Leitsatz (redaktionell)

1. Das Übergangsgeld an Stelle von Rente nach RVO § 1241 Abs 1 S 2 steht für Rechtsbeziehungen, bei denen es auf die Gewährung einer der in RVO § 1241 Abs 1 S 2 genannten Renten ankommt, der an sich zu gewährenden Rente gleich. Beginnt dieses Übergangsgeld früher als ein an demselben Versicherten gewährtes Krankengeld, findet demnach weder eine Kürzung des Krankengeldes statt noch geht der Anspruch auf Übergangsgeld an Stelle von Rente bzw die daran anschließende Rente insoweit auf die Kasse über. Wegen der engen Verknüpfung der Renten wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit mit dem vorgezogenen Übergangsgeld können die Leistungsverpflichtungen für die genannten Renten und das an ihre Stelle tretende vorgezogene Übergangsgeld nur einheitlich beurteilt und gehandhabt werden.

2. RVO § 183 Abs 5 ist nicht anzuwenden, wenn der während der Arbeitsunfähigkeit zugebilligten Rente wegen Berufsunfähigkeit ein vorgezogenes Übergangsgeld für eine Zeit vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bis zum Einsetzen der Berufsunfähigkeitsrente vorausging. Zur Anwendung des RVO § 183 Abs 5: 2. RVO § 183 Abs 5 ist nicht anzuwenden, wenn der während der Arbeitsunfähigkeit zugebilligten Rente wegen BU ein vorgezogenes Übergangsgeld für eine Zeit vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bis zum Einsetzen der Berufsunfähigkeitsrente vorausging.

 

Orientierungssatz

Das Übergangsgeld steht für Rechtsbeziehungen, bei denen es auf die Gewährung einer der in RVO § 1241 Abs 1 S 2 genannten Renten ankommt, der an sich zu gewährenden Rente gleich. Beginnt dieses Übergangsgeld früher als ein an denselben Versicherten gewährtes Krankengeld, findet demnach weder eine Kürzung des Krankengeldes statt noch geht der Anspruch auf Übergangsgeld insoweit auf die Kasse über (RVO § 183 Abs 5; ebenso Urteil BSG 1971-01-28 5 RKn 44/68 = BSGE 32, 186 = SOzR Nr 56 zu § 183 RVO -).

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12, Abs. 5 Fassung: 1961-07-12, § 1241 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 18 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 1. Juli 1965 und das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. November 1967 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Ehemann der Beigeladenen zu 1) und Vater der Beigeladenen zu 2), ... (L.), der 1965 verstorben ist, erkrankte am 25. September 1963 arbeitsunfähig. Bis einschließlich 5. November 1963 erhielt er von seiner Arbeitgeberin Lohn, ab 6. November 1963 von der klagenden Betriebskrankenkasse (BKK) Kranken- bzw. Hausgeld.

Die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) gewährte L. vom 25. September bis einschließlich 1. Oktober 1963 eine Heilbehandlung in Bad N und auf seinen Antrag vom 19. November 1963 durch Bescheid vom 15. April 1964 ab 2. Oktober 1963 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Durch Bescheid vom 8. Juni 1964 gewährte sie L. für die Zeit vom 1. September bis 24. September 1963 Übergangsgeld.

Am 28. April 1964 machte die BKK bei der LVA den Übergang der Rente gemäß § 183 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für die Zeit vom 6. November 1963 bis 27. April 1964 im Gesamtbetrag von 1375,60 DM geltend. Nachdem die LVA dieses Begehren abgelehnt hatte, rief die BKK das Sozialgericht (SG) an, das die LVA verurteilt hat, der BKK den Nachzahlungsbetrag der Rente wegen Berufsunfähigkeit des L. ab 2. Oktober 1963 bis 27. April 1964 zu zahlen. Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen; zur Begründung hat es ausgeführt, die Rente wegen Berufsunfähigkeit sei L. ab 2. Oktober 1963 zugebilligt, wenn auch erst ab 6. November 1963 ausbezahlt worden. Der Anspruch auf Krankengeld habe L. aber schon ab 26. September 1963 zugestanden. Der Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 26. September bis 5. November 1963 habe zwar gemäß § 189 Abs. 1 RVO geruht. Die Zeit "während des Bezugs von Krankengeld" im Sinne des § 183 Abs. 5 RVO umfasse aber auch die Zeiten des Ruhens. Da L. "während des Bezugs von Krankengeld" Rente wegen Berufsunfähigkeit zugebilligt worden sei, sei die Rentennachzahlung gemäß § 183 Abs. 5 RVO auf die Klägerin übergegangen. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, daß L. von der LVA vom 25. September bis 1. Oktober 1963 Heilbehandlungskosten erhalten habe. Während dieser Zeit habe L. gemäß § 1241 Abs. 3 RVO kein Übergangsgeld zugestanden, weil er in dieser Zeit das volle Arbeitsentgelt erhalten habe.

Gegen dieses Urteil hat die LVA die zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Anspruch des L. auf Krankengeld sei vom 26. September bis einschließlich 1. Oktober aufgrund des § 183 Abs. 6 RVO entfallen gewesen und hätte daher nicht gemäß § 189 RVO ruhen können. Bezug von "Krankengeld" im Sinne des § 183 Abs. 5 RVO sei daher erst ab 2. Oktober 1963 anzunehmen. Vom gleichen Tage an habe L. auch Rente wegen Berufsunfähigkeit zugestanden. § 183 Abs. 5 RVO könne aber dann nicht angewendet werden, wenn Rente und Krankengeld am selben Tage beginnen. Mithin sei die Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht "während des Bezuges von Krankengeld" zugebilligt worden.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Augsburg vom 1. Juli 1965 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil für zutreffend.

Alle Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision ist begründet.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 16. Dezember 1970 - 3 RK 31/67 - entschieden hat, steht das Übergangsgeld für Rechtsbeziehungen, bei denen es auf die Gewährung einer der in § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO genannten Renten ankommt, der an sich zu gewährenden Rente gleich. Beginnt dieses Übergangsgeld früher als ein an denselben Versicherten gewährtes Krankengeld, findet demnach weder eine Kürzung des Krankengeldes statt noch geht der Anspruch auf Übergangsgeld insoweit auf die Kasse über (§ 183 Abs. 5 RVO). In der genannten Entscheidung hat der Senat unter Bezugnahme auf das Urteil des 12. Senats des Bundessozialgerichts vom 22. April 1970 (SozR Nr. 19 zu § 1241 RVO) darauf hingewiesen, es sei zwar der Grundgedanke, bei der Gewährung von Übergangsgeld (§ 1241 Abs. 1 Satz 1 RVO) das Rentendenken bis zum Abschluß von Rehabilitationsmaßnahmen auszuschließen, in der Regelung des § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO nicht voll durchgeführt worden. Jedoch lägen jedenfalls Sinn und Zweck des § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO darin, daß das vorgezogene Übergangsgeld an die Stelle einer an sich zu zahlenden Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder einer erhöhten Rente nach § 1268 Abs. 2 Nr. 2 RVO trete. Wegen der engen Verknüpfung dieser Rentenformen mit dem vorgezogenen Übergangsgeld könnten die Leistungsverpflichtungen für die genannten Renten und das an ihre Stelle tretende vorgezogene Übergangsgeld nur einheitlich beurteilt und gehandhabt werden. Dieser Auffassung hat sich auch der 5. Senat in seinem Urteil vom 28. Januar 1971 (SozR Nr. 56 zu § 183 RVO) angeschlossen.

Da dem Kläger durch Bescheid vom 8. Juni 1964 bereits am 1. September 1963 anstelle der Rente gemäß § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO von der LVA ein Übergangsgeld gewährt worden ist, während das Krankengeld frühestens am 26. September 1963 einsetzen konnte, sind die Voraussetzungen für den Übergang des Rentenanspruchs auf die Krankenkasse (§ 183 Abs. 5, 2. Halbsatz RVO) - zuerst Gewährung von Krankengeld und dann Rente - nicht erfüllt. Die diesem Ergebnis entgegenstehenden Entscheidungen des SG Augsburg und des Bayerischen LSG waren deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670297

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