Leitsatz (redaktionell)

Beim Schadensausgleich muß - wie bei der Rente - der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zugunsten eines generalisierten oder pauschalen Schadensausgleichs zurücktreten. Die Berücksichtigung eines konkreten Schadens ist nur nach DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 möglich.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs 3 u 4 DV § 4 Fassung: 1964-07-30; BVG § 30 Abs 3 u 4 DV § 6 Fassung: 1964-07-30

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 9. Mai 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin bezieht Witwenversorgung aufgrund des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nach ihrem im August 1886 geborenen, im Mai 1916 gefallenen Ehemann. Auf ihren Antrag vom April 1964 gewährte das Versorgungsamt (VersorgA) durch Bescheid vom 6. Oktober 1965 vom 1. Januar 1964 an Schadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 11. Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Ehemann wäre aufgrund seiner hohen Intelligenz und Strebsamkeit Schulrat geworden oder hätte sogar noch studiert, so daß zumindest die Besoldungsgruppe A 12, ihres Erachtens sogar A 13, in Betracht komme. Durch Bescheid vom 29. Dezember 1965 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klage, mit der im wesentlichen das frühere Vorbringen wiederholt wurde, ist erfolglos geblieben. Auf die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) - ebenso wie das Sozialgericht (SG) - die Personalakten des Ehemannes der Klägerin herangezogen und hat eine Äußerung des Präsidenten des niedersächsischen Verwaltungsbezirks O eingeholt. Durch Urteil vom 9. Mai 1967 hat es die Berufung gegen das Urteil des SG und die Klage gegen den im Laufe des Berufungsverfahrens erteilten Bescheid vom 7. September 1966 abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen. Das Berufungsgericht hat zunächst den beruflichen Werdegang des Ehemannes der Klägerin festgestellt. Danach ist er nach Volksschulabschluß und Besuch des Lehrerseminars Volksschullehrer geworden und vor seiner Einberufung Hauptlehrer an einer einklassigen Volksschule gewesen. Das LSG ist der Auffassung gewesen, durch die pauschalierten Sätze in § 4 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 BVG idF vom 30. Juli 1964 (BGBl I 574) sei die Berücksichtigung eines höheren Einkommens als der Besoldungsgruppe A 11 nicht gerechtfertigt, zumal nach der dienstlichen Beurteilung und im Hinblick auf die frühzeitige Eheschließung des Ehemannes der Klägerin nicht wahrscheinlich zu machen sei, daß er im Alter von 32 Jahren das Abitur nachgemacht und ein akademisches Studium zu Ende geführt haben würde. § 6 DVO könne hier nicht angewendet werden, weil nach dieser Vorschrift nur die Berufsstellung berücksichtigt werden könne, welche bereits vor der Schädigung erreicht gewesen sei, nicht aber eine voraussichtlich erst später zu erreichende Stellung.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und dem Sinne nach beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen sowie den Widerspruchsbescheid aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 6. Oktober 1965 und 7. September 1966 zu verurteilen, der Klägerin vom 1. Januar 1964 an Schadensausgleich unter Berücksichtigung des Durchschnittseinkommens nach der Besoldungsgruppe A 13 bzw. A 12 BBesG zu zahlen.

Sie rügt mit näherer Begründung, das LSG habe zu Unrecht die Anwendung des § 6 DVO abgelehnt.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Klägerin hat die durch Zulassung statthafte Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Rechtsmittel ist zulässig, kann aber keinen Erfolg haben.

Streitig ist, ob der Beklagte bei der Berechnung des Schadensausgleichs nach § 40 a BVG in der Fassung des 2. NOG ohne Gesetzesverletzung als Durchschnittseinkommen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin gemäß § 4 DVO das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 BBesG zu Grunde legen durfte.

Nach der Ermächtigung in § 40 a Abs. 4 i. V. m. § 30 Abs. 7 BVG kann die Bundesregierung bestimmen, "welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist". Hieraus ergibt sich, daß denjenigen Witwen, die durch den Tod des Ehemannes eine starke Einkommenseinbuße hinzunehmen hatten, ein Ausgleich gegeben werden soll, der neben der Ausgleichsrente dem mutmaßlichen Einkommensverlust zusätzlich Rechnung trägt. Daß dabei der Einkommensverlust nicht konkret ermittelt werden soll, sondern daß das voraussichtlich erzielte Einkommen nur nach dem Durchschnittseinkommen der jeweils in Betracht kommenden Berufsgruppen zu bemessen ist, ergibt sich aus der die Vorschrift des § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG ergänzenden Bezugnahme auf § 30 Abs. 4 Sätze 2 und 3 BVG.

Dabei handelt es sich nicht etwa um verfahrensrechtliche Regelungen, sondern um Vorschriften, durch die der Anspruch gemäß der vorgesehenen Einordnung der Beschädigten in eine bestimmte Berufsgruppe oder Besoldungsstufe sachlich-rechtlich begrenzt wird (so BSG SozR DVO zu § 30 Abs. 3 und 4, § 4 Nr. 1). Mit dem Hinweis, daß sich der Einkommensverlust nach dem Durchschnittseinkommen einer bestimmten Berufsgruppe richtet, wird deutlich gemacht, daß - wie bei der Rente - auch beim Schadensausgleich der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zugunsten eines generalisierten oder pauschalen Schadensausgleichs zurücktreten muß.

Die Vorschrift des § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG, daß als Einkommen des Verstorbenen das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe gilt, der er nach seinen Lebensverhältnissen, den beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hat oder angehört hätte, bedeutet nicht, daß im Einzelfall etwa vorliegende oder anzunehmende besonders günstige Umstände bereits zur Gewährung eines entsprechend höheren Schadensausgleiches führen könnten; vielmehr soll, wie es auch im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (22. Ausschuß - vgl. Deutscher Bundestag, 3. Wahlp., BT-Drucksache Nr. 1825 S. 7 zu § 30 BVG -) heißt, bei dem "fiktiv" zu errechnenden Einkommensverlust ein "durchschnittlicher Berufserfolg maßgebend" sein. Auch im übrigen sieht das BVG keinen vollen Ausgleich des Einkommensverlustes vor. Es ist also davon auszugehen, daß der durch den Tod des Ehemannes bedingte Einkommensverlust nur "in einem bestimmten Verhältnis" entschädigt wird (vgl. Amtl. Begründung zum Entwurf des 1. NOG, Deutscher Bundestag, 3. Wahlp., BT-Drucksache Nr. 1239 zu § 30 S. 25). (BSG, Urteil 17.8.1967, 8 RV 913/66).

Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des LSG ist der Ehemann der Klägerin vor seinem Tode im ersten Weltkrieg Volksschullehrer, und zwar Hauptlehrer an einer einklassigen Volksschule gewesen. Er gehörte mithin zu den Beamten des gehobenen Dienstes. Für diese ist bei der Bemessung des Schadensausgleichs gemäß § 40 a Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 in Verbindung mit § 30 Abs. 7 BVG und §§ 11, 4 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 zugrunde zu legen.

Bei einer pauschalierten Regelung ist es unvermeidlich, daß Härten nicht ausbleiben können, wenn, wie vorliegend behauptet, im Rahmen des gehobenen Dienstes eine Stellung erreicht worden wäre, welche mit dem Durchschnitt der Besoldungsgruppe A 11 nicht mehr abgegolten worden wäre. Derartige Erwägungen aber können nicht Platz greifen, weil eine pauschalierte Regelung sowohl diese Nachteile als auf der anderen Seite auch in einer weitaus größeren Anzahl von Fällen Vorteile für die Betroffenen mit sich bringt.

Eine Ausnahme und die Regelung des konkreten Schadens ist nur nach § 6 DVO möglich. Diese Vorschrift trägt dem Gedanken Rechnung, daß die pauschalierte Regelung deshalb zu Härten führt, weil der betreffende Beschädigte schon vor Eintritt der Schädigung eine höhere Stellung erreicht hatte als die pauschalierte Regelung vorsieht. Die ergänzende Auslegung dieser Vorschrift auch auf die Fälle in denen eine solche höhere Stellung erst nach der Schädigung eingetreten wäre, hat der Senat in der oben angeführten Entscheidung vom 17. August 1967 ausdrücklich abgelehnt. Hieran ist festzuhalten. Infolgedessen kann der Revision mit ihrer entgegenstehenden Auffassung nicht gefolgt werden. Der Senat hat auch in der bereits bezeichneten Entscheidung das von der Klägerin angezogene Urteil des LSG Rheinland-Pfalz nicht gebilligt.

Demgemäß entspricht das angefochtene Urteil sowohl hinsichtlich der Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 11 als auch in der Ablehnung, den § 6 DVO anzuwenden, der Sach- und Rechtslage. Das Berufungsgericht hat gleichfalls zutreffend den im Laufe des Berufungsverfahrens erteilten Bescheid vom 7. September 1966 in seine Entscheidung einbezogen. Denn er ist nach Klageerhebung erteilt und für die Zukunft an die Stelle des angefochtenen Bescheides getreten. Mithin ist er gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden. Hiergegen sind übrigens Revisionsrügen nicht erhoben.

Da also das angefochtene Urteil richtig ist, war gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Da die Voraussetzungen der §§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erfüllt waren, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2226429

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