Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Streitig ist ein Erstattungsanspruch der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) wegen des von ihr dem Versicherten Günter T. (T.) nach Abbruch einer berufsfördernden Maßnahme gezahlten Krankengeldes.
Die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) hatte dem Versicherten mit Bescheid vom 10. Dezember 1975 als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation eine Ausbildung zum Refa-Fachmann bewilligt. Diese sollte stationär im Berufsförderungswerk G. durchgeführt werden und längstens 15 Monate dauern. Der Versicherte nahm die Ausbildung am 21. Juni 1976 auf. Nachdem T. erkrankt war, teilte ihm die Beklagte unter dem 13. Januar 1977 mit, sie sehe die Ausbildung mit dem 14. Januar 1977 als beendet an, weil aufgrund der Krankheitszeiten ein erfolgreicher Abschluß der Ausbildung nicht mehr gewährleistet sei. Gleichzeitig stellte die Beklagte die Zahlung des Übergangsgeldes mit Wirkung vom 14. Januar 1977 ein.
In der Folgezeit gewährte die Klägerin dem arbeitsunfähig geschriebenen Versicherten Krankengeld bis 25. Februar 1977.
Die Klägerin beanspruchte von der Beklagten die Erstattung des für die Zeit vom 15. Januar bis 25. Februar 1977 gewährten Krankengelds bis zur Höhe des Übergangsgeldes von täglich 41, 65 DM zuzüglich Verwaltungskosten mit einem Gesamtbetrag von 1724, 73 DM. Ihren Anspruch stützte sie auf § 1241e Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach die Beklagte zur Weitergewährung des Übergangsgeldes für die Dauer von sechs Wochen verpflichtet sei. Die Beklagte verweigerte die Erstattung mit der Begründung, die Verpflichtung zur Zahlung des Übergangsgeldes nach § 1241e Abs. 2 RVO bestehe nur bis zur Beendigung der Maßnahme, im vorliegenden Fall bis zu ihrem Abbruch zum 14. Januar 1977.
Das Sozialgericht Detmold (SG) hat die Beklagte zur Zahlung von 1724, 73 DM mit der Begründung verurteilt, auch nach einem rechtswirksamen Abbruch der Umschulung sei das Übergangsgeld für die Dauer von sechs Wochen weiterzuzahlen (Urteil vom 20. Juli 1983). Demgegenüber hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen auf die Berufung der Beklagten die Klage im angefochtenen Urteil vom 17. November 1983 unter Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, in Abweichung von der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Oktober 1982 sei § 1241e Abs. 2 RVO so auszulegen, daß zur "Beendigung" einer berufsfördernden Maßnahme schon nach dem Wortlaut nicht nur das planmäßige Ende, sondern auch der vorzeitige Abbruch zähle. Dies entspreche auch der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, wonach die Weiterzahlung des Übergangsgeldes über das Ende einer Maßnahme hinaus nicht beabsichtigt gewesen sei.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision bekämpft die AOK diese Rechtsauffassung. Sie trägt vor, unter "Beendigung der Maßnahme" verstehe das Gesetz lediglich das planmäßige Ende. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BSG. Abweichend von der Grundregel des § 1240 RVO, wonach Übergangsgeld nur während einer Maßnahme zu zahlen sei, stelle § 1241e Abs. 2 RVO eine Anspruchserweiterung dar, die den vorliegenden Fall treffe, weil der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen an der Rehabilitationsmaßnahme nicht weiter habe teilnehmen können. Im übrigen gelte der Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 1977, mit dem die Maßnahme abgebrochen und die Zahlung des Übergangsgeldes eingestellt worden sei, erst am dritten Tage nach seiner Aufgabe zur Post als zugestellt. Dies habe zur Folge, daß die Einstellung der Zahlung nicht schon am 14. Januar 1977, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt habe wirksam werden können.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. November 1983 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20. Juli 1983 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, soweit der Anspruch nicht anerkannt wurde.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat im Hinblick auf die Zustellung des Bescheides vom 13. Januar 1977 den Klageanspruch in Höhe von DM 83, 30 anerkannt. Dieses Anerkenntnis hat die Klägerin angenommen.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch richtet sich nach den Vorschriften des 3. Kapitels des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) vom 4. November 1982 (BGBl. I 1450). Mit den dadurch mit Wirkung vom 1. Juli 1983 eingeführten Vorschriften hat der Gesetzgeber die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander neu geregelt und damit das bisherige Recht abgelöst. Nach Art. II § 21 a.a.O. sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen, wobei diese Vorschrift auch noch nicht abgeschlossene Gerichtsverfahren erfaßt, in denen Leistungsträger gegeneinander Erstattungsansprüche geltend machen (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 1. Dezember 1983 in SozR 1300 Art. 2 § 21 SGB 10 sowie Urteile vom 23. September 1984 - 4 RJ 37/83 in BSGE 57, 146 = SozR 1300 § 103 SGB 10 Nr. 2; 4 RJ 63/83 in SozR a.a.O. Nr. 3; 4 RJ 39/83, 4 RJ 45/83, 4 RJ 57/83 und 4 RJ 41/83; Urteile des 9a Senats vom 28. März 1984 in SozR 1300 § 102 Nr. 1, des 7. Senats vom 24. Mai 1984 - 7 RAr 97/83, des 8. Senats vom 22. Mai 1984 - 8 RK 45/83 und des 1. Senats vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84, vom 30. Januar 1985 - 1/4 RJ 107/83 und vom 22. Mai 1985 - 1 RA 33/84).
Der von der Klägerin erhobene Erstattunganspruch beurteilt sich nach § 105 SGB 10. Nach ihrem Vorbringen ist die Beklagte dem Versicherten leistungsverpflichtet, also i.S. dieser Vorschrift "zuständig" gewesen. Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB 10 sind nicht erfüllt, weil die Klägerin dem Versicherten das Krankengeld nicht als nur vom Gesetz vorläufig Verpflichteter gezahlt hat.
Der Anspruch der klagenden AOK ist begründet. Die beklagte LVA war in der streitigen Zeit nach § 1241e Abs. 2 RVO verpflichtet, diesem Versicherten Übergangsgeld zu gewähren. Dahinter trat nach § 183 Abs. 6 RVO die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Krankengeld zurück; der Krankengeldanspruch ruhte.
Kann ein Betreuter an einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation "nicht weiter teilnehmen", so wird das Übergangsgeld nach § 1241e Abs. 2 a.a.O. bis zu 6 Wochen, längstens jedoch bis zum Tage der Beendigung der Maßnahme weitergewährt. Nach dem vom LSG bindend festgestellten Sachverhalt (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) konnte Günter T. mit Ablauf des 14. Januar 1977 an der ihm von der Beklagten bewilligten Umschulung nicht weiter teilnehmen. Zu Recht nimmt die Klägerin an, daß die Beklagte dem Versicherten von da an Übergangsgeld für weitere 6 Wochen hätte gewähren müssen.
Das LSG und übereinstimmend mit ihm die Beklagte argumentieren dagegen, § 1241e Abs. 2 RVO sei dahin auszulegen, daß die Sechswochenfrist zur Weitergewährung von Übergangsgeld bereits "mit der gesundheitsbedingten Verhinderung" des Betreuten beginne und daß als "Beendigung der Maßnahme" - der Zeitpunkt, bis zu dem Übergangsgeld längstens weiterzugewähren ist - nicht deren planmäßiges Ende, sondern der Zeitpunkt anzusehen sei, zu dem der Träger der Rehabilitation die Maßnahme vorzeitig - hier: Ablauf des 14. Januar 1977 - abbreche. Dem kann nicht gefolgt werden.
Der 8. Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 1982 in BSGE 54, 146 (= SozR 5090 § 17 Nr. 2) § 1241e Abs. 2 RVO dahin ausgelegt, daß die die Sechswochenfrist auslösende Verhinderung der weiteren Teilnahme des Versicherten an der Maßnahme aus gesundheitlichen Gründen den Zeitpunkt bezeichne, zu dem der Träger rechtswirksam den Abbruch der Maßnahme verfüge. "Beendigung der Maßnahme" sei dagegen der im bewilligenden Verwaltungsakt festgelegte Zeitpunkt des planmäßigen oder vorgesehenen Endes der Maßnahme. Zur Begründung hat das BSG im wesentlichen ausgeführt, § 1241e Abs. 2 RVO weise sich schon gesetzessystematisch als eine der Vorschriften aus, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auch noch nach dem Ende von Rehabilitationsmaßnahmen begründeten. Eine Beschränkung des Anwendungsbereiches der Vorschrift auf Fälle der krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Teilnahme an der Maßnahme widerspreche im übrigen auch dem Grundsatz des § 1240 RVO, wonach der Rehabilitationsträger ohnedies und in jedem Falle für die wirtschaftliche Sicherung einer krankheitsbedingt vorübergehenden Rehabilitationsunfähigkeit des Betreuten eintreten müsse.
Diese Begründung überzeugt. Der Senat tritt ihr bei. Die gegenteilige Ansicht des LSG übersieht, daß der Rentenversicherungsträger nicht selten erst geraume Zeit nach dem Zeitpunkt, zu dem bei dem Betreuten Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitationsunfähigkeit) eingetreten ist, zu beurteilen in der Lage sein wird, ob bei ihm gesundheitliche Gründe vorliegen, die schlechthin einer "weiteren Teilnahme" an der berufsfördernden Maßnahme entgegenstehen: Für eine nur vorübergehende Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitationsunfähigkeit) ist der Maßnahmeträger ohnedies zuständig; ob sich eine Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitationsunfähigkeit) zum gesundheitlichen Grund für die Unmöglichkeit, an der Maßnahme weiter teilzunehmen, "auswächst", ist oft erst bei rückschauender Würdigung eines nicht zu kurzen Krankheitsverlaufs möglich. Eine "Weitergewährung" nach dauernder gesundheitlicher Verhinderung einer weiteren Teilnahme an der Maßnahme kommt sinnvollerweise erst dann in Betracht, wenn der Versicherungsträger den Abbruch der Maßnahme rechtswirksam angeordnet hat. Hätte aber die Rehabilitationsmaßnahme nach dem Bewilligungsbescheid des Trägers schon früher geendet, muß das Übergangsgeld freilich bereits mit dem "normalen Ende" der Maßnahme entfallen (vgl. dazu Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Stand: Mai 1985, § 1241e RVO Anm. 6; Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl., § 1241e RVO, Anm. II A 2).
Hat hiernach das SG, nicht das LSG, § 1241e Abs. 2 RVO zutreffend ausgelegt, so mußte auf die Revision der Klägerin das angefochtene Urteil aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der ersten Instanz zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.4a RJ 65/84
Bundessozialgericht
Verkündet am
28. November 1985
Fundstellen