Beteiligte
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 29. Februar 1984 für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 1982 aufgehoben. Die Klage wird.. |
Tatbestand
I
Streitig ist die Genehmigung einer Satzungsänderung.
Die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) beschloß am 11. Dezember 1979 einen Nachtrag Nr. 3 zu ihrer Satzung, wonach mit Wirkung ab 1. Januar 1980 eine Staffelung (abgestufte Herabsetzung) der Beiträge für pflichtversicherte Personen, die im Krankheitsfalle eine Lohnfortzahlung über sechs Wochen hinaus - für 13 oder 26 Wochen - erhalten, vorgesehen ist.
Mit Bescheid vom 24. September 1980 lehnte das beklagte Oberversicherungsamt (OVA) die Genehmigung der Satzungsänderung ab, weil sie gegen § 385 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) i. d. F. des Art. II Nr. 1 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) verstoße.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg; der Beklagte wurde verurteilt, den Nachtrag Nr. 3 zur Satzung der Klägerin zu genehmigen. Zur Begründung hat das Sozialgericht (SG) im wesentlichen ausgeführt, die vorgesehene Staffelung der Beiträge für Pflichtversicherte, die im Krankheitsfall eine Lohnfortzahlung für mehr als sechs Wochen erhielten, sei gesetzlich nicht ausgeschlossen und könne im Rahmen der Satzungsautonomie der Klägerin beschlossen werden. Mit § 385 Abs. 1 Satz 4 RVO habe der Gesetzgeber eine zwingende Beitragserhöhung nur für diejenigen Versicherten vorgeschrieben, die im Falle der Arbeitsunfähigkeit ein Arbeitsentgelt nicht für mindestens sechs Wochen weiter erhielten. Da das Wort "mindestens" nur den Personenkreis eingrenze, der für weniger als sechs Wochen Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle erhalte, sei eine Beitragsstaffelung nur für diesen Personenkreis ausgeschlossen. Hingegen stehe § 385 Abs. 1 Satz 4 RVO einer Staffelung dann nicht entgegen, wenn Versicherte im Falle der Arbeitsunfähigkeit ihr Arbeitsentgelt für länger als sechs Wochen, z. B. für 13 oder 26 Wochen weiter erhielten. Für diese Gruppe ergäben sich gravierende Unterschiede in der Höhe der Leistungen, die der Versicherungsträger im Falle der Arbeitsunfähigkeit aufzuwenden habe. Deshalb könne der Krankenversicherungsträger für sie im Rahmen seiner Satzungsautonomie und unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit unterschiedliche Beitragssätze beschließen.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 385 Abs. 1 Satz 4 RVO i. d. F. des Art. II § 1 Nr. 1 SGB IV. Aus dessen eindeutigem Wortlaut ergebe sich, daß für Pflichtversicherte nur die Festsetzung eines allgemeinen und eines erhöhten Beitrages zulässig sei. Gestützt werde diese Auffassung auch dadurch, daß die frühere Vorschrift des § 189 Abs. 1 Satz 2 RVO, die eine Differenzierung der Beitragssätze je nach Dauer der Entgeltfortzahlung zugelassen habe, inzwischen ersatzlos gestrichen worden sei. Der Gesetzgeber habe somit nach § 385 Abs. 1 RVO eine Abweichung von dem allgemeinen Beitragssatz nur für den Fall zugelassen, daß kein Entgeltfortzahlungsanspruch für mindestens sechs Wochen bestehe. Da sonst der Gesetzgeber stets die Festsetzung besonderer Beitragssätze ausdrücklich vorgeschrieben oder zugelassen habe (vgl. §§ 215 Abs. 3, 313 Abs. 4 Satz 4, 313 Abs. 5 Satz 4, 494 Satz 2 RVO), müsse davon ausgegangen werden, daß eine Kürzung des allgemeinen Beitragssatzes für den Fall einer längeren Entgeltfortzahlungsdauer einer ausdrücklichen Zulassung bedurft hätte.
Der Beklagte beantragt,unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 1982 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,die Sprungrevision des Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, es könne im Hinblick auf die Ruhenswirkung des § 189 RVO nicht unbeachtet bleiben, daß in den letzten Jahren Arbeitgeber vermehrt dazu übergegangen seien, auch Arbeitern für länger als sechs Wochen tarifvertraglich oder im Rahmen des Arbeitsvertrages Lohnfortzahlungsansprüche einzuräumen. Deshalb bedürfe § 385 RVO einer verfassungskonformen Auslegung dahin, daß eine Staffelung bzw. Herabstufung der Beiträge je nach der Dauer der gewährten Lohnfortzahlung zulässig sei.
II
Die Revision des beklagten OVA, das gemäß § 70 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu den kraft Landesrecht beteiligungsfähigen Behörden gehört (§ 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Lande Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 1974, GVOBl. NW S. 1588), ist begründet. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es der Klage zu Unrecht stattgegeben hat.
Die Klage ist auch insoweit zulässig, als mit ihr über die Aufhebung des Versagungsbescheides des beklagten OVA hinaus die Verpflichtung dieser Behörde begehrt wird, die Änderung der Satzung der Klägerin zu genehmigen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in der Versagung der Genehmigung ein Verwaltungsakt als Rechtsanwendungsakt zu sehen ist, gegen den eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG erhoben werden könnte, oder ob darin eine Mitwirkung bei der autonomen Rechtssetzung liegt, die mit einer allgemeinen Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG anfechtbar wäre (vgl. BSGE 29, 21, 23 m. w. N.; 31, 247, 249; 37, 272, 274; 39, 72, 74). Auch mit der Aufsichtsklage kann nicht nur die Aufhebung einer belastenden, sondern auch die Vornahme einer begünstigenden Aufsichtsanordnung - die Erteilung einer Genehmigung - begehrt werden, wenn die Aufsichtsbehörde diese abgelehnt hat und der Versicherungsträger geltend macht, daß er auf Vornahme dieses Aktes einen Rechtsanspruch habe (vgl. BSGE 29, 21, 24).
Das beklagte OVA durfte der Satzungsänderung der Klägerin die nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB IV i. V. m. § 324 Abs. 1 Satz 1 RVO erforderliche Genehmigung versagen, weil diese Änderung nicht den gesetzlichen Vorschriften genügt (§ 324 Abs. 2 RVO). Die im Satzungsnachtrag Nr. 3 mit Wirkung vom 1. Januar 1980 vorgesehene Stufung des Beitragssatzes für Pflichtversicherte, die für mehr als sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle habe, verstößt gegen § 385 Abs. 1 RVO, der hier in der seit dem 1. Januar 1980 geltenden Fassung durch das Gesetz über die Verwaltung der Mittel der Träger der Krankenversicherung vom 15. Dezember 1979 -KVMG- (BGBl. I S. 2241) anzuwenden ist. Die Befugnis zur Genehmigung der Satzung oder ihrer Änderung umfaßt nach § 385 Abs. 5 RVO auch die Beurteilung, ob der Beitragssatz den Voraussetzungen des § 385 Abs. 1 RVO entspricht.
Nach dessen Satz 1 sind die Beiträge zur Krankenversicherung in Hundertsteln des Grundlohns (Beitragssatz) zu erheben und die Beitragssätze der Kasse nach Maßgabe der Sätze 2 und 3 grundsätzlich so festzusetzen, daß die Einnahmen die gesetzlich vorgesehenen und zulässigen Ausgaben decken und die erforderlichen Betriebsmittel und Rücklagen sicherstellen. Nach Satz 4 des § 385 Abs. 1 RVO ist der Beitragssatz des Satzes 1 für Versicherte, die bei Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts für mindestens sechs Wochen haben, entsprechend zu erhöhen. Diese Vorschrift regelt eine Ausnahme von dem Grundsatz einheitlicher Beitragssätze für alle Versicherten einer Krankenkasse in § 385 Abs. 1 Satz 1 RVO. Soweit eine solche Ausnahme im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, bleibt es deshalb bei der Maßgeblichkeit des allgemeinen Beitragssatzes. Eine Herabsetzung des Beitragssatzes, wie ihn die Klägerin für Pflichtversicherte mit länger als sechs Wochen dauernder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle vorsieht, ist deshalb nach § 385 Abs. 1 RVO ausgeschlossen, weil für sie eine Abweichung von § 385 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht zugelassen ist. Diese gesetzliche Festlegung ist zwingendes Recht. Zwar werden die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung durch die Selbstverwaltungsorgane der einzelnen Kassen festgelegt. Die Festsetzung des Beitragssatzes erfolgt durch die Satzung, die nach § 321 Nr. 3 RVO über die Höhe der Beiträge bestimmt. Die danach den Krankenkassen bei der Bemessung der Beitragssätze zustehende. Gestaltungsfreiheit besteht aber nur innerhalb des durch § 385 Abs. 1 RVO gesetzlich vorgegebenen Rahmens. Dieser läßt eine Differenzierung des Beitragssatzes nach der Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle nur für den Personenkreis des § 385 Abs. 1 Satz 4 RVO zu. Diese Regelung ist abschließend, wie sich aus Systematik, Entstehungsgeschichte und Sinn des Gesetzes ergibt.
Nach der Systematik des Gesetzes gibt es für die Krankenkassen des § 225 RVO (RVO-Kassen) zwei Kategorien von Beitragssätzen, nämlich den allgemeinen Beitragssatz des § 385 Abs. 1 Satz 1 RVO, der nach den generellen Maßstäben der Sätze 2 und 3 dieser Bestimmung festzusetzen ist und grundsätzlich für alle Versicherten der Krankenkasse gilt, und besondere Beitragssätze, wie sie etwa für die Versichertengruppe des § 385 Abs. 1 Satz 4 RVO, aber auch in anderen Fällen ausdrücklich zugelassen oder vorgeschrieben sind, z. B. in §§ 209a, 215 Abs. 3, 313 Abs. 4 Satz 4, 313 Abs. 5 Satz 4, 384, 494 Satz 2 RVO. Daß es sich hierbei um ein abgeschlossenes System von Regel und Ausnahmen handelt, ergibt sich insbesondere daraus, daß der Gesetzgeber auch diejenigen Fälle normiert hat, in denen er Abstufungen des allgemeinen Beitragssatzes zuläßt bzw. den Krankenkassen abweichende Regelungen freistellt (z. B. §§ 313 Abs. 4 Satz 4, 384 RVO). Hätte er - wovon die Klägerin ausgeht - in allen Fällen, in denen Differenzierungen des allgemeinen Beitragssatzes nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind, diese zulassen wollen, hätte es der vorgenannten Regelungen nicht bedurft. Daß der Gesetzgeber im übrigen eine bewußte Unterscheidung zwischen allgemeinem Beitragssatz und den davon zugelassenen Ausnahmen getroffen hat, ergibt sich nunmehr auch aus der ab 1. Januar 1983 geltenden Fassung des § 385 Abs. 1 Satz 4 RVO durch das Rentenanpassungsgesetz 1982 (RAG) vom 1. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1205), in der es ergänzend heißt, daß der "nach Satz 1 festgesetzte allgemeine" Beitragssatz entsprechend zu erhöhen ist. Diese Ergänzung sollte die Verwendung des Begriffs "allgemeiner Beitragssatz" ermöglichen (BT-Drucks. 9/458, S. 36), wie er etwa in der Neuregelung des § 385 Abs. 2a RVO gebraucht ist. Damit ist - auch bezüglich des bisherigen Rechtszustandes - klargestellt, daß (auch) Satz 4 eine Ausnahme von dem Regelbeitragssatz des Satzes 1 normiert. Dieser ist prinzipiell für alle Versicherten einer Krankenkasse maßgebend, soweit nicht das Gesetz eine Differenzierung für besondere Personengruppen oder nach bestimmten Kriterien ausdrücklich zuläßt oder vorschreibt. Da für die Pflichtversicherten, die für längere Dauer als sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle haben, eine dem Satz 4 entsprechende Ausnahmeregelung fehlt, die eine Differenzierung (Herabsetzung) des Beitragssatzes zuläßt, ist sie schon deshalb - aus systematischen Gründen - ausgeschlossen. Für sie kann vielmehr in der Satzung nur der allgemeine Beitragssatz des § 385 Abs. 1 Satz 1 RVO vorgesehen werden.
Dieses Ergebnis wird insbesondere durch die Entstehungsgeschichte der Beitragsbemessungsvorschriften bestätigt. Bis zum 1. Januar 1970 hatten Versicherte regelmäßig keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung, so daß der sofortige Anspruch auf Kranken- oder Hausgeld das typische Barleistungsrisiko der gesetzlichen Krankenversicherung darstellte. Dementsprechend war auch der allgemeine Beitragssatz, der nach § 385 Abs. 1 Satz 1 (jetzt Satz 2) RVO so zu bemessen war, daß er für die zulässigen Kassenausgaben ausreichte, auf dieses typische Barleistungsrisiko abgestellt; für Versicherte, denen seinerzeit während der Krankheit Arbeitsentgelt fortgezahlt wurde und deren Krankengeld während der Entgeltfortzahlung nach § 189 Abs. 1 Satz 1 RVO a. F. ruhte, schrieb § 189 Abs. 1 Satz 2 RVO a. F. vor, daß für sie die Beiträge entsprechend zu ermäßigen waren. Diese Rechtslage hat sich mit der Einführung der Weiterzahlung des Arbeitsentgelts im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für Arbeiter durch das "Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle -LFZG- und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung" -KVÄndG- vom 27. Juli 1969 (BGBl. I S. 946), das mit den hier einschlägigen Vorschriften am 1. Januar 1970 in Kraft getreten ist, wesentlich geändert. Das bisherige Verhältnis von Regel und Ausnahme hat sich dahin umgekehrt, daß den Regelfall nunmehr der Versicherte mit Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für mindestens sechs Wochen darstellt, während der Versicherte mit vor Ablauf von sechs Wochen einsetzendem Anspruch auf Barleistungen zum Ausnahmefall geworden ist. Damit hat sich auch die Bedeutung des § 385 Abs. 1 Satz 1 RVO geändert. Während vorher der "allgemeine Beitragssatz" am Risiko des Versicherten mit sofortigem Anspruch auf Barleistungen orientiert war, ist nunmehr das typische Risiko der Versicherte mit einem Barleistungsanspruch erst nach Ablauf von mindestens sechs Wochen, entspricht also praktisch dem ermäßigten Beitragssatz des früheren Rechts. Daraus erklärt sich die mit dem KVÄndG eingefügte Neuregelung des § 385 Abs. 1 Satz 4 RVO. Diese Bestimmung, die an die Stelle des weggefallenen § 189 Abs. 1 Satz 2 RVO getreten ist, regelt - gleichsam mit umgekehrten Vorzeichen -, daß für Versicherte, die abweichend vom Regelfall bei Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für mindestens sechs Wochen haben, der Beitrag entsprechend zu erhöhen ist (BSGE 35, 39, 41). Diese Regelung war erforderlich, weil die letztgenannte Gruppe - namentlich die kurzfristig oder geringfügig beschäftigten Arbeiter (§ 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 LFZG), die nach der Art ihres Arbeitsverhältnisses grundsätzlich von der gesetzlichen Lohnfortzahlung ausgeschlossen sind - gegenüber der typischen Risikogruppe der Krankenversicherung, die einen Entgeltfortzahlungsanspruch für mindestens sechs Wochen hat, ein erhöhtes Risiko bedeutet; denn sie erhalten regelmäßig schon vor Beginn der siebten Woche Barleistungen und sind dazu noch entsprechend länger als die Regelgruppe beitragsfrei.
Bezieht sich mithin der allgemeine Beitragssatz des § 385 Abs. 1 Satz 1 RVO auf. die Regelgruppe der Versicherten, die bei Arbeitsunfähigkeit Barleistungen nicht vor Ablauf von 6 Wochen erhalten, weil sie einen Entgeltfortzahlungsanspruch für mindestens sechs Wochen haben, ist es ausgeschlossen, für Versicherte mit länger als sechs Wochen dauerndem Arbeitsentgeltfortzahlungsanspruch besondere - einheitliche oder gestufte - Beitragssätze festzusetzen (so auch Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 73. Nachtrag, § 385 Anm. 2; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, § 385 Anm. 2.2., Stand April 1980). Denn diese Personengruppe, für die eine Ausnahmeregelung im Gesetz nicht enthalten ist, bildet - wie sich dem Wort "mindestens" in § 385 Abs. 1 Satz 4 RVO entnehmen läßt - mit denjenigen, die kraft Gesetzes einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die gesetzliche Sechswochenfrist haben (§ 1 Abs. 1 LFZG) eine Gruppe, für die der allgemeine Beitragssatz gilt. Eine gesetzliche Regelungslücke, die es dem Richter erlaubte, für diese Gruppe eine Privilegierung außerhalb des gesetzlich geregelten Beitragssystems zu begründen, besteht nicht.
Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, daß vereinbarte Gehaltsfortzahlungsansprüche für längere Fristen - z. B. 13 oder 26 Wochen - das Barleistungsrisiko der Krankenkasse verminderten (§ 189 RVO) und deshalb auch für diese Gruppen eine Herabstufung des Beitragssatzes im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 385 RVO als zulässig angesehen werden müsse. Damit verkennt die Klägerin, daß der Gesetzgeber die Gestaltung des allgemeinen Beitragssatzes an den typischen Risiken orientiert und bei dieser Typisierung auf die gesetzlich vorgegebene Rechtslage abstellen darf, wonach Arbeitnehmern allgemein ein gesetzlicher Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit "bis zur Dauer von sechs Wochen" bzw. "für sechs Wochen" eingeräumt wird (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 LFZG für Arbeiter; § 616 Abs. 1, 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB- für Angestellte). Daß in Abweichung von dieser gesetzlichen Dauer der Entgeltfortzahlung, die das Gesetz selbst zuläßt (vgl. §§ 2 Abs. 3, 9 LFZG; § 616 Abs. 2 BGB), die verschiedenartigsten vertraglichen, insbesondere tarifvertraglichen Regelungen getroffen werden, die sich auf eine Weiterzahlung des Gehalts bzw. Lohns im Krankheitsfalle über sechs Wochen hinaus erstrecken, rechtfertigt - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - keine andere Beurteilung. Es handelt sich nämlich hierbei im Hinblick auf die Ruhenswirkung des § 189 RVO - um individuelle Verschiedenheiten des leistungsrechtlichen Risikos, die nach den Grundsätzen der Beitragsgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung prinzipiell - von gesetzlich geregelten Ausnahmen abgesehen - unberücksichtigt bleiben. Grundsätzlich richtet sich die Höhe der Beiträge nicht nach dem zu versichernden individuellen Risiko, sondern nur nach der Höhe des Entgelts des Versicherten, d. h. nach der Höhe seiner finanziellen Leistungsfähigkeit. Deshalb sind die Beiträge gemäß § 385 RVO zwar nach den verschiedenen Grundlöhnen, von diesen aber grundsätzlich nach gleichen Prozentsätzen zu erheben. Individuelle Verschiedenheiten bzw. Risikofaktoren, z.B. die Erkrankungsgefahr, der Gesundheitszustand, Geschlecht, Familienstand und Alter der Versicherten dürfen nicht zu einer Abstufung der Beiträge führen. Dies entspricht dem sozialen Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung, den Versicherungsschutz auch denjenigen Versicherten, die schon bei ihrem Eintritt eine erhöhte Belastung darstellen, ihre volle solidarische Hilfe (gegen Beiträge, die nur am Maß ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit bemessen sind) zur Verfügung zu stellen. Um diese - schlechten - Risiken zu finanzieren, bedarf es - jedenfalls bei Pflichtversicherten - eines einheitlichen, allgemeinen Maßstabes der Beitragsbemessung, der auch die sogenannten guten Risiken voll - d. h. ohne Rücksicht darauf, daß sie für die Krankenkasse ein vom typischen Risiko abweichendes, nur vermindertes Leistungsrisiko darstellen - mit Beiträgen entsprechend ihrem Entgelt belastet. Der Grundsatz der einheitlichen Beitragsbemessung, der als Ausdruck des Prinzips des sozialen Ausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung seine Rechtfertigung im Sozialstaatsprinzip findet, läßt deshalb auch eine Anpassung des Beitragssatzes an den Wert der im Versicherungsfall zu gewährenden Leistungen prinzipiell - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - nicht zu (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, S. 364a, 46. Nachtrag). Schon nach diesen Prinzipien ist kein Grund ersichtlich, der die Zulassung einer Herabstufung des allgemeinen Beitragssatzes für Pflichtversicherte geboten erscheinen läßt, die aufgrund tariflicher Vertragsgestaltung für länger als sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle haben. Zwar ruht ihr Krankengeldanspruch gemäß § 189 RVO so lange, wie ihr Entgelt fortgezahlt wird, also bei entsprechend langer Arbeitsunfähigkeit auch über sechs Wochen hinaus. Dennoch zwingt diese Minderung des Barleistungsrisikos der Krankenkasse auch unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung nicht dazu, für diese Versicherten beitragsmäßig gegenüber denjenigen Versicherten, deren Entgeltfortzahlungsanspruch sich nach dem Gesetz auf sechs Wochen beschränkt, eine Entlastung vorzusehen. Ungeachtet der Frage, ob ein Beitragsbemessungssystem in der gesetzlichen (Pflicht-) Krankenversicherung, das sich aus Gründen des sozialen Ausgleichs grundsätzlich nur am Einkommen und nicht am Versicherungsrisiko des Versicherten orientiert, hinsichtlich unterschiedlicher Risikogruppen überhaupt an Art. 3 des Grundgesetzes (GG) gemessen werden kann, bedeutet es jedenfalls keine willkürliche Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte, wenn der Gesetzgeber aus eben diesen Gründen diejenigen Versicherten, die kraft Vertrages einen über die gesetzliche Sechswochenfrist hinausgehenden Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfalle haben, beitragsrechtlich mit denjenigen gleichbehandelt, die Entgeltfortzahlung nach dem Gesetz nur bis zu sechs Wochen erhalten. Hierbei kann offenbleiben, ob das verminderte Barleistungsrisiko der Krankenkasse bei Versicherten mit längerdauerndem Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber den Versicherten der letztgenannten Gruppe überhaupt nennenswert ins Gewicht fällt oder ob schon deshalb, weil die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nur in relativ begrenzter Zahl der Fälle die Sechswochenfrist überschreitet, eine Herabsetzung des Beitragssatzes für diese Gruppe ausgeschlossen ist. Jedenfalls hat sich der Gesetzgeber nach dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip in § 385 Abs. 1 RVO auf eine Regelung beschränken dürfen, die für die Pflichtversicherten mit Entgeltfortzahlungsanspruch für mehr als sechs Wochen eine Beitragsminderung nicht zuläßt. Eine willkürliche Ungleichbehandlung dieser Gruppe ergibt sich schließlich auch nicht im Vergleich zu denjenigen Versicherten, für die in Ausnahme von § 385 Abs. 1 Satz 1 RVO geminderte Beitragssätze zugelassen (oder vorgeschrieben) sind. Derartige Ausnahmen betreffen im wesentlichen nur die freiwillig Versicherten bzw. Weiterversicherten, deren Leistungsansprüche generell durch die Satzung eingeschränkt werden (§ 215 Abs. 3 RVO) oder zeitweise in vollem Umfang ruhen (§ 313 Abs. 4 und 5 RVO) oder diejenigen Versicherten, denen Krankengeld nicht gewährt wird, weil sie ohne Entgelt beschäftigt sind (§ 494 RVO).
Die beklagte Aufsichtsbehörde durfte nach allem der Satzungsänderung die Genehmigung verweigern, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.8 RK 13/82
Bundessozialgericht
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