Leitsatz (amtlich)
1. Das Leiden eines Körperbehinderten (KBG § 1 Abs 1 und 2) stellt eine Krankheit im Sinne des Zweiten Buches der RVO jedenfalls dann dar, wenn ohne alsbaldige ärztliche Behandlung mit einer Verschlimmerung des Leidens zu rechnen ist.
2. "Krankenpflege" iS des KBG § 8 umfaßt auch Krankenhauspflege.
3. Hat ein Fürsorgeverband auf Grund des KBG dem Familienangehörigen eines Versicherten (RVO § 205) wegen einer Körperbehinderung, die zugleich eine Krankheit iS des Zweiten Buches der RVO darstellt, im Rahmen eines stationären Heilverfahrens Krankenhauspflege gewährt, so kann er von der Krankenkasse Ersatz nach Maßgabe der RVO §§ 1531 bis 1533 verlangen. Hilfsbedürftigkeit im Sinne des RVO § 1531 besteht auch, wenn der Fürsorgeverband verpflichtet ist, nach den Vorschriften des KBG Leistungen zu gewähren.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1924-12-15, § 184 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1924-12-15, § 205 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1930-07-26, § 1531 Fassung: 1931-06-05, § 1532 Fassung: 1924-12-15, § 1533 Nr. 2 Fassung: 1924-12-15; KBG § 1 Abs. 1-2, §§ 8-9
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21. November 1958 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der Beigeladene R ist Mitglied der beklagten Ortskrankenkasse, Anläßlich einer Mütterberatung stellte der Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes B im Mai 1958 bei dem am 13. November 1957 geborenen Kind des Beigeladenen eine Subluxation-Präluxation des linken Hüftgelenks fest; diese erfordere dringend Behandlung in einer orthopädischen Klinik, weil bei einer Verzögerung des Behandlungsbeginns mit einer Verschlechterung der Prognose von Woche zu Woche zu rechnen sei, so daß schließlich eine komplette Luxation mit Geh- und Stehbehinderung eintrete; dagegen könne bei einer rechtzeitigen und ausreichenden Behandlung mit einer Entkrüppelung gerechnet werden.
Da sich die Beklagte weigerte, die Kosten der stationären Behandlung zu übernehmen, hat der klagende Landesfürsorgeverband die Kosten für die stationäre Behandlung des Kindes vom 22. Mai bis 16. Juni 1958 in Höhe von 275,- DM getragen.
Der Kläger forderte mit der Klage von der beklagten Ortskrankenkasse den Ersatz dieser Kosten. Die Beklagte begründete ihren Antrag auf Abweisung der Klage damit, daß das Leiden des Kindes keine Krankheit im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei und deshalb eine Leistungspflicht der Krankenkasse nicht bestehe. Nach dem Gesetz über die Fürsorge für Körperbehinderte und von einer Körperbehinderung bedrohte Personen (Körperbehindertengesetz - KBG -) vom 27. Februar 1957 (BGBl I S. 147) müsse der Landesfürsorgeverband die Kosten für die stationäre Behandlung eines Körperbehinderten tragen, während die Krankenkasse nur zur Übernahme der Kosten für die ambulante ärztliche Behandlung und zur Gewährung von Arzneien, Heil- und Hilfsmitteln verpflichtet sei, wenn die Körperbehinderung gleichzeitig eine Krankheit im Sinne der RVO darstelle.
Mit Urteil vom 21. November 1958 hat das Sozialgericht Würzburg die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger den Betrag zu erstatten, der dem Beigeladenen R. für die stationäre Behandlung seines Kindes in der Zeit vom 22. Mai bis 16. Juni 1958 (gegen die beklagte Krankenkasse) zusteht. Der Anspruch des Klägers sei nach § 1531 RVO begründet, weil an der Hilfsbedürftigkeit des Beigeladenen und seines körperbehinderten Kindes keine Zweifel bestünden; der dem Kind des Beigeladenen nach dem KBG zustehende Anspruch auf stationäre Behandlung sei kein anderweiter gesetzlicher Anspruch auf Krankenpflege im Sinne des § 205 RVO, denn die Leistungen nach dem KBG seien subsidiäre Leistungen der öffentlichen Fürsorge. Da nach den ärztlichen Feststellungen des Gesundheitsamts B und des Prof. Dr. N das Leiden sich von Woche zu Woche verschlechtert habe und ohne stationäre Behandlung zur völligen Luxation geführt hätte, die Behandlung also zur Verhütung einer drohenden Verschlimmerung notwendig gewesen sei, stelle dieses Leiden eine Krankheit im Sinne des § 182 RVO dar. Wenn aber eine Körperbehinderung gleichzeitig eine Krankheit im Sinne der RVO darstelle, so sei die Krankenkasse, wie sich aus § 8 KBG ergebe, verpflichtet, die Kosten der Krankenpflege zu tragen und, wenn Krankenhausbehandlung notwendig sei, auch die dadurch entstehenden Kosten zu übernehmen.
Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.
Die beklagte Krankenkasse rügt in der mit Einwilligung des Klägers form- und fristgerecht eingelegten Sprungrevision die Verletzung der §§ 205, 1531 RVO, 8 KBG. Die Ansprüche nach dem KBG seien anderweitige Ansprüche im Sinne des § 205 RVO, so daß schon aus diesem Grunde die Gewährung von Familienhilfe nicht in Betracht komme. Da die Leistungen nach dem KBG nicht von Hilfsbedürftigkeit abhängig seien, könne auch § 1531 RVO keine Anwendung finden. Nach § 8 KBG hätten im übrigen die Krankenkassen, sofern eine Krankheit im Sinne des Zweiten Buches der RVO vorliege, nur ambulante Krankenpflege zu gewähren, sie seien aber nicht verpflichtet, die Kosten einer Krankenhauspflege zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Über die Höhe der geltend gemachten Ersatzforderung besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
II.
Die Sprungrevision ist nach § 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber nicht begründet.
1.) Nach § 1531 RVO kann der Fürsorgeträger von einem Versicherungsträger im Rahmen der §§ 1532 ff RVO Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn er einen Hilfsbedürftigen auf Grund gesetzlicher Pflicht für eine Zeit unterstützt hat, für die der Hilfsbedürftige einen Anspruch nach der RVO hat, und zwar bis zur Höhe dieses Anspruchs. Dies gilt auch für Ansprüche, die dem Versicherten mit Rücksicht auf unterhaltsberechtigte Angehörige zustehen, die der Fürsorgeträger unterstützt hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
2.) Das Leiden des Kindes ist eine Körperbehinderung im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 KBG, denn die Subluxation-Präluxation am linken Hüftgelenk stellt eine angeborene Fehlform des Stütz- und Bewegungssystems dar, die - ohne rechtzeitige und ausreichende ärztliche Behandlung - zu einer Geh- und Stehbehinderung geführt und daher in Zukunft die Erwerbsfähigkeit des Kindes voraussichtlich wesentlich beeinträchtigt hätte. Da die beklagte Krankenkasse sich weigerte, die Kosten der notwendigen Krankenhausbehandlung zu tragen, und der Vater der Kinder nicht in der Lage war, die dazu notwendigen Beträge zu zahlen (vgl. §§ 9 ff KBG), war der Landesfürsorgeverband verpflichtet, ein stationäres Heilverfahren durchzuführen (§§ 2, 5, 7, 9 KBG).
Die Körperbehinderung war gleichzeitig eine Krankheit im Sinne des Zweiten Buches der RVO. Krankheit in diesem Sinne ist nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA) ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der eine Heilbehandlung erfordert oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Bei Gebrechen hat das RVA die Heilbehandlung dann als erforderlich angesehen, wenn sich besondere Beschwerden oder Schmerzen einstellt oder die Gefahr einer wesentlichen Verschlimmerung des Zustandes droht (vgl. GE d. RVA Nr. 2140, AN 1916 S. 341; Nr. 2577, AN 1920 S. 319; Nr. 3235, AN 1928 S. 285; Bescheid d. RVA vom 6.7.1939 in AN 1939 S. 412; Urteil des RVA in EuM 46 S. 149). In den Gründen der zuletzt genannten Entscheidung hat das RVA einschränkend ausgeführt, das kennzeichnende Unterscheidungsmerkmal der Krankheit im Sinne des Zweiten Buches der RVO gegenüber der Krankheit im allgemein-medizinischen Sinne, insbesondere der krankhaften Anlage, sei die augenblickliche Behandlungsbedürftigkeit. Diese liege nicht schon dann vor, wenn eine frühzeitige ärztliche Behandlung die geringsten Beschwerden und die niedrigsten Kosten verursache sowie den größtmöglichen Erfolg verspreche. Dieser Auffassung kann nicht ohne Einschränkung zugestimmt werden. Es liegt jedenfalls bei angeborenen Leiden der hier vorliegenden Art auch im wohlverstandenen Interesse der Versichertengemeinschaft, Behandlungsbedürftigkeit und damit Krankheit im Sinne der Sozialversicherung dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium aber eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann. Im vorliegenden Fall bestand nach den Feststellungen des Sozialgerichts schon wegen der drohenden Verschlimmerung des Leidens Behandlungsbedürftigkeit, so daß das Sozialgericht das Vorliegen einer Krankheit im Sinne des Zweiten Buches der RVO unbedenklich annehmen konnte.
3.) Die Ansicht der Beklagten, der Anspruch auf Hilfe nach dem KBG sei ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch auf Krankenpflege , der die Leistungen der Familienkrankenpflege ausschließt (§ 205 RVO), trifft nicht zu. Dies ergibt sich schon aus dem Grundsatz der Subsidiarität, der das allgemeine Fürsorgerecht (vgl. § 21 FürsorgepflichtVO, § 5 Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge; dazu Jehle, DVBl 1951 S. 65) und auch das KBG beherrscht. Da in der sozialen Krankenversicherung die Versichertengemeinschaft - neben den Arbeitgebern - die erforderlichen Mittel durch Beitragszahlung aufbringt, müssen die Leistungen der Krankenversicherung der Selbsthilfe zugerechnet werden, die - auch soweit es sich um die Familienhilfe nach §§ 205 ff RVO handelt - der Hilfe der Fürsorgeträger vorgeht.
Wenn auch das KBG im Interesse einer erfolgversprechenden Bekämpfung von Körperschäden den Begriff der Hilfsbedürftigkeit gegenüber dem allgemeinen Fürsorgerecht wesentlich erweitert hat (vgl. §§ 9 bis 11 KBG), so beruht es doch ebenso wie dieser auf dem Grundsatz der Subsidiarität.
Daran ändert auch die Vorleistungspflicht der Landesfürsorgeverbände (§ 9 Abs. 1 KBG) nichts, denn dadurch sollte nur im Interesse des Körperbehinderten eine beschleunigte Durchführung des Heilverfahrens gesichert werden. § 9 Abs. 1 KBG besagt auch nichts über die endgültige Belastung mit den Kosten des Heilverfahrens, er entspricht dem in § 7 Abs. 1 KBG enthaltenen Grundsatz, daß die Landesfürsorgeverbände "Mittelpunkt" aller auf die Fürsorge für Körperbehinderte nach dem KBG abzielenden Maßnahmen sind. Andererseits stellt § 8 KBG klar, daß das Gesetz die bisherigen Beziehungen zwischen den Fürsorgeträgern und den Krankenkassen nicht umgestalten will, daß sich also die Krankenpflege körperbehinderter Versicherter oder ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen, soweit die Körperbehinderung gleichzeitig eine Krankheit im Sinne des Zweiten Buches der RVO darstellt, unbeschadet einer Vorleistung der Landesfürsorgeverbände weiterhin nach den Vorschriften der RVO und den jeweiligen Satzungen der Versicherungsträger richtet (vgl. Begründung z. Entwurf des KBG, BT-Drucks. 1594, 2. Wahlperiode Anl. 1 S. 18 zu § 8).
4.) Die Beklagte verkennt Sinn und Zweck der §§ 9 und 10 KBG, wenn sie meint, § 1531 RVO sei auch deswegen nicht anwendbar, weil die Leistungen nach dem KBG nicht von der fürsorgerechtlichen Hilfsbedürftigkeit des Körperbehinderten abhängig seien. Wenn auch die Leistungen nach KBG keine Hilfsbedürftigkeit im Sinne des § 5 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge voraussetzen, so gewährt das Gesetz doch nicht jedem Körperbehinderten ohne Rücksicht auf seine Einkommensverhältnisse einen Anspruch auf Hilfe, vielmehr soll nur "einem minderbemittelten Personenkreis Hilfe über die bisherige Fürsorge" hinaus zukommen (vgl. Begründung zum Entwurf des KBG, aaO, S. 18 zu § 9). Die Festlegung eines erweiterten Begriffs der Hilfsbedürftigkeit für den Bereich der Körperbehindertenfürsorge war erforderlich, weil hier auch bei Personen Notlagen entstehen können, die bei sonst gleichbleibenden Lebensbedürfnissen und gleichbleibenden Einkommensverhältnissen nicht hilfsbedürftig im Sinne des § 5 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge sein würden (vgl. Begründung zum KBG-Entwurf aaO, Vorbemerkungen S. 8 und 10). Dadurch wird aber der Charakter des KBG als eines Hilfsbedürftigkeit besonderer Art voraussetzenden Fürsorgegesetzes nicht berührt. Die nähere Abgrenzung des Begriffs der Hilfsbedürftigkeit i. S. des KBG ergibt sich aus der in §§ 9 und 10 KBG geregelten Beitragspflicht und der Regelung in § 9 Abs. 3 des Gesetzes: Danach braucht der Landesfürsorgeverband ein Heilverfahren nicht zu gewähren, wenn die nach § 10 KBG zu berücksichtigenden Beträge die Kosten des Heilverfahrens decken. Darüber hinaus schreibt § 6 KBG vor, daß in der Fürsorge für Körperbehinderte die allgemeinen fürsorgerechtlichen Vorschriften gelten, soweit das KBG nichts anderes bestimmt. Wenn somit auch das KBG den Begriff der Hilfsbedürftigkeit gegenüber dem allgemeinen Fürsorgerecht im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse und Bedürfnisse der Körperbehinderten wesentlich erweitert hat, so schließt dies nicht aus, die nach der Sonderregelung des KBG vom Landesfürsorgeverband gewährten Leistungen als Unterstützungen eines "Hilfsbedürftigen" im Sinne des § 1531 RVO anzusehen.
5.) Entgegen der Ansicht der Beklagten umfaßt die Krankenpflege im Sinne des § 8 KBG auch die Krankenhauspflege . Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
"Sofern Leiden der in § 1 Abs. 1 und 2 genannten Personen Krankheiten im Sinne des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung darstellen, regelt sich die Krankenpflege (ärztliche Behandlung sowie Gewährung von Arzneien, Heil- und Hilfsmitteln) für Versicherte und ihre Familienangehörigen im Sinne des § 205 der Reichsversicherungsordnung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und den jeweiligen Satzungen der Versicherungsträger."
Aus dem Fehlen des Wortes "Krankenhauspflege" in dem Klammerzitat wird zwar im Schrifttum teilweise gefolgert, die Krankenkassen hätten für die Krankenhauspflege von Körperbehinderten nicht aufzukommen (vgl. Schmatz in ErsK. 1957 S. 80 f; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 1. August 1960 S. 400 e und 410 b, Bundesverband der Betriebskrankenkassen in BKK 1959 Sp. 166). Diese Auffassung übersieht aber, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung die Krankenhauspflege nur eine besondere Form der Krankenpflege im Sinne des § 182 Abs. 1 Nr. 1 RVO ist; sie tritt an die Stelle der Krankenpflege und - sofern darauf ein Anspruch besteht - des Krankengeldes (§ 184 Abs. 1 Satz 1 RVO). Daß die Krankenhauspflege nicht schlechthin - wie es nach dem Wortlaut des § 184 Abs. 1 Satz 1 RVO scheinen könnte - eine "Ersatzleistung" für Krankenpflege und Krankengeld darstellt, ergibt sich schon daraus, daß sie auch Versicherten ohne Anspruch auf Krankengeld (so den Rentnern) und Familienangehörigen, die ebenfalls kein Krankengeld erhalten können, im Bedarfsfalle zu gewähren ist (vgl. BSG 2 S. 145 und BSG 9 S. 123). Das KBG, das den Begriff "Krankenpflege" nur in § 8 KBG verwendet, spricht sonst von ambulanten und stationären Heilverfahren (§ 5 Abs. 2 Buchst. b, § 7 Abs. 3 Buchst. a, §§ 9, 10 KBG). Das Klammerzitat in § 8 KBG, das im wesentlichen den in § 182 RVO verwendeten Begriff der Krankenpflege wiederholt, stellt demnach nur eine nicht erschöpfende Erläuterung dar, kann aber nicht als Legaldefinition der Krankenpflege für den Bereich des KBG angesehen werden. Schon aus dem Grundsatz der Subsidiarität ergibt sich, daß allgemein die Leistungen eines Körperbehinderten nach der RVO den gleichgearteten Leistungen auf Grund des KBG vorgehen. § 8 KBG läßt die Vorschriften der RVO unberührt und stellt nur klar, daß das KBG den Krankenkassen weder neue Leistungen aufbürden noch sie von schon bisher bestehenden Leistungspflichten entlasten will. Eine andere Auslegung würde zu einer der Zielsetzung des Gesetzes nicht entsprechenden Schlechterstellung der körperbehinderten Versicherten gegenüber den anderen Versicherten führen, da das KBG bei Durchführung von stationären Heilverfahren - anders als die RVO bei Krankenhauspflege (vgl. §§ 186, 194 RVO) - kein Hausgeld kennt. Die von der beklagten Krankenkasse vertretene Auffassung hätte auch zur Folge, daß die Körperbehinderten sich im Rahmen der §§ 9, 10 KBG an den Kosten des Heilverfahrens beteiligen müßten, während das geltende Krankenversicherungsrecht eine solche Selbstbeteiligung nicht kennt. Aus alledem folgt, daß "Krankenpflege" im Sinne des § 8 KBG in einem weiteren Sinne zu verstehen ist, der auch Krankenhauspflege einschließt (so auch Luber, Körperbehindertengesetz, Stand 1. April 1960, § 8 Anm. II; Herrmann in BKK 1959 Sp. 164; Schaudienst in Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 1959 S. 277, Schütz in DOK 1960 S. 443).
6.) Auch die Voraussetzung des § 1531 RVO, daß dem Versicherten ein Anspruch auf die Leistung der Sozialversicherung zusteht, ist als erfüllt anzusehen. Zwar stellt die Krankenhauspflege nach geltendem Recht eine "Kannleistung" dar (vgl. § 184 Abs. 1 RVO). Soweit jedoch eine Krankenkasse ihren Mitgliedern oder deren Angehörigen Krankenhauspflege nicht verweigern darf, ohne die Grenzen ihres Ermessens zu überschreiten, haben die Versicherten im Sinne des § 1531 RVO einen "Anspruch" auf Krankenhauspflege. Da die Krankenhauspflege im vorliegenden Falle unstreitig notwendig war, kann der Kläger für die von ihm aufgewandten Kosten im Rahmen des § 1533 RVO Ersatz beanspruchen (vgl. BSG 9 S. 112 (123, 124)).
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen