Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Berufung der ehrenamtlichen Richter am BSG.
2. Der Ordnungsdienst, den ein Mitglied einer politischen Partei anläßlich einer Wahlveranstaltung ehrenamtlich verrichtet, ist keine Beschäftigung iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO und ist auch nicht wie eine solche zu behandeln (§ 539 Abs 2 RVO).
3. Die politischen Parteien sind keine öffentlich-rechtlichen Institutionen iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO.
Normenkette
SGG § 14 Abs 1, § 45 Abs 2; RVO § 539 Abs 2; RVO § 539 Abs 1 Nr 13; PartG §§ 1, 2 Abs 1; GG Art 21 Abs 1 S 1; GG Art 92; GG Art 101 Abs 1 S 2; RVO § 539 Abs 1 Nr 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 26.09.1984; Aktenzeichen L 4 U 115/83) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 06.10.1983; Aktenzeichen S 3 U 220/82) |
Tatbestand
Der Kläger ist Mitglied der CDU. Im Mai 1980 führte in seinem Heimatort die Junge Union, eine Jugendorganisation der CDU, anläßlich des Bundestagswahlkampfes eine Diskothek-Veranstaltung durch. Dort war der Kläger mit weiteren CDU-Mitgliedern unentgeltlich als Ordner eingesetzt. Gegen Ende der Veranstaltung kam es zwischen einigen Veranstaltungsteilnehmern zu einer Schlägerei, die die Ordner zu schlichten versuchten. Auch der Kläger wurde darin verwickelt. Dabei erlitt er ua eine Knieverletzung.
Die Beklagte lehnte eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Entscheidung ua wie folgt begründet: Der Kläger habe während des Ordnungsdienstes keine nach § 539 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherte Tätigkeit verrichtet. Er habe zur Jungen Union bzw zur CDU in keinem Arbeitsverhältnis gestanden. Ebensowenig sei er nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO versichert gewesen; eine ehrenamtliche Tätigkeit für politische Parteien werde von dieser Vorschrift nicht erfaßt. Der Kläger sei auch nicht wie ein nach § 539 Abs 1 Nr 1 oder Nr 13 RVO Versicherter tätig geworden (§ 539 Abs 2 RVO). Die Ordnertätigkeit sei Ausfluß seiner Mitgliedschaft zur CDU. Nach einer allgemeinen Übung des Ortsverbandes, dem der Kläger angehöre, habe dieser bei Parteiveranstaltungen Parteimitglieder als ehrenamtlichen Ordner eingesetzt. Die allein auf der Zugehörigkeit zu einer Partei beruhenden Tätigkeiten seien unversichert.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe es unterlassen, den Anspruch des Klägers nach § 539 Abs 1 Nr 9 RVO zu prüfen. Eine solche Subsumtion habe sich aufgrund der Sachverhaltsschilderung in den Akten aufgedrängt. Zudem habe die Beklagte in einem Schriftsatz ausdrücklich darauf hingewiesen. Das Berufungsgericht hätte den nach § 539 Abs 1 Nr 9 RVO zuständigen Versicherungsträger beiladen müssen. Außerdem macht der Kläger die Verletzung des § 539 Abs 1 und 2 RVO geltend. Ehrenamtliche Tätigkeiten für politische Parteien unterfielen dem Versicherungsschutz des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO. Parteien seien aufgrund ihrer Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes Verfassungsorgane. In dieser Funktion müßten sie als dem öffentlichen Recht zugehörig angesehen werden. Der Kläger sei aber auch arbeitnehmerähnlich tätig geworden. Die Tätigkeit eines Ordners bei einer Wahlveranstaltung sei weder geringfügig noch könne sie von jedem Parteimitglied erwartet werden. Sie beruhe gerade nicht auf einer allgemeinen Übung. Entscheidend sei, daß die Tätigkeit ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werde, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden.
Der Kläger beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. April 1982 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 1982 zu verurteilen, dem Kläger Verletztengeld oder Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 23. Mai 1980 für die erste Zeit nach einer MdE um 50 vH und dann folgend nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, unter Aufrechterhaltung der Urteile der Vorinstanzen im übrigen, den Rechtsstreit an das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht zwecks Beiladung des für die Gewährung von Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 RVO zuständigen Versicherungsträgers zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Der Senat ist mit seinen ehrenamtlichen Richtern der gesetzliche Richter (Art 101 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz -GG-). Etwaige Zweifel daran, ob der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA), wie es das Gesetz (§ 45 ff SGG) vorsieht und das GG (Art 92) voraussetzt (BVerfG SozR Nr 4 zu Art 101 GG), über die Berufung der ehrenamtlichen Richter eine eigenverantwortliche Entscheidung getroffen hat, greifen nicht durch. Zwar hat sich der BMA in aller Regel an die von den Verbänden vorgelegten Vorschlagslisten gehalten. Er hat damit aber nicht die Vorschläge lediglich vollzogen, sondern nach seinem Ermessen gehandelt. Das hat der 1. Senat des BSG in seinem Beschluß vom 26. September 1985 - 1 S 12/85 - (SozR 1500 § 22 Nr 1), der alle ehrenamtlichen Richter des BSG betrifft, festgestellt. Der für die Kriegsopferversorgung zuständige 9a Senat hat in seinem Urteil vom 23. Oktober 1985 - 9a RVs 5/84 - offengelassen, ob er an diese Feststellung gebunden ist. Er hat aber nach eigener Prüfung festgestellt, daß der BMA jedenfalls bei der Berufung der ehrenamtlichen Richter der Senate der Kriegsopferversorgung gesetzmäßig vorgegangen ist und sein Ermessen ausgeübt hat. Diese Feststellung beruhte darauf, daß sich keiner der für die Kriegsopfersenate vorschlagsberechtigten Verbände auf den Standpunkt gestellt hatte, sein Vorschlag sei für den BMA verbindlich.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der eine Liste der ehrenamtlichen Richter auch für den erkennenden 9b Senat aufgestellt hatte, die durch den BMA unverändert übernommen worden ist, scheint indessen anderer Meinung zu sein. Er meint offenbar, der BMA habe bei der Berufung der ehrenamtlichen Richter kein Ermessen; seine "Auswahl" sei darauf beschränkt, die als ehrenamtliche Richter ungeeignet vorgeschlagenen Personen nicht zu ernennen und in solchen Fällen, die begründet werden müßten, eine Ergänzung der Liste zu verlangen (vgl Faupel in der vom DGB herausgegebenen "Soziale Sicherheit" 1985, 375, 376). Aber auch diese Meinung veranlaßt angesichts verschiedener Äußerungen des amtierenden Ministers den Senat nicht, ernstlich daran zu zweifeln, daß der BMA nach seinem ihm gesetzlich zustehenden Ermessen gehandelt hat. Der Senat ist damit in Übereinstimmung mit den übrigen Senaten des BSG, die dazu allerdings nicht ausdrücklich Stellung genommen haben. Dies steht im Ergebnis auch nicht dem Beschluß des Dreierausschusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. Dezember 1985 (1 BvR 853/85, 1043/85, 1118/85) entgegen. Wenn das BVerfG allerdings in seinem Beschluß ausführt, der Staat habe bei der Berufung der ehrenamtlichen Richter mindestens in der Form der Bestätigung mitzuwirken und dieses von der Rechtsprechung für Standes- und Berufsgerichte aufgestellte Erfordernis (BVerfGE 18, 241, 253 f; 48, 300, 315) könne im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit jedenfalls nicht strenger sein, hält dies der erkennende Senat für nicht richtig. Die Sozialgerichte sind staatliche Gerichte. Die Unabhängigkeit der ehrenamtlichen Richter ist dadurch gewährleistet, daß sie von staatlichen Stellen "berufen"werden. Die bisherige Rechtsprechung des BVerfG geht ganz offensichtlich davon aus (BVerfGE 26, 186, 195 f; 27, 312, 320 f). Dem wird eine "Bestätigung", wie das BVerfG nunmehr meint, nicht gerecht. Dies kann nur für Gerichte nach Art 100 Abs 2 GG gelten, nicht aber für die in Art 95 Abs 1 GG genannten Gerichtszweige.
Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das LSG hat zwar zu Recht eine Entschädigungspflicht der Beklagten verneint. Indessen hat es die Beiladung des möglicherweise als leistungspflichtig in Betracht kommenden Gemeindeunfallversicherungsverbands Schleswig-Holstein unterlassen (§ 75 Abs 2, 2. Alternative SGG).
Die Leistungspflicht der Beklagten setzt voraus, daß der Kläger durch einen Arbeitsunfall verletzt wurde. Dies ist nach § 548 Abs 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Der Kläger stand nach der insoweit zutreffenden Entscheidung des LSG als Ordner bei der Veranstaltung der Jungen Union weder nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO noch nach § 539 Abs 2 RVO unter Versicherungsschutz.
In der gesetzlichen Unfallversicherung sind die nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten gegen Arbeitsunfall versichert. Kennzeichen eines derartigen Beschäftigungsverhältnisses ist die unselbständige Arbeit, wie sie insbesondere in einem Arbeitsverhältnis geleistet wird (§ 7 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV -). Wesentlich ist dabei die persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber, dessen Direktionsrecht der Beschäftigte unterliegt, sei es durch vertraglich vereinbarte Weisungsgebundenheit oder durch Eingliederung des Arbeitenden in den Betrieb des Arbeitgebers (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung einschließlich des Sozialgesetzbuchs und angrenzender Gebiete, 10. Auflage, Stand Oktober 1985, Band II, S 469 ff, 470a mN). Hiervon abzugrenzen sind Privatbereiche, in denen jemand etwa aufgrund familienrechtlicher oder gesellschaftsrechtlicher Beziehung für andere arbeitet und infolgedessen nicht deren arbeitsrechtlicher Weisungsbefugnis unterworfen ist. Sie unterstehen nicht der gesetzlichen Unfallversicherung. Zu diesem Bereich außerhalb des Arbeitslebens gehört grundsätzlich auch die Betätigung in einem privatrechtlichen - rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen - Verein. Diese Rechtsform trifft nach § 2 Abs 1 Satz 2 des Parteiengesetzes (PartG) vom 24. Juli 1967 (BGBl I 773) idF vom 15. Februar 1984 (BGBl I 242) auf politische Parteien zu (zur Rechtsform der Parteien vgl Maunz in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Bd II, Stand Juni 1985, Art 21, Anm 44).
Die den Parteien von Verfassungs wegen zukommende Aufgabe rechtfertigt es nicht, deren Mitglieder versicherungsrechtlich anders als solche "üblicher privatrechtlicher Vereine" zu behandeln. Unabhängig von einer möglichen Sonderstellung in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts, worauf noch einzugehen sein wird, ist im Sozialversicherungsrecht allein auf den Bezug der Mitglieder zu ihren Vereinigungen abzustellen. Die tatsächliche Gestaltung dieses Verhältnisses und nicht ihre Bewertung durch die Beteiligten über die Rechtsfolgen bilden die Grundlage der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung (vgl BSGE 16, 289, 291 f = SozR Nr 30 zu § 165 RVO).
Indes schließt nach der Rechtsprechung des Senats und in Übereinstimmung mit dem 2. Senat die Mitgliedschaft in einem Verein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Verein nicht schlechthin aus (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 101 mwN). Eine solche Beschäftigung setzt aber voraus, daß die Tätigkeit entweder hinsichtlich ihres Umfangs oder ihrer Art nach über das hinausgeht, was Vereinssatzung, Beschlüsse der Vereinsorgane und allgemeine Vereinsübung an Arbeitsverpflichtungen der Vereinsmitglieder festlegen. Nur unter diesem Aspekt kann die persönliche Abhängigkeit gegeben sein, die für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnend ist. Im anderen Falle handelt es sich um Verrichtungen, die unmittelbarer Ausfluß der Mitgliedschaft sind. Dies entspricht der im Arbeitsrecht herrschenden Ansicht, daß eine Tätigkeit, die auf gesellschaftsrechtlicher oder körperschaftlicher Verpflichtung beruht, wegen Fehlens eines Abhängigkeitsverhältnisses nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt wird. Folglich ist derjenige, der sich für einen Verein aufgrund seiner Mitgliedspflichten betätigt, auch nicht wie ein Beschäftigter nach § 539 Abs 2 RVO gegen Arbeitsunfälle versichert (BSG SozR 2200 § 539 Nr 101; Brackmann, aaO, S 476g mwN). Darauf, daß die Tätigkeit ihrer Art nach üblicherweise sonst im Rahmen eines versicherten Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werden kann, kommt es nicht an.
Das LSG hat den festgestellten Sachverhalt nach diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zutreffend bewertet. Der Kläger unterliegt dem Versicherungsschutz weder nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO noch nach § 539 Abs 2 RVO. Bei der Ordnertätigkeit des Klägers handelt es sich um eine auf allgemeiner Übung beruhenden Tätigkeit für den Ortsverband der CDU, dem der Kläger angehört. Sie rechnet zu den geringfügigen Betätigungen, die eine Partei von ihren Mitgliedern erwarten kann und die von den Mitgliedern entsprechend dieser Erwartungshaltung auch verrichtet werden. Zwar bestand für den Kläger als Parteimitglied nicht aufgrund gesetzten Rechts die Verpflichtung, derart aktiv im Rahmen der politischen Zielsetzungen der CDU mitzuwirken (vgl Urteil des BSG vom 29. April 1982, 2 RU 83/80, in HVGBG RdSchr VB 127/82). Entscheidend ist jedoch die in der Partei herrschende "Vereinswirklichkeit" (BSG SozR 2200 § 539 Nr 101). Danach ist darauf abzuheben, ob sich regelmäßig die allgemeinverbindliche aktive Mitgliedstätigkeit auf die bloße Teilnahme an Parteiveranstaltungen beschränkt oder ob sie zusätzlich uneigennützige Leistungen umfaßt, die auf die Durchsetzung der politischen Zielvorstellungen der Partei ausgerichtet sind. Nach den Feststellungen des LSG ist es im Ortsverband, dem der Kläger angehört, allgemein üblich, daß Parteimitglieder sich bei Wahlveranstaltungen unentgeltlich als Ordner betätigen. In dieser Weise hatte der Kläger sich selbst bereits mehrfach zur Verfügung gestellt. Diese Tätigkeit war damit Ausdruck seiner aktiven Mitgliedschaft in der CDU. Wäre sie nicht vom Kläger wahrgenommen worden, hätte sie an seiner Stelle ein anderes Parteimitglied erbracht.
Der Kläger hat somit nach den in seinem Ortsverein bestehenden Gepflogenheiten nicht mehr getan, als übliche geringfügige mitgliedschaftliche Pflichten zu erfüllen. Er war als Ordner weder abhängig beschäftigt noch wie ein Arbeitnehmer tätig.
Seine unentgeltliche Mitwirkung im Wahlkampf lag auch nicht jenseits der Grenze einer Mitgliedschaft in einer politischen Partei. Nach der Rechtsprechung des BVerfG nehmen die politischen Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes vornehmlich durch ihre Beteiligung an den Wahlen teil, die ohne die Parteien nicht durchgeführt werden könnten (BVerfGE 52, 63, 82). Durch § 2 Abs 2 PartG wird ihnen sogar mittelbar eine dahingehende Verpflichtung auferlegt. Veranstaltungen im Rahmen eines Wahlkampfes sind daher den Aufgaben einer Partei eigentümlich. Sie tragen dazu bei, ihre politischen Programme der Öffentlichkeit bekannt zu machen, auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluß zu nehmen sowie die politische Bildung anzuregen und zu vertiefen. Dies gehört nach § 1 PartG zu den wesentlichsten Parteiaufgaben. Zur Durchführung von Veranstaltungen, die dieser Zielsetzung dienen, rechnen notwendig auch deren Planung und Organisation und damit verbunden die Ordnertätigkeit. Die Mitwirkung des Klägers bei der Veranstaltung der Jungen Union entsprach der Interessenlage seiner Partei. Mag ein geringer zeitlicher Aufwand nur ein Indiz für die Geringfügigkeit einer Tätigkeit sein, geht jedenfalls die Ordnerhilfe während der Wahlveranstaltung unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht über das hinaus, was dem Kläger als Parteimitglied üblicherweise zumutbar war.
Dem Kläger kommt - wie vom LSG richtig erkannt - auch nicht der Versicherungsschutz des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO zugute. Dabei kann dahinstehen, ob die unentgeltliche Ordnertätigkeit des Klägers als ehrenamtlich im Sinne der vorgenannten Vorschrift zu werten ist. Denn nach der genannten Vorschrift sind nur die für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen versichert. Nach der enumerativen Aufzählung in § 539 Abs 1 Nr 13 RVO werden allein solche im Interesse der Allgemeinheit liegenden Verrichtungen erfaßt, die der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben der in dieser Vorschrift genannten Rechtsträger dienen (vgl Brackmann, aaO, S 474n). Die Tätigkeit muß sich im öffentlich-rechtlichen Bereich der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung abspielen. Hingegen zählen politische Parteien nach ihrer Rechtsstellung und nach ihren Aufgaben nicht zu den in § 539 Abs 1 Nr 13 RVO genannten Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen. Sie sind rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Vereine des bürgerlichen Rechts. Ehrenamtliche Tätigkeiten für Privatrechtssubjekte werden, selbst wenn sie im Rahmen übertragener, öffentlich-rechtlicher Aufgaben wahrgenommen werden, aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes nicht vom Schutz des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO umfaßt. Zwar hat Art 21 GG die politischen Parteien als Vereinigungen, die für die politische Willensbildung des Volkes notwendig sind, verfassungsrechtlich anerkannt und ihnen einen entsprechenden verfassungsrechtlichen Status zuerkannt. Als notwendige politische Handlungseinheiten im demokratischen Staat tragen sie dazu bei, die Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen so einen wirksamen Einfluß auf das staatliche oder kommunale Geschehen zu ermöglichen (vgl BVerfGE 52, 63, 82 mwN). Auch nehmen sie insoweit öffentliche Aufgaben wahr. Sie werden damit jedoch nicht als Träger einer unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung tätig. Im Unterschied zu den in § 539 Abs 1 Nr 13 RVO aufgeführten Rechtsträgern und ihrer Organe sind die politischen Parteien nicht Teil der staatlichen oder sonstigen öffentlichen Organisation wie Organen, Ämtern und Behörden (vgl Henke in: Bonner Kommentar, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Stand Mai 1984, Art 21, RdNrn 12 und 14). Durch Art 21 GG wird den Parteien gerade Unabhängigkeit und Freiheit vom Staat und von den anderen öffentlich-rechtlichen Rechtspersonen gewährleistet. Dem liefe "eine staatlich-institutionelle Verfestigung und Einfügung in den Bereich der organisierten Staatlichkeit" zuwider (vgl BVerfGE 52, 63, 92). Parteien sind daher lediglich "Zwischenglieder zwischen dem Bürger und den Staatsorganen" (BVerfGE 52, 63, 82 ff). Dies verkennt die Revision, wenn sie die im Grundgesetz verankerte verfassungsrechtliche Sonderstellung der Parteien mit einer Stellung als Verfassungsorgan gleichsetzt. Das BVerfG hat eine Einordnung der Parteien als Staatsorgane anfangs zwar nicht ausschließen wollen (vgl BVerfGE 1, 208, 225); seine Urteile zur Parteienfinanzierung und zur Wahlwerbung lassen jedoch keinen Raum mehr für eine solche Auslegung (vgl BVerfGE 20, 56 ff; 44, 125 ff; 52, 63 ff). Die Parteien wirken zwar in den Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit hinein, gehören aber selbst nicht zu diesem Bereich. Sie unterliegen deshalb auch keiner staatlichen Aufsicht, wie das zB bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts der Fall ist (vgl Maunz, aaO, Art 21, Anm 45). Ebensowenig kommt aus den dargelegten Gründen eine analoge Anwendung des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO in Betracht.
Da der Kläger als Ordner für eine politische Partei und somit nicht in der unmittelbaren bzw mittelbaren staatlichen Verwaltung tätig war, hat das LSG ebenfalls zu Recht einen Versicherungsschutz des Klägers nach § 539 Abs 2 RVO iVm § 539 Abs 1 Nr 13 RVO verneint. Danach ist nur derjenige versichert, der Aufgaben wie ein ehrenamtlich Tätiger wahrnimmt (BSG SozR 2200 § 539 Nr 29). Das muß aber, was hier zu verneinen ist, gerade für eine der in § 539 Abs 1 Nr 13 RVO genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschehen sein.
Gleichwohl konnte das angefochtene Berufungsurteil keinen Bestand haben. Das LSG hat davon abgesehen, den als leistungspflichtig in Betracht kommenden Unfallversicherungsträger - den Gemeindeunfallversicherungsverband Schleswig-Holstein - zum Streitverfahren beizuladen. Diese unechte notwendige Beiladung nach der 2. Alternative des § 75 Abs 2 SGG ist im Revisionsverfahren zwar nicht von Amts wegen zu beachten (vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 47). Indessen hat der Kläger sich gemäß § 164 Abs 2 Satz 3 SGG ausdrücklich hierauf berufen. Der Verfahrensmangel war deshalb im vorliegenden Fall zu berücksichtigen.
Der Kläger rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe es ungeprüft gelassen, ob er bei der Schlägerei, in der er im Anschluß an die Veranstaltung der Jungen Union verwickelt wurde, als er einem anderen Ordner zur Hilfe eilen wollte, gemäß § 539 Abs 1 Nr 9 RVO unter Versicherungsschutz gestanden habe. Nach dem Vortrag des Klägers, der sich auf die in den Verwaltungsakten festgehaltenen Ermittlungen der Beklagten bezieht und bereits Gegenstand der mündlichen Verhandlungen der Vorinstanzen war, also keinen neuen Sachvortrag darstellt, kommt hier sowohl eine Versicherung des Klägers nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO als auch nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst c RVO in Betracht. Zum einen könnte der Kläger bei einem Unglücksfall Hilfe geleistet oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für Körper oder Gesundheit gerettet, zum anderen könnte er sich zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich eingesetzt haben. Für die Entscheidung darüber, ob der Kläger wegen der Folgen des umstrittenen Unfalls nach einem dieser Tatbestände unfallversicherungsrechtlichen Schutz genießt, wird das LSG die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Zuständiger Versicherungsträger wäre in diesen Fällen nicht die Beklagte, sondern gemäß § 656 Abs 4, § 655 Abs 2 Nr 3 RVO iVm § 1 Nr 2 der Schleswig-Holsteinischen Verordnung über Träger der Unfallversicherung für die nach § 539 Abs 1 Nr 8 bis 10 RVO versicherten Personen vom 31. Mai 1965 (vgl Gesetz- und Verordnungsblatt 1965, S 42) der noch beizuladende Gemeindeunfallversicherungsverband.
Wegen der fehlenden notwendigen Beiladung des nach § 539 Abs 1 Nr 9 RVO zuständigen Unfallversicherungsträgers war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen