Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Verletztenrente und deren Auszahlungszeitpunkt wegen einer von Anfang an zu niedrig bewerteten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin erlitt am 18. März 1959 einen Arbeitsunfall, bei dem ihr vier Finger der linken Hand teilweise abgequetscht wurden. Mit Bescheid vom 25. April 1962 gewährte die Beklagte eine Verletztenrente nach einer unfallbedingten MdE von 25 vH. Auf Antrag der Klägerin wurde die Rente mit Wirkung von Dezember 1964 durch Bescheid vom 26. Oktober 1964 abgefunden. Einen Antrag der Klägerin auf Erhöhung der MdE vom 22. April 1983 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. September 1983 ab. Nachdem im ärztlichen Nachschaubericht vom 25. Oktober 1994 die unfallbedingten Schädigungen höher als 25 vH eingeschätzt worden waren, stellte die Klägerin am 1. Februar 1995 einen weiteren Antrag auf Erhöhung der MdE. Ein daraufhin von der Beklagten veranlaßtes ärztliches Gutachten von Dr. W. ergab eine auf Dauer bestehende MdE von 35 vH seit dem 19. März 1961. Dementsprechend gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 26. September 1995 eine Rente nach einer MdE von 10 vH ab 1. Januar 1991 und nahm insoweit den "Bescheid vom 26. Oktober 1964" gemäß § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Als Folgen des Arbeitsunfalls nicht anerkannt wurde eine "Entzündung der linken Daumenstrecksehne mit dadurch bedingtem schnellenden Daumen, der nach operativer Versorgung unter Druckschmerzhaftigkeit behoben worden sei".
Die unfallbedingte MdE betrage 35 vH. Obwohl diese MdE bereits ab einem früheren Zeitpunkt vorhanden gewesen sei, könnten entsprechende Leistungen gemäß § 44 Abs 4 Sätze 1 und 3 SGB X rückwirkend nur für einen Zeitraum bis zu vier Jahren seit Antragstellung erbracht werden. Da die Rente nach einer MdE von 25 vH durch Bescheid vom 26. Oktober 1964 gemäß § 604 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf Lebenszeit abgefunden worden sei, sei nur die Auszahlung einer Rente nach einer MdE von 10 vH möglich.
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1996 zurückgewiesen. Die im Jahre 1994 operativ behobene Veränderung der linken Daumenstrecksehne mit schnellendem Daumen, die jetzt keine wesentlichen funktionellen Auswirkungen habe, sei von den Gutachtern eindeutig als unfallunabhängig begutachtet worden. Dafür spreche ua, daß diese Sehnenerkrankung in der Bevölkerung schicksalsmäßig häufig auftrete, und zwar meist bei Frauen. Da die Widerspruchsführerin keinen sich ständig wiederholenden einseitigen Bewegungsanforderungen ausgesetzt gewesen sei, sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Unfallfolgen und dieser Erkrankung nicht wahrscheinlich. Die gesicherten Unfallfolgen seien mit einer MdE von 35 vH angemessen eingeschätzt.
Im übrigen habe das Datum des Bescheides, mit dem die Dauerrente zuletzt mit einer MdE von 25 vH festgestellt worden sei, trotz teilweiser Vernichtung der Akte anhand der Sitzungsprotokolle des Rentenausschusses eindeutig mit dem 25. April 1962 ermittelt werden können. Bei der Erstellung des angefochtenen Bescheides sei durch ein offenkundiges Versehen nicht das Datum dieses Bescheides, sondern das des Abfindungsbescheides vom 26. Oktober 1964 genannt worden. Der Abfindungsbescheid selbst, der aus der Sicht des Empfängers zum Zeitpunkt seines Erlasses einen begünstigenden Verwaltungsakt dargestellt habe, könne nicht, auch nicht teilweise, gemäß § 44 SGB X zurückgenommen werden, sondern allenfalls nach § 45 SGB X. Eine derartige Rücknahme sei jedoch in ihr pflichtgemäßes Ermessen gestellt. Angesichts des bei einer Abfindung von allen Beteiligten bewußt in Kauf genommenen wirtschaftlichen Risikos einer späteren Änderung der Verhältnisse bestehe keine Veranlassung, auch den Abfindungsbescheid zurückzunehmen und damit eine Rechtslage wiederherzustellen, die ohne die Abfindung bestehen würde. Deshalb sei Verletztenrente in Höhe der Differenz von 10 vH zuerkannt worden, und zwar soweit es die Rückwirkungsvorschrift des § 44 SGB X zulasse.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat ein Gutachten von Dr. S. sowie auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten von Prof. Dr. H. eingeholt und die Klage mit Urteil vom 27. Januar 1997 abgewiesen. Die Beklagte habe die MdE, die Rentenhöhe und den Rentenbeginn zutreffend festgestellt.
Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht für das Saarland (LSG) eine ergänzende Stellungnahme von Dr. S. eingeholt. Nach Eingang der Stellungnahme hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Januar 1998 beantragt, diesen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, weil er im Jahre 1964 ein Gutachten im Zusammenhang mit der Gewährung der ihr vorgeleisteten Kapitalabfindung erstellt und sie außerdem wegen der Unfallfolgen im Jahre 1961 operiert habe. Mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das LSG sodann das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. September 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1996 abgeändert und die Beklagte verurteilt, unter Abänderung der Bescheide vom 25. April 1962 und vom 26. Oktober 1964 der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 18. März 1959 für die Zeit ab 1. Januar 1991 eine Verletztenrente nach einer MdE von 35 vH zu gewähren. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Nach den insoweit übereinstimmenden und überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. S. und Prof. Dr. H. , deren Bewertungen auch mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. W. übereinstimmten, stehe fest, daß die unfallbedingte MdE seit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 19. März 1961 mit 35 vH zu bewerten sei. Die von der Klägerin geltend gemachte MdE von wenigstens 50 vH sei dagegen nicht gegeben. Insbesondere bestehe nach übereinstimmender Auffassung der gehörten Sachverständigen kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem im Jahre 1994 bei der Klägerin operierten "schnellenden Daumen" der linken Hand. Die 30 Jahre nach dem Unfallereignis aufgetretene Tendovaginitis stenosans sei auf eine körpereigene Erkrankung zurückzuführen. Die von der Klägerin geltend gemachte Befangenheit des Sachverständigen Dr. S. sei dabei nicht gegeben. Im sozialgerichtlichen Verfahren führe es nicht zur Befangenheit, daß ein Sachverständiger bereits zu einer anderen Fragestellung ein Gutachten für eine Beklagte erstattet oder einen Kläger selbst behandelt habe.
Sowohl der Bescheid vom 25. April 1962 als auch der Bescheid vom 26. Oktober 1964 seien rechtswidrige belastende Verwaltungsakte und gemäß § 44 Abs 1 SGB X für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die Rechtswidrigkeit des Abfindungsbescheides ergebe sich aus § 604 RVO, wonach eine Abfindung nur bei einer MdE von weniger als 30 vH in Betracht gekommen sei. Folglich komme dem Abfindungsbescheid zumindest insoweit eine belastende Wirkung zu, als die der Klägerin zustehende höhere Verletztenrente nach einer MdE von 35 vH zu Unrecht ab Dezember 1964 nicht weiter gewährt worden sei. Da die Beklagte die zur Feststellung des höheren Rentenanspruchs führende Überprüfung aufgrund des am 1. Februar 1995 eingegangenen Antrags der Klägerin eingeleitet habe, stehe dieser die Verletztenrente nach einer MdE von 35 vH gemäß § 44 Abs 4 SGB X seit dem 1. Januar 1991 zu. Der Bescheid vom 26. September 1983 sei dagegen rechtmäßig, weil eine Verschlimmerung im Unfallfolgezustand nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen nicht eingetreten sei.
Hiergegen haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt.
Die Klägerin rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Als Verfahrensverstoß rügt sie, das LSG habe über den von ihr gestellten Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen Dr. S. nicht förmlich entschieden. Der Befangenheitsantrag sei auch begründet, da die Tätigkeit des Sachverständigen für eine der Prozeßparteien in derselben Sache die Besorgnis der Befangenheit nahelege. Daher sei das Gutachten des Dr. S. nicht verwertbar, so daß entgegen der Darstellung des LSG nicht feststehe, ob die unfallbedingte MdE 35 oder 50 vH betrage. Im übrigen habe sie - die Klägerin - mit Schriftsatz vom 9. Juni 1997 beantragt, Dr. S. zur Erläuterung seiner gutachterlichen Feststellungen zu laden, wobei der Sachverständige insbesondere dazu hätte Stellung nehmen sollen, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Teilverlust der Finger zwei bis fünf und der bei ihr aufgetretenen Erkrankung der linken Daumenstrecksehne bestehe. Die Übergehung dieses Antrages durch das LSG stelle gleichfalls einen Verfahrensverstoß dar, insbesondere einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör sowie auf Ermittlung des wahren Sachverhalts.
Das angefochtene Urteil verstoße auch gegen § 44 Abs 4 SGB X, weil diese Vorschrift nicht einschlägig sei. Sie, die Klägerin, habe bereits am 22. April 1983 einen Antrag auf Erhöhung der MdE gestellt, so daß zumindest dieser der Berechnung der Vierjahresfrist zugrunde zu legen sei. Darüber hinaus sei der Abfindungsbescheid vom 26. Oktober 1964 aber aufgrund seiner Gesetzwidrigkeit nichtig und bedürfe keiner gesonderten Aufhebung. Folglich sei Verletztenrente nach einer MdE von 50 vH ab dem 17. September 1959 zuzuerkennen.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 12. Mai 1998 und das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 27. Januar 1997 sowie die Bescheide vom 25. April 1962, 26. Oktober 1964, 26. September 1983 und 26. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1996 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 18. März 1959 Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 50 vH ab dem 17. September 1959 zu gewähren,
2. die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, 1. die Revision der Klägerin zurückzuweisen,
2. das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 12. Mai 1998 abzuändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 27. Januar 1997 in vollem Umfang zurückzuweisen.
In verfahrensmäßiger Hinsicht sei das Urteil des LSG nicht zu beanstanden. Insbesondere habe es über den Befangenheitsantrag der Klägerin notwendigerweise nicht durch besonderen Beschluß zu entscheiden brauchen. In der Sache habe es die MdE der Klägerin auch zutreffend festgestellt. Soweit die Höhe der Verletztenrente betroffen sei, könne dem LSG jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr sei das Urteil des SG wiederherzustellen. Das LSG hätte materiell-rechtlich § 605 RVO berücksichtigen müssen. Diese Vorschrift regele zwar nur die wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen nach vorangegangener Abfindung. Die Regelung sei aber auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden. Danach bleibe der Anspruch der Klägerin in Höhe der abgefundenen Rente erloschen, zur Auszahlung gelange nur eine Rente in Höhe von 10 vH. Wegen dieser Vorgehensweise könne ihr, der Beklagten, kein Ermessensfehler angelastet werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet, die Revision der Beklagten hingegen begründet. Entgegen der Auffassung des LSG steht der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1991 an wegen des Arbeitsunfalles vom 18. März 1959 nur ein Anspruch auf Zahlung der Verletztenrente in Höhe von 10 vH gegen die Beklagte zu, wie das SG zutreffend entschieden hat.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch richtet sich noch nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII) und Leistungen nicht erstmals nach dem Inkrafttreten festzusetzen waren (§ 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII).
Die von der Klägerin geltend gemachte MdE von 50 vH liegt nach den Feststellungen des LSG nicht vor. Diese beruhen auf den übereinstimmenden Gutachten von Dr. S. , Prof. Dr. H. und Dr. W. . Sie sind auch nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und daher nach § 163 SGG für das Revisionsgericht bindend.
Für das Revisionsverfahren bedeutsame Verfahrensmängel liegen nicht vor. Die Rüge der Klägerin, das LSG habe über den Befangenheitsantrag nicht durch gesonderten Beschluß entschieden, stellt im vorliegenden Fall keinen in der Revisionsinstanz nachprüfbaren Verfahrensverstoß dar.
Gemäß § 118 Abs 1 SGG iVm den §§ 406, 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein gerichtlich bestellter Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit auf Antrag eines Beteiligten abgelehnt werden. Über diesen von der Klägerin während des Berufungsverfahrens gestellten Antrag hätte das LSG gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 5 ZPO in einem von der Endentscheidung getrennten Beschluß entscheiden müssen. Geschieht dies nicht, so liegt grundsätzlich ein Verfahrensmangel vor (Bundessozialgericht ≪BSG≫ Urteil vom 15. März 1995, SozR 3-1500 § 170 Nr 5 mwN). Allerdings hat der erkennende Senat bereits mit Beschluß vom 29. April 1982 (BSG SozR 1500 § 160 Nr 48) entschieden, daß ein solcher Verfahrensverstoß dann nicht im Revisionsverfahren überprüft werden kann, wenn das Berufungsgericht das erst nach Einreichung des schriftlichen Gutachtens angebrachte Gesuch auf Ablehnung des Sachverständigen entgegen § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 5 ZPO in der Endentscheidung und nicht in einem gesonderten Beschluß für unbegründet erklärt hat (ebenso BGH LM Nr 6 zu § 406 ZPO; BGH NJW 1959, 293). So verhält es sich auch hier. Wäre nämlich die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch in einem gesonderten Beschluß ergangen, so wäre dieser nach § 177 SGG nicht anfechtbar gewesen und unterläge infolgedessen nach § 202 SGG iVm § 548 ZPO nicht der Beurteilung durch das Revisionsgericht. Somit kann der formelle Mangel der unterlassenen Beschlußfassung des LSG in der Revisionsinstanz nicht mit der Folge gerügt werden, daß nunmehr das BSG in die - ihm bei ordnungsgemäßen Verfahren verschlossene - sachliche Nachprüfung der über das Ablehnungsgesuch getroffenen Entscheidung einzutreten hätte. Dieser Verfahrensfehler bleibt in der Revisionsinstanz nicht nachprüfbar, die sachliche Entscheidung des LSG ist endgültig. Dem steht das genannte Urteil des BSG vom 15. März 1995 auch nicht entgegen; denn in dem betreffenden Berufungsverfahren hatte das LSG weder durch gesonderten Beschluß noch durch Endurteil über das Ablehnungsgesuch entschieden.
Ein zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führender Verfahrensmangel des LSG liegt auch nicht in der unterlassenen Ladung des Sachverständigen Dr. S. zur mündlichen Verhandlung. Die Beteiligten sind zwar gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397 und 402 ZPO grundsätzlich berechtigt, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten. Sie können also die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens grundsätzlich verlangen (BSG SozR Nr 160 zu § 162 SGG; BGHZ 6, 398, 401; 24, 9, 14; 35, 370, 371; 62, 93, 95). Im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen erforscht wird, ist das Gericht jedoch nicht an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden. Je nach Lage des Falles wird das Gericht, bei dem ein Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen gestellt wird, auch zu prüfen haben, ob nicht durch eine schriftliche Befragung des Sachverständigen oder durch die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens der gleiche Erfolg erzielt werden kann wie durch die mündliche Anhörung (BSG SozR Nr 160 zu § 162 SGG; vgl auch BGHZ 62, 93, 95). So liegt es hier.
Das LSG hat auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Juni 1997 "vorsorglich" beantragte Ladung von Dr. S. zur Erläuterung seiner gutachterlichen Feststellungen den Sachverständigen zur schriftlichen Stellungnahme hinsichtlich der vorgebrachten Fragestellung mit Verfügung vom 31. Oktober 1997 aufgefordert. Damit hat sich das Gericht - dem Antrag im wesentlichen entsprechend - für eine schriftliche Befragung des Sachverständigen entschieden. Diese im Ermessen des Gerichts liegende Entscheidung war nach der og Rechtsprechung auch objektiv sachgerecht, da die gestellte Beweisfrage nach den Feststellungen des LSG von sämtlichen bisher mit dem Fall betrauten Sachverständigen übereinstimmend beantwortet worden ist. Demzufolge waren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten, so daß durch eine schriftliche Befragung der gleiche Erfolg zu erzielen war wie durch die mündliche Anhörung. Darüber hinaus kann sich die Klägerin aber auch deshalb nicht mehr auf die Rüge der unterlassenen Ladung von Dr. S. berufen, weil sie selbst ihren diesbezüglichen Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 1998 vor dem LSG nicht mehr aufrechterhalten hat (§ 112 Abs 3 SGG). Laut Sitzungsniederschrift hat sie statt dessen beantragt, "den Sachverständigen Dr. S. als befangen abzulehnen". Diese Antragsänderung, die auf Entfernung des Sachverständigen aus dem Verfahren gerichtet ist, steht somit in direktem Widerspruch zu ihrem Wunsch, diesen zur Erläuterung seiner gutachterlichen Feststellungen zu laden.
Die Beklagte hat zu Recht die Berichtigung des Erstbescheides vom 25. April 1962 auf § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützt. Gemäß Art II § 40 Abs 2 Sätze 1 bis 2 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469, berichtigt 2218 - Übergangs- und Schlußvorschriften zum SGB X) finden die §§ 44 bis 49 SGB X auch auf Verfahren Anwendung, in denen mit Wirkung vom 1. Januar 1981 ein Verwaltungsakt aufgehoben werden soll, der vor diesem Datum erlassen worden ist. Die Ausnahmeregelung des Art II § 40 Abs 2 Satz 3 SGB X für bestandskräftige Verwaltungsakte gilt nicht für - wie vorliegend - belastende Verwaltungsakte (BSG SozR 2200 § 606 Nr 4 mwN).
Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Bescheid vom 25. April 1962 ist rechtswidrig, weil darin die MdE mit 25 vH zu niedrig festgesetzt worden ist. Ob ein Verwaltungsakt begünstigend oder nicht begünstigend ist, richtet sich nach der gegenwärtigen subjektiven Sicht des Betroffenen. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzestext ("soweit sich ... ergibt"). Hierbei sind neben den im Verwaltungsakt getroffenen Regelungen auch deren unmittelbare gesetzliche Folgen zu berücksichtigen (KassKomm-Steinwedel, § 44 SGB X RdNr 21). Denn ein Verwaltungsakt kann für denselben Betroffenen begünstigende und belastende Elemente enthalten. Der Bescheid vom 25. April 1962 stellt eine MdE von 25 vH fest und gewährt der Klägerin eine entsprechende Verletztenrente. Er ist insoweit ein begünstigender Verwaltungsakt. Soweit er allerdings eine Verletztenrente in Höhe der tatsächlich bestehenden MdE von 35 vH vorenthält, sind die der Klägerin zustehenden Sozialleistungen (§ 11 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫) zu niedrig festgesetzt worden. Gerade dieser Fall, daß nach Unanfechtbarkeit eine höhere Leistung begehrt wird, weil diese von Anfang an zu niedrig festgestellt worden ist, wird von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X erfaßt (Schroeder-Printzen/Wiesner, SGB X, 3. Aufl, § 44 RdNr 6; KassKomm-Steinwedel, aaO, RdNr 24). Obwohl zunächst ein rein begünstigender Verwaltungsakt vorgelegen hat, ist dieser insoweit unmittelbar belastend, als er einen an sich bestehenden höheren Leistungsanspruch nicht gewährt. Entsprechendes hat der Senat bereits mit Urteil vom 30. Juli 1987 - 2 RU 44/86 - (BSG SozR 2200 § 606 Nr 4) für einen eine Verletztenrente nicht in vollem Umfang gewährenden Bescheid entschieden. Zu Recht hat daher die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. September 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1996 den Rentenbescheid vom 25. April 1962 gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X insoweit zurückgenommen und die unfallbedingte MdE auf 35 vH festgesetzt.
Der Klägerin steht gemäß § 44 Abs 4 SGB X die erneute Gewährung einer Verletztenrente erst seit dem 1. Januar 1991 zu. Nach dieser Vorschrift werden Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren rückwirkend erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Wegen des Unterhaltscharakters laufender Sozialleistungen sollen diese nicht für einen längeren Zeitraum nachgezahlt werden (BT-Drucks 8/2034, S 34 - Entwurf eines Sozialgesetzbuchs ≪SGB≫ - Verwaltungsverfahren -). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in welchem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Folglich steht der Klägerin aufgrund ihres am 1. Februar 1995 eingegangenen Antrages ein Anspruch auf Verletztenrente seit dem 1. Januar 1991 zu. Demgegenüber kann der Überprüfungsantrag der Klägerin auf Erhöhung der MdE vom 22. April 1983 nicht zugrunde gelegt werden. Denn die Vierjahresfrist richtet sich nach dem Antrag, aufgrund dessen zurückgenommen wird (BSGE 68, 180, 182 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1; BSGE 72, 8, 11 f = SozR 3-5870 § 1 Nr 2).
Entgegen der Auffassung des LSG hat die Klägerin seit dem 1. Januar 1991 trotz der bestehenden MdE von 35 vH nur einen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE von 10 vH gegen die Beklagte, weil sich mindernd auswirkt, daß durch den Bescheid vom 26. Oktober 1964 der Rentenanspruch in Höhe einer MdE von 25 vH abgefunden worden ist. Zwar hätte dieser Bescheid gemäß § 604 RVO nicht ergehen dürfen; denn im Zeitpunkt seines Erlasses bestand die MdE tatsächlich in Höhe von 35 vH. Nach dieser Vorschrift, die hier bereits in der mit Wirkung vom 1. Juli 1963 geltenden Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I 241) angewendet worden ist, kann nämlich der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Verletzten auf dessen Antrag mit einem dem Kapitalwert der Rente entsprechenden Betrag nur dann abfinden, wenn der Verletzte Anspruch auf eine Dauerrente (§ 1585 Abs 2 RVO) wegen einer unfallbedingten MdE um weniger als 30 vH hat. Das Überschreiten dieser Grenze macht den Bescheid vom 26. Oktober 1964 jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht bereits nichtig. Gemäß § 40 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei ständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Selbst wenn danach die unzulässige Abfindung der Verletztenrente einen besonders schwerwiegenden Fehler darstellte, so war dieser im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides nicht offenkundig. Offenkundigkeit in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn der schwere Mangel des Bescheides einem aufmerksamen und verständigen Staatsbürger ohne weiteres erkennbar (offensichtlich) gewesen wäre (BSG SozR 2200 § 1286 Nr 2 mwN), es also keiner besonderen Sachkenntnis oder Heranziehung weiterer Aufklärungsmittel bedurft hätte (Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl, § 40 RdNr 9 mwN). Dies war nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall. Die Beklagte hat den Bescheid vom 26. Oktober 1964 auf die den gutachterlichen Feststellungen folgende MdE-Feststellung im Bescheid vom 25. April 1962 gestützt. Die Unrichtigkeit dieser MdE-Bewertung war somit zum damaligen Zeitpunkt nicht offensichtlich, da eine höhere MdE erstmals mit Nachschaubericht vom 25. Oktober 1994 festgestellt wurde.
Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, den Bescheid vom 26. Oktober 1964 zurückzunehmen. Eine Verpflichtung hierzu nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X scheidet schon deshalb aus, weil infolge des Abfindungsbescheides weder eine Sozialleistung nicht erbracht noch Beiträge erhoben worden sind. Der nach § 604 RVO rechtswidrige Abfindungsbescheid stellt nämlich nicht wie der Bescheid vom 25. April 1962 selbständig die Höhe der Sozialleistung fest, sondern legt deren Feststellung nur zugrunde. Auf dieser Basis regelt er lediglich die nicht teilbare begünstigende Abfindung des zuvor zu niedrig festgestellten Rentenanspruchs mit der Folge des Wegfalls der Rentengewährung. Damit entfallen durch den Abfindungsbescheid keine Sozialleistungen, da er diese lediglich in eine andere - gewünschte - Leistungsform umwandelt (vgl Kranig in Hauck, SGB VII, K § 76 RdNr 20).
Eine Rücknahme nach § 44 Abs 2 SGB X kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Abfindungsbescheid ist kein nicht begünstigender, also belastender, sondern ein begünstigender Verwaltungsakt, weil durch ihn das Recht auf Abfindung begründet wird (vgl Legaldefinition in § 45 Abs 1 Satz 1 SGB X). Zwar kann - wie oben bereits ausgeführt - auch ein leistungsgewährender Verwaltungsakt insoweit nicht begünstigend sein, als er keine höhere Leistung gewährt. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Betroffene antragsgemäß beschieden worden ist (KassKomm-Steinwedel, § 44 SGB X RdNr 24). Mit dem Erlaß dieses Abfindungsbescheides hat die Beklagte auch dem antragsgemäßen Willen der Klägerin auf Abfindung der Verletztenrente nach einer MdE von 25 vH entsprochen und einen Rechtszustand geschaffen, der seinerzeit ausschließlich zu ihren Gunsten wirkte (vgl hierzu Hessisches LSG, Urteil vom 5. Februar 1964 - L 3 U 164/62 - Breithaupt 1964, 854, Bayerisches LSG, Urteil vom 18. Januar 1989 - L 2 U 110/87 - HV-Info 1989, 1401 mwN). Er wurde nicht angefochten und ist damit rechtsverbindlich geworden (§ 77 SGG).
Nachteile der Abfindung bestehen allerdings darin, daß auf künftige Rentenleistungen, insbesondere deren Anpassung, verzichtet wird. Die somit bestehende Doppelnatur der Entscheidung, sich für eine Abfindung zu entschließen, ist aber demjenigen, der den Antrag auf Abfindung stellt, bereits bei Antragstellung bewußt. Die Abfindung nach § 604 RVO beinhaltet denknotwendig das Risiko einer geringeren Leistung gegenüber einer dauerhaften Rentengewährung. Diesen für die Zukunft gegebenenfalls eintretenden wirtschaftlichen Nachteil nimmt derjenige, der einen Antrag auf Abfindung stellt, somit in Kauf; er ist nur eine mittelbare Folge der Entscheidung dessen, der eine Abfindung beantragt. Demnach ist ein Abfindungsbescheid, jedenfalls soweit damit der Unfallversicherungsträger das Recht auf Abfindung anerkannt und dem darauf gerichteten Antrag in vollem Umfange entsprochen hat, ein begünstigender Verwaltungsakt (vgl Kater/Leube, SGB VII, § 76 RdNr 3; Kranig in Hauck, SGB VII, K § 76 RdNr 17; Bayerisches LSG, Urteil vom 18. Januar 1989, aaO; so auch bzgl Beitragserstattung BSG SozR 2200 § 1303 Nr 26 mwN).
Demgegenüber hat das LSG im angefochtenen Urteil den Abfindungsbescheid vom 26. Oktober 1964 nicht für einen begünstigenden Verwaltungsakt gehalten, weil ihm für die Klägerin zumindest insoweit auch belastende Wirkung zukomme, als ihr die zustehende höhere Verletztenrente nach einer MdE von 35 vH zu Unrecht ab Dezember 1964 nicht weitergewährt wurde. Damit schließt das LSG mittelbare Gesichtspunkte, nämlich die Rechtswidrigkeit eines anderen Verwaltungsaktes, hier des Bescheides vom 25. April 1962, in die Erwägungen über den begünstigenden Charakter des Abfindungsbescheides ein und stellt außerdem auf die nachträgliche Betrachtungsweise ab. Damit wird aber der ursprünglich begünstigende Abfindungsbescheid nicht zum belastenden Verwaltungsakt. Ob nämlich ein begünstigender Verwaltungsakt vorliegt, richtet sich nur nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes und nicht nach dessen Folgen (BSG SozR 1300 § 45 Nr 7; BSG SozR 2200 § 1303 Nr 33 mwN). Da die Argumente des LSG für die Annahme eines belastenden Verwaltungsaktes schon wegen ihrer Mittelbarkeit ungeeignet sind, die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 SGB X zu erfüllen, konnte der Senat offenlassen, ob nicht selbst bei Zugrundelegung der rechtlich unzutreffenden Sicht des LSG der Abfindungsbescheid kein belastender Verwaltungsakt ist, weil bei dessen Rücknahme nach § 44 SGB X die Abfindung der Klägerin zu Unrecht gezahlt worden und - trotz Rentenbeginns zum 1. Januar 1991 - nach § 50 Abs 1 SGB X - gegebenenfalls durch Aufrechnung nach § 51 SGB I - zu erstatten gewesen wäre.
Die Beklagte ist auch nicht nach § 45 Abs 1 SGB X zur Rücknahme des Abfindungsbescheides verpflichtet. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Danach ist die Rücknahme zwar grundsätzlich in das Ermessen der Behörde gestellt ("darf"). Dieses ist von der Behörde aber erst dann auszuüben, wenn eine Rücknahme nicht bereits nach § 45 Abs 2 bis 4 SGB X ausgeschlossen ist (Schroeder-Printzen/Wiesner, aaO, § 45 RdNr 3). Gemäß § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X kann ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs 2 - abgesehen vom hier nicht in Betracht kommenden Vorliegen von Wiederaufnahmegründen entsprechend § 580 ZPO (§ 45 Abs 3 Satz 2 SGB X) - nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Der Abfindungsbescheid erfüllt die Voraussetzungen des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung. Ein solcher ist gegeben, wenn er sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert (BT-Drucks 8/2034 S 34, Begründung zu § 43 Abs 3 des Entwurfs). Maßgeblich sind die rechtlichen Wirkungen des Verwaltungsaktes, dem allein bereits dann Dauerwirkung beizulegen ist, wenn er in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw Bindungswirkung hinaus Wirkung zeitigt (BSGE 56, 165, 170 = SozR 1300 § 45 Nr 6). In diesem Sinne handelt es sich bei dem Abfindungsbescheid vom 26. Oktober 1964 um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Er ist seinem Wesen gemäß auf eine solche Dauerwirkung angelegt. Nach § 604 RVO wird die Rente in vollem Umfang mit dem Kapitalwert abgefunden mit der Folge, daß der Rentenanspruch in der Höhe der abgefundenen Rente auf Lebenszeit erlischt (Bayerisches LSG, Urteil vom 18. Januar 1989, aaO, mwN; s auch ausführlich hierzu BSGE 71, 155, 158 ff = SozR 3-2200 § 1278 Nr 3). Auch im Falle einer wesentlichen Verschlimmerung der Unfallfolgen (§ 605 RVO), selbst mit Eintritt der Schwerverletzteneigenschaft (§ 606 RVO), ist diese bescheidmäßig festgestellte Abfindung zu berücksichtigen. Damit ist der Abfindungsbescheid seinem Wesen nach zukunftsorientiert und zeitigt in rechtlicher Hinsicht fortdauernde Wirkung.
Als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darf der Abfindungsbescheid im Falle seiner Rechtswidrigkeit regelmäßig (§ 45 Abs 3 Satz 1 SGB X) nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Maßgebend für den Fristbeginn ist nach Art II § 40 Abs 2 Sätze 1 und 2 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) auch bei vor dem 1. Januar 1981 erlassenen Verwaltungsakten mit Dauerwirkung der Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe und nicht des Inkrafttretens des SGB X (BSGE 56, 165, 172 = SozR 1300 § 45 Nr 6 mwN). Zwar ist der Zugang des Bescheides vom 26. Oktober 1964 nicht ausdrücklich festgestellt, es liegen jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor, die gegen eine damals zeitig erfolgte Bekanntgabe sprechen. Da mittlerweile über 30 Jahre vergangen sind, ist eine Rücknahme ungeachtet einer Ermessensausübung durch die Beklagte unzulässig. Dies gilt ebenso hinsichtlich einer Rücknahme bis zum Ablauf von zehn Jahren gemäß § 45 Abs 3 Satz 3 SGB X. Gründe dafür, daß der Abfindungsbescheid nach § 45 Abs 3 Satz 2 SGB X unbefristet zurückgenommen werden könnte, bestehen gleichfalls nicht. Damit bleibt der Abfindungsbescheid vom 26. Oktober 1964 bestandskräftig (§ 77 SGG) und die abgefundene Verletztenrente in Höhe von 25 vH auf Lebenszeit erloschen.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin lebt nach § 605 RVO der Anspruch auf Verletztenrente bei einer wesentlichen Verschlimmerung nur wieder auf, soweit die neu festgestellte Rente die bisherige übersteigt. Ein Wiederaufleben in vollem Umfange ist nur dann möglich, wenn der Verletzte durch eine Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls, für die er nach § 604 RVO abgefunden worden ist, oder durch Folgen eines anderen Arbeitsunfalls Schwerverletzter iS des § 583 Abs 1 RVO wird (§ 606 RVO). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht erfüllt.
Obwohl somit bei der Klägerin feststeht, daß ihr einerseits seit dem 1. Januar 1991 grundsätzlich eine Rente nach einer MdE von 35 vH zusteht, der Anspruch andererseits aber hinsichtlich einer Rente nach einer MdE von 25 vH mit bindender Wirkung (§ 77 SGG) auf Lebenszeit abgefunden ist, enthält das Gesetz keine spezielle Regelung dafür, wie zur Vermeidung einer offenkundigen Überzahlung auszugleichen ist. Insbesondere kann § 605 RVO nicht unmittelbar angewendet werden, weil diese Vorschrift nur den Fall regelt, daß sich nach einer Abfindung die Folgen des Arbeitsunfalls nachträglich wesentlich (dh um mindestens 10 vH für länger als einen Monat ≪§ 605 Satz 2 RVO≫) verschlimmern. Die somit vorhandene Regelungslücke ist planwidrig, also vom Gesetzgeber nicht gesehen worden, und ist durch eine entsprechende Anwendung des § 605 RVO zu schließen. Der Sinn und Zweck dieser Regelung ergibt sich im Zusammenhang mit § 604 RVO, den sie ausschließlich betrifft (Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 605 Anm 1). Danach sollten die abgefundenen Verletztenrenten unter einer MdE von 30 vH wegen der relativ geringen Schädigung im Falle einer Verschlimmerung nicht wieder aufleben, sondern lediglich ein Anspruch bei einer mindestens 10 vH umfassenden Verschlimmerung auf eine in dieser Höhe zu gewährende Verletztenrente erhalten bleiben. Erst der Eintritt der Schwerverletzteneigenschaft sollte wegen der dann als erheblich bewerteten Beeinträchtigung zum vollen Wiederaufleben der Verletztenrente führen (vgl BT-Drucks IV/120 S 60 zu §§ 601 bis 603 des Entwurfs und BT-Drucks IV/938 S 16 zu § 602 des Entwurfs eines UVNG). Die hier vergleichbare Situation rechtfertigt eine analoge Anwendung des § 605 RVO (so auch Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl, § 76 SGB VII, RdNr 4.2 mwN). Denn die Ausfüllung einer Regelungslücke muß entsprechend den fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81 mwN). In diesem Sinne wäre es unbillig, einerseits im Falle einer Verschlimmerung in Höhe von 10 vH die abgefundene Verletztenrente nach einer MdE von 25 vH gemäß § 605 RVO als erloschen zu bewerten und andererseits eine von Anfang an zu niedrig eingestufte abgefundene Rente nach einer MdE von 25 vH bei einer nachträglich festgestellten MdE von 35 vH wiederaufleben zu lassen. Eine insoweit unterschiedliche Wirkung der Abfindung nach § 604 RVO wäre nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat nur im Falle des Eintritts der Schwerverletzteneigenschaft ein Wiederaufleben der Verletztenrente als berechtigt angesehen (BT-Drucks IV/938 S 16 zu § 602 des Entwurfs). Es ist also davon auszugehen, daß - hätte der Gesetzgeber die Konstellation einer von Anfang an zu niedrig bewerteten MdE bedacht - der hier vorliegende Fall im Ergebnis wie § 605 RVO geregelt worden wäre. Dies gilt auch, obwohl der Arbeitsunfall und dessen Abfindung bereits vor Inkrafttreten des UVNG mit Wirkung vom 1. Juli 1963 erfolgt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG gelten die Vorschriften der §§ 604 ff RVO nach Art 4 § 2 Abs 1 UVNG grundsätzlich auch für Arbeitsunfälle, Abfindungen und Verschlimmerungen, die vor dem 1. Juli 1963 liegen (BSG SozR Nr 1 zu § 605 RVO; BSGE 36, 107, 110; BSGE 36, 271, 272 = SozR Nr 1 zu § 606 RVO; BSG SozR 2200 § 606 Nrn 1 und 4).
Im Ergebnis waren somit die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen und auf die Revision der Beklagten das klageabweisende Urteil des SG wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen