerin aus. Den von der Klägerin nach Ablauf des Bewilligungszeitraums eingereichten Antrag des Beigeladenen auf Weitergewährung von BAB lehnte die BA mit der Begründung ab, der Beigeladene erhalte Leistungen nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG), die gegenüber der BAB vorrangig seien (Bescheid vom 25. Juli 1990). Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin verwarf die BA wegen Verfristung als unzulässig. Einen weiteren von der Klägerin eingereichten Antrag des Beigeladenen lehnte die BA zunächst mit Bescheid vom 27. November 1990 ab, bewilligte jedoch sodann nach Widerspruch der Klägerin dem Beigeladenen ab 1. Januar 1991 wieder BAB. Mit Bescheid vom 18. Januar 1991 idF des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1991 hielt die BA an ihrer Ablehnung für das Jahr 1990 fest.
Auf die hiergegen erhobene Klage hob das Sozialgericht (SG) die Bescheide vom 27. November 1990 und 18. Januar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1991 auf und verurteilte die BA antragsgemäß, der Klägerin die dem Beigeladenen nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewährende BAB zu erstatten (Urteil vom 27. November 1991). Die Berufung der BA wies das Landessozialgericht (LSG) mit der Maßgabe zurück, daß auch der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 1990 aufgehoben wird (Urteil vom 24. November 1992). Es hat einen Erstattungsanspruch bejaht, weil die BAB vorrangig sei, und gemeint, neben der Erstattung könne die Klägerin auch die Aufhebung der BAB-Bescheide verlangen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision hat die BA eine Verletzung der §§ 104, 107 Sozialgesetzbuch – 10. Buch – (SGB X) sowie der §§ 37 Abs 1 Satz 1, 40 Abs 1 Satz 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gerügt und vorgetragen, ein Anspruch des Beigeladenen auf BAB sei nach § 37 Abs 1 Satz 1 AFG ausgeschlossen. BAB dürfe danach nur gewährt werden, soweit nicht andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Gewährung solcher Leistungen verpflichtet seien. Eine solche Verpflichtung enthalte § 5 Abs 1 Nr 7 JWG, wonach es Aufgabe des Jugendamtes sei, Erziehungshilfe während der Berufsvorbereitung, Berufsausbildung und Berufstätigkeit einschließlich der Unterbringung außerhalb des Elternhauses zu leisten. Gemäß § 6 Abs 4 JWG gelten die Hilfen zur Erziehung einzelner Minderjähriger nicht für die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen. Entgegen der Auffassung des LSG sei § 6 Abs 4 JWG jedoch keine Regelung zur Festlegung der Nachrangigkeit von JWG-Leistungen gegenüber Leistungen nach § 40 AFG, sondern stelle nur klar, daß BAB aufgrund von besonderen Gesetzen gewährt werde. Nach Änderung des § 40 AFG zum 1. Januar 1989 erhielten nur noch diejenigen Auszubildenden BAB, die einen Mehrbedarf für auswärtige Unterbringung hätten. Deshalb greife die Regelung des § 37 Abs 1 AFG ein, wenn dieser Bedarf durch § 5 Abs 1 Nr 7 JWG ebenfalls gedeckt werde. Sehe man allerdings die Regelung des § 6 Abs 4 JWG als Subsidiaritätsklausel gegenüber Leistungen zur Berufsausbildung an, sei zu beachten, daß bei konkurrierenden Rechtsvorschriften der Grundsatz des Vorranges jüngeren Rechts gelte. Dies sei bis zum 1. Januar 1991 die Regelung des § 37 AFG gewesen, da der Gesetzgeber in Kenntnis der Regelung des JWG bei der Verabschiedung des AFG 1969 in diese einen Nachrang aufgenommen habe, der damit die früher erlassene Regelung des § 6 Abs 4 JWG für Leistungen der BA nach dem AFG ausschließe. Die Änderung des § 40 AFG habe zwar durch die Einfügung der Härteklausel in Abs 1 Satz 3 grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, auch Hinderungsgründe aus dem sozialen Umfeld der Eltern zu berücksichtigen, dies könne jedoch in JWG-Fällen nicht dazu führen, daß nunmehr die Beklagte im Ergebnis zu Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und § 5 Abs 1 Nr 7 JWG herangezogen werde.
Nachdem die Klägerin ihre Klage mit Schriftsatz vom 21. September 1993 insoweit zurückgenommen hatte, als mit ihr die Aufhebung der Bescheide vom 27. November 1990 und 18. Januar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1991 begehrt war, beantragt die Beklagte,
die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Hauptsache sich nicht durch die Klagrücknahme erledigt hat, sowie die ergangenen Urteile für wirkungslos zu erklären.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Nachdem die Klägerin ihre als Prozeßstandschafter des Beigeladenen erhobene Anfechtungsklage zurückgenommen hat, war antragsgemäß insoweit die Erledigung der Hauptsache und die Wirkungslosigkeit der Urteile der Vorinstanzen auszusprechen (vgl § 102 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Auflage 1993, § 102 Rz 9). Zu entscheiden ist nun nur noch über den von der Klägerin aus eigenem Recht erhobenen Anspruch auf Erstattung der von ihr für den Beigeladenen aufgewendeten Kosten der Erziehungshilfe für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1990, soweit der Beigeladene für die gleiche Zeit BAB von der BA zu beanspruchen hatte. Bezüglich dieses prozessualen Anspruchs ist die Revision iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Aufgrund der bisherigen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob der Klägerin für den streitigen Zeitraum ein Erstattungsanspruch zusteht.
Im Revisionsverfahren fortwirkende, von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse liegen bezüglich des allein noch streitigen Erstattungsanspruchs nicht vor. Insoweit war die Berufung der BA gegen das Urteil des SG zulässig. Sie war nicht nach § 149 SGG in der hier nach Art 14 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I 50) noch anzuwendenden, bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung ausgeschlossen, denn der Beschwerdewert beträgt mehr als 1.000,– DM. Das SG hat ein Grundurteil über die Erstattung gefällt. In solchen Fällen ist in etwa abzuschätzen, ob ein über 1.000,– DM liegender Erstattungsbetrag in Betracht kommt. Das ist hier der Fall. Es geht um die Erstattung für 11 Monate, wobei sich schon für jeden Monat ein 100,– DM übersteigender Betrag ergeben könnte. Das LSG hat zwar Feststellungen hierzu nicht getroffen. Im Hinblick auf die Prozeßvoraussetzungen ist das Revisionsgericht indes auf Feststellungen des Berufungsgerichts, die das Revisionsgericht sowieso nicht binden würden (BSGE 67, 221, 223 = SozR 3-4100 § 117 Nr 3), nicht angewiesen. Es genügt insoweit der Hinweis, daß die streitigen 11 Monate von Monaten umrahmt sind, für die die BA 170,– DM (Januar 1990) bzw 419,– DM (Januar 1991) BAB bewilligt hat, wie sich aus den beigezogenen Akten der Beklagten ergibt.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 104 Abs 1 SGB X. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ist nach Satz 1 dieser Vorschrift der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Die Klägerin hat dem Beigeladenen gegenüber Sozialleistungen in Form der Erziehungshilfe einschließlich der Bereitstellung des notwendigen Lebensunterhalts nach §§ 5 Abs 1 Nr 7, 6 Abs 3 JWG erbracht. Ihr steht hiernach ein Erstattungsanspruch zu, wenn der Beigeladene vorrangig einen Anspruch gegen die BA hatte.
Ein Anspruch des Beigeladenen auf BAB ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil die Beklagte entsprechende Anträge auf BAB bindend abgelehnt hat (§ 77 SGG). Die Bindungswirkung der ablehnenden Bescheide erstreckt sich nicht auf die Klägerin, sondern nur auf den Beigeladenen; das gilt auch, soweit die Klägerin die Verfahren betrieben hat (vgl BSGE 24, 155, 156 f = SozR Nr 2 zu § 1504 RVO). Der Klägerin kann auch keine Tatbestandswirkung (Drittbindung) noch der Satz vorgehalten werden, daß dem Erstattungsverfahren Entscheidungen, die ein Leistungsträger über einen gegen ihn gerichteten Leistungsanspruch getroffen hat, grundsätzlich zugrunde zu legen sind (BSGE 57, 146, 149 f = SozR 1300 § 103 Nr 2; SozR 4100 § 105b Nr 6). Denn dieser aus der Regelungsbefugnis des einzelnen Sozialleistungsträgers abgeleitete Grundsatz kann dort keine Geltung beanspruchen, wo die Leistung gegenüber dem Berechtigten nicht aus Gründen des besonderen Leistungsrechts abgelehnt worden ist, sondern deshalb, weil Leistungen eines anderen Trägers vorrangig seien, wie das hier geschehen ist; denn angesichts der Erstattungsregelungen kann keinem Leistungsträger zuerkannt werden, auf diese Weise praktisch bindend für den anderen Leistungsträger über Vorrang und Nachrang zu erkennen und damit Erstattungsverlangen von vornherein nicht ausgesetzt zu werden.
Ob die BA dem Beigeladenen BAB zu leisten hatte, hängt davon ab, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 40 AFG erfüllt waren. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 AFG in der seit dem 1. Januar 1989 geltenden, hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343) gewährt die BA Auszubildenden BAB für eine berufliche Ausbildung …, soweit ihnen nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Anordnung der BA die hierfür erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Bei einer beruflichen Ausbildung im Betrieb, wie sie der Beigeladene durchlief, wird nach § 40 Abs 1 Satz 2 AFG eine BAB allerdings nur gewährt, wenn der Auszubildende 1. außerhalb des Haushaltes der Eltern untergebracht ist, was hier der Fall war, und 2. die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht in angemessener Zeit erreicht werden kann. Nach § 40 Abs 1 Satz 3 AFG gilt die Voraussetzung nach Nummer 2 nicht, wenn der Auszubildende das 18. Lebensjahr vollendet hat, verheiratet ist oder war, mit mindestens einem Kind zusammenlebt oder seine Verweisung auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist. § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 2 AFG gilt im gegebenen Fall nicht, da die Voraussetzungen des Abs 1 Satz 3 der Vorschrift vorliegen. Der Beigeladene ist 1970 geboren und hatte im streitigen Zeitraum 1990 das 18. Lebensjahr bereits seit längerer Zeit vollendet. Auf die sonstigen in § 40 Abs 1 Satz 3 AFG vorgesehenen Ausnahmen kommt es hier nicht an. Dem Beigeladenen stand also BAB zu, soweit ihm die für die Ausbildung erforderlichen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung standen.
Im Hinblick hierauf beruft sich die Revision zu Unrecht darauf, daß dem Beigeladenen die erforderlichen Mittel anderweitig, nämlich aufgrund der Verpflichtungen der Klägerin zur Verfügung standen. Allerdings dürfen nach § 37 Abs 1 Satz 1 AFG Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung, zu denen BAB gehört, nur gewährt werden, soweit nicht andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Gewährung solcher Leistungen gesetzlich verpflichtet sind. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 37 AFG schließen nur solche Leistungen anderer Stellen Leistungen der BA aus, die zweckgebunden zur Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung erbracht werden (BSGE 42, 203, 208 = SozR 4100 § 37 Nr 2). Ob die Klägerin dem Beigeladenen „solche Leistungen” iS der Vorschrift erbracht hat, ist zweifelhaft; Erziehungshilfe wird nämlich nicht nur während einer Berufsausbildung, sondern ggf auch während einer Berufstätigkeit erbracht (§ 5 Abs 1 Nr 7, § 6 Abs 1 bis 3 JWG). Doch kann dies dahingestellt bleiben. Denn aus § 6 Abs 4 JWG folgt jedenfalls der Nachrang der Leistung der Klägerin gem § 6 Abs 1 bis 3 JWG gegenüber einem Anspruch auf BAB. § 6 Abs 4 JWG bestimmt, daß die Vorschriften der Abs 1 bis 3 nicht für die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen gelten. Den gleichen Rechtssatz enthielt bis 1975 § 6 Abs 3 JWG. Zu dieser Vorschrift hat das BSG bereits 1972 entschieden, daß der Zweck der Vorschrift nur darin besteht, klarzustellen, „daß bei der Erfüllung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Ausbildungsbeihilfe, die den notwendigen Bedarf für den Lebensunterhalt abdeckt, die Verpflichtung des Jugendamtes zur Leistung des Unterhalts gem § 6 Abs 2 JWG entfällt” (BSGE 37, 64, 68 = SozR Nr 1 zu § 11 AA; SozR 4440 § 11 Nr 1). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Die Vorschrift schließt nicht Leistungen der Jugendämter während der Berufsausbildung aus. Denn anderenfalls wäre die Regelung der Abs 1 bis 3, wonach auch Hilfen während der beruflichen Bildung erbracht werden (können), unverständlich. § 6 Abs 4 JWG ist vielmehr als Subsidiaritätsklausel zu verstehen, nach der eine Kostenträgerschaft der Jugendämter für den Fall ausgeschlossen werden soll, daß Ansprüche auf Ausbildungsbeihilfen gegen Dritte bestehen (Kühl ABA 1971, 234). Demgegenüber greift hier nicht der von der Revision herangezogene Grundsatz, daß jüngeres Recht dem älteren vorgeht. Abgesehen davon, daß der Grundsatz nur dann in Betracht kommt, wenn das jüngere Recht das ältere ablösen will, was mit dem AFG im Jahre 1969 nicht bezweckt war, übersieht die Revision, daß der Gesetzgeber 1975 am Inhalt der Vorschrift festgehalten hat, indem er durch das Gesetz zur Änderung des JWG vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3150) den § 6 Abs 3 JWG zum Abs 4 machte; § 6 Abs 4 JWG erscheint daher gegenüber dem 1969 erlassenen AFG zudem als das jüngere Recht.
Die Rechtsprechung des BSG zum Vorrang der BAB ist auch durch die zum 1. Januar 1989 erfolgte Änderung des § 40 AFG nicht überholt. Das Änderungsgesetz hat weder das JWG noch § 37 AFG erfaßt. Soweit nach § 40 AFG nF an Volljährige, die von der Jugendhilfe untergebracht worden sind, weiter BAB zu zahlen ist, ist dies vom Zweck der Gesetzesänderung her folgerichtig. Denn die Gesetzesänderung zielte nicht auf die Einschränkung der BAB von Volljährigen ab, die außerhalb des elterlichen Haushaltes untergebracht waren. Diese Volljährigen sollten vielmehr „wie bisher entsprechend ihrer tatsächlichen Unterbringung außerhalb des Elternhauses auch dann gefördert werden können, wenn sie von der Wohnung der Eltern aus die Ausbildungsstätte in angemessener Zeit erreichen könnten” (BT-Drucks 11/2990 S 18). Mit der Gesetzesänderung hat der Gesetzgeber zwar die BAB für Minderjährige eingeschränkt. Soweit für Minderjährige, die außerhalb des Haushaltes der Eltern untergebracht sind, BAB vorgesehen ist, weil sie verheiratet sind oder waren oder mit mindestens einem Kind zusammenleben oder auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht verwiesen werden können, ist der Gesetzgeber von dem bisher geltenden Grundsatz, daß außerhalb der Ausbildung liegende Umstände keinen Einfluß auf den Anspruch auf BAB haben, jedenfalls für den Zugang zur BAB abgewichen. Dieser Entscheidung des Gesetzgebers hat die Beklagte Folge zu leisten, auch soweit sie nunmehr Kosten treffen, die bislang den Trägern der Jugendhilfe zur Last fielen.
Die BA hatte dem Beigeladenen danach BAB zu gewähren, sofern ihm die für seine Ausbildung erforderlichen Mittel aus eigenen Einkünften (einschließlich Unterhaltsansprüche gegenüber Dritten) im streitigen Zeitraum nicht zur Verfügung standen. Dafür, daß der Fall hier so liegt, spricht zwar, daß die BA dem Beigeladenen vor und nach dem hier streitigen Zeitraum BAB geleistet hat. Diesbezügliche Feststellungen des LSG für den hier streitigen Zeitraum fehlen jedoch gänzlich, so daß es dem Senat verwehrt ist, insoweit selbst zu entscheiden.
Sollte sich ergeben, daß der Beigeladene einen Anspruch auf BAB hatte, weil ihm nach Maßgabe des AFG und der dazu ergangenen Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970, 213) idF der 28. Änderungsanordnung vom 28. Februar 1989 (ANBA 909) und der 29. Änderungsanordnung vom 6. Juli 1990 (ANBA 1142) die für die Ausbildung erforderlichen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung standen, sind die Leistungen nach dem JWG nachrangig. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs 1 Satz 2 SGB X). Die Nachrangigkeit ergibt sich hier aus dem bereits erwähnten § 6 Abs 4 JWG.
Die weiteren Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs, daß die gewährten und vorenthaltenen Leistungen in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht gleichartig sind (BSGE 57, 218, 219 = SozR 1300 § 104 Nr 3), sind hier erfüllt. Diese Voraussetzungen folgen aus der Zielsetzung der §§ 102 ff SGB X, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden. Die von der Klägerin erbrachte Erziehungshilfe in Form der Heimpflege ist eine der BAB in diesem Sinne gleichartige Leistung. Denn sowohl die Leistung nach dem JWG als auch die BAB sollen den notwendigen Lebensunterhalt einschließlich ausbildungsbedingter Kosten sichern, soweit der jeweilige Auszubildende diese nicht durch eigenes Einkommen (insbesondere Ausbildungsvergütung, Unterhaltsleistungen) selbst aufbringen kann. Unerheblich hierfür ist, daß die Klägerin ihre Leistung offenbar hauptsächlich nicht in Form von Geldleistungen an den Beigeladenen, sondern durch Heimunterbringung und Übernahme der dafür anfallenden Kosten erbracht hat, denn auch auf diese Weise trägt die Klägerin ebenso wie die BA, wenn diese BAB gewährt, zur Deckung des Lebensbedarfs des Beigeladenen während der Berufsausbildung bei.
Dem Anspruch der Klägerin steht schließlich auch die Ausschlußfrist des § 111 SGB X nicht entgegen, denn sie hat den Erstattungsanspruch im vorangegangenen Verwaltungsverfahren gegenüber der BA rechtzeitig, dh vor Ablauf der in § 111 SGB X festgelegten Frist von 12 Monaten nach Ablauf des letzten Jahres, für den sie Leistungen an den Beigeladenen erbracht hat, geltend gemacht.
Im Hinblick auf die genannten fehlenden Feststellungen des LSG dazu, ob dem Beigeladenen die zur Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung standen, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Fundstellen