Leitsatz (redaktionell)

Zum Begriff der "ständigen" Familienwohnung, wenn ein junger, noch bei den eigenen Eltern wohnender und von diesen weiterbetreuter Ehemann häufiger auch bei Frau und Schwiegereltern übernachtet und er infolgedessen eine erheblich weitere Anfahrt zum Arbeitsplatz hat.

 

Normenkette

RVO § 543 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1942-03-09

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 14. April 1965 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin zu 1) ist die Witwe, der am 15. Oktober 1962 geborene Kläger zu 2) ist der Sohn des am 22. Mai 1962 tödlich verunglückten Zimmerers J M (M.). Die Kläger beanspruchen Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie sind der Auffassung, daß die Fahrt, auf der sich der tödliche Unfall ereignet hat, eine mit der versicherten Tätigkeit des M. zusammenhängende Fahrt zur Arbeitsstätte war (§ 543 der Reichsversicherungsordnung in der Fassung vor dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz - RVO aF).

Hinsichtlich des Sachverhalts ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen folgendes: M. wohnte ständig bei seinen Eltern in V, wo er auch polizeilich gemeldet war. Hier hatte er sein eigenes Zimmer und wurde von seiner Mutter versorgt. In den Jahren 1961/1962 arbeitete er in C, ab Mai 1962 bei einem holzverarbeitenden Betrieb in S. Die Wege zwischen seiner Wohnung und seinen Arbeitsstätten legte M. regelmäßig mit seinem Fahrrad zurück.

Die Klägerin zu 1), die als Zwirnerin bei einer Weberei in D tätig ist, wohnte bei ihren Eltern in D. Sie hatte ihren Ehemann Weihnachten 1961 kennengelernt und war im Zeitpunkt des Unfalls im 4. Monat schwanger. Die standesamtliche Trauung, von der die Eltern des M. nichts wußten, hatte am 19. Mai 1962 stattgefunden. Die Eltern des M. wurden hiervon erst am 20. Mai 1962 unterrichtet.

Am Freitag, den 18. Mai 1962 fuhr M. abends von der elterlichen Wohnung in V zur Klägerin zu 1) nach D und hielt sich dort bis zum Sonntagabend (20. Mai 1962) auf. Er schlief in der Nacht vom Sonntag auf Montag wieder zu Hause bei seinen Eltern und fuhr am Montagmorgen - wie üblich - mit seinem Fahrrad zur Arbeitsstätte in S. Nach Beendigung seiner Arbeitszeit - die bis 17,15 Uhr gedauert hatte - fuhr er am 21. Mai 1962 in seinem Arbeitszeug mit seinem Fahrrad nach L. Dort traf er auf der Straße den Zimmererlehrling G M der im gleichen Betrieb in S als Umschüler beschäftigt war. M wohnte in S und war mit dem Motorrad seines Bruders zur Arbeit gefahren. Gemeinsam gingen beide in L in eine Gastwirtschaft, wozu M. aus Anlaß seiner Heirat eingeladen hatte. Anschließend bat M., ihn mit dem Motorrad nach L - 8 km südlich V - zu bringen. Dort besichtigte er eine Wohnung, die er mieten wollte. Gegen 20.00 Uhr fuhren beide von L weiter nach D - 10,7 km westlich L - und suchten die Klägerin zu 1) in der Wohnung ihrer Eltern auf. Zu dieser Fahrt hatte M. den M überredet, weil er seine Ehefrau - die Klägerin zu 1) - von dem Ergebnis der Wohnungsbesichtigung unterrichten wollte. Nachdem beide dort Abendbrot gegessen und alkoholische Getränke verzehrt hatten, wollte M gegen 24.00 Uhr nach Hause fahren. Weil M jedoch infolge Alkoholgenusses nicht mehr fahrtüchtig erschien, schliefen M und M. auf Anraten der Klägerin zu 1) im Hause der Schwiegereltern des M. und traten die Rückfahrt erst am 22. Mai 1962 morgens gegen 5.00 Uhr an. Zwischen D und L kam M gegen 5.20 Uhr mit seinem Motorrad zu Fall. Hierbei erlitt M. tödliche Verletzungen. Durch Urteil des Schöffengerichts V wurde M wegen fahrlässiger Tötung zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt.

Die Arbeit des M. sollte an diesem Morgen um 7.00 Uhr wieder auf der Arbeitsstätte beginnen. Wie M bei seiner Vernehmung durch einen Beauftragten der Beklagten am 28. Mai 1962 angab, hatte er M., ohne in V bei dessen Wohnung vorbeizufahren, bis nach L - 2 km von S - bringen wollen, wo dessen Fahrrad stehen geblieben war. M mußte 7.50 Uhr am Berufsschulunterricht in L teilnehmen, wollte aber vorher noch zu seiner Wohnung in S fahren, sich umziehen und anschließend für seine Fahrt nach L den Bus benutzen.

Die Beklagte lehnte die Entschädigungsansprüche durch Bescheid vom 8. November 1962 ab und begründet das ua wie folgt: Der Mittelpunkt des Lebens sei für den Verunglückten noch die elterliche Wohnung in V gewesen. Der Weg zur Arbeitsstätte müsse mit einer versicherten Tätigkeit in innerem Zusammenhang stehen. Ein Weg, dessen Ziel die Arbeitsstätte sei, stehe nicht unter Versicherungsschutz, wenn es sich um einen Rückweg von einer Verrichtung handele, die mit der versicherten Tätigkeit nicht in rechtlich wesentlichem Zusammenhang stehe. Die Fahrt nach L zur Besichtigung der Wohnung und anschließend nach D zur Besprechung mit der Ehefrau, sei ausschließlich durch Gründe veranlaßt, die dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzurechnen seien. Der Rückweg teile das rechtliche Schicksal des Hinweges.

Die Klage gegen diesen Bescheid hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg durch Urteil vom 24. März 1964 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ua ausgeführt: Die Wohnung der Klägerin zu 1) sei für ihren Ehemann im Zeitpunkt des Unfalls nicht der Mittelpunkt des Lebens gewesen. Die Besuchsfahrt nach D habe rein privaten Charakter gehabt und mit der versicherten Tätigkeit nicht in einem ursächlichen Zusammenhang gestanden. Deshalb habe auch der Rückweg am anderen Morgen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Auf die Berufung der Kläger gegen dieses Urteil hat das LSG Niedersachsen durch Urteil vom 14. April 1965 das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Klägern Hinterbliebenenrenten zu gewähren. Die Revision ist vom LSG zugelassen worden.

Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: M. habe sich von D aus, ohne dabei die elterliche Wohnung in V aufzusuchen, unmittelbar zur Arbeitsstätte in S. begeben wollen. Es sei hinreichend glaubhaft, daß M. in der letzten Zeit vor der Trauung nicht nur über das Wochenende, sondern regelmäßig mehrere Tage in der Woche die Klägerin zu 1) in ihrer Wohnung aufgesucht und bei ihr übernachtet habe. Anfangs- und Endpunkt der Wege nach und von der Arbeitsstätte (§ 543 RVO aF) sei zwar in der Regel die Wohnung des Versicherten. Wenn der Weg von einem anderen Ort aus begonnen werde, dürfe dieser Ort nicht wesentlich weiter entfernt als der normale Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte sein. Es könne jedoch unentschieden bleiben, ob der Weg nach S deshalb nicht versichert gewesen sei, weil dieser Weg nicht von Vechta, sondern von dem erheblich weiter entfernt liegenden Ort D angetreten worden sei, denn die Entfernung spiele nur dann eine Rolle, wenn es sich um einen nach § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO aF versicherten Weg gehandelt hätte. Die Entfernung sei ohne Bedeutung bei einem Weg von der Familienwohnung (§ 543 Abs. 1 Satz 2 RVO aF); "Familienwohnung" sei die Wohnung, die für längere Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse bilde und der Begriff der Familienwohnung werde weitgehend durch psychologische Merkmale mitbestimmt. Die Wohnung der Klägerin habe im Zeitpunkt des Unfalls des M. den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse gebildet. Dabei sei es ohne Bedeutung, daß bis zum Sonnabend vor dem Unfall eine standesamtliche Trauung noch nicht stattgefunden hatte, keine eigene Wohnung vorhanden war und auch in der Wohnung der Schwiegereltern keine Vorbereitungen für einen gemeinsamen Haushalt für die jungen Eheleute getroffen worden seien. Entscheidend sei, daß M. die Klägerin auch schon vor der Eheschließung regelmäßig und nicht nur zu den Wochenenden, sondern auch häufig in der Woche besucht und dort geschlafen habe, wie es das enge Verhältnis zwischen jungen Braut- und Eheleuten mit sich bringe. Die Häufigkeit dieser Besuche, die sich infolge des Widerstandes der eigenen Eltern gegen eine eheliche Verbindung mit der Klägerin ausschließlich im Hause der Schwiegereltern abgespielt hätten, zeige, daß M. nicht nur wie ein Familienmitglied behandelt worden sei und davon auch häufig Gebrauch gemacht habe, sondern daß er auch einen wesentlichen Teil seiner Freizeit in D verbracht habe. Daß er sich dort wie zu Hause gefühlt habe, zeige nicht zuletzt der Umstand, daß er am 21. Mai 1962 unerwartet bei seiner Frau erschien und dabei sogar noch einen Gast mitgebracht habe. Diese Tatsachen ließen nach der Überzeugung des Senats nur den Schluß zu, daß die Wohnung der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des M. gewesen sei und daher auch als Familienwohnung im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 2 RVO aF anzusehen sei. Ob die Wohnung des M. bei seinen Eltern in V gleichfalls Familienwohnung gewesen sei, könne dahingestellt bleiben.

Die Beklagte, der dieses Urteil am 19. Mai 1965 zugegangen ist, hat dagegen am 12. Juni 1965 Revision eingelegt und sie nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 19. August 1965 am 26. Juni 1965 begründet.

Sie beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Zurückweisung der Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Kläger sind in dem Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten (§ 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) vertreten gewesen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG).

II

Die Berufung der Beklagten ist durch Zulassung statthaft. Sie ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsfrist begründet worden und somit zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG).

Nach den Feststellungen des LSG, die insoweit von der Revision nicht mit begründeten Rügen angegriffen worden sind (vgl. § 163 SGG), wollte der Fahrer des Motorrads, G M, den Ehemann der Klägerin unmittelbar - d. h. ohne einen Umweg über die Wohnung der Eltern des M. in V - nach L bringen, damit M. von dort aus mit dem am vorangegangenen Nachmittag zurückgelassenen Fahrrad zu der nur noch 2 km entfernten Arbeitsstelle in S fahren und um 7.00 Uhr mit der Arbeit beginnen konnte. Die Fahrt, auf der sich bereits kurz nach dem Beginn der Unfall ereignet hat, stand insofern mit der versicherten Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin in ursächlichem Zusammenhang, als das Ziel der Fahrt durch die Arbeitsstätte bestimmt war und auch der Zeitpunkt der Fahrt neben anderen Umständen vom Beginn der Arbeitszeit abhing. Andererseits war aber der Ausgangspunkt der Fahrt und damit ihre Länge durch das Übernachten in der elterlichen Wohnung der Klägerin, d. h. durch Umstände bestimmt, die dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Ehemannes der Klägerin zuzurechnen sind. Zur Begründung des Versicherungsschutzes nach § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO aF (jetzt § 550 RVO) genügt aber, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, der durch das Ziel der Fahrt gegebene ursächliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit allein nicht. Andererseits ist aber dieser Versicherungsschutz nicht auf Fahrten zur Arbeitsstätte beschränkt, die von der ständigen Wohnung aus begonnen werden. Bei Fahrten, die - aus dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnenden Gründen - von einem anderen Ort als der ständigen Wohnung aus beginnen, kann aber ein Versicherungsschutz nur bejaht werden, wenn der durch diesen Ausgangspunkt bedingte Weg zur Arbeitsstätte, sich hinsichtlich der Länge und sonstigen Umstände von dem üblicherweise zurückgelegten Weg nicht so wesentlich unterscheidet, daß er zu ihm nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis steht (vgl. SozR Nr. 32 zur RVO § 543 aF, BSG 22, 60).

Das Übernachten in D. hatte, wie die Revision zutreffend ausgeführt hat, zur Folge, daß der Ehemann der Klägerin statt des Weges von der elterlichen Wohnung in V nach S von D aus einen um die gesamte Entfernung von D über L nach V, d. h. um mehr als das Doppelte des üblichen Weges verlängerten Weg zurücklegen mußte. Ob diese durch dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnenden Gründe verursachte Verlängerung des Weges auf etwa das Dreifache es ausschließt, den von D aus angetretenen Weg dem Weg von Vechta aus gleichzustellen und auch für die nur durch das Übernachten in D notwendig gewordene Fahrt von D bis V den ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ohne weiteres zu bejahen, hat das LSG unentschieden gelassen. Es hat mit Recht geprüft, ob die Wohnung der Eltern der Klägerin für den Ehemann die "Familienwohnung" war. Diese Frage hat auch für die Anwendung des Satzes 1 des § 543 Abs. 1 RVO aF Bedeutung; denn seit der Einfügung des § 545 a in die RVO - durch Art. 2 des 2. Änderungsgesetzes vom 14. Juli 1925 - ist jedenfalls für die unmittelbaren Wege zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte die Lage der Wohnung als tatsächliche Gegebenheit hinzunehmen. Auch wenn die Gründe für die Wahl der Wohnung ausschließlich dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind, ist eine rechtliche Wertung dieser Gründe in einem solchen Regelfall nicht erforderlich. Für die Bejahung des rechtlich-wesentlichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte und der versicherten Tätigkeit genügt vielmehr die durch das Ziel der Fahrt, d. h. durch die Lage der Arbeitsstätte und den Beginn der Arbeitszeit, gegebene ursächliche Verknüpfung (vgl. BSG 25, 93, 95; auch 2, 78).

Die äußere Gestaltung der Verhältnisse, auf die sich die Revision in erster Linie beruft, gibt allerdings, wie das LSG nicht verkannt hat, kein klares Bild davon, wo sich im Unfallzeitpunkt der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Ehemannes der Klägerin befand. M. hatte in der Wohnung seiner Eltern noch ein Zimmer als Schlafraum zur Verfügung, das er auch in der Nacht zum Montag (21. Mai 1962) noch benutzt hatte, und er konnte sich in dieser Wohnung noch versorgen und verpflegen lassen. Andererseits hatte M. jedoch in der letzten Zeit vor der Eheschließung die Klägerin nicht nur jeweils über das Wochenende sondern auch regelmäßig mehrere Tage in der Woche aufgesucht und bei ihr in der Wohnung ihrer Eltern übernachtet.

Letztere Feststellung ist zwar von der Revision angegriffen; die Rügen sind jedoch nicht ausreichend, um die Bindung des Revisionsgerichts an diese Feststellung (§ 163 SGG) zu beseitigen. Die Revision weist zwar an sich zutreffend auf die weniger ausführlichen Angaben der Klägerin und die sehr zurückhaltenden Äußerungen der Eltern des Ehemannes im Feststellungsverfahren der Beklagten hin. Die Revisionsbegründung hat sich jedoch mit den eingehenden Ausführungen der Klägerin bei der Anhörung durch den Vorsitzenden der Kammer des SG am 14. Januar 1964 nicht auseinandergesetzt. In der Revisionsbegründung sind keine tatsächlichen Behauptungen vorgetragen worden, aus denen sich schlüssig ergibt, daß das LSG die gesetzlichen Grenzen des Rechts der freien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 128 SGG) überschritten hätte, indem es diese Angaben der Klägerin seinen Feststellungen als glaubwürdig zugrunde gelegt hat.

Eine "Wohnung" für die jungen Eheleute im eigentlichen Sinne war in keiner der beiden elterlichen Wohnungen vorhanden oder auch nur vorbereitet. Die durch die Eheschließung eingeleitete neue Entwicklung, die zum Mieten einer eigenen Wohnung führen sollte, ist durch den Tod des M. abgeschnitten worden. Das LSG hat deshalb mit Recht die psychologischen Gegebenheiten dieses Sonderfalls als entscheidendes Merkmal dafür angesehen, wo sich - im Zeitpunkt des Unfalls - die den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse bildende "Familienwohnung" des Ehemannes der Klägerin befand (vgl. BSG 5, 165; SozR Nr. 17 und Nr. 24 zu RVO § 543 aF).

Dabei ist nach der Auffassung des erkennenden Senats von besonderer Bedeutung, daß die Beziehungen des M. zur Klägerin, die von ihm ein Kind erwartete, durch die Eheschließung am Sonnabend vor dem Unfall (19. Mai 1962) eine festigende bürgerlich-rechtliche Grundlage erhalten hatten. Im übrigen hat das LSG zutreffend die häufigen mit einer Übernachtung verbundenen Besuche des M. in der elterlichen Wohnung der Klägerin und den Umstand berücksichtigt, daß gegenüber den eigenen Eltern durch deren Widerstand gegen die Beziehungen zur Klägerin eine Spannung entstanden war, die M. sogar veranlaßt hatte, die standesamtliche Eheschließung zunächst vor seinen Eltern geheim zu halten. Daß M. am Montagabend (21. Mai 1962) ohne vorherige Ankündigung einen Gast in die Wohnung seiner Schwiegereltern mitbrachte, der dann sogar dort übernachtete, läßt, wie das LSG dargelegt hat, den Schluß zu, daß M. sich in der Wohnung seiner Schwiegereltern "wie zu Hause" fühlte.

Auch nach der Auffassung des erkennenden Senats rechtfertigen diese Umstände den rechtlich wertenden Schluß des LSG, daß die elterliche Wohnung der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls auch für ihren Ehemann der Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse gewesen ist. Der Unfall des Ehemanns der Klägerin auf dem von der Wohnung in D aus angetretenen Weg zur Arbeitsstätte am 22. Mai 1962 gilt nach § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO aF als Arbeitsunfall.

Das LSG hat somit im Ergebnis zutreffend die Beklagte zur Gewährung von Hinterbliebenenrenten an die Kläger verurteilt. Die Revision der Beklagten ist unbegründet und war zurückzuweisen (§ 170 SGG).

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens ergeht aufgrund von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324382

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