Leitsatz (redaktionell)
Beim Vorliegen besonderer Verhältnisse kann auch der Verzehr eigener Lebensmittel einen wehrdiensteigentümlichen Umstand iS des BVG § 1 darstellen.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 22. August 1958 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin beantragte 1953 Gewährung von Elternrente nach ihrem am 26. Juli 1944 im Marinelazarett K im Alter von 17 Jahren an einer Lebensmittelvergiftung verstorbenen Sohn H, der zuletzt als Matrose auf dem Ausbildungsschiff Nordland stationiert war. Das Versorgungsamt (VersorgA) lehnte mit Bescheiden vom 13. Dezember 1954 und 20. April 1955 Versorgung ab, weil das Einkommen der Klägerin die Einkommensgrenze, welche noch Elternrente zulasse, übersteige und außerdem der ursächliche Zusammenhang fehle. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Das Sozialgericht (SG) verurteilte mit Urteil vom 9. Juli 1955 den Beklagten, der Klägerin ab 1. Dezember 1954 Elternrente zu gewähren. Es sei nicht geklärt worden, ob die vergifteten Lebensmittel aus der Truppenverpflegung oder aus einem von der Mutter gesandten Paket stammten. Selbst wenn der Verstorbene die Lebensmittel von seiner Mutter erhalten hätte, sei die Verderbnis der Nahrungsmittel auf Umstände des Wehrdienstes zurückzuführen, weil eine Versetzung im Marinedienst die Ankunft des Paketes verzögert habe. Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) Schleswig mit Urteil vom 22. August 1958 das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Das LSG hielt es nicht für erwiesen, daß der Tod des Sohnes Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sei. Der Verzehr verdorbener Lebensmittel stelle fraglos keine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung dar (§ 1 Abs. 1, 1. Altern. BVG). Der Sohn sei auch nicht durch einen Unfall während der Ausübung militärischen Dienstes gestorben. Die Lebensmittelvergiftung sei zwar eine plötzlich auftretende, innerhalb kurzer Zeit wirkende Infektion, die den Tatbestand eines Unfalls erfülle. Dieser sei aber nicht während der Ausübung militärischen Dienstes eingetreten. Zwar seien auch die ohne Befehl eingenommenen täglichen Mahlzeiten aus der Wehrmachtsverpflegung der Ausübung des militärischen Dienstes zuzurechnen; eine Dienstverrichtung sei aber zu verneinen, wenn Lebensmittel aus privater Quelle außerdienstlich eingenommen würden. Die verdorbenen Lebensmittel, deren Genuß die Vergiftung verursacht habe, stammten aus einem Privatpaket. Dieser zusätzliche Verzehr privater Lebensmittel in der Garnison diene nicht mehr militärischen Zielen und stehe daher mit dem militärischen Dienst auch nicht in Zusammenhang. Es liege deshalb auch keine Schädigungsfolge im Sinne des § 1 Abs. 1, 2. Altern. BVG vor. Darüber hinaus sei der Tod des Sohnes aber auch nicht durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse bedingt (§ 1 Abs. 1, 3. Altern. BVG). Die Versetzung des Sohnes von Schlochau nach Kiel sei zwar eine dem Wehrdienst eigentümliche Maßnahme. Sie könne jedoch nicht als rechtlich wesentliche Ursache für den Tod angesehen werden. Als Ursachen für den Tod könnten zwei Faktoren mitgewirkt haben: das Absenden des Paketes mit leicht verderblichem Inhalt und möglicherweise die durch die Versetzung verzögerte Zustellung des Paketes. Da jedoch Fleischwaren im Juli auch innerhalb normaler Dauer der Beförderung von Pommern nach K verderben konnten, bleibe schon aus diesem Grunde nur eine Ursache im Rechtssinne übrig. Selbst wenn man als erwiesen ansehe, daß der Verderb ohne die Versetzung nicht eingetreten wäre, so wäre dieser Umstand im Vergleich mit dem Absenden von verderblichen Lebensmitteln nicht in gleichem Umfang ursächlich. Schließlich liege auch kein Verschulden der Marineärzte bei der Behandlung des Sohnes vor. Wenn die Klägerin vortrage, ihr Sohn sei ohne Begleitperson in das Lazarett befördert worden und dort in besinnungslosem Zustand angekommen, so daß der Lazarettarzt in Unkenntnis der richtigen Diagnose eine Behandlung gegen Ruhr vorgenommen habe, so sei dieses Vorbringen zwar rechtlich bedeutsam, hier aber nicht zutreffend.
Der Arzt hätte nämlich auch bei Kenntnis der Diagnose "Lebensmittelvergiftung" nicht mehr helfen können. Allein die Tatsache, daß der Sohn am Tage der Einlieferung verstorben sei, zeige, daß eine Rettung unmöglich war, weil die Vergiftung die Leberfunktion bereits weitgehend ausgeschaltet hatte (Matthes/Curschmann, Lehrbuch der Differenzialdiagnose innerer Krankheiten, S. 471). Infolgedessen sei das von der Klägerin behauptete Verschulden der Ärzte für den Tod nicht kausal. Im übrigen könne ein Verschulden der Militärärzte auch nicht festgestellt werden. Es sei davon auszugehen, daß der Sohn der Klägerin vom Schiffsrevier des an Land festgemachten Ausbildungsschiffes aus nach Stellung der Diagnose "Lebensmittelvergiftung, Krankheits-Nr. 190" am 26. Juli 1944 mit einem Krankenwagen in das Marinelazarett gebracht worden sei. Selbst wenn der Transport entgegen aller Übung ohne besondere Begleitung erfolgt sein sollte, habe der mitfahrende Kraftfahrer nach der ständigen Übung die im Schiffsrevier aufgenommene Krankenkarte bei sich gehabt; denn ohne diese habe keine Aufnahme im Lazarett erfolgen dürfen und können. Außerdem habe im Juli 1944 in K auch die Möglichkeit bestanden, durch fernmündliche Rückfrage vom Lazarett zum Ausbildungsschiff die vom Schiffsarzt festgestellte Diagnose zu ermitteln. Schließlich bestehe auch kein Anlaß für die Annahme, daß der Sohn zu spät ins Lazarett eingeliefert worden sei. Da er im unmittelbaren Anschluß an die Revierbehandlung am gleichen Tage ins Lazarett überwiesen wurde, seien von seiten der Ärzteschaft alle notwendigen Maßnahmen getroffen worden. Für eine schuldhafte Fehldiagnose und ein schuldhaftes Verhalten fehle es mithin an konkreten Anhaltspunkten. Der geltend gemachte Elternrentenanspruch sei deshalb nicht begründet. Das LSG ließ die Revision zu.
Mit der Revision beantragt die Klägerin,
unter Aufhebung des Urteils des LSG Schleswig vom 22. August 1958 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Schleswig vom 9. Juli 1957 als unbegründet zurückzuweisen;
hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Revision rügt Verletzung des § 1 BVG, des § 162 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie hilfsweise verfahrensrechtliche Verstöße gegen die §§ 103, 106, 128 SGG. Die Ausführungen des LSG zur 2. Altern. des § 1 Abs. 1 BVG (Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes) und zur 3. Altern. dieser Vorschrift (Verursachung durch dem Dienst eigentümliche Verhältnisse) seien nicht frei von Rechtsirrtum. Die Wehrmachtsverpflegung, die der im Entwicklungsalter befindliche Sohn während seiner Ausbildung in Schlochau und Kiel erhalten habe, sei völlig unzureichend gewesen; dies um so mehr, als er im anstrengenden Tag- und Nachtdienst physisch und psychisch bis an die Grenzen seines Leistungsvermögens in Anspruch genommen worden sei und für ihn die schlagartig einsetzende Rekrutenverpflegung unter Berücksichtigung seiner früheren Kost in der Heimat eine ausgesprochene Hungerration dargestellt habe. Lebensmittelpakete seiner Angehörigen hätten daher eine unbedingt notwendige Ergänzung der Truppenverpflegung gebildet und könnten somit nicht der Privatsphäre zugerechnet werden, zumal der Verstorbene schriftlich und mündlich über die schlechte Verpflegung geklagt habe, um von seinen Eltern Lebensmittel zu erhalten. Der zusätzliche Verzehr privater Lebensmittel in der Garnison sei daher im vorliegenden Fall militärischen Zielen dienlich gewesen und hänge mindestens unter den hier vorliegenden Umständen innerlich mit dem militärischen Dienst zusammen. Der Empfang von Lebensmittelpaketen, die mangelhafte Ernährung im Dienst, die Verzögerung des Feldpostverkehrs und die dadurch entstandene Verderbnis der Nahrungsmittel gehörten zu den dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnissen.
Zu Unrecht habe das LSG bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs des Todes mit einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG aber auch angenommen, unter mehreren Bedingungen sei hier allein die der Privatsphäre zuzurechnende Lebensmittelsendung wesentliche Bedingung für den Eintritt des Todes gewesen (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Wesentliche oder zumindest gleichwertige Ursache für den Tod sei die mangelhafte Ernährung im Jahre 1944 gewesen, die Lebensmittelsendungen der Angehörigen erforderlich gemacht habe. Ebenso sei die über Gebühr lange Verzögerung der Zustellung des Lebensmittelpaketes ein Umstand, mit dem der Absender nicht habe rechnen müssen und der einen versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand darstelle.
Darüber hinaus leide das Verfahren des LSG an mangelhafter Sachaufklärung (§ 103 SGG); das LSG hätte die Marineeinheit des Verstorbenen feststellen und Nachforschungen über die damaligen Kriegskameraden des Verstorbenen anstellen müssen, was über die Deutsche Dienststelle in Berlin-Wittenau hätte geschehen können. Die Vernehmung der Kriegskameraden hätte ergeben, daß die Ernährung auf dem Ausbildungsschiff mangelhaft gewesen sei, so daß die Lebensmittelsendung der Eltern nicht der Privatsphäre zugerechnet werden könne. Ferner hätte das LSG die Dauer des Transports des Lebensmittelpakets erforschen müssen, insbesondere, ob die angeblich am 16. Juli 1944 erfolgte Versetzung nach Kiel für die lange Zeit zwischen Aufgabe und Ankunft des Paketes ursächlich gewesen sei. Wegen der Krankenkarte habe das LSG nur vermutet, daß sie vom Kraftfahrer mitgeführt und im Lazarett abgegeben worden sei. Um dies feststellen zu können, hätte es nähere Beweise über den Krankentransport erheben müssen. Das LSG habe ferner die rein medizinische Frage, ob der Lazarettarzt den Tod am Einlieferungstage noch hätte verhindern können, wenn er gewußt hätte, daß eine Lebensmittelvergiftung vorlag, ohne Hinzuziehung eines ärztlichen Sachverständigen selbst beantwortet. Dadurch sei auch § 128 SGG verletzt.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Für die Ausübung des Dienstes (§ 1 Abs. 1, 2. Altern. BVG) seien die Verhältnisse auf dem Ausbildungsschiff Nordland maßgebend gewesen. Dort sei die Verpflegung gut, fast friedensmäßig gewesen. Der Tod sei weder während der Ausübung des Dienstes eingetreten, noch durch wehrdiensteigentümliche Verhältnisse verursacht worden. Das LSG habe auch nicht die Kausalitätsnorm verletzt, weil wesentliche Ursache für den Tod allein das Verhalten des Verstorbenen gewesen sei, der ohne dienstlichen oder militärischen Anlaß verdorbene Lebensmittel zu sich genommen habe. Das Absendedatum des Pakets hätte er aus dem Poststempel und aus dem Schreiben der Eltern entnehmen können; die Sommerzeit hätte ihn auf eine leichte Verderblichkeit der Lebensmittel schließen lassen müssen. Der Grund für die Verzögerung der Paketsendung sei unwesentlich: er lasse sich heute auch nicht mehr feststellen. Das LSG habe auch unterstellen können, daß der diensttuende Arzt des Lazaretts sich erforderlichenfalls mit dem Ausbildungsschiff in Verbindung gesetzt habe.
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch sachlich begründet.
Die Revision hat Verfahrensmängel in der Sachaufklärung und der Beweiswürdigung gerügt. Obwohl diese Rügen nur hilfsweise erhoben sind, hält es der Senat für sachdienlich, sie vorweg zu behandeln. weil eine sachlich-rechtliche Beurteilung nur möglich ist, wenn die Entscheidung auf einwandfreien oder nicht angegriffenen Feststellungen beruht und weil es auf die strittige sachlich-rechtliche Frage nur ankommt, wenn sich der Versorgungsschutz nicht schon aus anderen noch näher aufklärbaren Umständen tatsächlicher Art ergibt.
Die Rüge der Klägerin, das LSG habe bei Prüfung der 3. Altern. des § 1 Abs. 1 BVG ein fehlerhaftes Verhalten der Marineärzte bei der Behandlung ihres Sohnes als Ursache für den Todeseintritt nicht ausschließen dürfen, ohne einen medizinischen Sachverständigen befragt zu haben, greift durch. Nach § 103 SGG hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, ohne an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten gebunden zu sein. Es hat hierbei seine Ermittlungen auf alle von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus erheblichen Umstände zu erstrecken (BSG in SozR SGG § 103 Da 2 Nr. 7; BSG 9, 277). Dieser Verpflichtung ist das LSG nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung kam es für die Entscheidung in diesem Punkte darauf an, ob der Sohn der Klägerin hätte gerettet werden können, wenn dem behandelnden Arzt im Marinelazarett Kiel eine Vergiftung durch Genuß verdorbener Lebensmittel bekannt gewesen wäre. Das LSG ist dabei - zutreffend - davon ausgegangen, daß der Tod des Verstorbenen auf wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zurückzuführen ist, wenn er auf einer nicht rechtzeitigen oder nicht sachgemäßen ärztlichen Behandlung beruhte (vgl. van Nuis/Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, II. Teil S. 50). Dies hat das LSG jedoch ohne Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nicht verneinen dürfen. Die Klägerin hatte angegeben, der Lazarettarzt habe ihr gegenüber erklärt, er habe die Diagnose "Lebensmittelvergiftung" nicht gekannt und eine Ruhr vermutet; wenn er gewußt hätte, daß es sich um eine Vergiftung handelte, hätte er unter Umständen noch etwas tun können. Diese bestimmten Angaben der Klägerin hat das LSG nicht mit der - lediglich auf ein Zitat aus einem medizinischen Lehrbuch gestützten - allgemeinen Feststellung ausräumen können, der Lazarettarzt hätte auch bei Kenntnis der vorliegenden Vergiftung keine Heilung mehr erreichen können, weil der Sohn bereits am Abend des Einlieferungstages verstorben sei. Hierzu wäre vielmehr eine medizinisch-sachverständige Beurteilung notwendig gewesen, die sich mit allen wesentlichen Umständen des vorliegenden Falles eingehend befaßte. Unter diesen Umständen durfte das LSG von der Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen nicht absehen.
Weitere Sachaufklärung war auch - wie die Revision zu Recht rügt - notwendig, bevor festgestellt werden dürfte, der den Krankentransport begleitende Kraftfahrer habe eine Krankenkarte mit der Diagnose "Lebensmittelvergiftung" bei sich gehabt, denn es ist möglich, daß die Karte dem Lazarett erst später oder ausnahmsweise gar nicht zuging. Mit dieser Feststellung hat das LSG zum Ausdruck gebracht, daß dem Marinelazarett das wirkliche Leiden bekanntgegeben wurde. Der Hinweis, ohne die im Schiffsrevier aufgenommene Krankenkarte habe nach den damaligen Bestimmungen keine Aufnahme im Lazarett erfolgen können und dürfen, reicht für diese Feststellung im vorliegenden Fall jedoch nicht aus. Auch wenn eine Lazarettaufnahme ohne Krankenkarte grundsätzlich unzulässig gewesen wäre, schloß das nicht aus, daß bei einer schweren akuten Erkrankung wie hier eine Aufnahme auch ohne Krankenkarte erfolgte. Das hätte das LSG nicht unbeachtet lassen dürfen, zumal die Klägerin nach der Feststellung des LSG glaubhaft vorgetragen hat, der Lazarettarzt habe ihr gegenüber geäußert, ihm sei die Diagnose Lebensmittelvergiftung unbekannt gewesen, er habe bei dem Verstorbenen eine Ruhr vermutet. Bei dieser Sachlage hätte sich das LSG um die Aufklärung der näheren Umstände, die zur Lazarettaufnahme und zu der von der Klägerin behaupteten Fehldiagnose "Ruhr" führten, gedrängt fühlen müssen. Es hätte zu diesem Zweck versuchen müssen, über die bestehenden Krankenbuchlager und über die deutsche Dienststelle in B Nachforschungen nach dem Schiffsarzt des Ausbildungsschiffes Nordland und dem behandelnden Arzt des Marinelazaretts K anzustellen. Zur Durchführung solcher Maßnahmen waren dem LSG Anhaltspunkte gegeben, weil die Krankenkarte vom Marinestabsarzt und Schiffsarzt des Ausbildungsschiffes Dr. N. N. (unleserlich) und die Todesbescheinigung des Teillazaretts Hassee vom Marinestabsarzt Prof. Dr. N. N. (unleserlich) unterzeichnet war.
Die Revision ist wegen dieser Verfahrensmängel bereits statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Der Senat konnte deshalb offenlassen, ob auch die übrigen von der Revision gerügten Mängel vorliegen.
Die Revision ist auch begründet. Das Urteil beruht auf den festgestellten Gesetzesverletzungen. Es ist nicht auszuschließen, daß die angefochtene Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn dem LSG die zutreffend gerügten Verfahrensverletzungen nicht unterlaufen wären (BSG 2, 197). Das angefochtene Urteil unterliegt daher der Aufhebung. Da der Senat keine eigenen tatsächlichen Feststellungen treffen kann und auf Grund der unvollständigen Feststellungen eine sachlich-rechtliche Entscheidung nicht möglich ist, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Im weiteren Verfahren wird das LSG prüfen müssen, ob der Tod des verstorbenen Sohnes der Klägerin auf ein fehlerhaftes Verhalten der Ärzte (Fehldiagnose oder verspätete Behandlung des wirklichen Leidens im Marinelazarett) zurückzuführen ist. Es wird in diesem Zusammenhang zunächst Nachforschungen nach den den Sohn behandelnden Marineärzten, insbesondere nach dem behandelnden Arzt im Teillazarett Hassee anzustellen haben, um aufzuklären, ob der Verstorbene rechtzeitig und sachgemäß wegen der Nahrungsmittelvergiftung behandelt wurde oder ob eine solche Behandlung wegen einer Fehldiagnose (Ruhr) oder aus anderen Gründen verspätet eingeleitet wurde. Sollten die durchzuführenden Ermittlungen ein fehlerhaftes Verhalten bei der ärztlichen Behandlung ergeben, so wird das LSG weiterhin durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens klären müssen, ob diese Umstände für den Eintritt des Todes ursächlich waren.
Falls die vom LSG insoweit nachzuholende Sachaufklärung ohne Erfolg bleibt oder ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der ärztlichen Behandlung und dem Tod des Sohnes der Klägerin zu verneinen ist, wird das LSG außerdem prüfen müssen, ob der Tod des Verstorbenen dann auf dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse zurückzuführen ist, wenn die Truppenverpflegung völlig unzureichend war. Dem Militärdienst eigentümlich sind alle Verhältnisse, die für die Eigenart dieses Dienstes typisch sind und von den Verhältnissen des bürgerlichen Lebens abweichen (Wilke, Komm. zum BVG, § 1 Anm. 3; Schieckel, Komm. zum BVG, § 1 Anm 9; Van Nuis/Vorberg, aaO S. 50). Ein solches Sonderverhältnis stellt die Selbstverpflegung des Soldaten grundsätzlich nicht dar, denn sie weicht nicht von den Verhältnissen des bürgerlichen Lebens ab, während dem Wehrdienst regelmäßig die Gemeinschaftsverpflegung der Soldaten durch die Truppe eigentümlich ist. Das schließt jedoch nicht aus, daß ausnahmsweise auch eine Eigenverpflegung des Soldaten mit selbst beschafften Nahrungsmitteln auf die besonderen Verhältnisse des Wehrdienstes zurückzuführen sein kann. Das gilt allerdings nicht schon dann, wenn es unter Soldaten üblich war, sich zusätzlich aus privaten Stücken Nahrungsmittel zu beschaffen. Es reicht auch nicht aus, daß die Verpflegung der Soldaten rationiert war; denn der Zivilbevölkerung standen Lebensmittel gleichfalls nur beschränkt zur Verfügung. Eine eigene Verpflegung des Soldaten wird jedoch dann als durch wehrdiensteigentümliche Verhältnisse bedingt anzusehen sein, wenn die Truppenverpflegung so unzureichend war, daß sie hinter der Lebensmittelversorgung der Zivilbevölkerung wesentlich zurückblieb, etwa deshalb, weil der Nachschub unterbrochen war. Die Klägerin hat eine völlig unzureichende Truppenverpflegung ihres Sohnes mindestens während der Ausbildung in Schlochau behauptet. Dem wird das LSG nachgehen müssen. Es wird aufzuklären haben, ob die Ernährung des Verstorbenen wesentlich schlechter war als die Versorgung der Zivilbevölkerung in Deutschland und ob hierfür wehrdiensteigentümliche Umstände verantwortlich waren. Zu diesem Zweck wird das LSG die im Revisionsverfahren angegebenen Briefe des Sohnes an die Klägerin beiziehen müssen. Darüber hinaus wird das LSG versuchen müssen, ehemalige Kriegskameraden des Verstorbenen (über die Deutsche Dienststelle oder die Klägerin) ausfindig zu machen, um über die Verpflegungsverhältnisse, denen der Sohn der Klägerin unterworfen war, Aufklärung zu erhalten. Erst dann wird eine Entscheidung darüber möglich sein, ob der Tod durch ausnahmsweise als wehreigentümlich anzusehende Eigenverpflegung verursacht wurde. - Sollten diese Ermittlungen ergeben, daß damals auch bei anderen Soldaten auf dem Ausbildungsschiff Vergiftungserscheinungen auftraten, so wird die vom LSG als nicht ganz zweifelsfrei angesehene Frage, ob auch Lebensmittel aus der Truppenverpflegung bei der Vergiftung eine Rolle gespielt haben, einer erneuten Prüfung zu unterziehen sein.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen